DESIGN
/
N A C H H A LT I G K E I T
Bei diesen Ikonen für den Wohn
zimmertisch zeigen großartige Könner
ihr geniales Gespür: für den Zeitgeist,
für die Formensprache, für Bauten
der Ewigkeit und für die Schönheit
unserer Erde.
Wenn Bilder Bände sprechen
PURE LIEBT, SUCHT UND FINDET GUTE FOTOGRAFIEN. Diese neuen Bildbände haben
uns fasziniert und zeigen auf dem Coffee Table immer auch das Format ihres Besitzers.
Von trendigen Rädern bis zu verborgenen Geheimnissen der Erde
BILDBÄNDE
THE EBIKE BOOK DAS BUNDESLIGA BUCH LEBEN
REVOLUTION IM SURREN FETTER FANARTIKEL UNSERE FREMDE WELT
104 105 tZruogräedgee br.eWna, rpuumr e?hWaet ielisn ieFauimblweeflütrfrEeulenkd So einen dicken „Schmöker“ über die So hat man Froschaugen wohl selten ge
licher und günstiger als jedes noch so Bundesliga gab’s noch nie (der großfor sehen. Auch die Köcherbäume scheinen
kleine Auto sind und weil sie einfach gut matige Bildband wiegt ungefähr so viel in einem noch nie gesehenen Licht fast
aussehen, die meisten wenigstens. Jeder wie die Meister-Schale). Zum 50. Jahr ihr Leben ausgehaucht zu haben und die
hat sie schon einmal vorbeischnurren ihres Bestehens darf man aber schon Feuerqualle wirkt wie ein Organismus
sehen bzw. hören. Auch pure hat immer mal klotzen – auf 320 opulenten Seiten, aus einer fremden Welt. Die entdeckte
mal wieder schicke neue Modelle in mo mit einem Vorwort von Franz Beckenbauer Frans Lanting, einer der besten Natur
dernsten Designvarianten gezeigt. Hier und Texten von den TV-Moderatoren fotografen unserer Zeit, tatsächlich – in
nun ein Überblick der E-Bikes, genauer Marcel Reif und Jessica Kastorp. Doch einer abgelegenen Lagune in West
gesagt, der erste, umfassende Blick auf es sind vor allem die Bilder, die Emotio australien. Der Holländer machte sich
einen Mobilitätstrend, der nicht mehr nen wecken. Wehmut, Stolz, (Wiederse im Jahr 2000 auf die Reise, um die
aufzuhalten ist. Und wie vielfältig die hens-)Freude, nostalgische Gefühle und Entwicklung des Lebens auf der Erde zu
Welt der batteriebetriebenen Zweiräder glückliche Erinnerungen. Wunderbare dokumentieren. Er fand dabei diesen
ist, wusste man so vorher nicht. Der Aufnahmen der Meistermannschaften vergessenen Ort, wo die Natur wie in
Boom ist ein Phänomen und wer hätte von 1964 (1. FC Köln, noch in Schwarz- einer Zeitkapsel stehen geblieben zu
gedacht, dass Fahrräder mit Hilfsmotor Weiß) bis 2013 (FC Bayern München auf sein scheint, und verbrachte Tage in
so einen Erfolg haben würden? Denn dem Rathausbalkon) und der deutschen Forschungszentren, um mikroskopische
man erinnert sich: Es gab sie schon Fußballidole: von Seeler, Netzer, Becken Lebensformen zu fotografieren. Er zeigt
früher. Allerdings mit Benzinmotor und bauer über Effenberg, Völler und Kahn uns verborgene Ansichten des Lebens
einem Image, das mehr Mitleid als Aner bis Schweinsteiger und Neuer. Eine auf der Erde, in all ihren mitunter
kennung hervorrief. Die Technologie ist Zeitreise durch ein halbes Jahrhundert seltsamen Erscheinungen, mal mikros
intelligenter geworden und das Design deutsche Fußballgeschichte mit vielen kopisch klein, mal riesige geologische
fortschrittlich. Mit Energie, Reichweite guten Bekannten (Spieler, Trainer, Sta Formationen. Lanting hat ein Auge für
und Schnelligkeit werden diese prakti dien) und ein paar weniger Bekannten die Geometrie im wunderschönen Chaos
schen Fahrzeuge die urbane Mobilität (Spielerfrauen, Fans, Bälle und der Fiat der Natur und zeigt uns die magische
rascher verändern als gedacht. Neben 500 von Willi „Ente“ Lippens). Schönheit in jeder Form von Existenz.
Sport- und Stadtmodellen bieten die
Hersteller E-Bikes auch als bequeme Jessica Kastrop & Marcel Reif Frans Lanting, Christine Eckstrom
Falträder oder in stylischen Luxus teNeues Verlag Taschen Verlag
versionen an. Und ja: Es gibt sie sogar 320 Seiten, 125 Farb- und 90 Schwarz-Weiß- 304 Seiten, 25 x 31 cm
auch als Mountainbike. Fotografien, 29 x 37 cm 19,99 Euro
49,90 Euro ISBN: 978-3822839911
teNeues Verlag ISBN: 978-3-8327-9738-6
220 Seiten, 285 Farbfotografien, 25 x 32 cm
49,90 Euro
ISBN: 978-3-8327-9701-0
ARCHITEKTEN! BRASÍLIA CORPORATE MUSEUMS
DIE GANZ GROSSEN DIE EROTIK IM RUNDEN ZEIGT HER EURE SACHEN
Wer kennt sie schon alle? Und ihre „Ein Buch, in dem Clergue nicht ohne Dass ein Adidas-Museum nicht in Form
Bauwerke? Der kompakte Band stellt 200 Augenzwinkern seine Gespräche mit eines Fußballschuhs gebaut werden
Baumeister aus fünf Jahrhunderten vor, Niemeyer über Rundungen jeder Art kann (es von den Auftraggebern zumin
von Aalto bis Zumthor. Wann hat hervorhebt“ (FAZ). Eine zutreffende Be dest nicht gewünscht wurde) und dass
Brunelleschi den Florentiner Dom schreibung für die Vorliebe der beiden, das Michelin-Museum nicht kreisrund
gebaut? Wer zeichnete für die Oper in des Fotografen und des Architekten, für wie ein Reifen ist, muss man verschmer
Sydney verantwortlich und wo steht das erotisch wirkende Kurven. Oscar Nie zen können. Die Aufgabe der Planer von
Rietveld-Schröder-Haus noch mal? Viele meyer, einer der großen Architekten des Firmenmuseen ist es vielmehr, Besu
Fragen, die meist auf einen Blick beant vergangenen Jahrhunderts, durfte in der cher auf andere Art zu fesseln. Dieser
wortet werden. Die Architekten werden neu erbauten brasilianischen Haupt Band zeigt die Möglichkeiten dazu und
anhand eines ihrer wichtigsten Werke stadt in den Jahren 1962/63 zahlreiche auch, mit welch aufwendigen Mitteln
kurz und bündig skizziert. Jeder Meister Gebäude entwerfen. Kühne Schönheiten, Unternehmensgeschichten und Produkt
bekam nur eine Seite, egal ob berühmt die das Auge dazu verführen, den Schwin philosophien präsentiert werden. Über
oder nur Insidern bekannt. So entstand gungen von Niemeyers selbstbewusst- raschend, welche Firmen sich Museen
eine Art Hitliste der bedeutendsten zukunftsfreudiger Architektur zu folgen. leisten, wie die aussehen und was sich
Schöpfer von historischen bis aktuellen Lucien Clergue, einer der bedeutendsten die Architekten und Ausstellungsmacher
Gebäuden, die allerdings nicht werten, Fotografen unserer Zeit, wurde durch dazu einfallen lassen. Denn unter ande
sondern nur die enorme Bandbreite seine Aktfotografien berühmt, deren ren mussten sie diese Sachen präsen
an schönen, spektakulären, modernen, ästhetische Sinnlichkeit auch Pablo tieren: Autos, Bäder, Fußballutensilien,
schlichten oder verspielten Bauten auf Picasso und Jean Cocteau begeisterten. Hochdruckreiniger, Käse, Kaffeemaschi
zeigen und ihre Schöpfer kurz porträtie In Brasília trat der Franzose erstmals als nen, Kosmetik, Kristalle, Plüschtiere,
ren will. Ein praktisches Kompendium, Architekturfotograf auf und entdeckte in Schokolade, Spiele, Uhren, Wohnmobile
um sein Basiswissen aufzufrischen mit Niemeyers Bauten ungeahnte Parallelen und Zeppeline – mal repräsentativ, mal
vielen interessanten Details. zu seinen früheren Motiven. Der Band kreativ.
enthält zahlreiche Aufnahmen, die
Paul Cattermole und Simon Forty bislang als verschollen galten. Jons Messedat
Prestel Verlag Avedition
236 Seiten, 200 farb. Abb., 24 x 24 cm Lucien Clergue 320 Seiten, 360 Farbabb., 22,7 x 31 cm
24,95 Euro Hrsg. u. Text Eva-Monika Turck 65 Euro
ISBN: 978-3-79134768-4 Hatje Cantz Verlag ISBN: 978-3-89986-176-1
204 Seiten, 102 Abb., 28,70 x 28,70 cm
48 Euro
ISBN: 978-3-7757-3550-6
VORSCHAU April / Mai / Juni
02 DAS MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT/DESIGN/NACHHALTIGKEIT
2014 Die nächste erscheint im März 2014
VORSCHAU
Auch im Zeitalter der industriellen Großserienfertigung gibt es nach wie vor Produkte, die besonders liebevoll
und sorgfältig in bester handwerklicher Tradition hergestellt werden. Was kennzeichnet Manufakturen, was sind
industrielle Manufakturen, WAS MACHT DEN EIGENTLICHEN WERT VON MANUFAKTUR-PRODUKTEN AUS?
106 Im Bereich Wohnen feiert das STAHLROHR eine bemerkenswerte Renaissance: Die minimalistischen Möbel
eines Mart Stam, Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe oder Le Corbusier verkörperten zu ihrer Zeit eine
neue Haltung in der Architektur, galten als revolutionäre Errungenschaft – ein klassisches Erbe, das von Her-
stellern wie Thonet nicht nur gepflegt wird, sondern jetzt auch mit neuem Look überrascht. Ein neuer Look
macht sich auch in den Innenräumen von immer mehr Autos breit: Wir sind dem TREND HIN ZU NATÜRLICHEN,
AUTHENTISCHEN MATERIALIEN nachgegangen. Unsere Laufschuhe und Trainingsanzüge kommen überwie-
gend aus Fernost – wie genau nehmen es die Hersteller dabei mit der Nachhaltigkeit? Die SPORTARTIKEL
HERSTELLER IM NACHHALTIGKEITS-CHECK. Nahrung ist lebensnotwendig, ZUSATZSTOFFE sind dagegen
oft sogar schädlich. Warum sind unsere Lebensmittel dennoch voll damit? KAFFEE – in Maßen genossen – scha-
det der Gesundheit übrigens garantiert nicht. Es gibt aber große Unterschiede – in der Qualität ebenso wie in
der Nachhaltigkeit des Anbaus. Daneben finden Sie unsere festen Rubriken und nicht zuletzt den pure QUALITY
AWARD für zehn vorbildliche Produkte.
Wir bitten um Verständnis, wenn angekündigte Themen aus Aktualitätsgründen verschoben werden.
Bildnachweise: S. 20: Rainer Viertlböck (Setzkasten-Foto), Myrzik + Jarisch, München (Porträt-Foto); S. 30-31: klaus vyhnalek.
Ansonsten, falls nicht gesondert erwähnt: Hersteller.
UNSER ARCHIV – DIE EINZELHEFTBESTELLUNG
Die Nachfrage freut uns – folgende Ausgaben von pure können Sie nachbestellen. (Je 9,80 € zuzüglich Porto, eine detaillierte Kostenaufstellung
erreicht Sie vorab per Mail.) Auch hier gilt die Adresse unseres Service-Teams: info@premiumpark.de
WAHRE
WERTE
ENTDECKEN!
VERLAG GESTALTUNG ANZEIGEN VERTRIEB
PremiumPark GmbH xix GmbH Berlin / www.xix-berlin.de Anzeigenkoordination: Susanne Piendl DPV Network GmbH
Oberföhringer Straße 280 Nina Heidtkamp (Art Direction) piendl@premiumpark.de Postfach 57 04 12
D-81925 München D-22773 Hamburg
AUTOREN VERLAGSVERTRETUNGEN Tel.: +49 (0)40 37845-3313
KONTAKT Norman Kietzmann / Claudia Simone Hoff Nielsen IV www.dpv-network.de
PremiumPark GmbH Katharina Krawczyk / Jo Clahsen MAV Media Anzeigen-Verkaufs GmbH
Redaktion pure Daniel Schönwitz / Dr. Thomas Hauer Stievestraße 16 / 80638 München DRUCK
Lamontstraße 9 Jürgen Stellpflug / Gisbert L. Brunner Tel.: +49 (89) 745083 - 0 NEEF + STUMME
81679 München Sandra Makowski / Reinhart Buchner Fax: +49 (89) 745083 - 25 premium printing
info@premiumpark.de Elmar Schüller / Hans-Joachim Rehg info@mav-muenchen.com GmbH & Co. KG
+49 (89) 411905 - 55 Dirk Maxeiner / Katharina Horstmann Schillerstraße 2
Dagmar Rümenapf / Peter Grett MEDIENQUARTIER HAMBURG 29378 Wittingen
REDAKTION Werner Köstle / Ingrid Horn Gertrudenkirchhof 10 / 20095 Hamburg
Klaus-Peter Bredschneider Tel.: +49 (40) 325 07 45 - 45 ABO-SERVICE
(Gesamtleitung (V.i.S.d.P.)) FOTOGRAFEN Tel.: +49 (40) 325 07 45 - 40 interabo GmbH
Andreas Günther / Henrik Pfeiffer / Esther Neuman (Editorial) schmieding@premiumpark.de Postfach 10 32 45
Michael Möser / Felix Brendel / 20022 Hamburg
Anna-Maria Mainka Tel.: +49 (0)30 / 611 05 28 08
Elisabeth Melachroinakes (Schluss Fax: +49 (0)30 / 611 05 28 09
redaktion) pure@interabo.de
Geberit Duschelement
Schöner
Duschen.
Für wirkliches Duschvergnügen braucht es einen perfekten Ablauf:
leistungsfähig, leise, reinigungsfreundlich und bitte nicht direkt unter
den Füßen. Das Geberit Duschelement löst diese Herausforderungen
elegant.
→ www.geberit.de/duschelement-info
MESURE ET DÉMESURE
TONDA 1950
Roségold
Extraflaches Automatikwerk
Hermès Alligatorlederband
Made in Switzerland
www.parmigiani.ch
BERLIN JUWELIER ZEWI | BOCHUM JUWELIER HEIDI BOXBÜCHER | DÜSSELDORF JUWELIER HESTERMANN & SOHN
FRANKFURT JUWELIER RÜSCHENBECK | HAMBURG JUWELIER HANSEN | KÖLN JUWELIER GADEBUSCH | MÜNCHEN LE STUDIO PARMIGIANI
MÜNSTER JUWELIER OEDING-ERDEL | STUTTGART CHRONOMETRIE VON HOFEN | KAMPEN/SYLT JUWELIER SPLIEDT
FÜR WEITERE INFORMATIONEN UND HÄNDLERADRESSEN: PARMIGIANI FLEURIER DISTRIBUTION DEUTSCHLAND GMBH, FON +49 89 210 204 64 0
DAS MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT / DESIGN / NACHHALTIGKEIT
02
APR–MAI
2014
WAHRE Manufakturen
WERTE
HANDWERKSKUNST
ENTDECKEN! WIEDER ENTDECKT!
AUTO //////// Hybrid auf der Überholspur MENSCHEN IN PURE /////////////////// Bernd D. Ehrengart UNTERNEHMER
SPORT //////// Adidas & Co. unter der Lupe Fritz Böhle ARBEITSWISSENSCHAFTLER // Hubert Sanktjohanser SCHREINER
WOHNEN / Die Renaissance des Stahlrohrs //// Max Dietl SCHNEIDER ////////////////////// Peter Maly DESIGNER //////////
Cornelia Horsch AWARD-MACHERIN ////// Jutta Geldermann PROFESSORIN
Andreas Gerecke PORZELLAN-MANAGER ///////////////////////////////////////////////
KraftstoKffravfetrsbtoraffuvcehrbinral/u1c0h0inklm/1: 0in0nkemro:ritnsn8e,r4o–r5ts,18; ,a4u–ß5e,1ro; ratusß5e,r6o–r3t,s75; ,6–3,7;
kombinkieormt 6b,in6i–e4r,t26;,C6O–24-,E2m; CisOs2io-Enmenisisniogn/eknmi:nkgo/mkmbi:nkieormt 1b5in4ie–r1t1105. 4–110.
SScchhöönnwweettteerr--
frfroonntt. .
Das DneausenAeuuediAAu3diCAa3brCioalberti.olet.
JetztJeetnzttdeenctkdeencakuenf wauwfww.awuwd.ia.dued/ia.d3ec/aab3rcioalbertiolet
TESTERGEBNISSE Wenn wir nach Hause kommen,
beachten wir die Post auf dem
HiFi Test 2/2014 Spitzenklasse Tisch und das Geschirr in der
sehr gut Spüle nicht. Wir blenden die
AUDIO TEST 2/2014 sehr gut noch nicht zusammengelegte
sehr gut Wäsche aus und kümmern uns
Satvision 2/2014 sehr gut auch nicht um die seltsamen
Geräusche, die der Kühlschrank
Video 3/2014 von sich gibt. Denn wir sind zu
Hause. Und zu Hause
unwasreterteimMmuesrik
auf uns.
av-magazin.de 1/2014
Musik-Streaming mit nur einem Tastendruck SoundTouch™ 20
Ab sofort können Sie einfach per Tastendruck auf Internetradio und Ihre Wi-Fi® Music System
gespeicherte Musik zugreifen. Alles was Sie brauchen ist ein lokales Heimnetzwerk
(WLAN), und schon können Sie Musik streamen und in klarem, raumfüllendem
Spitzenklang aus einem System genießen, das Sie beinahe überall zu Hause
aufstellen können.
www.bose.de
©2014 Bose Corporation. Wi-Fi ist eine eingetragene Marke der Wi-Fi Alliance. Ein lokales Heimnetzwerk
(WLAN) und ein Internetzugang sind erforderlich. Das Design der „Wireless Note“ ist eine Marke der
Bose Corporation.
EDITORIAL
Gut Ding will Weile haben
Klingt wie ein Anachronismus aus einer Zeit, in der un- Es geht um Werte, um Haltungen und darum, dass uns
ser Leben noch nicht vom dauernden Wettlauf gegen wieder bewusster wird, was wir machen, erleben, essen,
die Uhr bestimmt war. Heute geht es um Zeitmanage- konsumieren ... Im Prinzip ist dies genau das Thema,
ment, permanent schwebt das Damoklesschwert der das sich wie ein roter Faden durch pure zieht: umwelt-
verlorenen Zeit über uns, die nur Geld kostet. Wir sind bewusst leben, verantwortungsbewusst konsumieren,
gehetzt, getrieben, genervt und wissen natürlich ganz gezielt genießen. So richtig ausleben lässt sich die-
genau, dass diese stete Beschleunigung auf Dauer nicht ser Anspruch wieder einmal mit unserem Titelthema:
funktionieren kann. Manufakturen. Kein geschützter Begriff, eher ein häu-
fig missbrauchter, schließlich sind Manufakturen bis
Zu jeder Strömung entwickelt sich aber eine Gegen- hin zur industriellen Manufaktur ganz groß im Kom-
strömung. Auf Beschleunigung folgt Entschleunigung, men. Wir stellen Ihnen die wichtigsten und erfolg-
auf Fast Food Slow Food, auf Verschwendung nachhal- reichsten vor und haben, was unseren Umgang mit
tiger Konsum, auf MP3-Musik vom Handy wieder der dem Begriff anbelangt, zudem tiefer nachgeforscht –
Genuss von Schallplattenmusik, nachdem zuvor der beispielsweise bei dem Arbeitssoziologen Prof. Dr. Fritz
Tonabnehmer sorgfältig eingestellt wurde. All das lässt Böhle (das komplette Interview ab Seite 32), der dazu
sich förmlich zelebrieren. Auch junge Menschen kaufen unter anderem sagt: „Manufaktur definiert sich un-
wieder Analogfilme (es gibt sie tatsächlich noch) und er- abhängig von der Summe der produzierten Güter –
leben so, dass Fotografie viel mehr sein kann als flüchtig es geht um die Produktionsform.“ Was zeichnet eine
geknipste Schnappschüsse, die auf Nimmerwiedersehen Manufaktur also wirklich aus? Lassen Sie sich über
irgendwo in den Tiefen der Festplatte landen. raschen. Und anregen und entschleunigen ...
Klaus-Peter Bredschneider // Herausgeber
IHRE MEINUNG ZÄHLT!
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir wollen Sie näher kennenlernen und von Ihnen wissen, wie Ihnen pure
gefällt. Was erwarten Sie, was vermissen Sie? Sagen Sie uns einfach Ihre
Meinung, damit wir pure ganz in Ihrem Sinne weiterentwickeln können.
Und so machen Sie mit: Um es möglichst einfach für Sie zu halten, verzichten
wir auf das Einsenden von ausgefüllten Fragebögen und stellen das, was wir
gerne von Ihnen erfahren möchten, online. Besuchen Sie uns doch einfach
ab 2. April unter
www.pure-magazin.com/Leserumfrage
Wir freuen uns auf Ihre Meinung und verlosen als Dankeschön für Ihre
Mühe und Zeit unter allen Teilnehmern 20 pure Jahresabonnements sowie
drei Nomos Tangente Armbanduhren mit Manufakturkaliber. Die Tangente
verkörpert die Glashütter Uhrenmanufaktur wie kein zweites Modell, Form
und Qualität sind mehrfach preisgekrönt. Wert: 1.320,- Euro. Machen Sie
also mit, gewinnen Sie mit!
INHALT // 02|14
DEMS EECDODIEESNIGISNPTABURNDTENSPERERISES Der Werkstoff aus dem Was er in sein Haus stellt, Was will, was braucht man
Wald trägt noch so viel muss weiß sein. Bei sei- wirklich aus der Überfülle
von der Lebendigkeit der nen Entwürfen hingegen an neuen Küchenhelfern
Bäume in sich, denen er verschmähte er selbst und Tableware? Unser
entstammt, dass er wie kräftige Farben nicht. In Favorit (siehe auch Cover)
kaum ein anderes Material der Möbelbranche gilt ist „Ca‘ d‘Oro“, kreiert von
zu Kreativität anregt. Und er als Vertreter deutscher Sieger Design für Sieger
die Ideen sprudeln – vom Rationalität. Er selbst sagt by Fürstenberg ...
Zwei-Funktionen-Teppich von sich: „Ich bin auch
bis zur Furnier-Brille ... irrational“ ...
78 HOLZ-NOVITÄTEN 48 PETER MALY 92 TAFEL + KÜCHE
6 7
Manufakturen
08 HANDGEFERTIGTE WERTE
Alle wollen, alle dürfen, aber nicht alle
können Manufaktur sein. pure stellt
die Könner vor.
32 FRITZ BÖHLE
Der Arbeitssoziologe über die Idealisie-
rung des Begriffs Manufaktur
Menschen
48 GROSSE DESIGNER: PETER MALY
Seine Möbel sind keine Egomanen,
sondern Teamplayer, die mit anderen
Dingen im Raum ein Ganzes bilden.
Architektur & Wohnen
40 STAHLROHRMÖBEL
In den 1920er Jahren entdeckten
die Designer Stahl plötzlich für den
Wohnraum – ein Krimi.
Solls ein Mikro- oder ein Woher kommt das T-Shirt? Karl Marx verteufelte sie. Wer hat sie erfunden?
Misch-Hybrid sein? Ein Sind die Schuhe korrekt Die Allgemeinheit sieht in Diese Frage beschäftigt
Mild- oder ein Voll-Hybrid? gefertigt? Die Sportarti- ihnen das Ideal beschau- noch heute Kunstwissen
Ein serieller, ein paralleler kel-Giganten adidas und lichen handwerklichen schaftler und Juristen.
oder besser doch gleich Puma haben aus harter Arbeitens. Wir zeigen, Fraglos eines der berühm-
ein Plug-in-Hybrid? Wir Kritik gelernt und gehen was sie heute tatsächlich testen Stücke ist Marcel
klären Sie umfassend auf nun in kleinen, ehrlichen sind und welche Werte Breuers stoffbespannter
über die Antriebsart, die Schritten den langen Weg die Mutigsten unter ihnen Klappsessel „D4“ ...
hierzulande bald die Nase zur Nachhaltigkeit ... erschaffen ..
vorn haben wird ... STAHLROHRMÖBEL
SPORTMODERIESEN 08
102 HYBRIDAUTOS 64 MANUFAKTUREN 40
46 THORSTEN MUCK 72 BUNDESPREIS ECODESIGN Technik & Innovation
Der Thonet-CEO über alte Erstmals wird der ökologische Aspekt 78 HOLZ-NOVITÄTEN
Klassiker mit neuen Funktionen von Produkten ebenso hoch bewertet
wie ihre Designqualität. Ein alter Bekannter zeigt sich so
26 BERND D. EHRENGART flexibel wie nie und geht über
raschende Liaisons ein.
Der Lambert-Chef über deutsche 74 CORNELIA HORSCH
Wohnkultur und Rabattschlachten 84 SERGE LUNIN
Die Preis-Organisatorin über ökolo-
gisches Design als Charakteristikum Der Gestalter über duktiles Holz und
Produkte fantastische Schallabsorption
34 AUSGEZEICHNETE VORBILDER Lebensart Auto & Mobilität
Mit dem pure Quality Award zeichnen 92 TABLEWARE, KÜCHENHELFER & CO. 102 HYBRIDANTRIEB
wir regelmäßig 10 Produkte für ihr
nachhaltiges Design aus. Tausende von Neuheiten – viele sind pure untersucht, warum Autos mit
schön, einige praktisch, manche sogar dieser Technik nach holprigem Start
Wirtschaft nachhaltig. Ein Blick auf den Markt. nun plötzlich die Zukunft gehört.
76 JUTTA GELDERMANN 100 ANDREAS GERECKE Rubriken
Die Wirtschaftswissenschaftlerin über Der Rosenthal-Marketingchef über 05 EDITORIAL
ein ressourceneffizientes Europa männlichen und weiblichen Geschmack 110 BILDBÄNDE
114 VORSCHAU // IMPRESSUM
56 UNTERNEHMEN: OLIGO 86 LEBENSMITTEL-ZUSATZSTOFFE
Seit über 25 Jahren die Marke für Sind sie wirklich unverzichtbar?
innovative Lichtsysteme. Jetzt erfindet Wir leuchten tief in das Verwirrspiel
sich OLIGO neu – und bleibt sich
doch treu. um Zwänge, EU-Normen und
Definitionen.
64 SPORTARTIKELHERSTELLER
91 HINNERK EHLERS
Rasch stellt man sie an den Pranger –
der genauere Blick sieht ihr redliches Der FRoSTA-Vorstand über zusatzstoff-
Streben in Richtung Nachhaltigkeit. freie Tiefkühlkost
70 VINCENT STANLEY
Der Patagonia-Ethikchef über Verant-
wortungsbewusstsein und Zuversicht
MANUFAKTUREN // Handgefertigte Werte
DESIGN
/
N A C H H A LT I G K E I T
Wir wärmen uns an den Buchstaben: „Manu-
faktur“ steht für ein Lebensgefühl des Edlen und
Humanen. Wer sein Geld für ein „Manufaktur“-
Produkt ausgibt, hat keine Ausbeutung armer
Arbeiter am Fließband betrieben. Eine Verklä-
rung – die nicht mit den Realitäten des glo-
balen Marktes übereinstimmt. „Manufak-
tur“ definiert sich weit stärker über
strategisch-ethische Vorgaben
der Firmenchefs.
8 9
Unserer
Hände Arbeit
Alle wollen „Manufaktur“ sein. Dabei unterliegt der Begriff harten wissen-
schaftlichen Spielregeln. Aber keinen juristischen. Weshalb jeder darf.
Wenngleich nicht jeder kann. pure zeigt die Könner – DIE SPANNENDSTEN,
MUTIGSTEN MANUFAKTUREN DER GEGENWART. Die auf höchst individu-
elle Art das Ideal leben
Von Andreas Günther
Sie stehen genau in der Mitte: Manufakturen lockten die mittelal-
terlichen Einzelgänger des Handwerks unter ein Dach – zugleich
gelten Manufakturen als direkte Vorläufer der modernen Fabrikfer-
tigung. Karl Marx wetterte in seinem „Kapital“ laut: Die Manufaktur-
Periode habe die „gesellschaftliche Zerspaltung der Arbeitszweige“
eingeführt, „das Individuum an seiner Lebenswurzel“ ergriffen. Die
Manufaktur sei kurzum „Anstoß zur industriellen Pathologie“.
Das würde heute keiner mehr so unterschreiben. Die Manufaktur
ist alles andere als verdammenswert. Heute will fast jedes Unter-
nehmen der Edelklasse eine Manufaktur sein. Manufakturen kün-
den von fast künstlerischer Durchdringung der Endprodukte. Was
nicht selten den Preis anhebt. Streng wissenschaftlich aber nicht
vertretbar ist.
Der Begriff „Manufaktur“ unterliegt keinem juristischen Schutz.
Eine GmbH muss Spielregeln erfüllen, „Manufaktur“ rangiert hin-
gegen als selbstverliehener Ehrentitel. Wer ganz tief recherchie-
ren will, wird eher irritiert – sogar Juristen haben den Wert dieser
Bezeichnung erkannt, nennen sich „juristische Manufaktur“ und
versprechen eine „ganzheitliche“ Dienstleistung.
Wer den unzweifelhaft echten Manufaktur-Gedanken sucht, muss
an die Wurzeln zurück. Deutschland hat beispielsweise zwei große
Namen im kulturellen Portfolio: die Porzellan-Manufaktur Meissen
und die Bleistift-Manufaktur des Schreiners Caspar Faber nahe
Nürnberg. Während keiner die Entstehungswege des heutigen
Meissner Porzellans anzweifeln würde, wirkt beim Giganten Faber-
Castell die Bleistift-Herstellung als global aufgestellte Fertigungs-
kette mit zwei Milliarden Stiften jährlich doch etwas weit vom
Manufaktur-Gedanken entfernt. Oder?
Wir haben nachgefragt. Bei dem Arbeitssoziologen Prof. Dr. Fritz
Böhle (das komplette Interview ab Seite 32), der eine wichtige Bot-
schaft bereithält: „Manufaktur definiert sich unabhängig von der
Summe der produzierten Güter – es geht um die Produktionsform.“
Weshalb sich in der Branche auch der Spagat-Begriff „industrielle
Manufaktur“ gefestigt hat. Wer die Kernbotschaft nur in einer Wer-
bemaßnahme sehen will, könnte den schönen Trend verpassen:
Handarbeit, insbesondere „made in Germany“, zählt wieder was.
Bei uns und in der Welt. Die erfolgreichsten und anregendsten
Geschichten erzählt das Leben – und wir auf den folgenden Seiten.
MANUFAKTUREN // Handgefertigte Werte
Schweizer Seegang:
Parmigiani versteht sich
als Vorkämpfer der „Haute
Horlogerie“ – zu Recht. Für
einen Hamburger Juwelier
entstand ein maritimes
Sondermodell mit feinster
Intarsienarbeit.
10 11
PARMIGIANI GRÜNDUNGS-
JAHR
Das Herz der Zeit
1996
Eine Geschichte wie aus einem Roman von Charles Dickens. Die gegründet. Eine Manufaktur gegen die Strömungen der Zeit. Eine
Sandoz-Familienstiftung benötigte den perfekten Restaurator für richtungweisende Idee im tiefsten Manufaktur-Sinn. Denn bei Par-
die eigene, umfassende Sammlung historischer Uhren. Schnell migiani Fleurier arbeiten während des gesamten Entstehungspro-
wurde man auf Michel Parmigiani aufmerksam. Der Schweizer re- zesses alle beteiligten Gewerke unter einem gemeinsamen Dach.
sidierte in der kleinen Gemeinde Fleurier – einem Epizentrum der In feinster Abstimmung. Eingebettet in das stiftungseigene Kom-
Schweizer Uhrenindustrie. Falsch – es ist eher der Kern des tiefsten petenzzentrum MHF („Manufactures Horlogères de la Fondation“)
Schweizer Manufakturwissens. Klein, bescheiden, aber immanent. wird das Wissen traditioneller Uhrmacherkunst weitergetragen
Bereits im 18. Jahrhundert genossen Uhren aus den Werkstätten und perfektioniert. Ob Gehäuse, Unruhspirale, Zahnräder, Schrau-
der Familien Bovet oder Vaucher Weltruf. Bis heute gelten die me- ben oder Zifferblätter: Jeder Fertigungsschritt erfolgt Hand in Hand
chanischen Meisterwerke aus Fleurier im abgeschiedenen Val de und unter strengen Qualitätsmaßstäben. Eine der exklusivsten
Travers als Synonym für das Besondere. Michel Parmigiani wuchs Manufakturen der Welt. Die erst kürzlich für den Hamburger Ju-
dort auf, gründete 1976 sein eigenes Atelier und wurde zum ge- welier Hansen zu dessen 200. Firmenjubiläum eine Sonderedition
fragten Restaurator kostbarer Tisch- und Taschenuhren. Der Thron des hauseigenen Modells Tonda 1950 auflegte. Als Hommage an
der Haute Horlogerie. die Historie der Hafenstadt zieren Anker als feinste Intarsienarbeit
Die Sandoz-Stiftung erkannte das Potenzial von Parmigiani – auch das Zifferblatt. Hinter der bewusst in der Meeresfarbe Blau gehal-
und insbesondere für eine heutige Manufakturfertigung. Man teilte tenen Front arbeitet ein mechanisches Manufakturwerk mit einem
den Glauben an ein Wiederaufleben der traditionsreichen mecha- Mikrorotor aus Platin. Die tiefere Botschaft: Schweizer Edeluhren
nischen Uhrenherstellung in der Region. Diese Kunst war von der gibt es wie das Klischee in Bond-Filmen – echte Manufakturstücke
elektronischen Produktion fast vollständig verdrängt worden. Und sind hingegen spärlich gesät. Ein Angebot-Nachfrage-Verhältnis,
damit auch altes Wissen und Können beinahe verschwunden. 1996 das sich natürlich auch im Preis niederschlägt: Die Hansen-Tonda
wurde als bewusste Gegenbewegung die Marke Parmigiani Fleurier kostet rund 23.000 Euro.
Wie den Manufaktur-
Gedanken in die Gegenwart
bringen? Faber-Castell ver-
knüpft die eigene Tradition
einer mitteleuropäischen
Handwerksordnung mit
modernen, globalen Unter-
nehmensstrukturen.
FABER-CASTELL GRÜNDUNGS-
JAHR
Hochkultur der Kreativität
1761
Um die Vorstellungskraft anzuheizen: Faber-Castell fertigt über und gefüttert werden. Zudem vollführt Faber-Castell in der „Pen
zwei Milliarden „holzgefasste“ Stifte pro Jahr. Seit dem Grün- of the Year“-Reihe, wie Handwerkskunst im maximal Besonderen
dungsjahr 1761 residiert das Unternehmen im Mittelfränkischen – aussehen kann. Das Unternehmen huldigt hier einem Anspruch
die Fabrik und ein eindrucksvoller Schlosskomplex befinden sich zwischen Schreibutensil und der Hochkultur eines Juweliers vom
im Städtchen Stein an der Stadtgrenze von Nürnberg. Dort wird Schlage Fabergé. Die Schätze werden mal aus strahlender Jade
geforscht und produziert. Weitere Produktionsstätten sind über geformt oder in der dezenten Kombination von 1.700 Jahre alter
den Erdball verteilt. Von den insgesamt 7.500 Mitarbeitern sind Mooreiche und Blattgold. Ein Jubiläumsmodell mit 58 Diamanten
„nur“ 1.100 im Mutterland daheim. Die hauseigene – und weltweit wurde 2012 anlässlich des 60. Thronjubiläums von Queen Elizab eth
größte – Fabrik für Blei- und Buntstifte residiert in São Carlos im im Kaufhaus Harrods ausgestellt – limitiert auf zehn Exemplare,
Südosten Brasiliens. Im Jahr 2000 unterzeichnete Anton-Wolfgang für 70.000 Euro das Stück.
Graf von Faber-Castell eine Sozialcharta. Mit ihr verpflichtet sich Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell: „Das Wort ‚Luxus‘ ist mir
das Unternehmen freiwillig, in allen Gesellschaften der Unterneh- suspekt, da es für mich den Beigeschmack von Protz und Überfluss
mensgruppe die von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat, und ich interessiere mich weder für das eine noch für das an-
empfohlenen Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen zu gewähr- dere. Luxus im Sinne von etwas Besonderem, einem Gegenstand
leisten. Die Ressourcen für seine Produkte pflanzt Faber-Castell von außergewöhnlichem Wert mit überlegener Funktion und sorg-
selbst an: Mit viel personellem Aufwand bewirtschaftet das Unter- fältiger Verarbeitung schätze ich hingegen sehr.“
nehmen unter anderem 10.000 Hektar Pinienwälder in Brasilien. Und: „Langfristig gibt es für uns zwei Bereiche, von denen wir
Wie viel Handarbeit steckt in einem heutigen Bleistift? Erstaun- uns nachhaltiges Wachstum versprechen: Zum einen sind das
lich viel – ohne den Faktor Mensch würde die Großserienproduk- Produkte für Kinder, die pädagogisch wertvoll sind und die Kreati-
tion ins Stocken geraten. Die stattliche Zahl der Beschäftigten ist vität anregen; zum anderen setzen wir auf erlesene Schreibgeräte
offensichtliches Zeichen. Die „Bleistiftstraßen“ müssen bestückt und Accessoires.“
AUSGEZEICHNET GANZ EINFACH
AUSGESTATTET.
EINSTEIGEN
Der SEAT Leon.
/ NULL ANZAHLUNG1
/ NULL ZINSEN1
/ 4 JAHRE GARANTIE2
/ 4 JAHRE VERSICHERUNG
INKL. TEIL- UND VOLLKASKO3
AB 184 € MTL.1
Testsieger* bei:
Entdecken Sie den Testsieger* mit vielen Ausstattungs-Highlights, wie z.B.:
/ Voll-LED-Scheinwerfer4 / Adaptive Fahrwerksregelung (DCC)5 / Assistenz-Paket4
Perfekte Sicht: Die langlebigen sowie Maximaler Fahrkomfort: Das adaptive Automatische Distanzregelung (ACC)4 und
wartungsfreien Voll-LED-Scheinwerfer leuchten Fahrwerk passt sich automatisch jeder Umfeldbeobachtungssystem Front Assist4
die Straße perfekt aus. Fahrsituation an. mit City-Notbremssystem.
SEAT empfiehlt AUCH ÜBER: SEAT.DE
SEAT Leon 5-Türer 1.2 TSI, 63 kW (86 PS) Kraftstoffverbrauch (l/100 km): innerorts 6,5, außerorts 4,4, kombiniert 5,2; CO2-Emissionen (g/km): kombiniert 119.
SEAT Leon Kraftstoffverbrauch (l/100 km): kombiniert 5,9–3,3; CO2-Emissionen (g/km): kombiniert 137–87.
Beispielrechnung1 für den SEAT Leon 1.2 TSI, 63 kW (86 PS), berechnet für eine jährliche Fahrleistung von 10.000 km: Barzahlungspreis (unverbindliche Preisempfehlung der SEAT Deutschland GmbH, zzgl. Überführungs-
und Zulassungskosten): 15.490,00 €; Nettokreditbetrag: 15.490,00 €; Anzahlung: 0,00 €; Zinsen: 0,00 €; Gesamtbetrag: 15.490,00 €; Laufzeit: 48 Monate; Sollzins (gebunden) p. a.: 0,00 %; effektiver Jahreszins: 0,00 %;
mtl. Finanzierungsrate: 159,00 €; Schlussrate: 7.858,00 €; mtl. Versicherung inkl. Teil- und Vollkasko: 25,00 €; mtl. Finanzierungsrate inkl. Versicherung: 184,00 €.
*Testsieger bei: „Duell der kompakten Sportler“, auto motor und sport 02/2013; „Typen mit Biss“, AUTO ZEITUNG 25/2012; „Kompakte Diesel im Test“, AUTO BILD 09/2013. 1Ein Finanzierungsangebot der SEAT Bank, Zweig-
niederlassung der Volkswagen Bank GmbH, Gifhorner Straße 57, 38112 Braunschweig, für Privatkunden und Finanzierungsverträge mit 12–48 Monaten Laufzeit. Gültig für SEAT Leon Neuwagen. Bonität vorausgesetzt.
Weitere Informationen erhalten Sie bei Ihrem teilnehmenden SEAT Partner. Nicht kombinierbar mit anderen Sonderaktionen. Eine gemeinsame Aktion der SEAT Deutschland GmbH und aller teilnehmenden SEAT Partner.
2Garantieleistung abhängig von Finanzierungslaufzeit. Garantiedauer von maximal 4 Jahren bei Finanzierungslaufzeit von mindestens 48 Monaten. Garantieleistungen werden durch die Volkswagen Versicherung AG er-
bracht. 3Die Versicherungsleistungen, bestehend aus Vollkasko, Teilkasko und Haftpflicht, werden durch die Volkswagen Autoversicherung AG erbracht. Gültig für Privatkunden, die einen Pkw zulassen. Laufzeit gebunden
an den Finanzierungsvertrag der SEAT Bank, maximal 48 Monate Laufzeit, abhängig von Fahrzeugmodell. Ab 23 Jahre (Versicherungsnehmer und jüngster Fahrer). 4Optional ab Ausstattungslinie Style. 5Nur erhältlich für
bestimmte Motorvarianten des Leon, optional für die Ausstattungsvariante FR. Abbildung zeigt Sonderausstattung.
MANUFAKTUREN // Handgemachte Qualität
Automobile per Manu-
faktur? Das geht – auch
wissenschaftlich korrekt.
Es kommt unter anderem
darauf an, dass Fach-
handwerker unter einem
Dach ihrem gemeinsamen
Rhythmus folgen.
VW – DIE GLÄSERNE MANUFAKTUR GRÜNDUNGS-
JAHR
Limousinen gegen den Strom
1999
Das Gebäude ist nur die halbe Miete. Die Idee zählt. In all Ihrer wurden konsequent auf die Menschen in der Manufaktur zuge-
Vielfalt. Zum einen wollte Volkswagen den Osten der Republik schnitten. Bei hoher Eigenverantwortung. Volkswagen will in Dres-
mit in die Produktionswege einbeziehen – eben Flagge zeigen. Die den eine Fertigungsqualität auf dem höchsten Niveau erreichen.
auch gesehen werden sollte – von den Ostdeutschen wie von der Hier entsteht das höchste Modell der markeneigenen Limousinen-
ganzen Welt. Konsequenterweise wählte man Dresden. Eine Stadt klasse, der Phaeton. Den man als Kunde am besten in der Manufak-
der Pracht, die Stadt August des Starken – Kulturschätze und ba- tur selbst abholt. Der Ort lockt bewusst als Schnittstelle zwischen
rockes Lebensgefühl. Vor allem auch gesegnet mit der Liebe zur Event- und Fertigungsbereich. Als das Jahrhunderthochwasser der
kunstfertigen Herstellung im Umkreis – Porzellan, Uhren ... Elbe die Semperoper unbespielbar machte, stellte Volkswagen die
„Gläsern“ ist die Manufaktur, weil man gesehen werden will und Gläserne Manufaktur als Ausweichspielstätte zur Verfügung. Udo
der Dresdner Bevölkerung Transparenz versprochen hat. „Manu- Lindenberg hat dort gesungen, Karl Lagerfeld fotografiert. Täglich
faktur“ ist man im bewussten Kontrast zur Großserienfertigung in werden rund 22 Führungen angeboten, 100.000 Besucher erleben
Baunatal und Wolfsburg. Ein Herzensanliegen insbesondere des jährlich die Neuinterpretation des Manufaktur-Gedankens – und
einstigen Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch. Der am 11. De- staunen über Monteure in weißer Arbeitskleidung sowie über das
zember 2001 das Startsignal für die Produktion gab – gemeinsam Fehlen jeglichen Lärms oder Ölgeruchs.
mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Nach jüngsten dpa-Meldungen setzt VW rund 70 Prozent seiner
Statt über Metall-Fließband laufen die kommenden Volkswagen in Phaeton-Produktion in Asien ab, größter Absatzmarkt ist China.
den Fertigungsschritten über ein Schuppenband aus edlen Höl- Je nach Nachfragesituation geht VW in der Gläsernen Manufak-
zern. Die Oberfläche besteht aus 29 Einzelgliedern, die vollständig tur auch „fremd“. Statt des Phaeton lief beispielsweise auch die
mit Parkett belegt sind. Das Ziel: Die gesamte Situation soll bereits Produktion der Bentley-Edellimousine Flying Spur in Dresden an.
optisch eher einer Werkstatt als einer Fließbandfertigung gleichen. Die Marke gehört seit 1998 ebenfalls in den Markenfundus des
Also nur eine Kulisse? Eben nicht. Die einzelnen Fertigungstakte Volkswagen-Konzerns.
MANUFAKTUREN // Handgefertigte Werte
Ein Heim für die
Kreativen: Sieger Design
versteht sich als Agentur
für die besonderen Neu-
14 15 schö pfungen – vom Teppi ch
über Porzellan bis zur
Herrenmode. Das heraus-
ragend renovierte Schloss
Harkotten ist Denkstube
und Präsentationsfläche.
SIEGER DESIGN GRÜNDUNGS-
JAHR
Herrschaftliche Inspiration
1999
Auch Designer brauchen ein Dach über dem Kopf. Im Falle von men wie Dornbracht, Duravit, Alape oder Jochen Pohl entwickelt.
Sieger Design ist es das wahrscheinlich schönste der Branche. Ein konsequent eigener Stil mit hohem technischem und hand-
Man residiert seit 1988 im Schloss Harkotten. Ein Jagdschloss aus werklichem Anspruch kennzeichnet das Familienunternehmen. Ein
der Mitte des 18. Jahrhunderts in den Parklandschaften des Müns 50-köpfiges Team bildet jeden Designprozess interdisziplinär ab.
terlandes. Was macht man in so einem Ambiente? Man denkt. In Eine Manufaktur des schöpferischen Denkens und Verkaufens.
unterschiedlichen Kernkategorien. Sieger unterhält ein hochwer- Die Geschäftsführung liegt in den Händen der beiden Brüder
tiges Mode-Label, dessen Produkte in Deutschland und Italien Christian und Michael Sieger. Während Michael als Industrie- und
gefertigt werden. Beispiel: Ein tailor-made Blazer zählt mehr als Produktdesigner die Rolle des kreativen Impulsgebers ausfüllt,
10.000 Handstiche, jedes Knopfloch wird über 15 Minuten per wacht Bruder Christian über die professionelle Vermarktung und
Hand mit Seidengarn umstochen. Unter der Flagge „Sieger by Kommunikation. Und fragt mit schlauem Hintersinn: „Wen interes-
Fürstenberg“ legt Sieger eine Serie handgefertigten Porzellans siert, was keiner sieht?“ Auch in diesem Sinn ist Schloss Harkotten
auf in Zusammenarbeit mit der Porzellanmanufaktur Fürstenberg. das Abbild des gemeinsamen Anspruchs: Herrschaftliches Lebens-
Unter dem Branding „Sieger by Kupferoth“ entstehen in Nepal gefühl trifft auf freie Inspirationsquellen. So ließ die Familie die
Handtuft-Teppiche sowie handgewebte Kelims. 10.000 Quadratmeter des Parks nach antikem Ordnungsprinzip ge-
Hinter – oder besser: über – allem ist Sieger Design eine Agentur für stalten – streng, doch bestückt mit Kunstwerken großer Designer,
strategische Markenberatung und Design. Auf Schloss Harkotten darunter ein „Monumentino“ von Alessandro Mendini und ein
werden die Produkte für nationale und internationale Unterneh- Pavillon von Ettore Sottsass.
Historische Fertigungs- PORZELLANMANUFAKTUR FÜRSTENBERG GRÜNDUNGS-
schritte, moderne Formen: JAHR
Wie kaum ein anderes
Porzellan-Haus hat sich 1747
Fürstenberg gegen die
barocken Formvorgaben
emanzipiert. Ein Ritter-
schlag unter vielen: Das
legendäre Hotel Adlon
tischt mit Fürstenberg auf.
Fleiß und Funktionalität
Ein Mann, ein Machtwort: Am 11. Januar 1747 ordnete Herzog Carl I.
von Braunschweig in einem Brief an seinen Hofjägermeister an,
man möge im Jagdschloss Fürstenberg „allen möglichsten Fleiß
und Bemühung“ anwenden, um dort Porzellan herzustellen. 1753
verfügte der Herzog zudem, das hauseigene Porzellan zukünftig
mit einem blauen „F“ zu versehen. Bis heute das Markenzeichen
der Manufaktur.
Spannend sind die bewussten Brüche in der Firmengeschichte.
Der vielleicht bedeutendste: In den Dreißigerjahren wendet sich
Fürstenberg von den meisten Porzellanmanufakturen ab und sucht
den radikalen Umbruch in der Formgestaltung – hin zur sachlichen
Funktionalität. Wilhelm Wagenfeld arbeitet für Fürstenberg, seine
„Form 639“ wird bei der Pariser Weltausstellung mit der Goldenen
Medaille prämiert. Der Einsatz für die Zeitgenossen wird bis heu-
te honoriert. Erst kürzlich erhielt Fürstenberg das Qualitätssiegel
„Red Dot“. Firmensitz und Produktionsstätte ist ungebrochen das
Schloss Fürstenberg in Niedersachsen mit derzeit rund 100 Mit-
arbeitern. Dort harmoniert jahrhundertealte Handwerkskunst mit
modernster Technik. Über 70 Prozent des Gesamtumsatzes erzielt
die Manufaktur aktuell auf dem deutschen Markt. „Unser Porzellan
wird derzeit in 40 Länder exportiert. Die Schwerpunkte auf dem eu-
ropäischen Markt wie Italien und Großbritannien sowie den Absatz
in Russland wollen wir weiter ausbauen“, so Stephanie Saalfeld,
Geschäftsführerin der Porzellanmanufaktur.
Der Mix aus Funktionalität und Design lockt verstärkt auch die
besten Küchenchefs an. So setzen beispielsweise das Hotel Adlon
Kempinski Berlin und das Mandarin Oriental Paris auf Porzellan
von Fürstenberg.
MANUFAKTUREN // Handgefertigte Werte
16 17
Klare Kanten: Tisch „Dinanull“ aus
massiver Eichen-Dreischichtplatte,
die sich selbst stabilisiert und nicht
verziehen kann. Eine Vorspannung
(leichte Überhöhung in der Mitte)
nimmt Eigengewicht und Belastungen
vorweg. Regal „Analog“ mit heraus-
nehmbaren Schiebetüren, dazu auch
der Salontisch in Eiche.
Der Mensch macht den Unterschied
aus: Hubert Sanktjohanser hat
sich auf Möbel mit authentischer
Kraft und reduzierter Formen-
sprache spezialisiert. Gefertigt
wird in der eigenen Werkstatt in
Uffing, wobei ein Handwerker das
Möbelstück von Anfang bis Ende
begleitet.
SANKTJOHANSER GRÜNDUNGS-
JAHR
Klassisches Holz, neu interpretiert
1984
Er wächst in einer Schreinerei in München auf, fängt nach dem Motiven zählt die scheinbare Unordnung – beim Stapelregal
Abitur eine Schreinerlehre an, leistet seinen Zivildienst wieder „Digital“ können zum Beispiel die Mittelseiten verschoben werden,
in der Schreinerei einer Behindertenwerkstatt ab, macht sich sie stehen also immer zufällig – und trotzdem entsteht eben keine
anschließend als Schreiner selbstständig und zieht, als Woh- Unordnung. Oder das Regalsystem „linux“ mit Stangen, deren Po-
nung und Werkstatt im Zuge der Entwicklung hin zur industri- sition und Durchmesser vom Zufallsgenerator bestimmt werden.
ellen Manufaktur in der Stadt zu beengt werden, hinaus in die
voralpenländische Idylle – nach Uffing am Staffelsee. Dort hat Hinzu kommt der Anspruch, den klassischen Werkstoff Holz neu
Hubert Sanktjohanser inzwischen für sich und seine Familie zu definieren. Was zeichnet Manufakturmöbel gegenüber indus-
drei ökologisch vorbildliche Holzhäuser gebaut, dort produziert triell gefertigten aus? „Wir arbeiten zwar auch mit modernsten
er Möbel für einen Kundenstamm, der weit über den Einzugs CNC-Maschinen, aber ein einziger Mensch begleitet das Möbel-
bereich eines Handwerksbetriebs hinausgeht. Sein wichtigster stück von Anfang bis Ende“, erklärt der Schreiner. Es gibt keinen
Exportmarkt ist die Schweiz, seine wichtigste Mitarbeiterin seine automatisierten Plattenzuschnitt, die Holzmaserung wird per Auge
Frau, eine Architektin und Ideengeberin, „weil jedes Möbel den und Hand geprüft, die Kanten werden anschließend manuell be-
Raum als Partner braucht“. Dennoch ist Hubert Sanktjohanser arbeitet. „Grundsätzlich könnte man unsere Möbel auch indus-
am liebsten sein eigener Designer. Sein Sohn kümmert sich um triell herstellen“, sagt Hubert Sanktjohanser, „aber Holzauswahl,
Grafik, Fotografie, Webdesign und Produktentwicklung, in der Typologie, Einpassen, da ist der Mensch notwendig und macht
Werkstatt gibt es vier voll ausgestattete Arbeitsplätze. Die Nähe den Unterschied aus.“ Die Oberflächen werden bis zu sieben Mal
zum Handwerk, die Suche nach dem zeitlos dauerhaften Möbel mit Seifenlauge behandelt, so etwas ist industriell nicht denkbar.
zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben des Wahl-Uffingers. Dazwischen immer wieder das Nachschleifen. Santjohanser: „Das
hat ebenso viel mit Erfahrung zu tun wie das richtige Abschmecken
Ein Familienbetrieb, eine Manufaktur und doch viel mehr als ein in der Küche – das kann keine Maschine.“
sauber arbeitender Handwerksbetrieb, der „nur“ Unikate als indi-
viduelle Ergebnisse von Einzelaufträgen fertigt – sonst würde die Die Eichenhölzer bezieht er von einem Spezialisten in Italien,
Nachfrage nach seinen Möbeln nicht weit über die Landesgren- der die massive Eiche in drei Schichten über Kreuz verleimt, so
zen hinausreichen. Den Unterschied macht der Anspruch aus, den dass sich die Dreischichtplatte selbst stabilisiert und nie mehr
Hubert Sanktjohanser mit seinem Schaffen verbindet: „Wir wollten verzieht. Der Nussbaum kommt aus Österreich, die Nadelhölzer
von Anfang an eine eigene Typologie entwickeln, Möbel mit au- stammen aus Bayern. „Holz sollte möglichst unspektakulär sein“,
thentischer Kraft herstellen, die sich wie selbstverständlich in die verrät Sanktjohanser seine Überzeugung. Er zieht deshalb blasses
unterschiedlichsten Räume einfügen“, erklärt der Gestalter. Er er- Eichenholz markant gemaserten Nussbaum- oder Kirschbaum-
reicht das über eine gekonnte Mischung aus Reduktion und den- Hölzern vor. Die Form ist ihm wichtiger als die vordergründige
noch – oder vermutlich gerade deshalb – eindeutig erkennbarer Schönheit des Holzes. Seine Möbel und deren Begehrtheit geben
Grafiksprache. Zu den immer wiederkehrenden gestalterischen ihm Recht.
MANUFAKTUREN // Handgefertigte Werte
Der Schrank als Raum: „Stilvolle Nachhaltigkeit“
Cabinet entdeckte die Vor- als Lebensmotto: Bree
züge der Schiebetür-Praxis
in den USA – und impor- setzte in den 70er Jahren
ein edles Zeichen gegen
tierte die Idee. Maximal den Leder-Hobbyismus.
passgenau – auf Millimeter
Fachwissen ist Pflicht für
und Wunschästhetik. jeden Handelspartner.
18 19
GRÜNDUNGS- BREE GRÜNDUNGS-
JAHR JAHR
1838 1970
CABINET Der Nerv einer Generation
Wachsen in der Nische
Wer zu spät kommt – verpasst seine singuläre Marktstellung. Da schwingt durchaus eine clevere Naivität mit: „Wenn man zual-
Erkannte in den 70er Jahren Michael Greven, als er in das Fach- lererst daran denkt, etwas gut zu machen, stellen sich der Erfolg
geschäft seines Ururgroßvaters eintrat. Der wiederum hatte vor und das Geldverdienen irgendwann von selbst ein.“ Wolf Peter
175 Jahren „vor dem Severinsthor“ in Köln die „Holzhandlung Bree und seine Ehefrau Renate stürzten sich mit diesem Glau-
Jos. Greven“ gegründet. Doch die Ära traditioneller Holzhand- bensgrundsatz in ein Abenteuer. 1970 gründeten die beiden ihre
lungen ging zu Ende. Die Baumärkte übernahmen Marktanteile. Company in Hannover – mit gerade einmal 10.000 Deutschen Mark
Wer überleben wollte, brauchte die passende Nische. Fast im in der Kasse. Die Produkte haben aber Potenzial – qualitativ hoch-
Wortsinn. Auf seinen Reisen als Holzhändler durch Nordamerika wertige Taschen in zeitgemäßem Design waren damals eine Sel-
entdeckte Michael Greven die clevere Lösung, Nischen mit schlich- tenheit. Entweder war die Erscheinungsform bieder – oder die Fer-
ten Schiebetüren zu verschließen. Den in Deutschland bekannten tigung vom 70er-Jahre-Hobbyismus geprägt. Die Formensprache
klassischen Kastenschrank mit Seiten, Deckel und Boden gab es der frühen Bree-Produkte trifft den Nerv einer Generation, die sich
auf der anderen Seite des Ozeans nicht. Nicht der Schrank war im Aufbruch befindet. Das Neuartige daran ist der Mix aus mo-
Teil des Raumes, sondern der Raum, zumeist eine Nische, Teil derner Optik auf Basis eines traditionellen Werkstoffs. Schon 1972
einer praktischen Stauraumlösung. wird das Gründerpaar von den ersten Design-Preisen und Um-
Vor über 30 Jahren hat sich Greven mit seiner Marke Cabinet satzerfolgen erfasst. „Alles, was wir verdienten, haben wir wieder
Stauraumideen verschrieben – Gleittüren und komplette Einbau- investiert“, sagt Wolf Peter Bree. Das Geschäftsmodell ist komplex:
schranksysteme nach Maß. Dazu zählt auch das ebenfalls pass Handelspartner im Ausland und Franchise-Shops sollen nicht nur
genau gefertigte Innenleben: Taschenaufbewahrungssysteme, Taschen verkaufen, sondern auch Fachwissen mitbringen.
Kleiderlifte, Schubladenauslagen in Samt oder Filz – auch tech- Als 1996 Wolf Peter Bree stirbt, müssen die Söhne Axel und Philipp
nische Zugaben wie integrierte Schubkasten-Steckdosen oder übernehmen – und setzen neue Ziele. Unter anderem öffnet sich
Lichtquellen. Das Portfolio reicht bis zur maximalen Individuali- Bree neuen Werkstoffen wie Filz, Gummi und außergewöhnlichen
sierung: klassische Holztüren, in der Wunschfarbe lackierte Glas- Materialkombinationen aus Satin und Naturleder. In den jüngsten
türen, stoffbespannte Türen, tapezierbare Türen bis hin zur pri- Jahren überraschte Bree durch das Anwerben neuer Designer. Als
vaten Foto- oder Mustervorlage. Der nächste Schritt: Die Tür als Head of Design zeichnet Annette Goeke verantwortlich. Die aktu-
Homeentertainment – auf Wunsch integriert Cabinet einen Bild- elle Zielvorgabe basiert auf den Ur-Werten der Company: zeitloses
schirm zum Chatten, zum Internet-Browsen, zum Fernsehen. Design soll auf hochwertige Materialien und eine intelligente
Funktionalität treffen. Über allem wurde die Botschaft einer „stil-
vollen Nachhaltigkeit“ ausgegeben.
„IT’S TIME TO CREATE SOMETHING NEW !“
Mohamed Farouk
CEO Mobica+
by DESIGN BALLENDAT
Infos unter www.mobicaplus.de
MANUFAKTUREN // Handgefertigte Werte
20 21
Spielregeln wie vom
Anbeginn der Zunft: Die
Glashütte Theresienthal
entstand als bewusste Kon-
kurrenz zur Übermacht der
Manufakturen im nahen
Böhmen. Unter adliger
Protektion.
GLASMANUFAKTUR THERESIENTHAL GRÜNDUNGS-
JAHR
Wunder und Wiederkehr
1836
Die Tageszeitung „Welt“ neigt nicht zum Pathos. Trotzdem titelte Krönung jahrhundertealter Fertigungsprinzipien. Branchenkenner
sie angesichts der Geschichte dieser Glasmanufaktur „Das Wun- schreiben den Niedergang der Manufaktur unter anderem der wirt-
der von Theresienthal“. Was hatte die Kollegen so beeindruckt? schaftlichen Entscheidung zu, seit den 1980er Jahren vermehrt in
Es war das Zusammentreffen von Geld und Engagement. Die Pro- günstigere Preissegmente vorzudringen.
duktion ruhte ab 2001 – das Unternehmen war den Spielregeln Kam die Rettung nach dem Aus auch nicht von königlicher Hand,
des Marktes erlegen: Die Käuferschaft für hochwertiges Glas war so doch aus dem Adel der bayerischen Wirtschaft: Die Eberhard
entschwunden, die Finanzkrise ging um, in anderen Regionen der von Kuenheim-Stiftung des BMW-Konzerns nahm sich des eins
Welt ließ sich günstiger produzieren als im Bayerischen Wald. Da tigen Glanzes an, holte weitere Förderer ins Boot – eine eigene
half auch alle Tradition wenig. Die Theresienthaler Kristallglasfa- Stiftung entstand und kurbelte die Produktion wieder an. Gegen
brik war die erste Aktiengesellschaft Niederbayerns. Die Blüte kam Bedenken und Analysen. Aber mit dem starken Engagement der
in der Zeit des Historismus, gekoppelt mit der regen Bautätigkeit Handwerker. Aus alten Vorlagen entstanden neue Kollektionen.
König Ludwigs II. Aufträge und Prestige stiegen. Im Jugendstil ar- Das Firmenprofil wurde geschärft, die Nachfrage stieg – mit deut-
beiteten Künstlergrößen wie Hans Christiansen für Theresienthal. licher Tendenz zum Export.
Der Name selbst steht für Protektion: Der böhmische Glashändler Heute führt Max Freiherr von Schnurbein die Geschäfte. Mehr
Franz Steigerwald erhielt 1836 die Konzession für ein Fabrikge- noch: Der Mann stammt aus der Region, ist ein international er-
bäude – bewusst wollte man mit den Glasherstellern in Böhmen fahrener Bankmanager – und mittlerweile Mehrheitsgesellschafter
konkurrieren. Der Münchner Hof gestattete, die Fertigung nach der der Kristallglasmanufaktur. Wer ganz tief in die höchst spannende
Gattin des Königs – Therese von Bayern – zu benennen. Geschichte schauen möchte – der Filmregisseur Dominik Wessely
Der königliche Aspekt ist wichtig. Das Kerngeschäft. Die Produkte huldigte den Kämpfern von Theresienthal in einem Dokumentar-
aus Theresienthal sind überaus hochpreisig. Umgekehrt auch die film – mit dem schlau konstruierten Titel „Die Unzerbrechlichen“.
Vom Tafelbesteck bis zum
Essstäbchen: „Wenn mein
Ururgroßvater heute durch
den Betrieb ginge, würde
er vieles wiedererkennen.“
Robbe & Berking kombiniert
Schmiedekunst mit moder-
nen Praxisansprüchen.
ROBBE & BERKING GRÜNDUNGS-
JAHR
Stern des Nordens
1874
Das älteste vollständige Tafelsilberset des Abendlandes wurde zu- schwinden wichtige Fertigkeiten. Das darf unsere Welt nicht sein.“
fällig in einem süddeutschen Schloss entdeckt und auf das Jahr 1997 übernahm Oliver Berking das Familienunternehmen – in der
1615 datiert. 2005 stellte es Christie’s in London vor – die Aukti- nunmehr fünften Generation. „Wenn mein Ururgroßvater heu-
on brachte einen Zuschlag bei 1,8 Millionen Euro. „Wer würde in te durch den Betrieb ginge, würde er vieles wiedererkennen. Wir
200 Jahren eine ähnlich hohe Summe für ein heutiges Serienpro- sind heute, wie in den ersten Jahren der Firmengeschichte, eine
dukt ausgeben?“ Der bedeutende deutsche Silberschmied Robbe Manufaktur im wahrsten Sinne des Wortes.“ Die Überraschung für
& Berking liebt die provokanten Fragen – an sich selbst und seine den Ururgroßvater läge wahrscheinlich in den neuen Feldern, die
Kunden. Zugleich legt man den Finger in die Wunde der Branche: Oliver Berking flankierend erschlossen hat. Darunter eine eigene
Der Ehrgeiz, immer schneller und billiger zu produzieren, führte Werft, die ausschließlich aus Holz klassische und zeitlos elegante
bei vielen Herstellern dazu, Bestecke maschinengerecht zu ge- Yachten baut. 2009 stieg man zudem in den Handel mit Edel
stalten und den formalen Reichtum traditioneller Silberschmie- metallen ein – in zehn eigenen Geschäften von Wien bis in die
dekunst auf den Gesichtspunkt größtmöglicher Produktivität Heimatstadt Flensburg werden auch Barren und Münzen aus Gold
zu beschränken. Robbe & Berking sieht sich auf der Gegenseite: und Silber verkauft.
„Die Zukunft liegt auch im Gestern“, wird der einstige Firmenchef Zum schönen Schluss noch eine eindrucksvolle Zahl: Würde man
Robert Berking zitiert. „Der formale Verlust wäre riesig“, resümierte alle Michelin-Sterne jener Restaurants weltweit zusammenzählen,
Robert Berking bereits in den 70er Jahren, „wenn man die kunst- die ihre Tafeln mit Silber von Robbe & Berking ausstatten – man
handwerklichen Qualitäten auf die begrenzten Möglichkeiten einer käme mit 140 recht punktgenau auf die Zahl der Lebensjahre
Serienfertigung beschränkt. Mit der Reduktion der Qualität ver- der Flensburger Company.
MANUFAKTUREN // Handgefertigte Werte
Hof halten, doch jünger Intarsien über Stahl: Im
als jeder Hoflieferant: Max Auftrag eines Kunst-
Dietl residiert im Zentrum sammlers entstand das
Münchens. Und im Herzen Sondermodell „Sound of
Harmony“. Die weitaus
seiner Zielgruppe. „Drei meisten Flügel liefert Stein-
Anzüge reichen auch – way in klassischem Schwarz.
wenn es die richtigen sind.“
22 23 GRÜNDUNGS- STEINWAY & SONS GRÜNDUNGS-
JAHR JAHR
MAX DIETL
1945 1850
Regent der Individualität Holz, Hammer, Harmonie
Die Süddeutsche Zeitung fand jüngst die vielleicht schönste Eine europäische Erfolgsgeschichte: Das Klavier, wie wir es heute
Schublade für Max Dietl – in der Rubrik „Münchens heimliche kennen, ist durch die Innovationskraft vieler Nationen entstanden.
Regenten“. Diese Art des unaufdringlichen Charmes würde eher Bartolomeo Cristofori wollte sich 1698 nicht mehr mit der alten
nach Hamburg passen. Oder an den Zürichsee. Zumal ein ande- Mechanik des Cembalos abfinden. Er schuf ein „Gravicembalo col
rer Münchner Edel-Schneider eher die große, laute Geste liebte – piano e forte“ – übersetzt: „Großes Cembalo, das leise und laut
Rudolf Moshammer. spielen kann“.
Wer die Räume von Dietl direkt gegenüber der Oper betritt, wird Der Name Steinway tauchte in der Erfolgsgeschichte eher spät auf:
wie ein Staatsgast empfangen – freundlich, dezent, geschätzt. Im kleinen Ort im Harz fertigte Heinrich Engelhard Steinweg 1836
Nicht eine Brieftasche wird umworben, sondern ein Verlangen ge- seinen ersten Hammerflügel in einer umgebauten Küche. Mitte
stillt. „Drei Anzüge reichen auch – wenn es die richtigen sind.“ Sagt des 19. Jahrhunderts siedelte die Familie nach New York um und
Max Dietl – der nicht nur den Firmennamen, sondern auch den erlebte einen rauschenden Erfolg durch eine weitere technische
gleichen Vornamen von seinem Vater überantwortet bekam. Dazu Neuerung: den aus einem Stück gegossenen Eisenrahmen. Das
noch die Immobilie in Traumlage. Ein stiller Palast auf rund 2.000 Firmenimperium vereint heute die Alte und die Neue Welt – mit
Quadratmetern. Für Damen und Herren. Dietl senior etablierte sei- doppeltem Firmensitz in New York City und Hamburg. Profis hören
nen Ruf kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach heutigem Maßstab die Klangunterschiede der Fertigungsstätten.
unfassbar erfolgreich. Mann und Frau von Welt kamen, die Stars, Die Liste der legendären Steinway-Pianisten ist ebenso umfas-
die Krupp-Erben, die Bundespräsidenten. send wie die der Designer, die mit exemplarischen Sondermodel-
Der Sohn übernahm in den frühen 90er Jahren. Ohne die Ausbil- len beauftragt wurden. So verließ im November 2008 der bisher
dung eines Schneiders, dafür aber mit einem BWL-Studium im wertvollste Steinway Flügel in der Geschichte des Unternehmens
Gepäck. Und einer schweren Entscheidung vor sich: Analysten die Hamburger Fabrik – der Privatauftrag des chinesischen Kunst-
rieten zum Wandel des Repertoires Richtung bunter, günstige- sammlers und Musikliebhabers Guo Gingxiang: „Sound of Har-
rer Mode. Der Junior aber blieb auf dem Weg des Gründervaters. mony“ – ein Konzertflügel, der in Anlehnung an ein chinesisches
Aus einmaligen Stoffen entstehen bei Dietl in beispielsweise 60 Gemälde entstand, ein Intarsienwunderwerk aus 40 Furnierarten.
Stunden Handarbeit Anzüge nach Maß. „Der Manufaktur-Gedanke Dennoch: Über 90 Prozent der Steinway Instrumente sind in klas-
steht an erster Stelle. Handwerkskunst ist unsere Basis. Dadurch sischem Schwarz poliert. Rechnet man die zwei Jahre für die natür-
heben wir uns ab. Auch räumlich können Sie das sehen – über liche Holztrocknung hinzu, kommt man auf eine Produktionszeit
allen anderen Abteilungen thront unsere Schneiderei im dritten von drei Jahren. Der Anteil an Handarbeit liegt bei rund 80 Prozent.
Stock. Kein Auftrag geht außer Haus. Weil wir den Kunden immer Und noch eine Zahl: Ein 50 Jahre alter Steinway kann heute mehr
vor Augen haben – haben müssen.“ als das Neunfache seines ursprünglichen Kaufpreises erzielen.
Am Firmensitz in Ham-
burg unterhält Montblanc
ein eigenes „Artisan“-
Studio. Dort entstehen
limitierte Edelauflagen.
Beispielsweise der Füll
federhalter zur Hochzeit am
Fürstenhof von Monaco.
MONTBLANC GRÜNDUNGS-
JAHR
Der Klang einer Feder
1906
Nicht vom Firmennamen täuschen lassen: Montblanc ist eine zu- Schreibpapier und Druckbleistifte. Der direkte Vorläufer moderner
tiefst deutsche Firma. Nun ja, nicht so ganz. Seit 1993 gehört man Luxus-Boutiquen. Der Konzern selbst dehnt sein Geschäft weiter
der Schweizer Richemont-Gruppe, agiert jedoch vom Stammsitz in dieses Segment aus. Mittlerweile auch mit eigener Uhrenma-
in Hamburg aus. nufaktur in Le Locle, im Schweizer Jura. Die Lederartikel werden
Aber der Montblanc ist doch ein Berg im Grenzgebiet zwischen indes im Montblanc Leder-Kompetenzzentrum in Florenz, dem
Frankreich und Italien? Auch wieder richtig. Vor allem ist es der historischen Herzen des europäischen Lederhandels, gefertigt.
höchste und prominenteste Alpengipfel. Was ihn eben zum Na- Seit 1924 der bekannteste Füllfederhalter mit dem programma-
menspatron zweier Hamburger Kaufleute machte. Die auf der Su- tischen Namen „Meisterstück“ erstmals hergestellt worden ist,
che nach dem perfekten, tropffreien Schreibgerät eine eigene Fir- blieben in der Hamburger Montblanc Manufaktur viele Arbeits-
ma gründeten und 1910 erstmals einen Füllfederhalter unter dem schritte nahezu unverändert. Über zweihundert sind es. Sie begin-
Namen „Montblanc“ auf den Markt brachten. Er sollte den Gipfel nen in einem eigenen Artisan-Studio, in dem die neuen Entwürfe
moderner Schreibgeräte darstellen. Der charakteristische Stern entstehen. Die meisten Arbeiten werden noch heute von Hand
auf der Spitze der Füllerkappe wurde als Anspielung auf die ausgeführt – von dem Gravieren der Goldfeder, dem Schleifen der
schneebedeckte Spitze des Montblanc inszeniert. Und noch ein Iridiumspitze, dem Polieren aller Oberflächen bis hin zum auf
Detail: Auf den Füllerfedern wird die Zahl 4.810 eingraviert – eine wändigen Testen. In der Schlussphase zeichnet ein Schreibexperte
Verneigung vor den 4.810 Metern des Montblanc. geduldig fließende Kreise und kräftige, gerade Linien auf ein
1919 eröffnete in Hamburg die erste Boutique, die ausschließlich weißes Blatt Papier, achtet dabei auf Schriftbild und Schreibgefühl
Montblanc Produkte verkaufte – neben Füllfederhaltern auch Tinte, und lauscht nicht zuletzt dem Klang der Feder auf dem Papier.
MANUFAKTUREN // Handgefertigte Werte
24 25
Der schöne Spagat: Gaggenau
kombiniert die Ansprüche der
Profi-Köche mit höchstem,
sachlichem Wohnraum-Design.
Unter hoher Hand-Hightech-
Fertigung – inklusive Zuschnitt
und Schweißen per Laser.
GAGGENAU GRÜNDUNGS-
JAHR
Profi-Ambitionen im Wohnraum
1683
Der Claim wirkt beim ersten Lesen etwas holprig: „Der Unterschied damit das freie Platzieren des Kochgeschirrs erlaubt. Am weiteren
heißt Gaggenau.“ Die Subbotschaft hingegen ist klar: Küchen Fortschritt arbeiten 50 Forscher und Entwickler in Abstimmung
kann jeder kaufen, in allen erdenklichen Preisklassen. Gaggenau mit einem fünfköpfigen Designteam – ausschließlich für die Marke
trennt sich hier von vielen Spielregeln des Marktes. Obwohl man Gaggenau.
selbst seit 1995 ein Tochterunternehmen der BSH Bosch und Der Kern der Produktion liegt heute im französischen Lipsheim.
Siemens Hausgeräte GmbH ist. Doch auch familienintern darf, Wo 320 Mitarbeiter in einer bewusst flexiblen, industriellen
soll Gaggenau den edlen Sonderling spielen. Man orientiert sich Manufaktur-Umgebung arbeiten. Wer hier die Chance zu einem
an den Erfordernissen und Erfahrungen der Profi-Köche – bei zu- Firmenbesuch hat, erlebt unter anderem den perfektionierten
gleich höchster Anpassung an den Wohnraum. Ein Spagat. Der Umgang mit Edelstahl – vom Tiefziehen bis zum Laserschweißen.
durch handwerkliche Produktionsweisen gelingen soll. Zu den be- Die Montage selbst findet unter Reinraumbedingungen statt. Der
kanntesten Innovationen gehören das Glaskeramik-Kochfeld sowie maximale Kontrast zu den Anfängen der Firma – die als „Hammer-
der Dampfbackofen für den Privathaushalt. Eine weitere Errungen- und Nagelschmiede“ gegründet wurde. Höchstpersönlich vom
schaft ist eine Kühlserie, die als modulares System aus integrier- Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden – im beschaulichen Ört-
baren Einbaukomponenten die weltweit erste Kühlwand entstehen chen Gaggenau. Nur der Rhein und wenige Kilometer trennen den
lassen kann. Oder ein Vollflächeninduktions-Kochfeld, das seine Geburtsort von der heutigen Hightech-Manufaktur.
gesamte Fläche in eine einzige große Kochzone verwandelt und
www.kaldewei.de
MSETISUTCEKR
Formvollendet, edel, fugenlos.
Freistehendes Design mit sinnlicher Eleganz.
Von Meisterhand geschaffen in kostbarem KALDEWEI Stahl-Email
mit 30 Jahren Garantie.
MEISTERSTÜCK CENTRO DUO OVAL
INTERVIEW // Bernd D. Ehrengart
Seit der Gründung im Jahr 1967 steht Lambert für ein Sor- pure: Als einen der Grundwerte, faktisch als Säule Ihres Unternehmens
timent von edlen und besonderen Möbeln und Wohn stellen Sie den Manufaktur-Gedanken auf. Die Frage könnte exemplarisch
accessoires aus aller Welt. Bernd D. Ehrengart übernahm viele Unternehmen treffen – wie halten Sie es, wenn es darum geht, dieses
im Jahr 2000 das Unternehmen. Zuvor war er 15 Jahre lang Ideal Ihrer Zielgruppe zu vermitteln? Sie können ja nicht jeden Kunden
Geschäftsführer von Bang & Olufsen. Heute arbeiten über persönlich an die Werkbank bitten ...
150 Mitarbeiter in den historischen roten Ziegelsteingebäu- Ehrengart: Stimmt. Deshalb setzen wir auf Flagship-Stores in
den auf dem 53.000 Quadratmeter großen Firmengelände. zentraler Innenstadtlage. Unter anderem. Der beratungsorientierte
Im Umfeld der Zentrale werden neue Ideen geboren und Fachhandel ist immer der beste Zugang – weil er die Qualität einer
Produktdesigns in den Bereichen Möbel, Textil, Licht und Manufaktur vermitteln kann. Nicht das Einrichtungshaus auf der
Accessoires kreiert. Lambert Scouts bereisen die Welt, auf grünen Wiese, weit vor den Toren der Stadt. Wir verstehen uns
der Suche nach alten Handwerkskünsten. Dabei richtet sich nicht als Möbelhaus wie so viele andere. Wir wissen um die eher
die Aufmerksamkeit des Unternehmens mittlerweile auch kleine Zielgruppe. Nicht zuletzt, weil wir uns im Hochpreisbereich
auf Länder wie Afrika und Südamerika, wo Inhaber Ehren- bewegen.
gart ein großes Potenzial sieht. Über 1.000 Handelspartner
vertreten Lambert inzwischen weltweit, fast die Hälfte davon Das klingt ein wenig nach sozialer Abgrenzung ...
in Deutschland. Seit Jahren ist das Unternehmen in Europa, Nein, das soll es keinesfalls. Alles, was ich hier sage, dreht sich
den Vereinigten Staaten, Kanada, dem Mittleren Osten, In- nicht um die Finanzkraft des Kunden, sondern um sein Gefühl
dien, Asien und Afrika auf Erfolgskurs. Zum umfangreichen für Werte. Es hat damit zu tun, wie man mit Materialität umgeht.
Sortiment zählen über 2.700 handwerklich gefertigte Pro- Eben eine Frage des Empfindens, nicht des Geldes. Wir suchen
dukte, darunter zahlreiche Klassiker. eine Kundschaft, die Handwerk und Exklusivität erkennt. Und
ganz ehrlich – das ist ein Konzept, das ich bereits in meiner Zeit
26 27 bei Bang & Olufsen umgesetzt habe. Ich habe das Rad nicht
neu erfunden. Sie müssen als Unternehmen eine klare Position
Der Manufaktur-Gedanke vertreten. Gerade in der Möbelbranche – in der es heute viel zu
in globaler Zeit: Lambert oft nur um Rabattschlachten geht.
versammelt handwerkliche
Einzelstücke aus aller Welt. Nach denen sich Kunden aber auch sehnen ...
Für den Gestaltungswillen Richtig. Aber die Kaufentscheidung sollte von weiteren Werten
bestimmt sein. Schauen Sie sich um. Der typische Kunde geht
des „Kreateurs“. Steil heute in einen Einrichtungssupermarkt – blickt umher, vergleicht
vorlagen für individuelle die Preise, der Verkäufer lockt, schließlich ist das Wohnzimmer
Wohnrauminszenierungen. oder Schlafzimmer lieferfertig. Unser Kunde dagegen stellt sich
sein Schlafzimmer als Ensemble zusammen. Er ist sein eigener
Kreateur. Der sich selbst wiederfinden will in seinem Wohnumfeld.
Und nichts von der Stange kauft. Hier überzeugt eher das
Spannungsfeld von Materialmix, kulturellem Touch und eben der
handwerklichen Qualität.
Seien Sie nachsichtig, wenn ich abermals nachhake, weil ich es mir schwer
vorstellen kann: Wie gelangen die Wohnideale in den Kopf Ihres Kunden?
Woher weiß er, was er will?
Er ist natürlich kein gelernter Inneneinrichter – aber er hat ein
Feingefühl für Mode, Autos und eben Einrichtung. Nochmals – das
hat mit Geld überhaupt nichts zu tun. Wir haben treue Kunden, die
„Anfassen ist wichtig“
Der Einrichtungsspezialist Lambert sucht weltweit nach Möbeln und Wohnaccessoires aus natür-
lichen Materialien mit handwerklichem Unikat-Charakter. Geschäftsführer Bernd D. Ehrengart im
Gespräch mit Andreas Günther – ÜBER DEUTSCHE WOHNKULTUR, ASIATISCHE HANDWERKS-
KUNST UND DIE FALSCHE BOTSCHAFT VON RABATTSCHLACHTEN
FRAGEN AN BERND D. EHRENGART
sparen auf das eine, passende Stück – mitunter über Jahre. Es liegt nun in Europa oder Asien entstanden ist – das werden Sie nicht
an der Passion, die Menschen entwickeln. Wir adressieren unsere offensichtlich feststellen können. Andere Mitbewerber setzen
Produkte an den Individualisten. Der sich in seinem Wohnumfeld bewusst auf einen asiatischen Stil – das ist nicht unsere Welt.
erkennen will. Das ist keine kleine, elitäre Zielgruppe. Das sind nach
meiner Schätzung eher 20 Prozent der deutschen Bevölkerung. Und warum funktioniert die Fertigungskette eigentlich nicht komplett in
Deutschland?
Wie fallen dann bei Lambert Kaufentscheidungen? Versuchen Sie einmal, hierzulande eine Gerberei zu finden. Dieses
Anfassen ist extrem wichtig. Die Nähe zum Produkt. Das Vollholz Know-how haben wir über die Jahrhunderte vertrieben. Zuerst vor
einer Tischplatte muss der Kunde streicheln können. Accessoires die Stadttore, dann in andere Länder. Der Gestank ist grauenhaft.
hingegen kann man auch einmal per Internet bestellen. Da Und natürlich liegt in Asien ein Monatslohn bei 150 bis 250 Euro. An
hat sich das Kaufverhalten sehr geändert in den vergangenen einer filigran gehämmerten Metallvase sitzt ein Handwerker zwei
Jahren. Vergessen Sie nicht, dass nicht alle Deutschen in den bis drei Tage. Das Endprodukt wäre bei Produktion in Deutschland
Ballungszentren leben – mit einem Lambert Store um die Ecke. So nicht bezahlbar. Auch der exklusive Haushalt würde das nicht
manche unserer Kunden müssten wegen einer Vase 80 Kilometer ausgeben. Die Ströme von Waren, Menschen und Fertigung haben
bis zum nächsten Händler fahren. Auch deshalb ist das Internet sich auch in der Welt des Handwerks dramatisch verändert – Sie
eine Plattform für uns. wären erstaunt, die vielen Chinesen zu sehen, die in der Toskana
das Geschäft der echt italienischen Lederwaren am Laufen halten.
Die genannte Vase – was unterscheidet sie von den unendlich vielen
anderen Vasen in Handel und Internet? Reden wir über Ausbeutung?
Die Lambert Kollektion finden Sie nicht woanders. Sondern nur Nein. Wir dürfen nicht unsere Maßstäbe auf andere Kulturen
im autorisierten Facheinzelhandel. Alle Produkte werden nur für anlegen. Was mir aber immer wichtig war: Egal was Sie auf dem
uns hergestellt. Nächsten Monat reise ich wieder nach Thailand Weltmarkt tun – Sie müssen die andere Kultur respektieren. Wir
und auf die Philippinen. Anders als unsere Mitbewerber kaufen wir sind ja kein Billig-Mode-Hersteller. Glücklicherweise. Unsere
nicht einfach ein – sondern entwickeln mit den dort ansässigen Handwerker zählen durchgehend in ihren Ländern zum Mittelstand.
Handwerksbetrieben. Ein typisches Vorgehen gerade in den
asiatischen Ländern. Dort ist die Landschaft der mittleren und Weil Sie es angesprochen haben: Wie modisch ist Ihre Branche –
kleineren Handwerksbetriebe deutlich ausgeprägter. In Europa können Sie überhaupt nachhaltig produzieren in Zeiten des schnellen
ist diese Landschaft leider verdorrt. Zunehmend wird auch Indien Ästhetikwechsels?
ein wichtiges Land für uns. So scherenschnittartig es klingt: Ja und nein. Wir haben nicht den gleichen Rhythmus wie die
Gerade in muslimischen Kulturen und Regionen blüht das alte Modebranche selbst – aber auch wir müssen einem sich wandeln
Handwerkswissen. Eine Kunstfertigkeit, wie man sie vor 100 den Geschmack folgen. Jährlich nehmen wir 300 bis 350 neue
Jahren noch in Europa fand. Das ist unsere Herzkammer – wie die Produkte in unsere Kollektion auf. Die gleiche Menge muss
Entwicklungsabteilung von BMW oder Mercedes. Wenn man mich weichen. Umgekehrt pflegen wir aber bewusst unsere Klassiker –
fragt, wie viele Designer wir beschäftigen, sage ich immer – 125. die stets erhältlich sind und nicht der schnellen Mode unterliegen.
Fünf hier bei uns im Haus und 120 bei unseren Lieferanten. Mit Grundsätzlich begegnet man immer wieder einer sehr schönen
denen wir wie gesagt gemeinsam entwickeln – Produkte, die nur Seite gerade am deutschen Markt: Die Inneneinrichtung ist den
für uns gefertigt werden. Menschen hier etwas wert. Eher spart man an anderen Dingen.
Die Deutschen investieren in ihr unmittelbares Wohnumfeld ein
Wie viel regionalspezifischen Kulturwert kauft dann ein typischer Kunde? Drittel mehr Geld als beispielsweise die Nachbarn in Frankreich.
Ist es der Stuhl einer deutschen Firma oder die Sprache des Fernen Ostens? Wir sind in diesem Fall Spitzenreiter in Europa. Da frage ich mich
Genau hier liegt ein wichtiger Wert, den wir immer kommunizieren oft, warum das Deutsche Fernsehen zwar zehn unterschiedliche
wollen: Es geht nicht darum, die Welt nach Mitteleuropa zu Kochsendungen kennt – aber kein einziges vernünftiges
holen. Wir versuchen immer, all unsere Produkte in die Lambert- Einrichtungsformat ...
Sprache zu übersetzen. Ob ein Holzschrank mit Eisenbeschlägen
MANUFAKTUREN // Handgefertigte Werte
28 29 Von der Schweiz in das Federn unter den Federn:
Weltbewusstsein: Das Schramm fertigt jähr-
lich 8.500 Betten der
USM-System nach Fritz höchsten Klasse – jede
Haller ist gelebter System- Zylinderfeder wird dabei
in eine eigene Nessel
gedanke – unverändert tasche eingenäht.
gefertigt mit hohem Hand-
arbeitsfaktor im kleinen
Ort Münsingen.
USM GRÜNDUNGS-
JAHR
Geniestreich im Bausatz
1885
Drei Buchstaben mit Weltgeltung. Wer kennt den vollen Namen? und erlebt rauschhafte Nachfrage. Der erste Großauftrag trifft von
Die wenigsten. Aber wir wollen nicht weiter quälen: USM steht der Bank Rothschild, Paris, ein, die sich ebenso umfassend wie
recht einfach für „Ulrich Schärer Münsingen“. Um die Fantasie zeitgemäß mit Möbeln ausstatten möchte. Was sofort von der
anzuheizen: Man stelle sich ein kleines Schweizer Dorf mit 1.300 Zielgruppe erkannt wird: Das System basiert auf standardisierten
Bewohnern gegen Ende des 19. Jahrhunderts vor. Die Elektrizität Komponenten und dem zentralen, patentierten Knotenpunkt –
hat noch nicht Einzug gehalten, als dort besagter Ulrich Schärer einer Kugel mit Schraubgewinden, über die sich unzählige Lö-
seine Schlosserei und Schmiedewerkstätte gründet. Während sei- sungen konstruieren lassen. Auf bestehende Raumsituationen
ne Ehefrau im gleichen Haus eine Eisenwarenhandlung führt. Der und persönliche Lebenssituationen zugeschnitten. Möbel für ein
Aufstieg ist bescheiden. Aus der Kleinfabrik wird erst Mitte des 20. ganzes Leben, verschleißfest, korrosionsbeständig. Die Ökobilanz
Jahrhunderts ein Industrieunternehmen mit Designambition. Das könnte nicht schöner sein. Das Museum of Modern Art hat 2002
auch einen würdigen Firmensitz benötigt. Die Familie beauftragt die USM Haller Möbel in die Architektur- und Designsammlung
den Architekten Fritz Haller aus Solothurn. Bereits diese Architek- aufgenommen. Die Inhaberfamilie hält weiterhin an einer Fer-
tur nimmt das spätere Möbelsystem voraus – das Fabrik- und Fir- tigung am Firmensitz fest. 2011 übergab die Familie Schärer das
mengebäude ist ein hochfunktionaler Stahlbau nach dem System- CEO-Amt an Mirco Castellan. Der in einem Interview mit der
gedanken, modular erweiterbar. Fritz Haller und der Ingenieur Paul Berner Zeitung offen gestand: „Wir stellten fest, dass eine Verlage-
Schärer entwickeln dann nach dem verwandten architektonischen rung des Unternehmens gar nicht so einfach wäre. Durch das Hin-
Baukastenprinzip ein eigenes Möbelbausystem. Ein Geniestreich, und Herbefördern der Produkte entstehen Mehrkosten. Zudem
nichts weniger. Ursprünglich nur gedacht für den hauseigenen ist die zusätzliche Umweltbelastung groß.“ Nur am Standort der
Büropavillon in Münsingen. Ein flexibles Produkt, das sich den Firmengründung könne man „auch künftig die hohe Swiss-Made-
wachsenden Geschäfts- und Raumanforderungen von USM an- Qualität der USM-Produkte sicherstellen. USM-Möbel kann man
passen sollte. 1969 schließlich geht das System in Serienfertigung nicht in einem Billiglohnland produzieren.“
Farbtiefe durch Pigment-
Reichtum: Farrow & Ball
steht auf der Gegenseite zur
schnellen Acrylfarbe. Was
Innenarchitekten lieben:
Die eigenen Tapeten sind
punktgenau auf die Wand-
farben abgestimmt.
FARROW & BALL GRÜNDUNGS-
JAHR
Zeitlose Farbkraft
1946
SCHRAMM WERKSTÄTTEN GRÜNDUNGS- So traurig es ist: Wandfarbe entsteht heute als Nebenprodukt der
JAHR chemischen Industrie. Der Preis im Baumarkt um die Ecke be-
stimmt mehr unser Kaufverhalten als die Wirkung im Wohnraum.
1923 Weiß geht immer.
Stimmt glücklicherweise nicht so ganz. Vor allem in England hat
Zwölf-Gang unter der Wirbelsäule sich eine kleine Farben- und Tapetenmanufaktur dem Trend wider-
setzt. Farrow & Ball komponiert in Dorset mit bewusst hochwer-
Diese Art der Ehrlichkeit erschreckt – positiv. In einer Grundsatzer- tigen Zutaten. In alten, traditionellen Verfahren entstehen Farben,
klärung lässt Schramm zuerst wissen, welche Art Betten man nicht die Zeit und Trends überdauern sollen. Darauf vertraute bereits
herstellt. Im Kern all jene Typen, die man aus der Werbung kennt: das britische Admiralitäts- und Kriegsministerium und gehörte zu
Wasserbett, Luftbett, Schaummatratze, Latexmatratze ... Stattdes- den ersten Fans des Unternehmers John Farrow und seines Far-
sen gehört die Hausphilosophie dem Konzept einer abgestimmten benspezialisten Richard Ball. Die beiden trotzten dem Lockruf zu
Kombination aus flexibler Obermatratze und stabiler Unterma- billigeren Acrylfarben mit hohem Kunststoffanteil, entwickelten
tratze. Je nach Gewicht, Gewichtsverteilung und Gewohnheit des stattdessen ihre eigene Farbenlehre. Farbtiefe wird vor allem durch
Schlafenden wirken innerhalb einer Matratze Federn unterschied- den hohen Anteil an Pigmenten erzeugt, jede Charge vor der Abfül-
licher Kraft. Jede einzelne Sechs-Gang-, Neun-Gang- oder Zwölf- lung penibel geprüft. Anders als die vielen Mitbewerber verwenden
Gang-Zylinderfeder wird von Hand in eine eigene Nesseltasche die Briten natürliche Pigmente wie Umbra in ihrer reinsten Form
eingenäht. Es entsteht ein komplexes System, in dem jede Feder und natürliche Inhaltsstoffe wie Kreide, Kalkteig, Leinsamenöl
unabhängig reagieren, sich den Konturen und Bewegungen des und Kaolin.
Körpers anpassen soll. Was die Innenarchitekten lieben: Die Tapeten von Farrow & Ball
Das Maximum einer traditionellen Polstertechnik. Individuell auf werden mit den hauseigenen Originalfarben im Block- oder Trog-
Gewicht und Anatomie abgestimmt – jede Matratze ist eine Maß- verfahren bedruckt – damit sind sie auf die Wandfarben und Lacke
anfertigung. Für die 160 Mitarbeiter in Schreinerei, Polsterei und perfekt abgestimmt. Die passenden Stempel und Druckverfahren
Schneiderei im rheinland-pfälzischen Winnweiler arbeiten. Ver- entstehen nach alten handwerklichen Referenzen. Die Muster
wendet werden unter anderem reine Schafschurwolle von franzö- selbst sind Variationen klassischer Formen. Die floralen, gestreif-
sischen Freilandschafen, Baumwolle, Seide, Leinen und Kaschmir, ten, geometrischen sowie die Damast-Designs sind von zeitlosen
feine Landdaunen und Kamelhaar ökologisch nachhaltiger Her- Tapeten, Stoffen und Mustern aus der ganzen Welt inspiriert.
kunft. Über 40 Prozent der jährlich rund 8.500 Matratzen und 3.000 Wer es ausprobieren will – wird von Farrow & Ball massiv ermun-
Betten werden exportiert. Wer jetzt schwört, noch nie in einem Bett tert: Für alle 132 Farben des Hauptkatalogs stehen Musterdo-
von Schramm gelegen zu haben, sollte seiner Sache nicht zu sicher sen mit je 100 Millilitern zur Verfügung. Ein schlauer Spötter hat
sein. Gerade Hoteliers der gehobenen Klasse zählen zu den treus- Farrow & Ball den Ehrentitel „Chanel der Farben“ zugestanden.
ten Kunden der deutschen Betten-Manufaktur.
MANUFAKTUREN // Handgefertigte Werte
Dornbracht nutzt die Idee Berliner Feinsinn: Dieter
der „fraktalen Fabrik“: Burmester spielt selbst
Statt aufs Turbo-Fließband ausgezeichnet Gitarre – das
setzt man auf ein Modul Design seiner Komponen-
system der überschaubaren ten bringt die Robustheit
Arbeitseinheiten. Mit hoher der Profimusiker-Ästhetik
Verantwortung für den in die Welt des audiophilen
einzelnen Mitarbeiter. High-End.
30 31 DOR NBRAC HT GRÜNDUNGS-
JAHR
1950
Die Fabrik der Module BURMESTER AUDIOSYSTEME GRÜNDUNGS-
JAHR
Kunst vor den Ohren
1977
„Das Schöne ist, hier können Sie immer mit einem Herrn Dorn- Das Gründungsjahr kann man am ersten Produkt ablesen: Der
bracht sprechen.“ Ließ Vater Helmut Dornbracht wissen und mittlerweile legendäre Vorverstärker 777 kam im Juli 1977 auf den
spielte damit bewusst auf die nunmehr dritte Generation an, die Markt. Die Taktung der Produktnamen hat Burmester bis heute
mittlerweile das Unternehmen leitet – Andreas Dornbracht ist durchgehalten. Jedes Modell entsteht als umfassende Eigenent-
für die Bereiche Marketing und Vertrieb verantwortlich, Matthias wicklung am Berliner Firmensitz – vom Prototyp an. Vielmehr: Von
Dornbracht für Produktion, Einkauf und Logistik. Ganz banal ge- der Idee im Kopf des Firmenchefs an. Dieter Burmester schafft
fragt: Wer ist der wichtigste Herr im Familienkonzern? Sicher ge- nicht nur Ikonen seiner Branche, er selbst gilt mittlerweile als
hört Helmut Dornbracht der Ehrentitel des Visionärs. Er hat in den Ikone. Weil er stets charmanter Verkäufer seiner selbst und damit
80er Jahren erkannt, dass die Zukunft der Firma im Design liegt. auch des Firmennamens ist. Vor allem aber, weil er die Wertmaß-
Das Sortiment wurde reduziert und später vollständig auf das Pre- stäbe im audiophilen High-End vorgibt – und hält. Burmester
miumsegment ausgerichtet. Eine Entscheidung von Tragweite: Komponenten altern nicht, entschwinden nicht in Kellerräume.
Während viele Unternehmen auf Niedriglohnländer auswichen, Weil die gesetzten Standards selbst des 777 noch heute gelten –
hat Dornbracht die Produktion zu 100 Prozent in Deutschland und die Komponenten offen sind für werksseitige Modifikation.
belassen. Der überwiegende Anteil der Zulieferer stammt zudem Die mitwachsende High-End-Kette.
aus der unmittelbaren Umgebung des Unternehmensstandorts Nicht vom kühlen Glanz der Oberflächen täuschen lassen:
Iserlohn. Dort entstehen Armaturen und Accessoires für Bad und „Perfektion hat für mich einen hohen emotionalen Wert“, gesteht
Küche im hochwertigen Segment – rund 5.500 Artikel listet der Dieter Burmester. Er koppelt die hohe Klangästhetik immer auch
Katalog, Sonderanfertigungen nicht einberechnet. Die vielleicht an eine hohe optische Ästhetik. So funktional die Lautsprecher
wichtigste Zahl: 66 Prozent der Fertigung gehen in den Export. Die und die Elektronikkomponenten wirken – sie spiegeln die gleichen
Welt schätzt die Produkte aus Iserlohn. Reize, die auch Laufwerke der höchsten Uhrenklasse auszeichnen:
Lässt sich in diesen Größenmaßstäben noch im Sinne einer Manu- Nutzwert, Reduktion und, wenn man so will, die Lust am exqui-
faktur fertigen? Überraschenderweise ja – in einer sehr modernen siten Spielzeug. Eine vornehmlich männliche Lust. Die aber auf
Auslegung. Dornbracht setzt auf das Konzept der „fraktalen Fa- eine erstaunlich hohe Akzeptanz weiblicherseits trifft. Einer der
brik“. Die Komplexität in den Prozessen wird reduziert, die Eigen- jüngsten Clous des an Erfolgen nicht armen Unternehmens:
verantwortung jedes Mitarbeiters gestärkt. Dazu hat Dornbracht Burmester steht auch für die höchste Ausbaustufe im Car-Audio-
Abteilungen – von der Entwicklung über die Beschaffung bis zu Klang. Mercedes-Benz und Porsche listen Burmester unter den
Fertigung und Vertrieb – in Modulen vereint. Im jeweiligen Modul Edeloptionen, Bugatti ließ seinen Veyron vom Berliner Meister
arbeiten die Mitarbeiter eines Geschäftsfeldes enger zusammen zum rollenden Konzertsaal ausbauen.
und beschleunigen so die Prozesse. Matthias Dornbracht: „Um am
Standort Deutschland leistungsfähig zu sein, müssen wir flexibel
agieren. Für uns bedeutet das, in kleineren und damit überschau-
baren Einheiten zu denken.“
AIR-X
Audiophile & Wireless
AIR-X 403 AIR-X AMP
AIR-X 407 AIR-X BASE
Wireless – verlustfrei und hochauflösend mit 24 Bit
Audiophile – Class A/B Verstärkung
Powerful – 3 Kanal Verstärker mit insgesamt 210W Leistung
Flexible – Multi-Room und Multi-Source Anwendungen
Functional – auch per Kabel ohne AIR-X BASE zu betreiben
Break free – stay connected: ELAC AIR-X
ELAC Electroacustic GmbH • Rendsburger Landstraße 215 • 24113 Kiel • Phone. + 49 - 4 31 - 64 77 40 www.elac.com
INTERVIEW // Fritz Böhle
Fritz Böhle (Jahrgang 1945) war an der Universität
Augsburg bis 2008 Professor für Sozioökonomie der
Arbeits- und Berufswelt und ist seitdem Leiter der
Forschungseinheit für Sozioökonomie der Arbeits-
und Berufswelt. Seine Forschung richtet sich auf
die Verwissenschaftlichung von Arbeit und die Rolle
von Erfahrungswissen in verschiedenen Bereichen –
wie etwa der industriellen Produktion. Hierzu hat er
zahlreiche öffentlich geförderte Forschungs- und
Entwicklungsvorhaben initiiert. Nach langjähriger
Forschungstätigkeit am Institut für sozialwissen-
schaftliche Forschung (ISF) München ist er dort seit
1998 auch Vorsitzender des Vorstands.
32 33 Die Abwesenheit eines Fließbands genügt nicht?
Nein. Das muss nicht notwendigerweise zusammenhängen. Wir
pure: Wer etwas auf sich hält, fertigt nicht nur – sondern schmückt reden und denken hier in unterschiedlichen Arbeitsformen. Das
sich auch gern mit dem Titel „Manufaktur“. Trotz mitunter stattlicher Fließband an sich ist nichts Böses. Es ist entstanden aus der
Stückzahlen. Deshalb die irritierte Einstiegsfrage: Manufaktur und Erkenntnis der Arbeitsteilung. Was an sich keine unmenschlichen
Massenproduktion – schließt sich das aus? Züge trägt.
Böhle: Im eigentlichen Sinne würde man sagen, dass dies nicht
zusammengeht. Doch Manufaktur definiert sich unabhängig von der Wann kam dieser moralisch eher verwerfliche Faktor ins Spiel?
Summe der produzierten Güter – es geht um die Produktionsform. Als man das Prinzip immer weiter steigerte. Als die Arbeit immer
Sie wurde entwickelt bei vergleichsweise geringen Stückzahlen. mehr zergliedert wurde und ein Mensch über acht Stunden hinweg
Sie ist entstanden als ein Zwischending – zwischen dem Handwerk nur eine kurzzyklische, simple Arbeitsverrichtung erfüllte.
und der modernen, industriellen Fabrik. Zunächst war es so,
dass im Handwerk nur kleine Einheiten entstanden – eben im Wie Charlie Chaplin in seinem Film-Klassiker „Moderne Zeiten“?
Zusammenspiel von Meister und Gesellen. Im nächsten Schritt Genau. Das ist die auf die Spitze getriebene Arbeitsteilung – und die
entwickelte sich das sogenannte „Verlagswesen“. Ein Händler such wird immer unmenschlich sein. Mit allen Verschleißerscheinungen.
te Kontakt zu den vereinzelten Handwerksbetrieben, stellte auch
Arbeitsmittel zur Verfügung und schuf so eine Vertriebsplattform. Nochmals nachgehakt: Der Angestellte einer heutigen Manufaktur darf
Der nächste Schritt schließlich führte zu den Manufakturen. Das in vielfältiger Weise sein Können einbringen, was aber nicht unbedingt
Besondere daran war zunächst etwas recht Einfaches: nämlich die bedeutet, dass er sich nach marxistischen Grundsätzen auch der Aus
Handwerker unter einem Dach zu vereinigen. beutung entziehen kann?
Richtig, das müsste es nicht notwendigerweise bedeuten. Ebenso
In welchem zeitlichen Kontext bewegen wir uns gerade? wie der Unternehmer an sich ja kein Stellvertreter des Kapitalismus
Im frühen 19. Jahrhundert. Und entscheidend für eine Manufaktur sein muss. Er bringt Menschen zusammen, schafft Kooperationen.
war damals, dass sich die Handwerker unter einem Dach die Abläufe Aber nochmals grundsätzlich: Ich glaube, es gibt eine ideologische
der Herstellung selbst setzten. Mit ihrem Produktionswissen also Überhöhung des Begriffes „Manufaktur“; die Assoziationen liegen
den Unternehmer als reinen Händler nutzten. Die Fachkräfte waren bei edel, handwerklich, wertvoll, ethisch korrekt – doch wenig
Herren ihrer Arbeit. Das ist der große Unterschied zur industriellen davon trifft den wissenschaftlichen Kontext.
Produktion – in der nun der Unternehmer die Arbeitsprozesse
organisierte. Das Wissen der Arbeitenden wurde im gleichen Zug Existiert ein speziell europäischer, gar deutscher Kontext zum Begriff
durch das Wissen des Managements ersetzt. „Manufaktur“? Oder anders gefragt: Kann ein Manufakturprodukt auch
aus China stammen?
So langsam nähern wir uns der Erkenntnis, dass nach dieser Gute Frage. Da müsste ich selbst recherchieren. Ganz schnell
wissenschaftlichen Definition viele heutige Hersteller sich nicht mit dem geantwortet: In fremden Kulturen trägt der Begriff andere
Titel „Manufaktur“ schmücken dürften ... Assoziationen. So wie der englische Begriff vom „Manufacturing“
So sieht es aus. Das müsste man sich in jedem Einzelfall genauer ja auf einen ganz anderen Inhalt zielt. Vergessen Sie aber bei allen
anschauen. Aber es gibt den Trend. Entscheidend ist die tiefere Definitionsfragen nicht die positiven Seiten der Rückbesinnung.
Erkenntnis, dass nicht alles von oben, vom Management her Es gab und gibt seit den 70er Jahren den kritischen Umgang mit
planbar ist. dem Thema der Fließbandarbeit. Der Automobilhersteller Volvo
hat sich früh dagegen entschieden. Auch aus dem Wissen, dass
dieser Prozess Schwächen hat. Jedes moderne Unternehmen folgt
heute der Tendenz, die massive Arbeitsteilung zu relativieren.
Dahinter steht nicht nur das Sichbesinnen auf humane Werte –
„Das Fließband an sich ist nichts Böses“
DER ARBEITSSOZIOLOGE PROF. DR. FRITZ BÖHLE über hohe Kunst, exzessive Arbeitsteilung
und unseren allzu sorglosen Umgang mit dem Begriff „Manufaktur“
FRAGEN AN PROF. DR. FRITZ BÖHLE
es ist in vielen Bereichen schlicht effektiver. Zunächst kam die Design selbst funktioniert ja nach dem Konzept eines künstlerischen
Kritik, im Sinne einer menschengerechten Arbeit sei exzessive Geniestreichs – der multipliziert werden kann. Multiplikation an sich ist
Arbeitsteilung nicht vertretbar, von den Gewerkschaften oder von für Sie nicht böse?
human interessierten Wissenschaftlern. Das wurde dann ergänzt, Nein. Der Philosoph Walter Benjamin hat das in seinem Aufsatz sehr
als man auch gesellschaftspolitisch feststellte, dass Menschen treffend analysiert: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen
am Fließband selten gesund bis ins Rentenalter kamen – also Reproduzierbarkeit”. In den antikapitalistischen Bewegungen sah
die sozialen Kosten anstiegen. Ausgerechnet aus Japan folgte in man sogar einen Fortschritt durch die Massenfertigung – weil sie
den 80er Jahren noch ein ganz anderer Impuls: Man fand heraus, die Produkte günstiger machte. Im Gegensatz zu den Unikaten,
dass Serienfertigung auch kontraproduktiv sein kann – wenn geschaffen für ein finanzstarkes Bürgertum. Am Horizont der
beispielsweise ein Fließband-Auto anschließend von mehreren sozialistischen Utopie steht eben nicht das Handwerk. Sondern
Facharbeitern von Fehlern befreit werden muss. Die Japaner die automatische Fabrik. Für Marx war das Handwerk schlicht
entdeckten den Gewinn der Perfektion durch die Verantwortung nur „Glück auf bornierter Grundlage“. Allerdings hat Marx dabei
des einzelnen Arbeiters. den Fortschritt durch Verwissenschaftlichung und Technik etwas
überschätzt. Gerade heute wird sichtbar, dass das besondere
Ganz konkret – wir sitzen hier während unseres Gesprächs in einem Raum, Erfahrungswissen und Können im Handwerk auch beim Umgang
fein ausgestattet mit USM-Haller-Möbeln. Ist das in Ihrer Definition mit hochautomatisierten technischen Systemen und in komplexen
Serienware oder ein Manufaktur-Produkt? Organisationen unverzichtbar ist.
Das hätte Anklänge an den Manufaktur-Gedanken.
BUCHTIPP
Das klingt etwas vorsichtig ...
Ich bin da grundsätzlich immer vorsichtig. Ein großes FRITZ BÖHLE / SIGRID BUSCH:
Forschungsgebiet von mir ist seit den 80er Jahren die Rolle MANAGEMENT VON UNGEWISSHEIT –
des Erfahrungswissens. Insofern ist die moderne „Manufaktur“
für mich weit weniger ein Modebegriff als ein gutes Zeichen NEUE ANSÄTZE JENSEITS VON KONTROLLE UND OHNMACHT
der gesellschaftlichen Veränderung: Man erinnert sich des
handwerklichen Könnens als eine hohe Kunst, die man nicht Arbeit, Technik und Ökonomie stehen vor neuen Herausfor-
vollständig durch Maschinen, selbst nicht durch die besten Roboter derungen: Die Vorstellung, durch Wissenschaft und Planung
ersetzen kann. So gesehen ist das ein authentischer Begriff. Ungewissheit in Gewissheit zu transformieren, wird zunehmend
Doch es gibt auch die Schattenseiten. Beispielsweise bei einem brüchig und zum Hemmnis für Innovationen. Doch wie kann man
großen Möbelhaus, das „hand-made“ auf ein Produkt schrieb – die notwendige Handlungsfähigkeit auch unter Bedingungen
welches aber von einem Arbeiter in stumpfer, sich wiederholender von Ungewissheit entwickeln? Anstelle von Kontrolle einerseits
Teilarbeit ausgesägt wurde. Wichtig für mich ist die Autonomie oder Ohnmacht andererseits werden in den Beiträgen dieses
des Handwerkers. Der sein Können einbringen muss und nicht Buches Strategien der Bewältigung von Ungewissheit disku-
nur für ein Etikett herhält. tiert. Als grundlegend hierfür erweisen sich menschliche und
gesellschaftliche Ressourcen wie Improvisationsgeschick, situa-
Und dieses Etikett der „authentischen Manufaktur“ gibt es nicht. Wo wir tives Handeln oder fluide Organisation, die bisher in den Syste-
Deutschen doch so normfreudig sind ... men zweckrationalen Handelns wenig beachtet, wenn nicht gar
Genau richtig. Wenn ich jetzt radikalisieren wollte, dann dürfte diskriminiert wurden.
das Etikett „Manufaktur“ nur dann benutzt werden, wenn jedes
Endprodukt das Zeichen einer Individualität trägt. Häufig gibt 388 Seiten, ISBN 978-3-8376-1723-8
es hier etwas, das ich Collage-Technik nenne – standardisierte
Elemente werden mit Unikaten kombiniert.
PRODUKTE // pure Quality Award
10
34 AU35 SGEZEICHNETE
VORBILDER
AB SOFORT ZEICHNET PURE PRODUKTE FÜR NACHHALTIGES
DESIGN AUS, DIE NACH ÜBERZEUGUNG DER REDAKTION
SOWIE NACH DEN STRENGEN KRITERIEN DER JURY IN IHRER
GESTALTERISCHEN WIE ÖKOLOGISCHEN QUALITÄT MASS-
STÄBE SETZEN: Vorbilder in Design und Nachhaltigkeit.
Nachhaltige Kriterien wie schonender Ressourcen-Einsatz,
energetische Effizienz, Recycling-Fähigkeit sowie Material- und
Verarbeitungsqualität fließen ebenso in die Bewertung ein wie
Funktion, Emotion, Innovationsgrad sowie als gestalterische
Maxime langlebiges Design.
IN JEDER AUSGABE ZEICHNET PURE EXAKT 10 PRODUKTE MIT
DEM PURE QUALITY AWARD AUS – so können wir der Vielzahl an
Produkt-Erscheinungen gerecht werden und verhindern gleich-
zeitig eine Inflationierung des Siegels. Der pure Quality Award
soll eine exklusive Auszeichnung bleiben, die wirklich vorbildli-
chen Produkten vorbehalten ist.
DAMIT STEHT DER PURE QUALITY AWARD FÜR QUALITÄT UND
WERTHALTIGKEIT.
01
„CHAIRMAN“ VON WERNER AISSLINGER
FÜR CONMOTO
Werner Aisslinger ist versiert im Umgang mit neuen Materialien.
Auf der Kölner Möbelmesse „imm cologne“ präsentierte der Ber-
liner Designer nun ein Ergebnis seiner jüngsten Zusammenarbeit
mit dem Möbelhersteller Conmoto aus Münster. „Chairman“ heißt
der Stuhl mit einer besonders weichen Sitzschale aus dreidimen-
sional verformtem Filzfleece. Aufgrund seines textilen Ursprungs
verfügt das zu 100 Prozent recycelbare Material nicht nur über
eine sinnliche Oberfläche. Es erlaubt zudem eine deutliche Ver-
schlankung der Konstruktion. So verfügt die Sitzschale über den
Komfort einer zusätzlichen Polsterung, obwohl sie in einem Stück
aus nur einem Material gefertigt wurde. „Die minimalistische,
klare Formensprache generiert mit den Untergestellen aus Holz
und Metall eine Stuhlfamilie mit langen visuellen Halbwertzeiten“,
erklärt Werner Aisslinger. Ergänzt wird der „Chairman“ um eine
Kollektion passender Tische mit integrierten Aufladestationen für
Telefone und Computer. nk
www.conmoto.com
DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Die Konstruktion der Sitzschale aus
einem Monomaterial vereinfacht sowohl die Herstellung als auch den
späteren Recyclingprozess. Indem Sitzschale und Sitzbezug miteinan-
der identisch sind, ist ein vorschneller Verschleiß des Möbels ausge-
schlossen.
02
STAPELBETT „TORO“ VON GIL COSTE
FÜR MORE
Obwohl Wohnraum immer teurer und die Gesellschaft zugleich
mobiler wird, zählen praktische Stapelbetten nach wie vor zu den
Exoten unter den Möbeln. Ein Stapelbett lässt sich im Nu zu einem
bequemen Doppelbett umfunktionieren und macht – das wäre der
Idealzustand – auch im Wohnraum als Sofaersatz eine gute Figur.
Kultstatus hat in diesem Zusammenhang allein die Stapelliege von
Rolf Heide aus den 60er Jahren erlangt, die allerdings ihren etwas
spröden Jugendzimmer-Charme nicht ablegen kann. Ein wirklich
elegantes und modernes Stapelbett ist aber jetzt dem Designer
Gil Coste für more gelungen: Toro basiert auf einem vergleichs-
weise leichten Aluminium-Rahmen, integrierte Schlaufen ermögli-
chen einen schnellen Ab- und Aufbau, durch den gerade 18 Milli-
meter schmalen Spalt bietet es auch als Doppelbett viel Komfort.
Auch weil die untere Matratze im gestapelten Zustand nicht zu
sehen ist, muss sich Toro im Wohnzimmer nicht verstecken. kpb
www.more-moebel.de
DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Elegantes Stapelbett mit zahlreichen
praktischen Designmerkmalen bis hin zu variabel aufsteckbaren
Kissen. Der eloxierte Aluminium-Rahmen ist leicht, robust und zu über
90 % aus recyceltem Aluminium.
PRODUKTE // pure Quality Award
36 37 03
WASCHMASCHINE SAMSUNG „BLUE CRYSTAL“
Müssen Waschmaschinen wirklich aussehen, wie Waschmaschinen
immer ausgesehen haben? Samsung, hierzulande vor allem für sei-
nen Siegeszug bei hochwertigen Flachbild-Fernsehern bekannt,
will auch mit seinen Hausgeräten an den Erfolg der TV-Sparte an-
knüpfen – und setzt dabei ebenfalls auf hochwertige Technik und
außergewöhnliches Design. Auffälligstes Kennzeichen der des-
halb „Blue Crystal“ genannten Waschmaschine ist das weit oben
sitzende und fast bis zum Rand des Frontrahmens reichende,
tiefblaue Bullauge. Erleichtert bereits diese erhöhte Position die
Bedienung, so setzt Samsung mit einem Full-Touch-Bedien-Dis-
play im Stil moderner Smartphones neue Maßstäbe in der Benut-
zerführung. Statt über Knöpfe und Tasten erfolgt die Bedienung
intuitiv per Menü – einfach verständliche Waschprogramme ein-
geschlossen. Noch zeitgemäßer: Eine intelligente Sensorfunktion
erkennt automatisch Wäschemenge sowie Verschmutzungsgrad
und steuert die notwendige Wasser- und Waschmittelmenge effi-
zient ein. Die sogenannte Schaum-Aktiv-Technologie sorgt dafür,
dass auch größere Wäschemengen bereits bei niedrigen Tempe-
raturen sauber werden. kpb
www.samsung.com.de
DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Mit innovativer Schaum-Aktiv-Tech-
nologie und automatischer Wasser- und Waschpulverdosierung wird die
Blue Crystal zum ökologischen Vorreiter. Extravagantes Design und
modernes Bedienkonzept runden das innovative Konzept ab.
04
SCHALTERSYSTEM „GENERATION R.“
VON WERNER AISSLINGER FÜR BERKER
Lichtschalter und Steckdosen gibt es wie Sand am Meer – umso
bemerkenswerter, wenn ein neues Programm an alte Traditionen
anknüpft und sich gleichzeitig wohltuend von der Masse abhebt.
Die von Werner Aisslinger für Berker entworfene Generation R.
unterscheidet drei Linien: R.1 ist am abgerundeten Rahmen zu er-
kennen, R.3 am kantigen Rahmen und R.classic am traditionellen
Drehknauf auf kreisrundem Untergrund. Allen Linien gemein sind
die extrem puristische und gleichzeitig harmonische Formenspra-
che, der vielfältige Materialmix sowie die integrierte Netzwerk-
Technologie. Der besondere Clou des neuen Schaltersystems
ist aber die unvergleichliche Individualisierungsmöglichkeit: Ob
Rahmen aus Beton oder in naturbelassenem Leder, ob Holzrah-
men mit natürlicher Maserung, in edlem Naturstein oder bunt
leuchtendem, weil transluzentem Acryl – kaum eine Individuali-
sierungsoption bis hin zu Sonderanfertigung mit Jeansstoff oder
Swarovski-Kristallen macht die industrielle Manufaktur bei Berker
nicht möglich. kpb
www.berker.de
DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Ein neues Schalterprogramm, das
Tradition und Moderne über eine extrem klare und schlichte Formen-
sprache verbindet. Die industrielle Manufaktur eröffnet ungeahnte
Individualisierungsmöglichkeiten.
05
FESTPLATTE LACIE „SPHÈRE“
Hierzulande zieht der Name noch nicht. Im Mutterland Frankreich
rangiert Christofle jedoch in der Ehrenhalle der Handwerkskunst.
Seit 1830 im Luxussegment der Silberverarbeitung daheim. LaCie
wiederum etabliert sich als junge Tochter des großen Festplat-
tenherstellers Seagate mit Design-Ambition. Eine gemeinsame
Schnittmenge existiert natürlich auch unter der Käuferschaft. Für
die LaCie und Christofle jetzt „Sphère“ geschaffen haben. In den
harten physikalischen Maßen eine Festplatte mit einem Terabyte
Kapazität und USB-3-Anbindung. In den mythischen Maßen je-
doch eine glänzende Kugel – wie aus einem Märchen der Gebrü-
der Grimm. Das runde Gehäuse besteht aus Stahl – und wird in
der Christofle-Silberschmiede im französischen Yainville von Hand
versilbert und poliert. Der Preis geht trotz aller Schönheit nicht ins
Exorbitante – und liegt laut Empfehlung knapp unter 400 Euro. ag
www.lacie.com
DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Festplatten sind graue Klötze, die
man am besten im Fußraum unter dem Schreibtisch verstaut. LaCie
und Christofle suchen die Gegenrichtung: „Sphère“ ist natürlich ein
Silberschaustück – dahinter aber die Edel-Kapsel unseres digitalen
Lebens auf dem Schreibtisch. Ein Globus, eine Welt – und zugleich
deren Spiegel.
06
OBJEKTIVE SIGMA „ART“
Die meisten Menschen hören beim Kamerakauf dort auf, wo es ei-
gentlich spannend wird. Bei der Optik. Wer eine fundierte Markt-
befragung starten würde, käme aktuell zu der traurigen Erkennt-
nis, dass nur vier Prozent aller aufgeschraubten Objektive die
potenzielle Leistung der Digital-Sensoren in den dahinter liegen-
den Gehäusen nutzen können. Die Geschichte von den Kanonen
und den Spatzen. Nur: Wie die wirklich guten, wirklich passenden
Objektive finden? Unser Tipp: Sigma hat neben den vielen Preis-
Leistungs-Vorkämpfern im Katalog auch eine Top-Serie an „Art“-
Objektiven aufgelegt. Bewusst ohne Show im Äußeren und in
den Typenbezeichnungen – aber mitunter leistungsstärker als die
meisten Objektive der großen Kamerahersteller. Darunter echte
Profi-Qualität, geradezu ersehnt von den Könnern. Als ideales
Standardobjektiv wirft sich ganz frisch das Sigma 18-35 mm F1,8
DC HSM in Form: fein reduziert auf die praktischen Brennweiten
(adäquat Kleinbild: 27 mm - 52,5 mm) und schlicht konkurrenzlos
überragend in der Lichtstärke. ag
www.sigma-foto.de
DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Schwarz, stark, frei von Show. Die
Sigma-Serie der „Art“-Objektive trifft einen Zeitnerv – Fotografieren
als bewusstes Festhalten eines Moments. Kein Knipsen, sondern wis-
sende Inszenierung – mit ebenso bewusst-reduziertem Werkzeug der
höchsten Klasse.
PRODUKTE // pure Quality Award 07
38 39
„HAUSSMANN 310“ VON TRIX UND ROBERT
HAUSSMANN FÜR WALTER KNOLL
In puncto Sitzkomfort rangiert ein Klassiker noch immer ganz weit
vorne: der urbritische Chesterfield-Sessel mit seiner unverkenn-
baren, geknöpften Polsterung. Auch Bauhäusler wie Mies van der
Rohe verwendeten dessen Steppung für ihre Entwürfe – wenn-
gleich mit weitaus weniger körperschmeichelnden Konturen. Wie
ein Versöhnungsversuch zwischen den runden, sinnlichen Polstern
des 19. Jahrhunderts und der Moderne wirkt das Sitzprogramm
„Haussmann 310“ von Trix und Robert Haussmann: „Wir wollten
ein Möbel entwerfen, das den Komfort des klassischen Chester
field bietet, aber leichter in Erscheinung tritt“, erklärt das
Schweizer Designerpaar, dessen Entwurf aus dem Jahr 1962 nun
von Walter Knoll wieder in Produktion genommen wurde. Die
Besonderheit des Sessels liegt in der Verschmelzung von Gegen
sätzen: Sitzfläche und Rücken sind mit ihrem kopfgesteppten
Rautenmuster Ausdruck handwerklicher Polstertradition, während
der filigrane stählerne Unterbau ganz klar dem industriellen Zeit-
alter verbunden ist. nk
www.walterknoll.de
DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Die Sessel und Sofa des Sitzpro-
gramms meistern den Spagat, Komfort und Leichtigkeit miteinander
in Einklang zu bringen. Die Qualität der Verarbeitung garantiert eine
lange Lebensdauer und stiftet zugleich Vertrauen im wohnlichen Kon-
text. Oder wie es Robert Haussmann selbst auf den Punkt brachte:
„Dieser Clubsessel besitzt den Charme des in Würde Gealterten und
schafft dieses unnachahmliche Ambiente vertrauter Noblesse.“
08
„DS-110“ VON ALFREDO HÄBERLI
FÜR DE SEDE
Alfredo Häberli lässt keinen Zweifel an seiner Vorliebe für schnel-
le Autos. Selbst im eigenen Wohnzimmer möchte der Schweizer
Designer den Rausch der Geschwindigkeit erleben. Der Sessel
„DS-110“, den er nun für die Schweizer Ledermanufaktur De Sede
entworfen hat, erinnert mit seinen fließenden Konturen an den
Fahrersitz eines PS-starken Sportwagens. Als Vorlage diente ein
Klassiker von De Sede, der seit 1986 produziert wird: Der Sessel
„DS-57“ von Franz Romero, besser bekannt unter seinem Spitzna-
men „Bugatti“. Mit seiner dynamischen Stromlinienform ließ das
Möbel an Rennwagen aus den Dreißigerjahren denken. Alfredo
Häberli verschlankte den Entwurf deutlich und verwandelte die
wulstigen Armlehnen in elegant nach außen geneigte Flügel, die
an einen über den Meeresboden hinwegschwebenden Rochen er-
innern. Aufgrund der tiefen und leicht nach hinten geneigten Sitz-
position gerät der Sessel zur komfortablen Kommandozentrale für
die heimischen vier Wände – und das bei Weitem nicht nur, wenn
gerade Formel 1 im Fernsehen läuft. nk
www.desede.de
DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Nicht nur Eleganz, Zeitlosigkeit und
Komfort bilden bei diesem Möbel eine untrennbare Einheit. Indem
traditionelle Verarbeitungsqualitäten mit dynamischen Kurven kombi-
niert wurden, entstand ein Lieblingsstück für mehrere Generationen.
09
BODENBELAG PARADOR „ECO BALANCE PUR“
Er ist leise, fühlt sich angenehm warm an und sieht aus wie natür-
liches Holz: Der neue Eco Balance Pur von Parador ist zwar ähn-
lich aufgebaut wie ein Laminatboden, kommt seinem Vorbild Holz
aber in seinen optischen und haptischen Eigenschaften bereits
sehr nahe. Bestandteile sind eine zertifizierte HDF-Trägerplatte,
ein Gegenzug aus Kork sowie das mit PUR ummantelte Dekor-
papier. PUR gilt als besonders hochwertiger Kunststoff, der bei-
spielsweise als Lederimitat bei Cockpit-Ausstattungen, Matratzen
oder Autositzen Einsatz findet. Das Material ist langlebig, so dass
Parador eine Garantie von 15 Jahren gewähren kann. Da sich Eco
Balance PUR auch für Fußbodenheizungen eignet, kann durch den
generell günstigeren Wärmebedarf bei Flächenheizungen Energie
gespart werden. kpb
www. parador.de
DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Ein preiswerter und pflegeleichter
Laminatboden, der seinem Vorbild Holz in Haptik und Optik sehr
nahe kommt: Der im Vergleich zu Vinyl um 75 Prozent verringerte
Materialverbrauch schont Ressourcen, die Produktion erfolgt frei von
Weichmachern.
10
„MIMESI“ VON CARLOTTA DE BEVILACQUA
FÜR ARTEMIDE
Das Entwerfen einer Leuchte gleicht der Quadratur des Kreises.
Schließlich gilt es, die Immaterialität des Lichts in eine materielle
Gestalt zu überführen und dennoch den Eindruck von Schwere zu
vermeiden. Wie leicht die Lösung dieser Aufgabe dann doch ge-
lingen kann, zeigt Carlotta de Bevilacqua mit ihrer Bodenleuchte
„Mimesi“ für Artemide. Leistungsstarke LEDs projizieren ihr Licht
in einen Schacht aus Metacrylat hinein. Die Oberfläche des durch-
sichtigen Kunststoffs verfügt an ihrer Innenseite über eine eingra-
vierte Struktur aus vertikalen und horizontalen Linien. Wird die
Leuchte eingeschaltet, verfangen sich die Lichtstrahlen im geo-
metrischen Muster der Kunststoffhaut und bringen es optisch zum
Schweben. Die Grenze zwischen Objekt und Raum wird nicht nur
mithilfe des transparenten Leuchtenkörpers überwunden. Auch
das auf angenehme, indirekte Weise ausgesandte Licht bewirkt,
dass sich die Leuchte harmonisch in ihre Umgebung einfügt. nk
www.artemide.de
DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Die Leuchte überzeugt durch ihr
Wechselspiel aus Leichtigkeit und physischer Präsenz. Der Einsatz
energiesparender LEDs und die Fertigung des Leuchtenkörpers aus re-
cyceltem Aluminium machen den Entwurf von Carlotta de Bevilacqua
zu einem langlebigen Begleiter im Wohn-, Hotel- und Objektbereich.
ARCHITEKTUR & WOHNEN // Stahlrohrmöbel DESIGN
40 41 /
N A C H H A LT I G K E I T
Die Klassiker unter den Stahlrohrmöbeln ent-
standen in einer überraschend kurzen Zeitspanne.
Mitte der 1920er Jahre ging vornehmlich vom
Bauhaus ein Mix aus Wertebewusstsein und tech-
nischer Spiellust aus. Die Formsprache änderte
sich faktisch über Nacht. Statt Plüsch sollte Stahl
federnd für Bequemlichkeit und optische
Transparenz sorgen. Der schönen Idee
folgten eine zunächst nur begrenzte
Akzeptanz am Markt – und lange
Rechtsunsicherheit.
01
MIES VAN DER ROHE
THONET (1927)
Seinen besonderen Komfort verdankt er der
Fähigkeit zum dauerelastischen Federn.
Weil Mies van der Rohe den vorderen Teil
des Stahlrohrgestells als großen Bogen aus
federhartem Stahlrohr konzipierte. Bei der
Vorbereitung der Weißenhof-Siedlung zeigte
Mart Stam seine Idee des Freischwingers
Ludwig Mies van der Rohe. Stam kam es
primär auf die kubistische, reduzierte Form
an, sein erster Entwurf federte nicht.
Mart Stam – der Rastlose:
Entwürfe zur Weiter
entwicklung seines
Kragstuhl-Konzepts –
beigefügt einem Patent
antrag von 1929.
Feine
Schwingungen
Ein Krimi – wie die Designer plötzlich Stahl für den Wohnraum entdeckten und die ersten
Freischwinger schufen. Auch ein kreativer Wettkampf zwischen Fahrrad-Konstruktionen, HOCH-
GREIFEND SOZIALEN IDEEN UND DEN TIEFSTEN NIEDERUNGEN DES URHEBERRECHTS
Wer alle Fakten zusammenfügt, muss eine seltsam intensive, Von Andreas Günther
kreative Sprengkraft spüren – und sie auf die Zeit schieben. Die
20er Jahre des vorigen Jahrhunderts haben der Welt nicht nur den scheiden – und trifft deshalb auf mehrere Väter. Der prominenteste
Charleston gebracht, sondern auch epochale Taten im Design. und am häufigsten genannte: Marcel Breuer. Sein Sessel „B 3“ wird
Die Zahl der auf diesem Spielfeld verwendbaren Materialien stieg auf das Jahr 1925 datiert – der Weltruhm stellte sich dank dem
sprunghaft an. Bestes Beispiel: Stahl. Bis dahin ein eher ruppiger griffigeren Namen „Wassily“ ein (der dem guten Stück erst 1962 mit
Baustoff. Mit dem man Häuserwände hochziehen konnte – aber überdeutlicher Verkaufsabsicht angedichtet wurde). Der Schöp-
keine Wohnzimmer verfeinern. Er traf das Ideal vom zukunftsge- fungsmythos besagt, dass Breuer sich vom Fahrradbau anregen
wandten Werkstoff – verweigerte sich jedoch vielen Einsatzgebie- ließ. Eine überraschende Wende – begann Breuer seine Karriere
ten. Dabei galt es gerade für Designer, einen Generationenkonflikt doch mit einer Ausbildung zum Tischler. Die Anzahl seiner hinter-
zu überwinden. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ver- lassenen Holzmöbel ist stolz. Und groß war sein Hunger nach Wei-
ausgabten sich die kreativen Köpfe mit schweren Stoffen, Blüten- terentwicklung. In Dessau wandte er sich als Jungbaumeister unter
mustern und geschwungenen Linien. Der Jugendstil hatte Europa Walter Gropius der industriellen Bauweise zu. Beim Fahrradher-
erfasst. Wer einen Stuhl jener Epoche neben einen Freischwinger steller Adler fragte er – ohne Erfolg – an, ob man mit dem Wissen
aus Stahlrohr stellt, würde auf einen Zeitsprung von mehreren aus der Fahrradproduktion eine eigene Möbelserie auflegen wolle.
Menschenleben schließen. Stimmt aber nicht. Bei Mannesmann ließ Breuer Rohre biegen und von einem Klemp-
Das Stahlrohrmöbel und den Freischwinger insbesondere – wer ner vereinen – abermals ohne weiterführenden Erfolg.
hat sie erfunden? Darüber streiten nicht nur Kunst- und Architek- Entscheidend war die Begegnung mit dem Schlossermeister Karl
tur-Wissenschaftler, sondern auch Juristen. Man muss zwischen Körner – der mit Breuer in der Lehrwerkstatt des Flugpioniers
der Formensprache, der Basistechnologie und der Nutzform unter- Hugo Junkers die ersten wirklichen Stahlrohrmöbel unter Bauhaus-
Flagge entwickelte. Aus heutiger Sicht archaische, hoch spannen-
de Spielversuche im Umgang mit dem neuen Material. Aus acht
ARCHITEKTUR & WOHNEN // Stahlrohrmöbel
42 43 02
MARCEL BREUER
THONET (1930/31)
Beispiel für den programmatischen
Anspruch des Bauhauses, Kunst
und Technik zu einer formalen Ein-
heit zu verbinden. In den Entwurf
aus Stahlrohr fügen sich Tischplat-
te und Aufbewahrungselemente aus
lackiertem oder gebeiztem Holz har-
monisch ein. Das schlichte, in seinen
Proportionen formal ausgewogene
Möbel verkörpert ein Stück Zeit-
geschichte, bekannt als „Die neue
Sachlichkeit“.
Winkeln wurde ein erstes Hockergestell geformt – eine Bastel den Bauhaus-Philosophen kollektiv suspekt gewesen. Die Gegen-
arbeit mit Potenzial. welt, aus der Marcel Breuer fliehen wollte. Breuer rief sein Ideal
Das Wunder liegt im zeitlich-räumlichen Zufall. Breuer traf in den des „abstrakten Stuhls“ aus: „Ein Stuhl z. B. soll nicht horizontal-
Werkstätten von Hugo Junkers auf die gleiche Dynamik: Die Holz- vertikal sein, auch nicht expressionistisch, auch nicht konstrukti-
konstruktionen des Jugendstils wurden als veraltet gebrandmarkt. vistisch, auch nicht rein auf Zweckmäßigkeit hin gearbeitet, auch
Der Stil galt als schwülstig, zudem als politisch zweifelhaft – als nicht zu dem Tisch ‚passen’, sondern er soll ein guter Stuhl sein,
zu bürgerlich, zu hemmend für die Entwicklungen der Moderne. und dann passt er zu dem guten Tisch.“
Stahl dagegen stand wie gesagt für Fortschritt und Zukunftsgläu- Marcel Breuer war nicht allein unterwegs. Der gebürtige Holländer
bigkeit. Hugo Junkers wagte Mitte der 1920er Jahre das Maximum: Mart Stam fertigte 1926 erstmals einen Stuhl aus Stahlrohr, den
ein „Stahlhaus“. In einem Baukastensystem wollte er Blechbauten „Kragstuhl“. Eine verwirrende Wortwahl für viele Nicht-Insider –
für die industrielle Großproduktion formen. Fünf Häuser entstan- „kragen“ deutet das „überstehende“ Element der Form an. Ein
den, ein einziges ist noch erhalten; weil es jahrelang als Domizil Stuhl, dessen Sitzfläche überragt und ohne rückseitige Beine aus-
des Pförtners auf dem Firmengelände diente. kommt. Also: ein Freischwinger. Mart Stam liebte die Form, ver-
Die Utopie von der industriellen Massenfertigung verband Hugo nachlässigte aber in seinen ersten Entwürfen das federnde Ele-
Junkers mit den Designern des nahen Bauhauses. Die industriell ment. Auf den Faktor der Elastizität wiederum setzte Ludwig Mies
ausgerichtete Bauform sollte die Multiplikationen erleichtern, van der Rohe, als er 1927 für die Stuttgarter Weißenhofsiedlung
erzwingen. Man wollte die Allgemeinheit mit dank niedrigem sein Modell MR20 schuf. Eine Basis aus 25 Millimeter starkem
Materialaufwand erschwinglichen Preisen beglücken, nicht den Stahlrohr, mit Eisengarngurten oder einem Geflecht der befreun-
Luxuskonsum. Die Ironie und der geheime Schrecken liegen in deten Innenarchitektin Lilly Reich bezogen. Wie eng und mitunter
der heutigen Wahrnehmung der meisten Bauhaus-Produkte als feindlich-befreundet die Designer jener Zeit zusammenarbeiteten,
Edel-Pomp für Zahnarztpraxen. Wer den Ur-Ideen nachfühlen will, darüber berichtete später ein Mitarbeiter Mies van der Rohes,
muss nur einmal den Entwürfen des berühmten Wassily-Chairs be- Sergius Ruegenberg: „Mies kam im November 1926 aus Stutt-
gegnen: ein uncharmant gealterter, leicht abgewetzter Sessel mit gart zurück und erzählte von Mart Stam und seiner Stuhlidee. Wir
Stoffbespannung. Die luxuriöse Ledervariante der Gegenwart wäre hatten ein Zeichenbrett an der Wand, darauf zeichnete Mies den
Marcel Breuer Mart Stam
(1902 - 1981)
(1899 - 1986)
Der gebürtige Ungar studierte
von 1920 bis 1924 am Bauhaus Der gebürtige Holländer leistete
Weimar. 1925 übernahm einen aufsehenerregenden
er dort die Leitung der Beitrag zur Weißenhof-Siedlung
Tischlereiwerkstatt. In dieser in Stuttgart – als Architekt und
Zeit entwickelte er seine als Gestalter, der mit Stahlrohr
wegweisenden Möbelentwürfe experimentierte. Als Gastdozent
aus Stahlrohr. 1937 wurde er als am Bauhaus in Dessau hielt Stam
Professor für Architektur an die Vorlesungen über Baulehre und
Harvard Universität berufen, Städtebau. 1950 wurde er Direktor
1946 gründete er sein eigenes der Hochschule für angewandte
Studio in New York. Kunst in Berlin-Weißensee.
Ludwig Mies van der Rohe Eileen Gray
(1878–1976)
(1886 - 1969)
Die gebürtige Irin war 1898 eine der ersten
In Aachen geboren, war Mies van der Rohe ab Frauen, die zur Londoner Slade School of Fine Art
1925 verantwortlich für die künstlerische Leitung zugelassen wurden. Während der 20er und 30er
des Deutschen Werkbundes. 1927 entstand unter Jahre galt sie als eine der wichtigen Repräsentanten
seiner Regie die Weißenhof-Siedlung in Stuttgart. neuer Design- und Architekturtheorien. Sie
1930 wurde er Direktor des Bauhauses in Dessau, arbeitete eng mit Persönlichkeiten der Moderne
das er am 10. August 1933 auf Druck der NSDAP zusammen, darunter Le Corbusier. Dieser Gruppe
auflösen musste. Er emigrierte in die USA und weit voraus, stellte sie 1925 Möbel aus Chrom,
entwickelte sich in Chicago zu einem der weltweit Stahlrohr und Glas aus, in demselben Jahr wie
einflussreichsten Architekten. Mies van der Rohe und Marcel Breuer – lange vor
Le Corbusier.
Stam-Stuhl, rechtwinklig, von oben angefangen. Auch die Muffen Der Ur-Entwurf von
fügte er hinzu und sagte: ‚Häßlich, so was Häßliches mit diesen Mart Stam: Eine Stahl-
Muffen. Wenn er wenigstens abgerundet hätte – so wäre es schö- rohrkombination wie aus
ner‘ und skizzierte einen Bogen. – Nur ein Bogen aus seiner Hand dem Sanitärhandel – mit
an der Stam-Skizze machte den neuen Stuhl aus.“ 90-Grad-Winkeln als
Dem leichten Bogen aus des Meisters Hand folgte ein Rechtsstreit. zentrales Konstruktions-
Mies van der Rohe war schnell und hatte 1926 noch vor der öffent- merkmal. Und primär
lichen Präsentation des Stam-Stuhles auf der Weißenhof-Ausstel- nicht auf Federung
lung ein Patent für den eigenen Freischwinger eingereicht. Es kam ausgelegt.
zum juristischen Verfahren. Das Gericht bewertete überraschen-
derweise nicht die ähnliche Form, sondern einen Aspekt, den Mies
van der Rohe vorführte: Sein Stuhl federte – was als wesentliches
und auch rechtlich entscheidendes Element anerkannt wurde.
Klingt nach einer Petitesse, ist aber Kernelement der Bauweise:
Freischwinger sollten bequem sein, aber die Plüschhaftigkeit ih-
rer Vorgänger negieren. Die Federung sorgte für Bequemlichkeit –
ohne auf eine Polsterung angewiesen zu sein. Wie auch die einfa-
che Zerlegbarkeit als bewusstes Mittel der Bauhaus-Philosophie
erschien. Die Materialien waren an sich langlebig. Sollte tatsäch-
lich ein Element ausfallen, musste nicht der komplette Stuhl ent-
sorgt werden. Ein ökologischer Pferdefuß in diesem Konzept war
den Meistern nicht bewusst, damals: Nach ersten Experimenten
mit Farbe etablierte sich Nickel als Schutz und ästhetisch prägen-
des Element auf den Stahlrohren.
ARCHITEKTUR & WOHNEN // Stahlrohrmöbel 07
05 06
04 08
44 45
09
03
03 04
MARCEL BREUER MIES VAN DER ROHE
TECTA – D4 (1927) TECTA – D42 (1927)
Der „zusammenklappbare Stahl- Originalgetreue Re-Edition des
rohr-Klubsessel mit Stoffbespan- Weißenhofstuhls. Entscheidend
nung“ wurde in einem ersten und schön hier: Das Original-
Katalog klar adressiert als für geflecht nach Lilly Reich – die
„Schiffe, Sportplätze, Terrassen, ab 1926 über zehn Jahre eng
Sommerhäuser, Gärten, Garten mit Ludwig Mies van der Rohe
cafés etc. besonders geeignet“. Ist zusammenarbeitete und 1932
der später „Wassily“ getaufte Ent- zur Leiterin der Ausbau-Werk-
wurf ein Unverwandelbarer auf statt am Bauhaus aufstieg.
Kufen und beansprucht trotz Vo-
lumenreduzierung enormen Platz,
so ist der D4 im sozial-praktischen
Nutzwert deutlich mutiger. Breuer
selbst gestand kurz vor seinem Tod:
„It’s like an old forgotten dream.“