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Published by ce, 2018-06-05 09:58:26

KOMPLETT_3Ausgaben

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Wenn wir nach Hause kommen,
beachten wir die Post auf dem
Tisch und das Geschirr in der
Spüle nicht. Wir blenden die
noch nicht zusammengelegte
Wäsche aus und kümmern uns
auch nicht um die seltsamen
Geräusche, die der Kühlschrank
von sich gibt. Denn wir sind zu
Hause. Und zu Hause

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EDITORIAL

Wissen macht Spaß

Warum ist ein Stahlsessel, den Marcel Breuer in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts
entworfen hat, heute frischer und zeitgemäßer als je zuvor? Warum sieht eine Uhr wie die
Submariner von Rolex noch immer exakt so aus wie vor 60 Jahren – und hat in der Zwischen-
zeit jede Menge Nachahmer gefunden, die dem Original bis ins Detail nacheifern? Wie kann
ein Sofa von Cor, das zunächst kaum gefragt war, zum absoluten Klassiker aufsteigen und
gerade seinen 50sten Geburtstag feiern? Wieso ist erst James Dyson auf die Idee gekom-
men, einen leisen Lüfter ohne Rotorflügel zu entwerfen? Warum konnte das iPhone nicht nur
eine ganze Branche durcheinanderwirbeln, sondern auch unser soziales Verhalten nachhaltig
verändern?

Die Rede ist von Produkten oder besser Design-Stücken oder – noch besser – Design-Ikonen,
die längst Kultstatus erlangt haben. Die im Rang einer Ikone in ihrem Segment ganz oben
thronen. Die nie übertroffen wurden – dafür aber häufig nachgeahmt. Einige dieser Design-
Ikonen haben bereits etliche Jahrzehnte sämtlichen Modeströmungen getrotzt, wieder an-
dere sind noch recht jugendlich auf dem Markt. Das Alter war nicht unser entscheidendes
Auswahlkriterium, als wir aus der Vielzahl der möglichen Kandidaten insgesamt 50 für diese
Titelgeschichte ausgewählt haben. Weder wollten wir eine Werksschau des Bauhauses veran-
stalten noch eine Hommage an Eileen Gray, Ludwig Mies van der Rohe oder Ray und Charles
Eames verfassen – und letztlich ist doch auch wieder eine daraus geworden, weil man einfach
nicht vorbeikommt an den zeitlosesten der zeitlosen Entwürfe, ohne die die Welt definitiv
ärmer wäre.

Wir wollten vor allem dem Wesen und Geheimnis des Klassikers näherkommen, den Mythos
hinter dem Produkt ergründen und erfahren, wann daraus eine Ikone wird. Und wir haben
dazu kompetente Gesprächs- und Interviewpartner eingeladen: „Klassiker kann man nicht
im Reagenzglas komponieren“, ist Dr. Corinna Rösner überzeugt, die als Vize-Direktorin der
Neuen Sammlung in München das umfangreichste und wichtigste Designmuseum der Welt
mit leitet. „Wirkliche Kultgegenstände müssen rar sein, aber gleichzeitig ausgereift“, weiß der
Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx und betrachtet sie vor allem als „Pfeiler in einem
Meer des Schrotts“. „Man muss Klassiker auch im Kontext technischer und gesellschaftlicher
Veränderungen sehen“, sagt Elmar Schüller, der seine Designkompetenz aus knapp 20 Jahren
Red Dot-Erfahrung schöpft und heute mit dem Innovative Living Institute konkrete Visionen
für die Anforderungen an Produkte von morgen entwickelt.

Und noch ein Zitat als Versprechen: „Wissen macht ja Spaß“, sagt Corinna Rösner. „Das sinn-
liche Vergnügen, das ich an einem Ding habe, verstärkt sich, wenn ein geistiges hinzukommt.“
Ganz in diesem Sinne bieten wir Ihnen mit der vorliegenden pure wieder jede Menge Spaß
mit 50 Design-Ikonen und zahllosen Mythen dahinter.

Klaus-Peter Bredschneider // Herausgeber

INHALT // 01|14

In Gold getauchte Was ist das Wesen eines Großperlig, zart und tau-
Tisch-Dekorationsstücke, Klassikers? pure versucht, frisch: So lieben Gourmets
beschreibbares Geschirr: dies Geheimnis zu lösen, den Rogen der Störe – die
Mit traditionell hohem und stellt 50 Design-Ikonen in freier Natur kaum mehr
Qualitätsanspruch und vor. Etwa „Superleggera“ – vorkommen. Weil ihre Eier
vielen innovativen Ideen gestaltet von Gio Ponti ein starker Wirtschaftsfaktor
antwortet die deutsche und auf unserem Cover sind, gönnt man diesen
Porzellanindustrie auf ver- balanciert von Modewelt- Fischen doch noch ein
ändertes Nutzerverhalten ... Ikone Karl Lagerfeld ... bisschen Lebensraum – in
Zuchtgewässern ...

58 PORZELLAN 07 IKONEN 84 KAVIAR

6 7

Produkte

07 DESIGN-IKONEN

Wir haben hart gerastert: Geblieben
sind 50 Klassiker, denen der Rang
einer Ikone wirklich gebührt.

32 AUSGEZEICHNETE VORBILDER

Ab sofort zeichnet pure 10 Produkte
für nachhaltiges Design mit dem pure
Quality Award aus.

Menschen

20 CORINNA RÖSNER

Die Vize-Direktorin der Neuen Samm-
lung München über Design-Klassiker

26 ELMAR SCHÜLLER

Der Gründer des Innovative Living
Institute über Klassiker-Macher

30 MATTHIAS HORX

Der Zukunftsforscher über Füllfeder-
halter und den Zerfall alles Materiellen

Die hohe Kunst, Kunst ins Unverkrampft mixt sie Platzfordernd und sprit­ Die Nostalgie der Nos-
rechte Licht zu rücken, er- Formen, Farben und saufend widersprechen talgie: Hightech-Kameras
reicht im frisch gestalteten Strukturen, industrielle sie dem Zeitgeist. im 60er- und 70er-Jahre-
Lenbachhaus zu München Fertigung und Handwerk, Die Frage, warum sie Look sind neuerdings der
dank LED-Technik einen lässt Trennungen einfach dennoch so enormen Renner. Begründen den
neuen Gipfel. Im Zentrum nicht bestehen – und wirkt Zuspruch finden, ist pure Trend zum Retro-Design
des Beleuchtungsfests so in der Gestalter-Welt eine tiefer gehende hier auch rein funktionale
tanzt Òlafur Elíassons als große Vereinerin ge- Betrachtung wert ... Aspekte?
„Wirbelwerk“... mäß ihrem Leitgedanken:
„Design ist ein Dialog“ ...

38 LENBACHHAUS 44 PATRICIA URQUIOLA 94 SUV 66 KAMERAS

42 DIETRICH F. BRENNENSTUHL Lebensart Auto & Mobilität

Der Leuchtendesigner über Faszina­ 78 KAMPF UMS IDEALGEWICHT 88 BMW I3
tion und Farbqualität der LED
Die Umsätze der Diätindustrie legen Effektiv, schlau und überraschend
65 HOLGER RAITHEL zu – aber wir werden nicht leichter. günstig: Der i3 ist ein verführerisches
pure zeigt auf, warum das so ist. Stück Elektromobilitäts-Gegenwart.
Der Porzellanhersteller über umwelt­
bewusstes Handeln 84 KAVIAR 94 SPORT UTILITY VEHICLES

73 UWE HÜTTNER Jetzt gibt es diese Delikatesse auch für pure beleuchtet die Hinter­gründe des
reinen Genuss mit reinem Gewissen. ungebrochenen SUV-Booms.
Der Fotograf über praktische Ansprüche
an das Design von Kameras Wirtschaft Rubriken

83 JÜRGEN WEIHOFEN 52 VERSICHERUNGEN 05 EDITORIAL
102 BILDBÄNDE
Der Ernährungswissenschaftler über Eine skandalöse Branche? Oder 106 VORSCHAU // IMPRESSUM
Veränderungen unseres Essverhaltens doch gut, wichtig und nachhaltig für
Deutschland?
Architektur & Wohnen
58 PORZELLANINDUSTRIE
38 NEUES LENBACHHAUS
Der veränderten Marktsituation
LED-Licht erhält in der Städtischen begegnen deutsche Unternehmen
Galerie endlich den Ritterschlag, der erfolgreich mit traditionellen Werten
ihm lang schon gebührt. und Innovationskraft.

44 GROSSE DESIGNER: PATRICIA URQUIOLA Technik & Innovation

Sie ist die erfolgreichste Frau in der 66 KAMERAS
Designwelt. Mit Gespür für Sinnlich-
keit, Farbe und Textur überwindet sie Auch die Kameraindustrie setzt nun
die dort Grenzen. auf Retro-Design – in dem Hightech
steckt.

74 PANASONIC

In Japan realisiert der Elektronik-Riese
derzeit eine weitestgehend energie-
autarke Stadt.

PRODUKTE // 50 Ikonen

8 9 Balance-Akt: So wie Karl
Lagerfeld bei einem Foto­
DESIGN   shooting für Cassina den
/ 
den Stuhl Superleggera
N A C H H A LT I G K E I T balanciert, war auch von der

 Redaktion bei der Auswahl
Ganz simpel, ganz pur: „Ikone“ stammt aus der 50 Design-Ikonen viel
dem Griechischen und bedeutet nicht mehr Fingerspitzengefühl gefragt.
als „Bild“. Kein religiöser Inhalt per se. Und Der Superleggera war 30
doch: Unser aller Verständnis von Ikone ist auf-
geladen mit Bedeutung – Ikonen geben Halt. Jahre lang der leichteste
Genau nach diesen Kriterien hat pure 50 Stuhl der Welt – und wurde
natürlich in unsere Auswahl
Ikonen des Designs ausgesucht: Starke
Produkte mit starken Geschichten. aufgenommen.
Ohne das Verfallsdatum der
Beliebigkeit.

5O

Ikonen

Warum hält sich der Wassily Chair von Marcel Breuer – in unserem Wohnzimmer und unserer
Wertachtung? pure hat hart gerastert: Welche Design-Stücke verdienen tatsächlich den Rang
eines Klassikers, gar einer Ikone? DIESE 50 MEISTERWERKE BILDEN DEN KERN – UNGEBRO-
CHEN MÄCHTIG, NOCH IMMER PRODUZIERT, DIE SCHÖNSTE FORM DER GELDANLAGE

Kein Ding hält ewig. Aber zwei Kräfte wirken dagegen: Wir wün- Von Andreas Günther
schen es uns so sehr und ein weites Heer an Herstellern unter-
füttert diese Sehnsucht. Die tiefenpsychologische Markenfunktion inhumaner Konsequenz – wir sind Masse. „Nachhaltige Marken-
geht davon aus, dass wir Dinge gern an „merkwürdige“ Leistung kommunikation kann also ererbte, archetypische Verhaltensmus-
koppeln. Im Kern möchten wir mit einer Geschichte belohnt wer- ter aktivieren. In den Menschen sind diese Verhaltensmuster an-
den. Einer Geschichte, die unabhängig von dem physischen Ende gelegt, freilich jeweils unterschiedlich dominant in Abhängigkeit
eines Produkts weiterexistiert – existieren könnte. Aus einem Ge- von der Hormonproduktion.“ Sagt recht unverblümt Gert Gutjahrs
genstand wird ein Archetypus, der als kollektives Deutungsmuster Standardwerk „Markenpsychologie“ – und rät, die Produktanspra-
unsere Welt bestimmt. che gleich an der Zielperson zu schärfen: „Design beeindruckt den
Klingt philosophisch, ist aber erstaunlich plastisch belebbar. Re- Creator“, doch „Innovation beeindruckt den Hero“. So sehr wir
flexartig sogar. Rolex? Die erste wasserdichte Armbanduhr, die Masse sein mögen – am liebsten in Schubladen. Für zielgerech-
eine Durchquerung des Ärmelkanals überstand. Montblanc? Der tes „Storytelling“ als „postmoderne Marketing-Technik“. In der ma-
erste Füllfederhalter, der nicht kleckste und für saubere Unter- ximalen Reduktion: Ein Produkt wird von uns nur dann ersehnt,
schriften garantierte. Die Liste ist lang – und steht immer für Hel- wenn es über einen „emotionalen Mehrwert“ verfügt, dessen Spra-
dentaten, aus denen Klassiker der Produktwelt entstanden sind. che den perfekten Adressaten trifft.
Die uns beschützen, anspornen, uns Anker in einer Welt des zu- Wir stimmen zu. Widersprechen aber an einem wichtigen Punkt.
nehmend beliebigen Konsums sind. Die so entstandenen Mythen pure zeigt auf den folgenden Seiten 50 Ikonen aus der Produktwelt,
sind vor allem Zeitsparer: Man muss nicht aufwendig vergleichen, die vor allem dieses eine mitbringen – emotionalen Mehrwert. Das
recherchieren, sich abstimmen – wenn eine Ikone aus dem Meer Schöne daran aber ist, dass dieser Wert oftmals vor unserer Zeit
des Zufälligen herausragt. entstanden ist, unbewusst, ungeplant – überraschend für Herstel-
Wer aufmerksam gelesen hat, müsste über vier Begriffe gestolpert ler, Designer wie Konsumenten. Die meisten Klassiker erheben sich
sein – die vage das Gleiche aussagen, aber unterschiedlichen Wel- über die Beliebigkeit, weil sie über Jahre, wenn nicht sogar Jahr-
ten entstammen: Mythos, Klassiker, Archetyp, Ikone. Das Wissen zehnte ihren praxisnahen Nutzwert bewiesen haben. Oft mit dem
um die Herkunft hilft. „Mythos“ stand in der griechischen Schule Markenzeichen der höchsten Reduzierung –  weniger geht nicht,
der Sophisten für die Gegenwelt des Logos – eine Erzählung, eher ohne einen Verlust der Sinnhaftigkeit zu riskieren. Mehr hingegen
ein Märchen, das etwas Besonderes an- und vor allem ausspricht. geht immer. Doch unter den folgenden 50 Klassikern wird man auf
Eben den Archetyp – ein Muster oder besser ein „Urbild“. In der Psy- keine barocke Verzierungs- und Verschwendungssucht treffen. Und
chologie Carl Gustav Jungs reichhaltig reflektiert und mit Vorliebe in direkter Folge auch auf kein Verfallsdatum: In 50 Jahren wird
von den Marketingforschern ausgebeutet. Wer sich tiefer mit dem man den hier vorgestellten Klassikern noch immer eine macht-
Thema beschäftigt, muss staunen, welch gewaltigen Aufwand eine volle Wirkung attestieren – einigen im historischen Kontext, den
Konsumindustrie betreibt, um uns bei der kindlichen Vorstellung meisten jedoch als noch immer aktiv genutzte Gegenstände. Oder
von Mythos und Archetyp zu packen. Mit zum Teil erschreckend wie es der Zukunftsforscher Matthias Horx in unserem Interview so
treffend zuspitzt: „Pfeiler – aus einem Meer des Schrotts“. Das Be-
ruhigende dabei: Man muss nicht tauchen, nur genau hinschauen.

PRODUKTE // 50 Ikonen 1924

01


MONTBLANC MEISTERSTÜCK

Für alle, die einmal zu einer Quizshow geladen werden: Der charakteristische 1933
Stern auf der Spitze der Füllerkappe? Ist als Firmenwahrzeichen eine Anspielung: 02
Die schneebedeckte Spitze des Montblanc wird hierüber in die Warenwelt symbo-
lisiert. Wer tiefer an der Torpedoform hinabschreitet, entdeckt drei Goldringe und HOCKER 60
auf dem mittleren den Namenszug „Montblanc Meisterstück“. Wie kein anderer
Füllfederhalter erfüllt dieses Modell die Rolle des Archetyps. Die Firmengrün- Auf nur drei Beinen trat der Hocker 60 von Finnland aus seine Reise
der August Eberstein (Ingenieur) und Alfred Nehemias (Bankier) hatten auf einer um die ganze Welt an und wurde mehr als acht Millionen Mal verkauft.
USA-Reise die Faszination von Füllfederhaltern erfahren – und wollten das Kon- Sein besonderer Charme liegt in der Einfachheit, die man im Design
zept der Feder mit integriertem Tintenbehälter auf Europa übertragen, um das von Alvar Aalto stets finden kann. Statt wie seine deutschen Kollegen
Tintenfass endgültig vom Schreibpult zu verdrängen. Über die Jahre entwickelte auf Stahlrohr, setzte der Finne auf Birke und machte das Möbelchen für
man schließlich einen Füllfederhalter mit Kolbenmechanik aus schwarzem Edel- jedermann erschwinglich. Mit der Edition „80 Anniversary“ gedachte der
harz plus goldener Feder. 1924 erhielt er neben dem Titel „Meisterstück“ auch das Hersteller Artek gerade des standhaften Seniors, der immer wieder für
Versprechen einer lebenslangen Gewährleistung. Mittlerweile hat Montblanc eine Nachwuchs-Designer seinen Sitz hingehalten hat und so eine Reihe von
ganze Kollektionsfamilie unter dem Namen aufgelegt – bis hin zum Notizbuch Modifikationen erfuhr. Projekte dieser Art gehören zur Philosophie des
aus Python-Haut. Auch der Füllfederhalter führt neben der Klassiker-Version „149“ Unternehmens Artek, das 1935 von Alvar und Aino Aalto, Maire Gullich-
ein multiples Leben in unterschiedlichen Edelvarianten – bis hin zur Hülle aus sen und Nils-Gustav Hahl gegründet worden war und im September 2013
Meissen-Porzellan. Als Zugabe noch ein weiteres Detail für das Wissensquiz: unter dem Dach des deutschen Möbelherstellers Vitra eine neue kom-
Auf jeder Feder eines Meisterstücks wird die Zahl 4810 eingraviert – eine weitere merzielle und kulturelle Heimat fand. ih
Huldigung an den namengebenden Berg und seine Höhe von 4.810 Metern. ag

10 11

1963 03
04 1972

PLATTENSPIELER LINN LP12

SOFA CONSETA Archetypischer kann ein Plattenspieler nicht gebaut werden. Obwohl …
Die Kenner unterscheiden zwei grundverschiedene Bauweisen: Sub-
Mit 50 Jahren auf dem Buckel gehört man nicht gerade zum alten Eisen, aber ein chassis versus Masselaufwerk. Die einen, der Name sagt es, wollen die
paar Gebrauchsspuren darf man haben. Bester Beweis ist der Designklassiker aus sensible Nadel am Tonarm über das schiere Gewicht ruhigstellen. Mas-
der Feder von Friedrich-Wilhelm Möller, der erstmals 1964 auf der Kölner Möbel- selaufwerke können in der Edelklasse auf das Gewicht von Profiboxern
messe präsentiert wurde. Wenn auch mit mäßigem Erfolg: Ganze zwei Aufträge anschwellen. Ganz anders die Subchassis-Fraktion, deren schönster,
erzielte das damals revolutionäre – weil ebenso schlichte wie vielfältig kombi- feinster und geschichtsträchtiger Vertreter der LP12 ist. Hier wird über
nierbare – Elementmöbelprogramm, das heute zu den Bestsellern seines Her- Federn im Inneren der Plattenteller entkoppelt. Hört sich leicht an, ver-
stellers COR gehört. Entsprechend kommt der geniale Entwurf zum Jubiläum u. a. langt jedoch Know-how und nicht selten unsichtbare Edeltechnik. Über
in einer Wanderausstellung zu verdienten Ehren. Obwohl es ein wenig gedauert die der Hersteller Linn wie kein anderer verfügt. Man residiert im schot-
hat, bis der Konsument die reduzierte Schlichtheit jenseits von Stilen und Moden tischen Glasgow – eben am Bächlein Linn – und fertigte als Stahlver-
zu schätzen gelernt hat, findet man Conseta heute stets in den Wohnreportagen arbeiter unter anderem auch Radlager für Rolls-Royce. Was bei großen
anspruchsvoller Magazine. ih Edellimousinen funktionierte, „übersetzte“ der junge Familienerbe Ivor
Tiefenbrun in die Waagrechte und das Plattenspielergeschäft. So ge-
schehen 1972. Mittlerweile ist Ivor selbst dabei, den Staffelstab an den
Sohn zu übergeben – um Millionen Euro und einen Adelstitel der Queen
reicher. Apropos reich: Ein LP12 ist Edelhandwerk, mittlerweile mehr-
fach technisch verfeinert, optisch aber treu dem Urentwurf – klang-, aber
auch preisintensiv. Von 3.000 Euro geht es bis in die höchste Ausbaustu-
fe. Ein Sondermodell mit Zargen aus Whiskey-Fässern erreichte kürzlich
die 25.000-Pfund-Marke. ag

Wer großartige Kaffee-Kreationen liebt,
baut auf Nespresso.

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PRODUKTE // 50 Ikonen

1978

05


MENAGE 5070

Seit den 1980er Jahren gibt es in guten deutschen Restaurants kaum eine andere
Menage für Essig, Öl, Pfeffer und Salz. Ettore Sottsass‘ Entwurf, der in der Design-
Schmiede Alessi bis heute aus Edelstahl und Kristallglas gefertigt und unter der
Artikelnummer 5070 geführt wird, gehört einfach zur Architektur eines gedeckten
Tisches. Zwar haben sich mittlerweile viele andere Designer dieses Alltagsthemas
angenommen, aber der Klassiker des italienischen Altmeisters übertrifft an Popu-
larität und weltweiter Verbreitung alles, was alternativ auf dem Markt zu finden ist.
Grund dafür ist die klare Linienführung, die Funktionalität und die Perfektion in
der Anordnung der einzelnen Gefäße zueinander. Auf engstem Raum werden die
Würzelemente dargeboten und lassen sich bequem transportieren. In diesem Fall
darf man zu Recht von einem Archetyp sprechen, denn mit der Menage 5070 hat
Ettore Sottsass das Vorbild für zahllose Entwürfe gegeben, die jedoch nie an das
Urmodell heranreichen. ih

12 13

1962 07

06 ca. KUBUS 4 BY LASSEN
1968 DESIGN

SERVICE TAC / ROSENTHAL Dieser Kerzenhalter mutet ausgespro-
chen architektonisch an. Kubus 4 heißt
Was ist reduziert und prägnant in der Form und wirkt edel auf einem das formschöne Ding, das 1962 nach Ori-
schön gedeckten Tisch? TAC – eine Ikone der Tableware. Entworfen ginalskizzen des dänischen Architekten
Ende der Sechzigerjahre von Walter Gropius und seinem Bostoner Mogens Lassen (1901-1987) entstanden
Büro The Architects Collaborative (TAC), steht dieses Service gestal- ist. Ursprünglich für ein Restaurant bei
terisch ganz im Zeichen des Bauhauses. Die Gefäßumrisse sind aus Kopenhagen entworfen und dann für
den geometrischen Formen Kreis, Dreieck und Quadrat zusammen- Freunde und Architektenkollegen ge-
gesetzt. Besonders einprägsam: die bügelförmigen Henkel und der dacht, ging der Kerzenhalter später glück-
Bajonettverschluss des Kannendeckels. Gropius’ Interesse für Porzel- licherweise in Serienproduktion. Gefertigt
lan wurde übrigens während der Planungsphase der Rosenthal-Fabrik wird er vom kleinen dänischen Hersteller
am Rotbühl geweckt. Philip Rosenthal hatte es erst gar nicht gewagt, by Lassen Design, den der Enkel und die
bei dem berühmten Architekten wegen eines Entwurfs anzufragen. Urenkelin des Architekten –  Søren Las-
„Da kann ich auch den Papst zur Taufe meiner Tochter bitten“, soll er sen und Nadia Lassen – gegründet ha-
gesagt haben. Wie gut, dass er sich doch noch getraut hat. csh ben. Dass Mogens Lassen als einer der
Pioniere des dänischen Funktionalismus
gilt, sieht man auch diesem Entwurf an:
Er setzt sich aus perfekten Geometrien
zusammen und erinnert an Entwürfe
des Bauhauses oder die Skulpturen von
Donald Judd. Kubus 4 ist erhältlich in
schwarz oder weiß lackiertem Stahl, Ni-
ckel und Kupfer. Und er ist so schön, dass
man ihn das ganze Jahr aufstellen möchte
– nicht nur in der Weihnachtszeit. csh

08
1959

BESTECK MONO-A

Seit mehr als fünf Jahrzehnten läuft im nordrheinwestfälischen Mettmann die Be-
steckserie mono-a vom Band. Unverändert. Was 1959 als puristischer Gegenentwurf
zum verschnörkelten Tafelsilber der damaligen Zeit beim Fachhandel zunächst auf
großen Widerstand stieß, entwickelte sich zum meistverkauften Besteck der Nach-
kriegszeit. Sein geistiger Vater, der heute 85-jährige Industriedesigner und Kunstpro-
fessor Peter Raacke, erinnert sich noch immer gerne an die Zusammenarbeit mit dem
Unternehmer Herbert Seibel, der im Familienbetrieb seines Vaters Heinrich Seibel
ohne dessen Zustimmung den ungewöhnlichen Entwurf in Serie gab. Eine mutige
Entscheidung, die nicht sofort von Erfolg gekrönt war. Zu simpel erschien die Form
und die Machart aus nur einem Stück. Doch mit den Jahren entdeckte man in mono-a
den Beginn einer radikalen Einfachheit, die bis heute den Lebensstil in deutschen
Haushalten prägt. ih

09 1936


VASE SAVOY

Für die Pariser Weltausstellung hatte der finnische Glashersteller Iittala einen 1956
Designwettbewerb ausgeschrieben. Alvar Aalto reichte eine Glasvase unter
dem Arbeitstitel „Lederhose einer Eskimofrau“ ein, weil er in den organischen
Formen des Objektes den Faltenwurf eines Gewandes sah. Die Vase über-
zeugte die Jury durch ihre Einfachheit und ihre sinnliche Formensprache. Den
Namen Savoy erhielt sie später nach einem populären finnischen Restaurant,
in dem sie zum Einsatz kam. Obwohl sie einer der bekanntesten Entwürfe
von Alvar Aalto ist, profitierte der Meister selbst finanziell nicht vom Erfolg
des Klassikers, da er mit der Einreichung beim Wettbewerb auch seine Li-
zenzrechte abgab. Das Original war seinerzeit übrigens 14 Zentimeter hoch.
Iittala fertigt Savoy bis heute in unterschiedlichen Höhen und Größen sowie
in zahlreichen Farben. ih

10


UHRENKOLLEKTION MAX BILL
VON JUNGHANS

Er war einer der außergewöhnlichsten, weil vielseitigsten Gestalter des letzten
Jahrhunderts: Max Bill war Architekt, Maler, Bildhauer, Designer – am nach-
haltigsten ist der gebürtige Schweizer aber über eine Uhrenkollektion für die
deutsche Traditionsmarke Junghans in Erinnerung geblieben. Als Junghans bei
Max Bill den Entwurf in Auftrag gab, entwickelte er gerade als Dozent an der
Hochschule für Gestaltung Ulm mit seinen Studenten eine Wanduhr. Die lo-
gische Zifferblattgestaltung dieser Küchenuhr aus dem Jahr 1956 – die als Max
Bill Wanduhr Designgeschichte schrieb – wurde zum Merkmal seiner Entwürfe
und floss 1961 auch in die Gestaltung der ersten Armbanduhren ein. Maximale
Schlichtheit und beste Ablesbarkeit ziehen sich als charakteristische Kennzei-
chen durch die Kollektion – von der schlichten Armbanduhr mit Handaufzug
über den Chronographen bis zur Tisch- und Wanduhr. Und noch immer werden
die Designklassiker der Linie max bill by junghans nahezu unverändert her­
gestellt. kpb

11 1937


KÜCHENMASCHINE ARTISAN KSM 7580 /
KITCHENAID

Sie ist der Rolls-Royce unter den Küchenmaschinen – eine echte amerikanische
Designikone. Wer etwas auf sich hält, präsentiert sie stolz in der Designerküche.
Gemeint ist die 1937 ursprünglich als Modell K von Egmont Arens entworfene Kü-
chenmaschine aus der Serie Artisan des amerikanischen Herstellers KitchenAid.
Nun hat die kleine Version einen großen Bruder bekommen: Das Modell KSM
7580 mit Schüsselheber hat ein Fassungsvermögen von 6,9 Litern und ist mit
ihrem 1,3-PS-Motor extrem leistungsstark. So knetet sie mühelos knapp fünf
Kilogramm Kuchenteig, stellt Pasta her und macht sogar Würstchen selbst. Le-
gendär – und von anderen Herstellern bisher vergeblich kopiert – ist die umfang-
reiche Farbauswahl der Geräte. KSM 7580 beispielsweise ist in verschiedenen
Rottönen, Onyx Schwarz, Frosted Pearl und Medaillon Silber erhältlich. Das
Praktische an der massiven Küchenmaschine mit einem Gehäuse aus Ganzme-
tall sind aber nicht nur die verschiedenen Knet-, Rühr- und Mischfunktionen –­
der Mixerkopf ist wegklappbar, was einen problemlosen Zugriff auf die ergono-
misch geformte Rührschüssel ermöglicht. csh

12
1976

KANNE LS900

Diese zylindrische Kanne aus farbigem Kunststoff mit einem
isolierenden Innenleben aus Glas ist gestalterisch eine ty-
pische Vertreterin der 1970er Jahre – aber eigentlich von
zeitlosem Charakter. Ursprünglich sollte sie die erfolgreiche
Cylinda-Line von Arne Jacobsen ergänzen. Doch der Entwurf
von Erik Magnussen aus dem Jahr 1976 bewies schnell sei-
ne Eigenständigkeit und wurde für den dänischen Hersteller
Stelton zu einem Evergreen. Bis heute erweitert man dort das
Spektrum der Kanne mit dem patentierten Kippverschluss
jedes Jahr um neue Farben. Der Trend geht daher zur Zweit-,
Dritt- und Viertkanne, denn schließlich will man seinen Gäs­
ten Heißgetränke aus einer echten Design-Ikone servieren
und dabei farblich up to date bleiben. ih

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13 1957 PRODUKTE // 50 Ikonen

„SUPERLEGGERA“ 14
VON GIO PONTI FÜR CASSINA 2008

Leicht, leichter, Superleggera. Drei Jahrzehnte hielt der Entwurf BADEWANNE OFURÒ
von Gio Ponti den Rekord des leichtesten Stuhles mit einem
Gewicht von nur 1,7 Kilogramm. Erst 1987 konnte Alberto Meda Ihren Namen hat die hölzerne Wanne aus dem Japanischen,
mit seinem aus Carbon gefertigten Stuhl „Light Light“ für Alias wo das Baden Teil des sozialen Lebens ist und dem gene-
ein Sitzmöbel kreieren, das weniger als 1000 Gramm auf die rellen Wohlbefinden dient. Die Designer Matteo Thun und
Waage brachte. Doch auch wenn Pontis markanter Entwurf, Antonio Rodriguez haben die japanische Badewanne Ofurò
der seit 1957 von Cassina produziert wird, zur Ikone des Nach- für den italienischen Hersteller Rapsel neu interpretiert und
kriegsdesigns in Italien avancierte, ist seine Form im Grunde damit ein Stück japanische Kultur nach Europa geholt. Aus
ein charmanter Klau. An der ligurischen Küste, wo Ponti seine hochwertigem Lärchenholz strahlt sie eine Sinnlichkeit aus,
Urlaube und Wochenenden verbrachte, wurden in der Küsten- die fernöstliche Rituale vor dem geistigen Auge zum Leben
stadt Chiavari ähnliche Stühle produziert. Die Innovation des erweckt. Die schlichte, ovale Form ist auf das Wesentliche
Modernisten, der zeitgleich zum „Superleggera“ sein ebenfalls konzentriert und bekommt dadurch den Charakter eines
leichtgewichtiges Pirelli-Hochhaus in Mailand konstruierte, Waschzubers, was sowohl dem archetypischen Gedanken als
bestand in einer Optimierung der Konstruktion. Statt massiver auch dem japanischen Vorbild entspricht. Unter dem Aspekt
Rundhölzer verwendete er nur 18 Millimeter dünne Dreieck- der Nachhaltigkeit könnte sich Holz auch in Badezimmern
Profile aus Eschenholz, die dem Stuhl bis heute seine Leich- wieder stärker verbreiten. Gemäß dem Hersteller ist Holz ein
tigkeit verleihen. Der Grund für den Erfolg: Es ist die schlüssige wesentlich hygienischeres Material als Kunststoff, Glas, Ke-
Verbindung aus einer filigranen wie unprätentiösen Erschei- ramik oder Email. Keime und Bakterien hungern auf Holzo-
nung und konstruktiver Raffinesse. Als wäre dies nicht schon berflächen aus. Dadurch, dass das Harz im Holz antibiotisch
genug, gibt es das Möbel nun auch wieder in einer zweifarbigen wirkt, haben Bakterien keine Möglichkeit, sich zu vermehren.
Ausführung, die das berühmte Leichtgewicht sogar noch ein Eine Reihe von Designpreisen lassen darauf schließen, dass
wenig leichter aussehen lässt. nk Ofurò auf dem Weg zur Ikone ist. ih

15 1994


BADSERIE STARCK 1 FÜR DURAVIT

Nur ein Philippe Starck kann Wohnungen, Häuser und Büros als seine persön-
lichen Museen bezeichnen. Dort nämlich findet man seine Salatschüsseln,
seine Stühle, seine Zitronenpressen – und auch seine Badprodukte. Dabei
war er stets überzeugt, dass moderne Formen nicht neu erfunden werden
müssen. Stattdessen orientierte sich sein Design an der Wiederentdeckung
von Urformen. Für Duravit übersetzte er 1994 mit der Badserie Starck 1
erstmals archetypische Gegenstände in das Material Keramik: Reduzierte,
schlichte Formen von Waschtisch, WC und Bidet, die sich auf die archa-
ischen Urformen Waschschale, Eimer und Zuber beziehen. Das Design der
berühmten Starck-Tonne nimmt die sich nach oben öffnende Grundform des
Eimers auf und erweist sich bis heute als moderner Design-Klassiker im Bad.
Seit der Premiere der Serie haben die Produkte ihren Siegeszug um die ganze
Welt angetreten. Starck entwickelte ein Design, das viele Menschen anspricht
und durch die Verbindung von Ästhetik und Funktionalität einen Meilenstein
in der Badgeschichte darstellt. Selbst nach 20 Jahren stehen seine Kreationen
für nachhaltiges Produkt-Design. kpb

PRODUKTE // 50 Ikonen

16 2012


PENDELLEUCHTE FALLING LEAF

Seit 2007 gestaltet Tobias Grau seine Lichtkunst mit LED und unterstreicht 17
damit sein ökologisches Verantwortungsbewusstsein. Entsprechend hat der
Newcomer unter den Design-Klassikern, die Pendelleuchte Falling Leaf, eine
optische Linse, die das warmweiße LED-Licht von 2700 Kelvin blendfrei streut.
Die 23 Watt, die Tobias Grau hier zum Einsatz bringt, lassen sich zudem elek-
tronisch über einen sogenannten lightdim switch bis auf fünf Prozent der
Lichtleistung reduzieren. Die Namensgebung erschließt sich dem Betrachter
nicht sofort, denn Falling Leaf wirkt mehr wie ein flacher Wassertropfen, der
den Absprung von der Unterseite eines Blattes noch nicht gewagt hat. Den-
noch zeigt die Leuchte in der Materialkombination aus mattem Kunststoff und
poliertem Aluminium eine schlichte Eleganz, die ihr einen zeitlosen Charakter
verleiht, der sie auf dem Weg zum Design-Klassiker begleiten wird. ih

18 2013 VITRA ALUMINIUM GROUP,
CHARLES & RAY EAMES,
HEIZLÜFTER DYSON
AIR MULTIPLIER AM05 Er ist die Ikone unter den Stühlen, weil er wie kein zweiter zeitlose
Eleganz mit gestalterischer Leichtigkeit und hoher Funktionalität
Der mit Abstand jüngste Entwurf in verbindet. Er ist längst zum Inbegriff für Stil und guten Geschmack
unserer Ikonen-Galerie, aber zweifel- geworden und überall dort anzutreffen, wo Menschen exakt das de-
los einer mit Vorbild-Potenzial und monstrieren wollen – in Chefetagen, in Kunstsammlungen oder auch
der Wahrscheinlichkeit, ganz lange im Bundeskanzleramt. Kurzum: Der Aluminium Chair von Charles
16 17 zzuur b Ieksotneehenzuu nredifeinn. WAü urßdeerdveomlle nedins und Ray Eames hat längst seinen festen Platz in den mächtigsten
typischer Dyson: Erst hat der Erfin- Zimmern der Welt gefunden. Und natürlich auch im ganz normalen
der und Querdenker James Dyson Wohn- oder Esszimmer oder Büro. Er ist damit zu einem der bedeu-
den Staubsaugermarkt mit seiner tendsten Möbel-Entwürfe geworden: Charles und Ray Eames haben
beutellosen Zyklonentechnologie auf- bei der Konstruktion des Stuhls das Prinzip der Sitzschale über Bord
gemischt. Dann hat er uns Hände- geworfen und stattdessen eine Stoff- oder Lederbahn straff, aber fe-
trockner beschert, die die Hände in dernd zwischen zwei Seitenteile aus Aluminium gespannt. Der Stuhl
Sekundenschnelle trocken blasen. passt sich so dem Körper an und bietet auch ohne aufwendige Pols­
Anschließend den ersten Ventilator, terung hohen Sitzkomfort. Vitra produziert das Aluminium Chair
der ohne Rotorflügel auskommt und Programm seit Jahrzehnten in unverändert hoher Qualität. kpb
jetzt als Fortsetzung einen Heizlüfter,
der beides kann, kühlen wie wärmen, 1958
und gleichzeitig ganz anders funktio-
niert und aussieht als herkömmliche
Geräte. Der Air Multiplier kann die
gewünschte Raumtemperatur im Be-
reich zwischen 1 °C und 28 °C konstant
halten, er kommt ohne Propeller und
frei zugängliche Heizelemente aus,
wird selbst nicht heiß und lässt sich
in sämtlichen Funktionen bis hin zur
Regulierung des Luftstroms fernsteu-
ern. Die gebogene, magnetische Fern-
bedienung wird am Gerät aufbewahrt.
So einfach kann Design sein. kpb

1929

19

BARCELONA DAYBED

Der Name Mies van der Rohe bürgt für Unsterblichkeit, wenn es um Design
geht. Dem Entwurf für das Barcelona Daybed haftet die Geschichte an, dass
dieses explizit für das New Yorker Apartment von Philip Johnson gedacht war.
Den amerikanischen Architekten lernte Mies van der Rohe 1928 während sei-
ner Arbeit für den deutschen Pavillon der Weltausstellung in Barcelona ken-
nen. Für diesen Pavillon entwarf Mies van der Rohe den legendären Barcelona
Chair, der in Material und Linienführung dem Daybed ähnelt. Van der Rohes
Freundschaft mit der Studentin Florence Knoll ist es zu verdanken, dass so-
wohl der Barcelona Chair als auch das Daybed bis heute in der Originalversion
beim deutschen Hersteller Knoll International in Handarbeit gefertigt werden
können. Obwohl die Liege mit den handvernähten Quadraten aus feinem Le-
der, einem Rahmen aus Hartholzkirsche und verchromten Edelstahlfüßen als
Bett bezeichnet wird, ist sie in anspruchsvollen Bürogebäuden zu finden, wo
gestresste Manager auf der berühmtesten Nackenrolle der Design­geschichte
ihr Power Napping praktizieren. ih

20


LEUCHTE ZETTEL’Z 5

Ingo Maurer ist die Lichtgestalt unter den Designern. Mit sei-
nen Halogenkreationen erhob er Licht zur Kunst. Für ihn ist
Licht „tägliche Nahrung, die sich in Streicheleinheiten oder
in Schlägen manifestieren kann“. Jeder kennt seine geflügel-
te Glühbirne oder das leuchtende Herz und eben die Pen-
delleuchte Zettel’z 5, die den Humor des Künstlers ebenso
reflektiert wie die Fantasie der Lampen-Besitzer: Jeder hat
die Möglichkeit, eines der 80 DIN-A5-Blätter aus Japanpapier
selbst zu gestalten, denn nur 31 wurden vom Designer im Mo-
tiv vorgegeben, 49 blieben unbedruckt. Somit ist die Pendel-
leuchte einem ständigen Wandel unterlegen, den Ingo Maurer
auch selbst durch Variationen wie die Edition „BangBoom!
Zettel’z“ mit Zeichnungen von Thilo Rothacker oder „Viva
l‘Italia“ unterstützt. Aktuell setzt seine Wahlheimat München
dem kreativen Lichtgestalter ein weiteres Denkmal, das ihn
in die Unsterblichkeit führen wird: Er darf die U-Bahn-Station
Marienplatz neu beleuchten, den größten Untergrundbahnhof
der Stadt. ih

1963

21


1997 WANDKALENDER FORMOSA

22 Design-Ikonen sind Zeitzeugen. Kein anderes Werk
ca. 1960 wird dieser Aufgabe in so hohem Maße gerecht,
wie der Wandkalender Formosa, den Enzo Mari
PANTON CHAIR für das Mailänder Unternehmen Danese entworfen
hat. Obwohl das Kalendarium für die Ewigkeit ge-
Der Panton Chair gilt als Ikone des Pop-Art- De- schaffen ist, trägt der Kalender in der Gestaltung
signs und hat eine geradezu dramatische Ent- und der Typographie die Merkmale des Zeitge-
wicklungsgeschichte, die sowohl den dänischen schmacks der 1960er Jahre. Enzo Mari gilt als All-
Designer Werner Panton als auch etliche Her- round-Genie. Zu seinen Arbeiten zählen Spielzeug,
steller über mehrere Jahrzehnte beschäftigte. Büroutensilien und Möbel. Auch als Grafiker und
Die Idee des Freischwingers, der aus einem ein- als Designkritiker ist Enzo Mari aktiv – sein Inte-
zigen Stück Plastik gefertigt wird, war ebenso resse gilt dabei der Wahrnehmung von Raum und
genial wie nahezu unrealisierbar. Zwar gelangte Farbe. Der Wandkalender Formosa ist auf eine Plat-
die erste Version des Panton Chair 1967 beim te aus Aluminium aufgebracht, auf der das Datum,
deutschen Möbelhersteller Vitra zur Serien- der Monat und der Wochentag täglich aktualisiert
reife, sie musste jedoch 1979 wieder eingestellt werden können. Die Beschriftungen sind wahlwei-
werden. Das damals zuletzt eingesetzte Mate- se in Rot oder Schwarz und in verschiedenen Spra-
rial aus dem Hause BASF hielt auf Dauer den chen erhältlich. Wie gesagt, das Kalendarium hält
dynamischen Beanspruchungen nicht stand. für die Ewigkeit, also wird uns dieser wohlgeformte
Die Rechte fielen an Werner Panton zurück, der Klassiker sicher noch lange am Arbeitsplatz oder in
den Stuhl ab 1983 in Hartschaum bei der Horn der Küche erfreuen. ih
GmbH & Co. KG in Rudersberg fertigen und bis
Ende der 1980er Jahre über den WK Verband
vertreiben ließ. Seit 1990 ist der Panton-Chair in
Hartschaum als Re-Edition wieder bei Vitra im
Programm, wo er seit Ende der 1990er Jahre end-
lich seiner Grundidee entsprechend aus durch-
gefärbtem, strapazierfähigem Kunststoff mit
mattglänzender Oberfläche produziert wird. ih

23 2006


FITNESSGERÄT
TECHNOGYM KINESIS PERSONAL

Ein Fitnessgerät als Design-Ikone? Kinesis Personal ist eine Kraftstation für das
Training zu Hause, wie es bis dahin noch keine gab: Der konstruktive Clou des
Gerätes ist die sogenannte Fullgravity-Technologie mit einem Seilzugsystem
für dreidimensionale Bewegungsformen. Mit über 200 verschiedenen Übungs-
möglichkeiten ersetzt die Kinesis-Wand dadurch auf wenigen Quadratmetern
ein ganzes Fitness-Studio. Vom gezielten Muskelaufbau bis hin zu sportarten-
spezifischem Training lässt sich jedes Trainingsziel in den eigenen vier Wän-
den verwirklichen. Der gestalterische Clou ist, dass sich Kinesis Personal nicht
verstecken muss (und auch nicht kann, weil es fest an der Wand montiert wird):
Ob poliertes Edelstahl, in Schwarz oder Creme mit Sprossenwand, ob als ex-
klusive Primo Fiore-Ledervariante oder als Gold-Version in limitierter Auflage
mit handgearbeiteter Oberfläche: Das ganzheitliche Fitness-Konzept lässt sich
in jedes Wohnambiente integrieren. kpb

PRODUKTE // 50 Ikonen 2010
18 19
24


KOPFHÖRER BEYERDYNAMIC T51P

Wir hatten schon häufiger darüber gestaunt: Der Markt an Kopfhö-
rern setzt mittlerweile mehr Geld um als die versammelte Macht
der Lautsprecher-Hersteller zusammen. Weil der moderne Mensch
zum Nomaden wird. Was auch eine Grundtechnik der Kopfhörer
veränderte –  im trauten Heim, am CD-Player, nutzen wir in der
Regel hochohmige Hörer. Die jedoch an einem Portiplayer oder
iPhone schlicht zu leise klingen. Der umgekehrte Weg ist aber er-
laubt: schnelle, empfindliche, antriebsfreudige Kopfhörer im Heim-
einsatz. Der Markt ist gewaltig. Potenzielle Klassiker kokettieren
mit der Bauform aus den frühsten Jahren der Radioübertragung –
wie der T51p vom Urgestein-Hersteller Beyerdynamic (erster Se-
rien-Kopfhörer: 1937). Vor allem die angenehme Abwesenheit von
Plastik. Dieser leichte Hörer ist stabil bei höchster Anfassquali-
tät, eine Vollmetallkonstruktion mit gebürsteten Oberflächen. In
der Summe die Gegenwelt zu den viel zu vielen knallroten, pop-
pigen Modeprodukten mit Schepperbass und aggressiver Höhe.
Der T51p ist klanglich grundehrlich, showfrei – aber eben schnell,
dynamisch. Sein Spaßfaktor liegt in einem herrlich transparenten
Klangpanorama. Zudem ist er praktisch faltbar, klappbar, mit pass-
genauer Transporttasche. ag

25
1976

FALTRAD BROMPTON

Falträder galten in der Geschichte des 20. Jahrhunderts einmal als
schick. In den 70er Jahren brausten die Deutschen mit Falt­rädern im
Kofferraum in fremde Länder oder auch nur auf den Campingplatz
an der Nordsee. Nach dieser Epoche versank das Klapprad in den
Kellerräumen der Vergessenheit. Mit leichter Scham – wie konnte
man damals nur diese winzigen Raddurchmesser schön finden?
Vielleicht liegt es an der Wiederkehr des 70er-Feelings – doch Klap-
präder sind plötzlich wieder anschaubar, verkaufbar. Ganz oben auf
der Haben-wollen-Skala: die Modelle der Brompton Bicycle Ltd.
aus Brentford, London. Firmenchef Andrew Ritchie hat nie wirklich
hungern müssen, doch der aktuelle Boom muss ihm gespenstisch
vorkommen. Fan-Gruppen sind entstanden – die Bromptonauten.
Zu den Radrennen um die Brompton World Championship sind nur
Fahrer zugelassen, die den Brompton-Dresscode erfüllen – Jackett,
Krawatte, Helm. Klingt nach Marketing und Show. Stimmt aber
nicht. Das Erfolgsgeheimnis liegt ganz einfach in der erstaunlichen
Zuverlässigkeit dieser Falträder, gepaart mit dem hohen Wiederer-
kennungswert. Ein Brompton-Rad ist kein Vehikel, sondern verita-
bles, nicht ganz günstiges, aber effektives Fortbewegungsmittel für
eine zumeist urbane Elite. Und: Man kauft am besten nicht von der
Stange, sondern nutzt im Fachhandel oder per Web einen Konfigu-
rator – für Farbe, Schaltung, Federung, Sattel, Taschensystem. Das
Traummodell wird dann singulär gebaut und nach vier bis sechs
Wochen geliefert. ag

26 1928


SESSEL LC 2

Das Namenskürzel verweist auf einen der bedeutendsten und einflussreichs-
ten Architekten des 20.  Jahrhunderts: Le Corbusier, auf dessen Skizzen die
Möbel LC1 bis LC7 vermutlich basieren. Dennoch werden sie dem gemein-
samen Schaffen von Le Corbusier, seinem Vetter Pierre Jeanneret und der
Designerin Charlotte Perriand zugeordnet. Die drei gelten als bedeutende
Vertreter des modernen Rationalismus. Entsprechend reduziert ist die Kon-
struktion der heutigen Modell-Ikonen. Gleichzeitig lassen sie jedoch die Ein-
flüsse des Art Deco und die höheren Ansprüche der Pariser Gesellschaft an
Luxus und Komfort erkennen und unterscheiden sich so von den strengen
Entwürfen des Bauhauses. 1964 erwarb das Mailänder Unternehmen Cassina
die Produktionsrechte der Möbelserie und fertigt sie unter dem Kollektions-
namen “Cassina I Maestri”. In Abstimmung mit der Le-Corbusier-Stiftung und
den Erben von Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand entstehen verschie-
dene Farb- und Material-Varianten der klassischen Entwürfe. Das berühm-
teste Stück dieser Serie ist eine Chaiselongue, die unter dem Kürzel LC4 oder
Le-Corbusier-Liege firmiert. ih

27 1986

FAHRRAD KRANICH VON UTOPIA VELO 1954
28
Seit Langem schon sind die saarländischen Utopisten als die „Besser-
macher“ in der Fahrradszene bekannt. Keine vorüberziehende Modewelle KAMERA LEICA M
konnte ihnen etwas anhaben, ihr Dogma steht ehern: Souveräne, lang-
lebige und extrem belastungsfähige Qualitätsfahrräder für Vielnutzer Die Legende liegt nur zur Hälfte in der Form an sich. Den Mythos machen vor allem
und Rad(Welt-)Reisende. Bestes Beispiel dafür ist das Erfolgsmodell die Bilder aus, die mit diesen Kameras geschossen wurden. Der Mix aus Praxist-
„Kranich“, das, 1986 erstmals vorgestellt, sogleich den Titel „ADFC City- auglichkeit und die Aura des „Made in Germany“ machte die M-Serie zur beliebtes-
Rad des Jahres“ einheimste. Dünnwandige, veredelte Stahlrohre mit opti- ten Reportage-Kamera in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Historisch ganz
malem Dauerschwingverhalten, vielfach gekreuzt, ergeben ein Rückgrat, korrekt erschien die M-Serie erst 1954 auf dem Markt, basiert aber auf Jahrzehnten
das die Kombination von Laufruhe, Stabilität, Komfort und Leichtbau des hausinternen Know-hows. Statt Schraubanschluss lockte die M3 erstmals mit
in höchstem Maße verwirklicht. Die penible konstruktive und fertigungs- einem Bajonett-Anschluss. Plus Feinheiten wie einen Tuchschlitzverschluss und
technische Herangehensweise ermöglicht beim Kranich den cityty- Messsucher. Wer jemals der Freude ausgesetzt wird, eine M3 der ersten Baureihe
pischen tiefen Durchstieg, der das Rad für beide Geschlechter gleicher- in der Hand zu halten – muss staunen über die Archaik der Form, aber auch über
maßen geeignet macht, in Verbindung mit einer Stabilität, die auch die die für moderne Menschen geradezu irritierende Handarbeit. Die Subbotschaft:
Beförderung umfangreicheren Gepäcks erlaubt – und das auf Jahrzehnte Wer mit einer Leica-M umgehen konnte, war Connaisseur, Meister und kampfer-
und Zehntausenden von Fahrkilometern. Das Kranich wird bis heute probt. Aktuell hat sich Leica entschieden, keine Nummern mehr hinter das „M“
nahezu unverändert gebaut. kpb zu setzen. Ein cleverer Schachzug – nicht die Generationen entscheiden, sondern
der Kult an sich. Natürlich mittlerweile mit digitalem Sensor. Für die Freunde des
1936 ganz Besonderen hat Leica auch eine M „Monochrom“ aufgelegt – kompromisslos
29 und einzig für Schwarz-Weiß-Aufnahmen entwickelt. Eine Huldigung an die großen,
eben vornehmlich in Schwarz-Weiß entstandenen Aufnahmen der Weltgeschichte.
Mit wunderbarer Hightech-Nostalgie: Per Nachbereitung stellt Leica ein Programm
zur Verfügung, das über 20 verschiedene Schwarz-Weiß-Filmtypen nachkonstruiert,
basierend auf der Analyse beliebter Filme aus der Kleinbild-Historie. ag

FLIEGERUHR IWC MARK XVII

Kaum ein Design ist so konsequent wie das der Fliegeruhr, die
kompromisslos für beste Ablesbarkeit bei Tag und bei Nacht ent-
wickelt wurde. Der daraus resultierende Instrumentenlook verlieh
dieser Uhrengattung ihr bis heute gültiges Aussehen. So glänzte
die IWC-Spezialuhr für Flieger bereits 1936 mit dem typisch schwar-
zen Zifferblatt, geprägt von markanten Leuchtzeigern und großen
Leuchtziffern. Stoßgesicherte Unruhlagerung sowie amagnetische
Hemmungspartie waren die technischen Highlights und begründe-
ten den Mythos, der in den IWC-Fliegeruhren bis heute weiterlebt.
Auch die aktuelle Mark XVII entspricht in Form und Funktion konse-
quent dem Ideal klassischer Fliegeruhren. Das Zifferblatt ist wie bei
Bordinstrumenten schwarz mit weißen Indizes und auf das Wesent-
liche reduziert. Das Edelstahlgehäuse ist gegenüber der Vorgängerin
Mark XVI um zwei auf modische 41 Millimeter gewachsen. Mit dem
Weicheisen-Innengehäuse zur Magnetfeldabschirmung sowie dem
gegen plötzlichen Druckabfall geschützten Frontglas knüpft die Mark
XVII aber wieder an die Tradition ihres historischen Vorbildes an, der
legendären Mark 11 aus den 1940er-Jahren. Auch wenn Fliegeruhren
groß in Mode gekommen sind – modisch können sie eigentlich nicht
sein. Zumindest nicht die Mark XVII. kpb

1937
30



ALUMINIUMKOFFER RIMOWA CLASSIC FLIGHT

Bereits 1937 hat RIMOWA mit dem weltweit ersten Leichtmetallkoffer aus
Flugzeugaluminium die Welt des Reisens revolutioniert. Seitdem wurde die
Rillenoptik zum Markenzeichen des Familienunternehmens. Seit rund 115 Jah-
ren befinden sich Hauptsitz wie Produktion in Köln, die meisten der rund 200
Arbeitsschritte zur Fertigung eines Aluminiumkoffers erfolgen dabei in Hand-
arbeit. Mit Einführung der extrem leichten, sehr stoßfesten Polycarbonates
(ebenfalls mit Rillenprofil, obwohl es hier keine stabilisierende Funktion hat)
haben sich die Umsatzgewichte klar zugunsten des neuen Hightech-Werkstoffes
verschoben. Wir bleiben für unsere Ikonen-Selektion aber dem klassischen Alu-
miniumgepäck treu und haben uns mit dem RIMOWA Classic Flight für eine
Kollektion in Retro-Optik entschieden, die klassischen Look mit den besten
Eigenschaften modernen Gepäcks kombiniert. kpb

20 21 Obwohl er in seinem Ur-Entwurf ja äußerst spartanisch in Stoff statt in
feinem Leder daherkam…
DIE NEUE SAMMLUNG Genau. Die Re-Edition in Leder konterkariert regelrecht das
Original aus Eisengarn. Wir haben drei davon in unserer Sammlung,
 Die Neue Sammlung gilt als das erste Designmuseum der denn die zeigen auch die Entwicklung während der ersten Jahre der
Welt. Vor rund 100 Jahren gegründet, bewahrt das staatliche Herstellung. Das Produkt hat sich verändert – und ist dennoch in
Museum heute in seiner „permanent collection“ über 80.000 sich gleich geblieben. Durch die Benutzung im Alltag sammelte
Objekte der Bereiche Industrial Design, angewandte Kunst und man in Bezug auf die Praktikabilität Erkenntnisse, die den Entwurf
Graphic Design – die weltweit größte Designsammlung. 1990 verändert haben.
beschloss der Freistaat Bayern zwei Neubauten, in denen Die
Neue Sammlung den Bereich Design verantwortet: Die Pinako- Was ist dann das Original? Die Idee an sich? Oder die am meisten
thek der Moderne in München und das im April 2000 eröffnete verkaufte Auflage? Kann gar eine heutige Kopie aus China sich mit
Neue Museum in Nürnberg, das seit 2008 in ganz neuartigem diesem Titel schmücken?
Selbstverständnis die Bereiche Kunst und Design räumlich eng Nein, das kann sie nicht. Da gehört schon Authentizität dazu.
miteinander verbindet. Die Pinakothek der Moderne, 2002 er- Oder besser noch: Die Authentifizierung durch den Autor. Wenn
öffnet, ermöglicht es mit ihrer disziplinenübergreifenden Kon- in Brasilien oder in China Plagiate gefertigt werden – von mir aus
zeption, Design im Konzert der Künste darzustellen – Architek- noch so genau in den Details –, so ist das weit entfernt vom Status
tur, Kunst, Grafik und Design unter einem Dach. des Echten. In unserer Kultur ist es eben nicht die bloße Materie,
sondern der Stempel des Gestalters. Weil wir im Abendland seit
www.die-neue-sammlung.de der Renaissance die Vorstellung von Urheberschaft haben. Das
bestimmt unsere Wahrnehmung der Dinge. Die Aura.
pure: Zum Einstieg die scheinbar leichte Frage – was ist das Wesen von
Klassikern? Korrigieren Sie mich. Aber wir bewegen uns hier doch schon im Sprachfeld
Rösner: Das ist eher eine schwierige Frage. Vor allem, weil des Halb-Religiösen – Aura, Ikonen. Braucht es in diesem Kontext den
es so viele Klassiker gibt. Zudem mit unterschiedlicher „Segen“ des Designers, der erst ein Produkt wertvoll macht?
Entstehungsgeschichte. Die einen sind gerade deshalb klassisch So weit würde ich nicht gehen. Obwohl – es bedarf schon eines nicht
geworden, weil sie so komplett verschieden waren von dem, was greifbaren Wertes, um Dinge aufzuladen. Ob wir wollen oder nicht.
es zuvor gab. Wenn man sich zum Beispiel die Stahlrohrmöbel des Es bedarf einer Geschichte. Sei es eine persönliche Geschichte,
Bauhauses anschaut: Das war mutig – und in der Entstehungszeit die mich mit einem Produkt verbindet. Nehmen wir beispielsweise
alles andere als ein Erfolg. Der stellte sich erst nach dem Krieg ein. ein Erbstück – über das ich mich an meine Ahnen erinnere. Oder
Ideales Beispiel hier sind die Stühle von Marcel Breuer, besonders sei es die Bedeutungsaufladung durch die Geschichte, die ein
der Wassily-Sessel, der durch Re-Editionen geradezu populär Design-Entwurf selbst hat. Im erweiterten Spielfeld kann so etwas
wurde – bis hinein in die Zahnarztpraxen. Das ist ein Produkt, das auch durch Bücher, Filme, von mir aus sogar Werbemaßnahmen
über seine Funktionalität, aber auch durch seinen Symbolcharakter entstehen. Ohne all dieses wird es keinen Mythos hinter dem
gewonnen hat. Ein Werk, das aus sich selbst heraus aussprach, was Produkt geben.
auch sein Besitzer ausstellen wollte: „Ich gehöre zur modernen
Welt, ich kenne und schätze die Prinzipien des Bauhauses.“ Das Dann braucht es also eine Bildung, eine Vorbildung des Käufers?
hat auch den Wassily zum Klassiker erhoben. Funktioniert das Fasziniertsein von einem Klassiker auf einer zutiefst
subjektiven Ebene nicht im besten Sinne auch „ahnungslos“?
Wissen macht ja Spaß. Das sinnliche Vergnügen, das ich an einem
Ding habe, verstärkt sich, wenn ein geistiges hinzukommt. Natürlich

MENSCHEN // Interview Corinna Rösner

„Klassiker kann man
nicht im Reagenzglas komponieren“

WAS SCHAFFT DEN MYTHOS HINTER DEM PRODUKT? Dr. Corinna Rösner, Landeskonserva-
torin und Vize-Direktorin der Neuen Sammlung – The International Design Museum Munich –
über bloße Materie, den Stempel des Designers und die wissende Freude am Original

FRAGEN AN CORINNA RÖSNER

könnte ich es auch einfach so konsumieren. Aber wir streben doch Reagenzglas komponieren. Aber ich kann mich als Designer durch
eine bewusste Haltung gegenüber den Dingen an. Nur so können Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit der Aufgabe vor der
Klassiker erst entstehen. schnellen Mode bewahren.

Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass nur jene Firmen einen Klassiker Lassen Sie uns konkreter werden – hier im Raum: Sehen Sie
aufbauen können, die über Tradition verfügen – also selbst eine Geschichte Designgegenstände, die in drei, fünf, zehn Jahren wertvolle Ikonen sein
vorweisen können? könnten?
Hier würde ich versuchen zu unterscheiden – und ich sage deutlich „Wertvoll“ hängt immer auch davon ab, wie selten ein Ding ist.
„versuchen“: Was ist eine Marketingmaßnahme, was gelebte Aber der Stuhl, auf dem Sie sitzen, .03 von Maarten van Severen,
Tradition? Also die vielzitierten „Gene“, die „DNA“, auf die sich ist beispielsweise heute schon ein Klassiker. Oder die Leuchte
beispielsweise so gern die Automobilindustrie beruft. Wobei der hier von Michele De Lucchi. Auch, weil sie aus der klassischen
reine Retro-Aspekt gefährlich verlockend ist. Aus meiner Sicht Schreibtischleuchte heraus entwickelt wurde, aber über eine
kommt es darauf an, dass keine Stagnation einsetzt. So seltsam es Weiterentwicklung verfügt, eine heutige Formensprache.
sich anhört – doch ich zitiere gern „Il Gattopardo“ von Lampedusa:
„Wir müssen uns verändern, damit alles gleich bleibt.“ Wenn Werden Sie im Gegensatz dazu auch über verschiedene Dinge lächeln, die
ich also etwas erhalten will, gerade dann muss ich mit der Zeit sich hier im Raum befinden? Also im Sinne von „meine Güte, was hatten
gehen. Damit das Heutige erhalten wird, auch und vor allem bei wir damals, 2013, für einen Geschmack“?
Klassikern. Ein Kaufanreiz ist wichtig, legitim und schafft erst den Hier im Raum – nein, aber natürlich kann es das prinzipiell
Status eines Klassikers. immer geben. Aber ich muss ganz offen die Gegenfrage stellen:
Wäre das wirklich per se so schlecht? Wenn ich in einer Zeit eine
Sind wir zu verwegen, wenn wir in allen Klassikern als gemeinsamen Kaufentscheidung fälle und eine praktische Lösung suche – dann
Nenner die Schlichtheit sehen wollen? Liegt das Erfolgsgeheimnis vielleicht vertraue ich oftmals Bewährtem, wie etwa dem Regal-System
in der maximalen Sachlichkeit? Eine Art Rezept auch für aktuelle von USM Haller dort drüben. Aber nicht immer ist es das, was
Designer, die einen Klassiker entwerfen wollen? ich will. Vielleicht möchte ich unbedingt eine Brille haben, die
Das wäre schön, ist aber nicht so. Es gibt kein Rezept – als wolle ein Hingucker ist – die ich aber in zehn Jahren nicht mehr tragen
man Spaghetti Bolognese kochen. Da kommt immer nur das kann. Also vergessen Sie nie: Schön, dass es Klassiker gibt –
Gericht selbst heraus. Aber nichts Herausragendes. Das Ziel eines aber wir brauchen auch den Kontrast im Alltäglichen, vielleicht
Designers muss dagegen sein, ein Produkt zu schaffen, das so auch Modischen. Es ist wie mit der Nahrungsaufnahme. Wenn es
gut überlegt ist und so sehr gemocht wird – dass es nicht gleich schmeckt und ich Lust darauf habe – dann esse ich das auf.
weggeworfen wird. Wir haben in den 90er Jahren in der Neuen
Sammlung beispielsweise die Ausstellung „Plastics & Design“  Corinna Rösner studierte Kunstgeschichte, Klassische Archäo-
durchgeführt. Mit der Grundfrage: Kann Kunststoff überhaupt logie und Völkerkunde an der Universität München. Seit 1990
nachhaltig sein? Damals hatten wir im Katalog auch ein Interview ist sie als Kuratorin der Neuen Sammlung tätig. Sie begleite-
mit dem Designer Konstantin Grcic abgedruckt. Der seinerzeit te Planung und Realisierung der Museumsneubauten für Die
noch am Beginn seiner Karriere stand. Was mir nie aus dem Kopf Neue Sammlung in München und Nürnberg bis zu deren Er-
ging, war seine Aussage: Ja, ich arbeite gern mit Plastik – weil es ein öffnung in den Jahren 2000 und 2002. Dabei war sie an der
heutiges Material ist. Ein Material, das viele Möglichkeiten erlaubt. Entwicklung der inhaltlichen wie gestalterischen Konzeption
Das sich auch viele Menschen leisten können. Und ich möchte für die Design-Dauerausstellungen in diesen Bauten beteiligt.
die Menschen erreichen. So hat er beispielsweise ganz bewusst Rösner ist Kuratorin und Co-Organisatorin von zahlreichen
Oberflächen geschaffen, die in Würde altern – dem Klischee vom Sonderausstellungen des Museums, Co-Autorin und Autorin
Kunststoff zum Trotz. Also: Nein – man kann keine Klassiker im von Publikationen und Ausstellungskatalogen u.a. der Neuen
Sammlung.

PRODUKTE // 50 Ikonen

31 1962


TISCHLEUCHTE TACCIA

Seit mehr als 50 Jahren wird die Tischleuchte Taccia beim italienischen Leuchten-
hersteller Flos gefertigt und verkauft. Ihre Schöpfer, die Brüder Achille und Pier
Giacomo Castiglioni, wollten eine verstellbare Tischlampe kreieren, deren Oberfläche
auch bei längerem Betrieb nicht heiß wird. Sie setzten einen Glasschirm mit einem Re-
flektor auf eine klassische Säule aus Aluminium. Das klingt einfach und sieht auch so
aus. Dennoch ist die Komposition ein Meisterwerk, das seine Zielsetzung, eine Lampe
für ein modernes Zuhause zu sein, bis heute erfüllt. Die Designer bezeichneten Taccia in
einem Interview als den „Mercedes unter den Lampen“ – und meinten damit nicht das
Prestige der Marke, sondern vielmehr den Erfolg und die Funktionalität. Beste Voraus-
setzungen also für weitere 50 Jahre. ih

1908 32
22 23


GARDEROBE NYMPHENBURG

Was wirklich Bestand hat, entscheidet die Zeit, ist der
Leitspruch des Unternehmens Classicon, das den Gar-
derobenständer Nymphenburg von Otto Blümel in einer
originalgetreuen Fertigung bis heute im Programm hat.
Dieser Archetypus einer Standgarderobe hat Generati-
onen von Garderoben als Vorbild gedient und ist doch
bis heute einzigartig. Über die Namensgebung wird phi-
losophiert, dass Blümel seinen minimalistischen Ent-
wurf wegen der wie eine Krone auf dem symmetrischen,
vernickelten Messinggestell thronenden Doppelhaken
nach dem Münchener Schloss Nymphenburg benannte.
In jedem Fall hatte Blümel einen engen Bezug zu seiner
bayerischen Heimat, wo er als Leiter des Zeichensaals
der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk in
München tätig war. Dank Classicon kann der Gardero-
benständer Nymphenburg bis heute beweisen, dass er
in einem Museum ebenso eine gute Figur macht wie in
einem modernen Büro oder einem Restaurant. ih

1923
33

1977

34 WAGENFELD-LEUCHTE

LEUCHTE ATOLLO Was heute von dem Bremer Unternehmen
Tecnolumen unter dem Namen Wilhelm
Das Werk verneigt sich vor seinem Betrachter, wenn man Wagenfeld Tischleuchte produziert und ver-
den auf einem Gelenk gelagerten Schirm des Leucht- marktet wird, hat seinen Ursprung in der
pilzes entsprechend lenkt. Der Architekt und Industrie­ Metallwerkstatt des Bauhauses, wo die Sil-
designer Vico Magistretti hat diesen Klassiker 1977 für berschmiede Carl Jakob Jucker und Wilhelm
den italienischen Hersteller Oluce entworfen. Seither hat Wagenfeld arbeiteten. Nach dem Vorbild einer
Atollo nicht nur kleinere Geschwister, sondern auch Ma- Petroleum-Lampe versuchten sie, eine indus-
terial-Varianten erhalten. Schwarz lackiertes Aluminium triell zu fertigende Leuchte zu schaffen, die
schafft ein indirektes, gemütliches Licht, während die den stereometrischen Grundformen Zylinder,
Variante aus Murano-Glas eine direkte, diffuse Beleuch- Kugel und Scheibe folgt. Was zunächst ein-
tung liefert. Ein so überzeugender Entwurf hat selbstver- fach klingt, war für die damalige Zeit und we-
ständlich nicht nur bedeutende Designpreise erhalten, gen der fehlenden Erfahrung der Designer mit
sondern gehört auch zum festen Repertoire zahlreicher Licht eine fast unlösbare Aufgabe – nicht zu-
Museen. Auch in dem von Vico Magistretti in seinen ehe- letzt, weil die Opalglaskugel durch die Hitze
maligen Arbeitsräumen eingerichteten Museum in Mai- der unter ihr befindlichen Glühbirne platzte.
land leuchtet Atollo. Obwohl 2006 verstorben lebt der So kam die Leuchte erst nach dem Zweiten
Meister in seinen Werken, wie der Design-Ikone Atollo Weltkrieg zu Ehren und in die serielle Ferti-
und einer Reihe anderer, weiter, denn selbst die obers­te gung. Eine erste Design-Auszeichnung wur-
Denkmalschutzbehörde der Lombardei hat Magistrettis de ihr sogar erst im Jahre 1982 zuteil. Umso
Werk als wichtiges historisches Erbe anerkannt. ih erfreulicher, dass sie heute als Archetyp des
industriellen Leuchten-Designs gilt. ih

1925 1859
36 35

WASSILY CHAIR

Marcel Breuer nannte seine Interpretation eines zeitgemäßen Clubsessels zunächst THONET STUHL NR. 14
“B3”. Erst in den 1960er Jahren erhielt der Stuhl vom damaligen Hersteller Gavina
seinen Namen nach Wassily Kandinsky, der früh auf die revolutionäre Ästhetik des Das Sitzmöbel, auch bekannt unter dem Namen „Wiener Caféhaus-
Sessels hingewiesen hatte. Als Leiter der Möbelwerkstatt am Bauhaus Dessau re- Stuhl“, hatte sich im Jahr 1930 bereits mehr als 50 Millionen Mal ver-
duzierte Marcel Breuer die damals ausladenden, plüschigen Clubsessel auf ihren kauft. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt der simplen, aber nur bedingt ko-
Kern und entwarf einen Stuhl aus Stahlrohr. Beseelt von der Idee des funktionalen pierbaren Konstruktion zu verdanken. Dahinter steht die Technologie
Wohnens ließ sich Breuer von der Konstruktion seines Adler-Fahrrades inspirie- des dreidimensional verformten Holzes, wie sie Michael Thonet im
ren – und erhoffte sich eine Zusammenarbeit mit den Adler-Werken zur Umsetzung Jahre 1836 erfunden hat. Damit ist das Familienunternehmen Gebrü-
seiner Möbel. Als sich diese Hoffnung nicht erfüllte, ließ er die bei Mannesmann der Thonet groß geworden und produziert mittlerweile im nordhes-
kaltgezogenen Stahlrohrteile von einem Klempner verschweißen und bespannte die sischen Frankenberg in der fünften Generation den Stuhl Nr. 14. Ob-
Konstruktion mit einem von ihm erdachten Eisengarnstoff. Wie den meisten revolu- wohl der Tischlermeister Michael Thonet seine Wurzeln im damals
tionären Entwürfen der damaligen Zeit blieb auch Breuers „notwendigen Apparaten preußischen Boppard hatte, folgte er dem Ruf von Clemens Wenzel
des heutigen Lebens“ der Erfolg lange versagt. Nicht zuletzt ihr Preis macht sie bis von Metternich nach Wien und legte 1842 den unternehmerischen
heute zu bewunderten Kultobjekten in Wohn- und Geschäftsräumen. ih Grundstein der heutigen Thonet GmbH. Bis heute sind die Thonets
den Gestaltungsricht­linien ihres visionären Vorfahren treu und pro-
duzieren Möbel, die in Form und Material auf das Notwendigste re-
duziert sind. ih

37
1924

TEEKANNE MBTK24

Sie ist nicht nur ein Klassiker, sie ist eine Design-Legende: die Tee- 1927
kanne der Bauhausschülerin Marianne Brandt. Die MBTK24 gilt als
die Bauhaus-Teekanne und erfüllt konsequent den Anspruch der
Schule, mit Formmustern alltäglicher Gegenstände den Anschluss
an die Entwicklungen der zeitgenössischen Kunst wieder herzustel-
len. Mit ihrer eleganten Gruppierung der Grundformen Kreis, Kugel
und Quadrat ist sie definitiv der Archetyp ihrer Gattung. Dennoch
entstanden nur sieben Prototypen der Teekanne, der aufgrund ihres
hohen handwerklichen Anspruchs und der Materialien Silber und
Ebenholz die Serienfertigung versagt blieb. Selbst der heutige Her-
steller Tecnolumen kann sie nur zu einem Preis fertigen, der sie zwar
zur Ikone, nicht aber zum Alltagsgegenstand für jedermann macht.
Das einzige in Privathand verbliebene Original erzielte bei einer
Sotheby’s-Auktion im Jahr 2007 die Summe von 361.000 Dollar — der
höchste Preis, der je für einen Gegenstand aus dem Bauhaus bezahlt
wurde. Alle weiteren Exemplare garantieren Marianne Brandt in den
besten Museen der Welt – so zum Beispiel im Museum of Modern
Art in New York – einen Platz für die Ewigkeit. ih

38


ADJUSTABLE TABLE E 1027 VON CLASSICON

Einer der absoluten Könige unter den Bauhaus-Klassikern. Seine klaren Proportionen
und die unverwechselbare Form haben den höhenverstellbaren Beistelltisch zu einer
der populärsten Design-Ikonen des 20. Jahrhunderts werden lassen – und zu einer der
am häufigsten kopierten. Er ist nach dem Sommerhaus E 1027 „Maison en bord de
mer“ benannt, das Eileen Gray für sich und ihren Mitarbeiter Jean Badovici baute. Der
geheimnisvolle Codename stammt ebenfalls von ihr: E steht für Eileen, 10 für Jean (J
ist der 10. Buchstabe des Alphabets), 2 für B(adovici) und 7 für G(ray). Das Original
wird heute von Classicon in höchster handwerklicher Präzision gefertigt. kpb

PRODUKTE // 50 Ikonen

39 2004


BOSE SOUNDDOCK

Heute bauen alle so. Das Heer der Nachahmer und Verfolger ist immens. Doch Bose darf
sich in der Rolle des Wegbereiters fühlen. Beim genauen Blick ist das SoundDock nichts
weniger als ein Altar für Apples iPhone- und iPod-Familie. Einfach aufstecken – die neu-
deutsche „Device“ wird parallel mit Strom versorgt, unterdessen die Playlist ausgebeu-
tet. War das iPhone zuvor primär ein Klangproduzent für Kopfhörer, befreite Bose den
Klang – durch Simplizität. Heute ein Kerngeschäft der Audio-Company aus der Nähe von
Boston, Massachusetts. Neben Privatanwendern zählen vor allem Hotels zu den Kunden.
leichter lässt sich ein Hotelzimmer nicht mit Klang aufwerten, zudem mit dem Daheim-
Gefühl für eben all jene Kunden, die auch privat über iPhone und SoundDock verfügen.
Dazu immer wieder der für Bose typische Überraschungseffekt: Wie schaffen die das nur,
aus einer so reduzierten Bauweise so großen Klang zu holen? Auch hier ein Argument
für das Original: So sehr sich die Nachahmer der Form des SoundDocks annähern – die
Klangausbeute ist bis heute unerreicht. ag

2007

40


APPLE IPHONE

24 25 Viel Spott und Schelte musste Apple aushalten. Schlechte Arbeitsbedingungen in China, durchaus
kritisierbare Firmenpolitik. Der Heiligenschein des Firmengründers ist kein Tarnhelm mehr. Apple –
eine Company wie jede andere. Aber mit Ikonen im Portfolio. Das iPhone hat eine Präsenz erreicht,
die ins Mythische geht. Zeitlos. Als sei es immer da gewesen. War es aber nicht. Steve Jobs hielt es
2007 das erste Mal in die Höhe. Während Steve Ballmer, der CEO von Microsoft, bereits die rhe-
torische Keule zückte: Das teuerste Telefon, mit beschränkten Software-Funktionen und virtueller
Tastatur – war für ihn ein potenzieller Flop gerade für die Zielgruppe der Geschäftskunden. Nun ja,
wie sehr Ballmer irrte, konnte man erleben, als die nunmehr fünfte Generation in die hauseigenen
Apple-Stores kam. Vieles, was wir heute von einem Telefon erwarten, ist nur durch die Initialzündung
des iPhones entstanden. 300 Patente wurden laut Jobs von Apple gesichert. Darunter für eine Hand-
bewegung, die jeder von uns in seine Alltagsmotorik aufgenommen hat – das „Slide to unlock“, der
schnelle Strich mit dem Daumen. Heute wärmt das iPhone – und macht abhängig. Spannend wird in
der Zukunft nicht sein, wie sich die Form verändert – sondern die Software. Mit „Siri“ strebt Apple
schon heute in die Welt des sprachgesteuerten Befehlsempfängers. ag

1986
41

T+A VERSTÄRKER/ELEKTRONIK R-SERIE 2008
42
Vor der Firmenzentrale im ostwestfälischen Herford rotiert eine
Weltkugel aus poliertem Marmor auf einem Wasserspiegel. Dop-
pelte Botschaft: T+A („Technik und Anwendung“) ist ein weltum-
spannender Konzern mit treuer Fangemeinde – dazu noch Meister FERNSEHER LOEWE CONNECT
in der Kunst, etwas Schweres leicht aussehen zu lassen. Das Design
von Lautsprechern, aber insbesondere der Elektronik wirkt wie aus Was unterscheidet heute einen Fernseher von seinem Nachbarmodell? So flach, dünn
dem Glaubensbekenntnis der Bauhaus-Professoren entsprungen. und unauffällig dieses Gerät auch geworden sein mag: Es spricht doch die Sprache der
Aufgeräumt – auch im praktischen Umgang. Man verliert sich nicht Wiedererkennung und Wertigkeit. Wobei die meisten im Supermedienpalettenmarkt
in der Welt der audiophilen Wiedergabe – jeder Druckknopf hat sei- das Verfallsdatum gleichzeitig mit der Austauschbarkeit kaufen. Genau den Gegen-
nen Sinn, führt direkt zum Ziel. Die Konkurrenten betreiben hier kurs fährt Loewe. Allen Unkenrufen um den angeschlagenen Hersteller zum Trotz: Die
mitunter Show – über dicke Schalter, die vor allem eines vermitteln Connect-Serie ist gelebte Inszenierung. Die Monitore können auf dem klassischen
sollen: den Eindruck von Potenz. Die Komponenten der legendär- Standfuß ihrem Lebenszweck dienen oder an der Wand oder optisch eindrucksvoll
en R-Serie wirken dagegen fast unterdimensioniert. Sind sie aber an einer Stange frei im Raum. Dazu lassen sich Kombinationen von Rahmenfarbe und
nicht. T+A zeigt Muskeln nicht optisch. Hinter der Front sind alle Blenden ordern. Was an Loewe kratzt, ist der Mainstream – der einen Fernseher als
Schaltkreise atemberaubend effektiv ausgelegt. Eben wie der Brun- versteckenswert ansieht. Loewe-Kunden wollen das gute Stück dagegen ausstellen.
nen vor der Firmentür. Die flachen Komponenten stemmen nicht Die Reduktion findet im Edlen statt. So ist die Connect-Serie wandelbar, erweiterbar,
nur Energie, sondern vor allem musikalische Werte. Nicht auf die konfektionierbar – vom internen Tuner über den Festplattenrecorder bis zum WLAN-
Watt-Zahlen blicken. Die sind stramm, weit wichtiger ist die An- Empfang. Nicht nur ein Nebenbei: Loewe ist auch Vorkämpfer des guten Klangs –
gabe für den Frequenzgang – der „einfache“ Vollverstärker aus der wo andere Hersteller traurige Membranen nach hinten tönen lassen, richten die
R-Serie wandelt Signale nominell von 0,5 bis 400.000 Hertz. Zum Kronacher in der Connect-Serie eine aufwendige Soundbar-Konstruktion zum Hörer. ag
Vergleich: Die banale CD wurde für 20 bis 20.000 Hertz ausgelegt.
Ebenfalls ehrenwert: Die Komponenten altern nicht – über offene
Schnittstellen lassen sich weitere Einsatzgebiete wie im Lego-Spiel
hinzukonfigurieren. ag

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Der Klang folgt Ihrer Leidenschaft

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DESIGN // Produzenten

26 27

Vordenker
für die Massen

VIELE PRODUKTE, DIE WIR HEUTE ALS KLASSIKER ANHIMMELN, HABEN KLEIN ANGEFAN-
GEN. Als Idee. In den Köpfen von Unternehmern. Entscheidend war das so arg abgenutzte Wort
„Vision“ – von anstehenden technischen und gesellschaftlichen Veränderungen

Begonnen hat die Ära der Klassiker mit dem Zeitalter der Indust- Von Elmar Schüller
rialisierung. Mit der Möglichkeit serielle Massenprodukte zu ent-
werfen. Zuvor war das Handwerk die Königin der Künste und deren und stabil und in Europa weit verbreitet. Zudem spielte bei die-
zentraler Zusammenschluss fand in den Dombauhütten statt – ser Technologie das Alter des Baumes keine Rolle für die spätere
gekrönt von den Künsten des handwerklichen Ornaments. Verwendung. Der Stuhl wurde nach dem Bausatzprinzip in Einzel-
Ein Pionier der seriellen Produktion war der Schreiner, Visionär teilen als flaches Paket in alle Welt ausgeliefert und erst vor Ort
und Unternehmer Michael Thonet. Der bis heute bestehende und montiert. Neu war ebenfalls die Verbindung der gebogenen Teile
bekannteste Klassiker ist sein „Stuhl Nummer 14“, jetzt Modell durch Verschraubungen und nicht wie sonst üblich durch Leim.
214, besser bekannt als „Wiener Kaffeehausstuhl“. Erdacht und Thonet nahm so auch das IKEA-Prinzip vorweg.
entworfen bereits anno 1859. Die technologische Innovation be-
stand darin, dass Thonet sehr früh versuchte, durch Verformung Ein ganz anderer Visionär seiner Zeit war Marcel Breuer, einer der
des starren Holzes eine Biegung zu erlangen – während der tra- Hauptakteure des Bauhauses in Dessau. Er gilt als der Schöpfer
ditionelle Tischler eine Schwingung durch Sägen, Hobeln oder der legendären Stahlrohrmöbel, deren bekanntester Klassiker der
Schnitzen aus dem vollen Holzblock versuchte. Die Vorteile dieses 1925 entworfene Stahlclubsessel „B3“ ist, der erst in den 1960er-
Verfahrens lesen sich wie das Innovationsbriefing eines modernen Jahren den Beinamen „Wassily“erhielt und bis heute produziert
Produktes: Kostensenkung, Reproduzierbarkeit auch von ange- wird. Technologisch und auch unter gesellschaftspolitischen As-
lernten Hilfskräften, Materialersparnis (kaum Holzabfälle), kurze pekten nach wie vor ein genialer Entwurf – in Bezug auf seinen
Produktionszeit, geringes Gewicht (Transport, Export), niedriger eigentlichen Verwendungszweck aber als Flop zu bezeichnen.
Verkaufspreis, Haltbarkeit (Verschraubungen nachvollziehbar) und Der Hintergrund dazu liegt in der Vision des Bauhauses begründet.
Wiedererkennbarkeit. Während seiner Gründungszeit im Jahre 1919 waren große gesell-
Auch in der Materialauswahl war Thonet seiner Zeit voraus. Als be- schaftliche Umbrüche an der Tagesordnung. Durch die Industri-
sonders geeignetes Holz suchte er Rotbuche aus. Sie war flexibel alisierung wurde die Landflucht der Arbeiter gefördert und eine
neue Form von Armut Alltag. Die Bauhäusler waren geleitet von
der Utopie, diese neue Welt mit Zuversicht und Visionen in eine

v.l.n.r.:
Der technologische Klassiker: Michael Thonet
Der technologisch-soziologische Klassiker: Marcel Breuer
Der zukünftige Klassiker: James Dyson
Der non-materielle Klassiker: Steve Jobs

neue Ära zu führen. Interessanterweise wurde ihnen die Kathed- kann. Und das, obwohl wir gelernt haben, dass Ventilatoren immer
rale des Mittelalters wieder zum Leitbild. Sie versuchten, Künste, Propeller haben, die sie wie einstige Flugzeugantriebe aussehen
Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk zu einer neuen lassen. Diese Form von formaler Selbstverständlichkeit, gepaart
Baukunst zu vereinen. mit den ganz neuen funktionalen Errungenschaften und der ikono-
Ihr Ansatz war die Demokratisierung des Alltags und sie wollten graphischen Gestaltung, reservierte dem Produkt bereits bei seiner
mit ihren innovativen Produkt- und Möbelentwürfen das beschei- Markteinführung den Klassikerstatus.
dene Leben der Bevölkerung verbessern. Aber die Bevölkerung
hatte weder das innere Bedürfnis noch die nötigen finanziellen Aufgrund der Digitalisierung und der damit verbundenen neuen
Mittel, sich mit Bauhausprodukten einzurichten. technologischen Möglichkeiten findet einen Großteil der heutigen
Innovationen im Bereich der Bits and Bytes, der Benutzerober­
Dennoch waren und sind Marcel Breuers Möbelentwürfe produkt- flächen und der Dialogstrukturen von Produkten statt.
gewordene Visionen. Die Entmaterialisierung der Möbel, bis man Bereits Anfang der 2000er-Jahre hatte der Apple-CEO Steve Jobs
als Endziel auf Luft sitzen sollte. Auch die Thonet-Buchholzmöbel, die Idee, einen Multi-Touch-Bildschirm zu entwickeln, auf dem
sowie die neuen Sitze aus Metall für Autos, Traktoren und Flugzeu- man wie auf einer Computertastatur tippen konnte. Dieser Bild-
ge inspirierten Marcel Breuer zu seinen Entwürfen. Als er 1925 zum schirm war ursprünglich für ein Tablet gedacht, Jobs entschied sich
Jungmeister und Leiter der Möbelwerkstatt am Bauhaus Dessau jedoch, ihn zuerst in ein Telefon einzubauen. 2004 begann Apple
ernannt wurde, entwarf er im selben Jahr in Kooperation mit den also unter dem Codenamen „Project Purple“ mit der Entwicklung
in Dessau ansässigen Junkers Flugzeugwerken seine ersten Stahl- des iPhones, das dann 2007 erstmals der staunenden Öffentlich-
rohrmöbel. Sein Trick bestand darin, die Stahlrohre mit Sand zu keit vorgestellt wurde.
füllen, so dass man sie biegen konnte, ohne sie zu knicken. Nach Sicherlich wird auch die ikonographische Form dieses Produkts ei-
seiner Philosophie sollten Produkte idealerweise aus möglichst nen Platz im Klassiker-Himmel finden – viel interessanter ist aber
gleichartigen, nur geringfügig variierenden Einzelteilen zusam- die Gestaltung seiner äußerst funktionellen, intuitiv zu bedienen-
mengefügt sein. Wobei er das konstruktive Prinzip – beispielswei- den Benutzeroberfläche: Die virtuelle Tastatur wird nur bei Bedarf
se die sichtbaren Schraubenverbindungen – als formales Element eingeblendet, wodurch auf dem Bildschirm mehr Platz für Inhalte
hervorgehoben und nicht versteckt haben wollte. bleibt. Das Drehen und Vergrößern von Bildern mittels zweier sich
voneinander wegbewegender Finger ist uns inzwischen schon in
Ein völlig anderes Produkt – noch oder schon auf dem Weg in Fleisch und Blut übergegangen.
den Himmel der Klassiker – ist der erst im Herbst 2009 auf den Diese Handhabungs-Idee war so genial, dass sie innerhalb weni-
Markt gekommene Tischventilator „Air Multiplier“ des Briten James ger Jahre von nahezu allen Konkurrenten übernommen wurde und
Dyson, eines neuzeitlichen Visionärs, der sich mittels Erfinder- nunmehr bei elektronischen Geräte jeder Art Standard geworden
geist, Willensstärke und Zuversicht durch seine beutellosen Staub- ist oder noch werden wird.
saugermodelle einen Namen machte.
1980 meldete er dazu sein erstes Patent an. Nachdem er 5.127 Ein Fazit? Schwierig. Das Design der Produkte ist ein Spiegel un-
Prototypen entworfen hatte, baute er schließlich1983 sein erstes serer Kultur. Wenn sich unsere Kultur ändert, weiterentwickelt,
beutelloses Staubsaugermodell, das 1991 durch eine Auszeich- müssen sich auch die Produkte ändern. Zu Beginn der Industria-
nung für die Japaner zum Statussymbol wurde. Die Lizenzgelder lisierung vollzogen sich die Innovationen im handwerklich- tech-
für dieses Produkt erlaubten es Dyson, im Juni 1993 endlich sein nischen Bereich, dann kamen die soziale und die politische Kom-
eigenes Unternehmen mit Entwicklungsabteilung und Produktion ponente hinzu. Heutige Innovationen liegen oftmals im Bereich
zu gründen. der intelligenten Benutzerführung und der Interaktion. Damit wird
Der von ihm entworfene Tischventilator funktioniert nach einem auch der Begriff „Klassiker“ eine neue Bedeutung erhalten. Was ein
neuartigen Prinzip – ohne sichtbare Rotorflügel. Das hat eine völ- Produkt auf dem langen Weg zur Ikone aber weiterhin begleiten
lig neue Formensprache ermöglicht, die Dyson so archetypisch wird, sind mutige, visionäre unternehmerische Entscheidungen –
reduziert, dass man sie sich nur noch schwer anders vorstellen und die Angst vor dem Scheitern.

PRODUKTE // 50 Ikonen

1994

43


TISCH TA04 BIG FOOT

Im jugendlichen Alter von zwanzig Jahren schon als Klassiker geführt zu werden, ist
eine echte Leistung, die dem Tisch Big Foot von Philipp Mainzer gelungen ist. Seine
schlichte Geometrie und Liebe zur Natur gibt ihm in der Tat etwas Klassisches. In je-
dem Fall aber eine Einzigartigkeit, die jedem Tisch dieses Namens zu Eigen ist, denn
das naturbelassene Holz macht jedes Stück zu einem Unikat. Die Tischplatte wird aus
sieben bzw. acht Brettern mit einer Stärke von 40 Millimetern gefertigt. Die massiven
Beine, aus dem Kernholz eines Baumes gearbeitet, stoßen durch die Tischplatte und
stellen so das Hirnholz mit seinen Jahresringen zur Schau. Big Foot kommt überall da
zum Einsatz, wo man eine schlichte Formensprache und praktizierte Nachhaltigkeit
zu schätzen weiß. Damit ist jede Wohnung, jedes Büro, jedes Gebäude auf der ganzen
Welt gemeint, und das sicher noch über viele Jahrzehnte – eben solange es noch
Bäume gibt. ih

44 1932


COUCHTISCH FONTANA

28 29 Bekanntermaßen ist Design Kunst, die sich nützlich macht. Das von Gio Ponti gegrün-
dete italienische Glasunternehmen Fontana Arte hat sich nicht nur mit seinem Namen
dieser Kunst verschrieben. Von Anfang an als künstlerischer Leiter dabei ist der Glas-
künstler Pietro Chiesa und er hat für die Gestaltung von Möbeln, Leuchten und Ac-
cessoires freie Hand. Bei seinem Entwurf des Couchtisches Fontana liegt die Kunst
im Weglassen, in der Konzentration auf das Wesentliche. 1932 war nicht nur das Design,
sondern vor allem die Herstellung eines gläsernen Couchtisches in dieser Form revolu-
tionär. Und bis heute hat der Tisch Fontana nichts von seiner klassischen Schönheit und
handwerklichen Attraktivität eingebüßt. Aus 15 Millimeter starkem Float-Glas bestehend,
fügt er sich dank seiner reduzierten Form und seiner Transparenz in jeden Einrichtungs-
stil. Kein Wunder, dass dieses Kunstwerk Design-Geschichte geschrieben hat und sich
bis heute und sicher auch in Zukunft in Wohn- und Geschäftsräumen nützlich macht. ih

1966

45


STAPELBETT ROLF HEIDE

1963 Einen konstruktiven Geniestreich nennt Manufactum das Stapelbett von Rolf Hei-
de und trifft damit den Kern dieses seit mehr als vier Jahrzehnten beliebten Kin-
46 der- und Gästebettes. Ein schlichter, stabiler Kastenrahmen aus Buchenschichtholz,
ein Lattenrost und eine Matratze. Ob im Kinderzimmer, in der Studenten-WG oder
im Gästezimmer – wann immer eine zusätzliche Schlafmöglichkeit gebraucht wird,
lässt sich die Stapelliege leicht und bequem in Position bringen. Diese Liege verkör-
MÖBELBAUSYSTEM USM HALLER pert Rolf Heides gestalterisches Credo am besten: Einfache Materialien werden auf
eindrucksvoll logische Weise zusammengeführt und erhalten durch einen einzigen
Wenige Grundelemente für unendliche Gestaltungsmöglichkeiten: genialen Einfall ihr typisches Gesicht: in diesem Fall durch die schwungvollen Ab-
Verchromte Stahlrohre werden über Kugeln zu einem Gerüst verbun- rundungen der seitlichen Wangen. Im Lieferprogramm von Manufactum geführt zu
den, das die Verkleidungselemente aufnimmt – fertig ist das Side- werden, kommt einem Ritterschlag gleich, der diesen Entwurf unsterblich macht. ih
board. Oder das Bücherregal. Oder der TV-Wagen, der Nachttisch,
der Aktenschrank .... Es gibt kaum ein Möbel, das sich mit diesem
Bausystem nicht realisieren lässt. Modulare USM Möbel sind jeder-
zeit veränderbar. Man kann sie problemlos ergänzen, auch wenn sie
bereits vor Jahrzehnten angeschafft wurden. Die Einsatzmöglich-
keiten sind dadurch ebenfalls grenzenlos – in der Wohnung wie im
Büro. Und: USM Möbel sind mit praktisch jedem Einrichtungsstil
kombinierbar und lassen sich jeder Raumgestaltung anpassen –
mehr Individualität und Flexibilität ist kaum vorstellbar. Die Weiter-
entwicklung des Systems erfolgt stets „rückwärtskompatibel“, neue
Systembestandteile lassen sich in die vorhandenen Strukturen inte-
grieren, das System kann also nicht veralten, es bleibt vielmehr ewig
jung. Und weil es auch ewig hält, dürfte es so ziemlich das nach-
haltigste Möbel sein, das es zu kaufen gibt. Momentan sind frische
Grün- oder Gelbtöne im Kommen. Wer langfristig denkt, bleibt aber
bei Weiß. Oder Grau oder Schwarz. kpb

47 1987
48

LEUCHTE TOLOMEO
REGALSYSTEM 606
Sie ist wohl das bekannteste Werk des Designers Michele
Bis heute arbeitet Dieter Rams für das Unterneh- De Lucchi. Unmittelbar nachdem er die Tolomeo Tavolo
men Vitsœ, das 1959 unter dem Namen Vitsœ & gemeinsam mit Giancarlo Fassina für den Lampenherstel-
Zapf in Frankfurt am Main von dem Dänen Niels ler Artemide entwarf, war sie aus Architekturbüros und
Wiese Vitsœ und Otto Zapf zur Herstellung der Mö- Werbeagenturen nicht mehr wegzudenken. Daran hat sich
belentwürfe des Designers Dieter Rams gegründet bis heute kaum etwas geändert, denn die Tolomeo ist nicht
wurde. Dabei war dem richtungweisenden Gestalter nur ein Design-Klassiker, sie geht auch mit der Zeit. Neben
bereits in jungen Jahren die Aufgabe des Chefdesi- den Variationen, die sie als Steh-, Hänge- und Wandleuch-
gners der Elektromarke Braun anvertraut worden, te erfahren hat, hat sie auch ihr Leuchtmittel stets den
die er parallel bis 1997 innehatte. Beide Unter- ökologischen Maßstäben angepasst. So ist der Kassen-
nehmen prägte er in der festen Überzeugung, dass schlager bei Artemide aktuell in den Variationen Tolomeo
Design stets aus dem Unternehmen selbst heraus Halogen Energy Saver, Tolomeo Fluo 18W, Tolomeo LED
entstehen müsse. Das Regalsystem 606 gehört zur und Tolomeo LED My White Light erhältlich – das heißt,
ständigen Kollektion des Museum of Modern Art sie hat sich unter Beibehaltung des hohen Qualitätsstan-
in New York City und wurde mit verschiedenen Ge- dards in puncto Design umweltgerecht weiterentwickelt.
staltungspreisen ausgezeichnet. Der Hersteller ist Ein deutliches Indiz für die Werthaltigkeit des Entwurfs,
stolz darauf, dass mehr als die Hälfte seiner Kun- der uns nahezu täglich in Schaufenstern, Wohnmagazinen,
den Wiederholungstäter sind, die ihr funktionales Büros oder TV-Serien wie z. B. NavyCIS begegnet. ih
Regalsystem erweitern wollen. ih

1960

49 1968
2000
50
KÜCHE K2

Auf dem besten Weg zum Design-Klassiker ist der ARMATUR VOLA
freistehende Küchenblock K2, den Norbert Wangen
für begrenzte räumliche Verhältnisse konzipiert hat. Das dänische Unternehmen Vola produziert bereits
Ausgestattet mit allen Elementen zum Kochen erfüllt seit 140 Jahren Armaturen für Küche und Bad. Einen
er die Funktion einer ausgewachsenen Küche. Das in Meilenstein in Richtung Design brachte Anfang der
geschlossenem Zustand als Kubus erscheinende Ele- 1960er Jahre die Zusammenarbeit mit Arne Jacob-
ment gibt bei Verschieben der Platte aus Edelstahl sen, dessen Name für eine ganze Reihe von Design-
den Blick auf eine moderne, technologische Küchen- Ikonen im Bereich Möbel und Tableware steht. Die
ausstattung frei, die Platte wird zu einem linearen Idee des Firmengründers von Vola, Verner Overg-
Tisch. Norbert Wangen hat diesen Küchenblock aard, für die Zusammenarbeit mit Arne Jacobsen
zunächst unter eigenem Label vertrieben und war ein ganz neuer Typ von Armatur. Seiner Vor-
kooperiert seit 2006 mit dem italienischen stellung nach sollten dabei alle mechanischen Teile
Hersteller Boffi, wo die K2 um verschiedene hinter der Wand verborgen bleiben – und nur die
Variationen erweitert wurde. Ein Meilen- Griffe und die Ausläufe sichtbar sein. Arne Jacobsen
stein auf dem Weg zum Klassiker dürfte entwarf mit dieser für damalige Verhältnisse „revo-
die Entwicklung der meerwassertaug- lutionären“ Vorgabe 1968 das Urmodell Vola HV1 –
lichen Version der K2 sein, die 2009 ein zeitloser, minimalistischer Entwurf, der bis heu-
beim Bootsbauer San Lorenzo an te Archetyp ganzer Generationen von Armaturen für
Bord der Luxusyacht „San Loren- Küche und Bad geblieben ist. ih
zo 100“ zum Einsatz gebracht
wurde. ih

MENSCHEN // Interview Matthias Horx

SCHEINWERFERKEGEL IN DIE ZUKUNFT

 Vor ein paar Monaten gewährte Matthias Horx eine Privat­
audienz – und zeigte pure sein „Future Evolution House” in
Wien. Die Basis der Familie – und des zeitgemäßen, „schlauen“
Wohnens. Ansonsten pendelt Horx zwischen Frankfurt, London
und Friedrichshafen, wo er an der Zeppelin-Universität „Pro-
gnostik und Früherkennung“ lehrt. Das Wort „Audienz“ ist
nicht – umfassend – ironisch gemeint. Horx ist ein gefragter
Mann – mit machtvollen Thesen. Seine Meinung bewegt Men-
schen. Er gilt als einflussreichster Trend- und Zukunftsforscher
im deutschsprachigen Raum. Nach einer Laufbahn als Journa-
list (bei der Hamburger Zeit, Merian und Tempo) gründete er
zur Jahrtausendwende das „Zukunftsinstitut”, das heute zahl-
reiche Unternehmen und Institutionen berät. „Als Trendfor-
scher muss man recherchieren, abwägen, sammeln, sortieren,
clustern, vergleichen. Als Zukunftsforscher muss man sich mit
Systemtheorie auskennen und Modelle bauen, die man ständig
verbessert und mit der Veränderung der Wirklichkeit vergleicht.
(…) ‚Die Zukunft‘ als Ganzes und im Detail kann man natürlich
nicht voraussagen, denn die Welt ist ein offenes, nicht-deter-
ministisches System. Aber man kann ‚Scheinwerferkegel‘ in die
Zukunft werfen.“

www.horx.com

30 31 als Ikone erschaffen. Ein alter Füllfederhalter braucht im Wortsinn
die „Beschreibung“ durch den Nutzer. Er muss mit Erinnerung
pure: Sie sind Meister der Sprache – wenn wir von Ikonen aus der aufgeladen werden, um eine ganz persönliche Ikone zu sein. Sobald
Produktwelt sprechen, reden wir dann auch automatisch von Produkten ich ihn in die Hand nehme, erinnere ich mich, was ich alles mit
für die Ewigkeit? ihm unterschrieben habe – den Ehevertrag, die Kündigung … Es
Horx: Das hätte eine Marketing-Industrie gern so, aber zwischen gibt auch Marken, die über solche Werte kommunizieren können.
beiden Begriffen herrscht ein Unterschied. Versuchen wir es mit Doch Kommunizieren bedeutet nicht, dass man diese Werte
einer Annäherung: Es gibt ein Genre der Dinge, das einen so auch willentlich herstellen kann. Ikonen leben von der Dualität
hohen ikonographischen Wert hat, dass es den ewigen Zerfall des aus Symbolik und subjektiven Zugängen, sie sind aber vor
Materiellen überlebt. Aber ebenso die „hedonistische Abnutzung“, allem „Meme“, also Kultur-Symbole, die eine lange Zeit durch
also jenen Effekt, mit dem uns das Status-Materielle schnell Wahrnehmungen aufgeladen werden.
langweilt, wenn es in unseren Besitz übergegangen ist. Wenn man
ein tolles neues Auto kauft, fühlt man sich nur eine Woche gut, Sie sind Zukunftsforscher. Und kennen die Mechanismen. Was wird in
dann schielt man schon wieder nach einem anderen Modell. Oder fünf, zehn, fünfzig Jahren eine Ikone werden? Das iPhone, das iPad?
zum Car-Sharing. Aber es gibt Autos, die erschließen sich eben erst Die Herausbildung von Ikonen vorauszusagen, ist fast unmöglich.
dann, wenn sie relativ nutzlos sind, wenn man nicht mehr viel mit Und beim iPhone verwechseln wir wohl ein symbolisches
ihnen fährt. Solche Ikonen erinnern an unsere tiefsten Wünsche. Massenprodukt mit einer Ikone. Das erste Auto, das erste iPad –
Sie sprechen eine subjektive Ebene der Dauer, der Ewigkeit, der so etwas hat einen historischen Wert fürs Museum, aber es gibt
Konstanz an. Die Uhrenindustrie beherrscht diese Ansprache zu vieles davon. Wirkliche Kultgegenstände müssen rar sein,
sehr gut … aber gleichzeitig ausgereift. Beim iPhone handelt es sich von der
technischen Evolution her eher um einen Prototyp. In zwanzig
Das heißt, wir sind auch manipulierbar? Und akzeptieren Ikonen aus der Jahren wird uns das iPhone primitiv vorkommen – viel zu fiddelige
Retorte? Handhabung, viel zu kleine Symbole, eigentlich unpraktisch ...
Nein, Ikonen entstehen durch eine Art Evolution, eine Grundsätzlich gilt: Das Bleibende ist oft mechanisch, das Digitale
Wahrnehmungs-Selektion, in der auch Zufälle eine Rolle spielen. dagegen ist das Flüchtige. Damit stillen wir auch eine Sehnsucht
Sie haben und brauchen ein geschichtliches Wachstum. Was sie nach dem Überzeitlichen. In gewisser Weise sind Ikonen eine
oftmals ausdrücken, ist „Simplexity“ – eine Kombination aus hoher Rebellion gegen die Vergänglichkeit. Weil wir im Digitalen
Komplexität und Einfachheit. Der berühmte Eames Chair hat einen die Flüchtigkeit in einer prekären Form erleben, antworten
historischen Kontext, in dem er entstanden ist – er wurde nicht die Menschen mit einem Gegentrend – wie zum Beispiel die
Verkaufsrekorde bei den Moleskine-Notizbüchern zeigen. Gerade
wegen der umfassenden Gegenwart digitaler Nichtigkeit suchen
wir nach Haptik, nach Anfassbarkeit.

Und das Klischee vom Generationenvertrag? Haben Sie bereits eine Uhr
gekauft mit dem Impuls, sie den Kindern zu vererben?
Nein, ich habe da einen anderen Begriff von Überzeitlichkeit. Ich
habe ein Haus gebaut, das „Future Evolution House“, das sich
dauernd verändert. Vielleicht setzen meine Kinder das Experiment
fort, vielleicht nicht. Ich gebe also eine Idee weiter, eine Arbeits-

„Pfeiler – aus einem Meer des Schrotts“

LASSEN SICH IKONEN BERECHNEN, GAR ZÜCHTEN? Was fasziniert uns an den Mythen der
Produktwelt? Der Zukunftsforscher Matthias Horx im Gespräch mit Andreas Günther über alte
Füllfederhalter, Museumsstücke und den Zerfall alles Materiellen

FRAGEN AN MATTHIAS HORX

und Denkweise, keine Gegenstände. Nun ja, auch ich habe da Grundsätzlich: Kann eine Ikone, kann ein Mythos auch verblassen?
einen, zwei Gegenstände, die mich mit den Ahnen verbinden – Gar verschwinden?
eine Schüssel aus Meissener Porzellan von meiner Großmutter … Er wird vielleicht irgendwann überschrieben durch das noch
Bessere, noch Tiefere. Griechische Körper-Skulpturen zum Beispiel
Und der andere Gegenstand? waren im 18. Jahrhundert Kult, sind aber heute eher vergessen.
Die barocke Standuhr der Großmutter meiner Frau aus England. Oft geht es auch um Materialien, die die Zeit repräsentieren, aber
Die gerade im Minimalismus der übrigen Einrichtung gut wirkt. dann durch eine neue Sicht der Dinge in Ungnade fallen. Gold war
Barock sieht im Puren immer sehr gut aus. in der Menschheitsgeschichte das wertvollste Material. Bis zur
Weltausstellung 1855. Da gab Napoleon der Dritte ein Bankett mit
Also noch einmal die Grundbotschaft – Ikonen lassen sich nicht planen, dem ersten Essbesteck aus Aluminium – die Ehrengäste waren
nicht erzwingen. Was macht dann ein Designer von heute? Müsste er unglaublich fasziniert von dessen Leichtigkeit. Und plötzlich
weinen? wurde schweres Gold zu Tand, es wurde entwertet. Die Gäste waren
Ja, das muss er. Ein Designer muss immer weinen, sonst ist er irritiert, weil sie Messer und Gabeln beim Anheben regelrecht in
nicht gut. Über den Müll, den Schrott, der uns umgibt. Philippe die Luft katapultierten – man war keine Leichtigkeit gewohnt.
Starck hat ein wenig zu wenig geweint. Aber immerhin eine Ideen- Vielleicht werden wir in zehn Jahren über bullige Muskelautos wie
Maschine entwickelt – ein Meta-Konzept, mit dem er jedes Jahr SUV nur lächeln und Metall gerät in Ungnade. Dann ist vielleicht
10 neue Produkte generiert. Mit der Chance, dass vielleicht eines ein filigranes Chassis aus Karbon- oder Nanofasern ein Symbol,
davon als ikonographisch überdauert. Wobei es wahrscheinlich das die reine Zukunft repräsentiert. Es muss nicht immer die
genau das Produkt sein wird, das zu nichts nütze ist – wie die Vergangenheit sein, wenn es um das Kultische geht. Manchmal
berühmte Saftpresse. So kann man das auch machen – das Prinzip gewinnt auch das Utopische. Hoffe ich jedenfalls.
der Evolution, des Zufalls nutzen. Unter hunderttausend Produkten
wird eines in den Olymp berufen, aber weil man es nicht planen BUCHTIPP
kann, muss man eben SEHR viele Produkte auf die Welt bringen!
Der andere Weg ist, als Designer Mönch zu werden – sich rar zu MATTHIAS HORX: ZUKUNFT WAGEN
machen, zu warten, zu leiden, auf den EINEN Moment zu warten ...  Vielleicht das mutigste Buch des Zukunftsforschers. Mit ei-
Das sind Methoden der Verewigung, die nebeneinander bestehen
müssen und können. ner kantigen Kernfrage: Wie wir den Tod überleben können.
Ein Buch über Zukunftsängste und Zukunftshoffnungen, über
Wie sieht die Rolle explizit der deutschen Designer dabei aus? Wir können falsche und richtige Visionen, über den Segen des Zweifels und
uns der Lufthoheit unter den Dichtern, unter den klassischen Komponisten die Frage, warum wir vom Weltuntergang so fasziniert sind,
rühmen – die in ihrem Bereich ja auch Ikonographisches geschaffen dass wir nicht von ihm lassen können.
haben …
… und im deutschen Sprachraum haben wir die Traditionen des DVA, 320 Seiten, ISBN: 978-3-421-04444-0
Bauhauses und des Jugendstils. Das waren Epochen, in denen
sich etwas verdichtet hat in der Welt des Stils, der Formensprache,
unseres Denkens über Welt und Zukunft. Heute gibt es Rekursionen
darauf, man denke an Konstantin Grcic. Skandinavier können das
auch gut. Vielleicht werden uns aber auch die neuen chinesischen
Designer in naher Zukunft Dauerhaftes schenken.

PRODUKTE // pure Quality Award

10

32 AUS33 GEZEICHNETE
VORBILDER

AB SOFORT ZEICHNET PURE PRODUKTE FÜR NACHHALTIGES
DESIGN AUS, DIE NACH ÜBERZEUGUNG DER REDAKTION
SOWIE NACH DEN STRENGEN KRITERIEN DER JURY IN IHRER
GESTALTERISCHEN WIE ÖKOLOGISCHEN QUALITÄT MASS-
STÄBE SETZEN: Vorbilder in Design und Nachhaltigkeit.
Nachhaltige Kriterien wie schonender Ressourcen-Einsatz,
energetische Effizienz, Recycling-Fähigkeit sowie Material- und
Verarbeitungsqualität fließen ebenso in die Bewertung ein wie
Funktion, Emotion, Innovationsgrad sowie als gestalterische
Maxime langlebiges Design.
IN JEDER AUSGABE ZEICHNET PURE EXAKT 10 PRODUKTE MIT
DEM PURE QUALITY AWARD AUS – so können wir der Vielzahl an
Produkt-Erscheinungen gerecht werden und verhindern gleich-
zeitig eine Inflationierung des Siegels. Der pure Quality Award
soll eine exklusive Auszeichnung bleiben, die wirklich vorbildli-
chen Produkten vorbehalten ist.
DAMIT STEHT DER PURE QUALITY AWARD FÜR QUALITÄT UND
WERTHALTIGKEIT.

01

„HOOKED“ VON BUSTER + PUNCH

Farbige Metalle stehen derzeit besonders hoch in der Designer-
gunst. Der Grund dafür ist leicht zu erklären: Kupfer und Messing
wirken anders als Stahl und Aluminium nicht abweisend kalt, son-
dern strahlen eine natürliche Wärme aus. Gleichzeitig sind ihre
Oberflächen lebendig und vermögen mit der Zeit eine charakter-
volle Patina anzunehmen. Die Folge: Ein aus Buntmetallen gefer-
tigtes Industrieprodukt ist nicht nur langlebig und solide. Es ver-
mag zugleich auf einer emotionalen Ebene zu interagieren. Genau
in diese Richtung steuert das junge britische Label Buster + Punch
mit seiner Leuchtenserie „Hooked“. Ihrem Namen macht diese
tatsächlich alle Ehre: Die schwarzen Kabel, an denen die von Hand
gefertigten Messingfassungen ohne zusätzlichen Schirm herab-
hängen, sind überlang proportioniert. Damit die Leuchten nicht
knapp über dem Fußboden hängen, sind die Kabel über massive
Messinghaken gewickelt und somit in der Höhe frei justierbar. Die
Leuchten lassen sich somit flexibel einsetzen und bringen eine
spielerische Komponente an die Wohnzimmerdecke. nk

 www.busterandpunch.com

 DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: „Hooked“ ist eine Leuchtenfamilie,
die nicht nur Spaß macht, sondern ebenso mit zeitlosen wie langlebigen
Qualitäten punktet. Weil auf mechanische Komponenten verzichtet
wurde, kann auch bei starker Beanspruchung nichts kaputtgehen.

02

UMAT –
DIE SCHÖNSTE VERSUCHUNG, SEIT ES
NESPRESSO GIBT

Über die Umweltverträglichkeit der farbenprächtigen Alu-Kapseln
von Nespresso, die den fein gemahlenen Kaffee aromadicht um-
schließen, lässt sich trefflich streiten – über die Qualität des Kaf-
fees, der sämig-bernsteinfarben aus der Maschine quillt, dagegen
nicht. Wer Espresso in Baristaqualität schätzt, aber ohne die Pro-
zedur und den Energieaufwand klassischer Siebträgermaschinen
und separater Mahlwerke auskommen will, kommt nicht an der
Kapsel vorbei. Zumal deren Umweltbilanz insgesamt und ohne
Scheuklappen betrachtet durchaus positiv ausfällt: Nespresso-
Kaffemaschinen erfordern gerade im Vergleich zu Vollautomaten
weniger Energie- und Wartungsaufwand – und sind mit ihrem
vergleichsweise „simplen“ Aufbau wie geschaffen für ein langes
Kaffeemaschinen-Leben. Die Umat hat mit ihrer minimalistischen
Form und den (in Grau oder Rot) mattierten Gehäusewangen in
ihrem Segment das Zeug zum Design-Klassiker. kpb

 www.nestle-nespresso.com

 DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Die Umat von Nespresso ist eine
Kaffeemaschine, die höchste Funktionalität mit puristischem Design in
Einklang bringt. Im Vergleich zu Vollautomaten überzeugen geringer
Energie- und Wartungsbedarf sowie Kaffeequalität.

PRODUKTE // pure Quality Award

34 35 03

„LEIMU“ VON MAGNUS PETTERSEN
FÜR IITTALA

Glas und Beton sind ein Widerspruch in sich. Doch genau an die-
ser Stelle wird es spannend, befand der junge norwegische Desi-
gner Magnus Pettersen. Seine Leuchte „Leimu“ (2013) für Iittala
basiert genau auf jener Materialkombination. Ein konischer Sockel
aus Beton trägt einen bauchigen Schirm aus orange gefärbtem,
transparentem Glas. „In der Architektur ist die Verbindung aus
Glas und Beton wohl bekannt, auch wenn das Ergebnis nicht im-
mer schön ist. Mit meiner Leuchte wollte ich diese Gegensätze
vereinen und zeigen, dass hart und weich, kalt und warm mitei-
nander gut funktionieren“, erklärt Magnus Pettersen seinen Ent-
wurf. Aus technischer Perspektive war die Betonverarbeitung re-
lativ einfach. Doch Glas, das im erhitzten Rohzustand flüssig ist,
eine passgenaue Präzision abzuverlangen, erforderte zahlreiche
Testversuche. Der Aufwand hat sich indes gelohnt: Schon jetzt gilt
„Leimu“, deren Name zu Deutsch Flamme bedeutet, als eine der
spannendsten Lichtneuheiten der vergangenen Jahre. nk

 www.iittala.com

 DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Der Entwurf bringt Gegensätze auf
raffinierte wie sinnliche Weise in Einklang: Transparenz trifft Opazi-
tät, Fragilität trifft Härte und Leichtigkeit trifft Stabilität. Mit ihrer
hochwertigen Verarbeitung und den langlebigen Werkstoffen wurde
„Leimu“ eine hohe Lebenserwartung mit auf den Weg gegeben.

04

SPIN-CHAIR –
NEUINTERPRETATION EINES KLASSIKERS

Erstaunlich, dass zu einem scheinbar bereits in sämtlichen Facet-
ten durchdeklinierten Gebrauchsgegenstand wie einem Stuhl im-
mer wieder überzeugend neue Entwürfe gelingen: Bei dem Spin-
chair spielt Designer Martin Ballendat für den österreichischen
Naturholzmöbel-Spezialisten Voglauer geradezu extrovertiert mit
der Ausstrahlung des Materials. Die Hinterbeine tragen mit ihrem
extravagant verdrehten Gestaltungsverlauf den bequem gepols­
terten Rücken. Dieser verdrehte Verlauf in Massivholz macht die
Perfektion der handwerklichen Verarbeitung sichtbar und fungiert
gleichzeitig als komfortable Armlehne. Eine außergewöhnliche In-
terpretation des klassisch-zeitlosen Esszimmerstuhles in Holz und
zugleich sehr funktionell, denn der Hinterbein- und Rückenbereich
ist so gestaltet, dass sich 4-5 Stühle einfach stapeln lassen. Die
Sitzergonomie wird über eine traditionelle Unterfederung erreicht.
Spin-chair ist lieferbar in massiver Eiche, Esche und in Nussbaum,
in Kombination mit vegetativem Leder oder Filzstoffen. kpb
 www.voglauer.com

 DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Zeitlos-elegante Gestaltung trifft ho-
hen Sitzkomfort und raffinierte Funktionalität bis hin zur Stapelbar-

keit. Das Massivholz aus nachhaltiger Forstwirtschaft wird in bester

handwerklicher Tradition verarbeitet. Umweltzertifizierte Möbelproduk-

tion in Österreich.

05

FEUERWEAR –
NACHHALTIGER SCHUTZ FÜR DAS IPAD

Klingt wie Feuerwehr, wird aber Feuerwear geschrieben, weil hier
zur bewussten Assoziation mit den rettenden Feuerwehrmännern
auch noch der Nutzaspekt des Tragens bzw. Abnutzens (englisch
wear) kommt. Der Name ist nämlich Programm, hat sich das jun-
ge Label aus Köln doch auf die Produktion von Taschen und Ac-
cessoires aus gebrauchten Feuerwehrschläuchen spezialisiert. So
findet Material, das sonst die Umwelt als Abfall belasten würde,
neue Verwendung. Dank unterschiedlicher Aufdrucke und Ein-
satzspuren ist jedes der handgefertigten Feuerwear-Produkte zu-
gleich ein Unikat. Neu im Sortiment: Sleeve Ron 2, eine Tasche
speziell für das iPad Air. Das Hauptmaterial ist auch hier robuster,
gebrauchter Feuerwehrschlauch. Den speziellen Look ergeben
Spuren aus vergangenen Feuerwehreinsätzen auf den Grund-
farben Weiß, Rot oder Schwarz. Innen schützt die Hülle mit wei-
chem Mikrofasergewebe, für sicheren Sitz sorgt eine Lasche mit
sicherem Klettverschluss an der Oberseite. Beim Öffnen wird das
iPad mit der Lasche ein Stück aus der Tasche herausgezogen – so
ist es schnell griffbereit. kpb
 www.feuerwear.de

 DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Dank Upcycling von gebrauchten
Feuerwehrschläuchen sind nicht nur die Produkte von Feuerwear wie
das Sleeve Ron 2 nachhaltig – auch das Unternehmen setzt konsequent
auf Nachhaltigkeit und kann eine vorbildliche Ökobilanz aufweisen.

06

„THIS THAT OTHER“
VON STEFAN DIEZ FÜR E15

Zauberei und Design liegen manchmal gar nicht so weit auseinan-
der. Bereits 2009 entwarf der Münchner Designer Stefan Diez eine
komfortable Schichtholzfamilie für e15 und gab ihr den Namen
des großen Zauberers Houdini. Doch trotz ihrer gestalterischen
Qualitäten wurden die Möbel im Objektbereich als einen Tick zu
teuer empfunden. Ohne Abstriche an der Gestaltung zu machen,
entwickelte Diez daraufhin den Stuhl „This That Other“ (2013) –
benannt nach dem gleichnamigen Kartentrick. Der Clou des Ent-
wurfs liegt in einer Vereinfachung der Konstruktion, indem alle
tragenden Elemente von außen sichtbar sind. So werden die Vor-
derbeine direkt über die Rückenlehne gesteckt, die wie die Sitzflä-
che aus dreidimensional verformtem, dünnem Schichtholz gefer-
tigt ist. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der Stuhl kombiniert
die Leichtigkeit der „Houdini“-Familie mit einer konstruktiveren
und ein Stück weit härteren Erscheinung – ein Kontrast, der dem
Möbel einen prägnanten Auftritt verleiht. nk
 www.e15.com

 DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Dem Stuhl gelingt es, zwischen einer
leichten, filigranen Erscheinung und der nötigen Präsenz in Raum zu
balancieren. Durch eine vereinfachte Konstruktion konnten nicht nur
Materialverbrauch und Arbeitsaufwand verringert werden, sondern
ebenso der Preis.

PRODUKTE // pure Quality Award

36 37 07

IPRO LENS – 
OPTIK FÜR DAS IPHONE

In dieser Minute werden die meisten Fotos auf dem Erdball ge-
schossen – mit einem Mobiltelefon. Ganz vorn in der Marktdurch-
dringung natürlich: Apples iPhone-Familie. Und in der Folge die
Henne-Ei-Frage: Die maximal mögliche Qualität der iPhone-Fotos
wird beschränkt durch den Sensor oder die Optik? Schneider
Optics sieht Handlungsbedarf vor der eingebauten Linse und
dem praxisfreundlichen Handwerkszeug. Eigentlich ist dies hier
eine Komplettausstattung für ambitionierte Fotografen. Wie die
gewaltige Schultertasche der Profis – nur komprimiert: Das Pro
Lens Serie 2 Trio Kit ist eine Kombi von Fisheye-, Weitwinkel- und
Teleobjektiv. Aufbewahrt werden die Optiken im Haltegriff selbst –
dazu noch Stativ-Anschluss und Griff in einem. ag

 www.schnittpunkt.de

 DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Ein boomender Markt. Den viele
Hersteller beackern. Kaum ein Anbieter geht so konsequent vor wie
Schneider Optics. Kein simpler Aufsatz als Spielzeug, sondern ein am-
bitioniertes Komplettset wurde entworfen. Bei simpler Handhabung:
iPhone einschieben und die Optik einfach per Bajonettanschluss tau-
schen. Wie bei den Großen.

08

AVANTGARDE ACOUSTIC – 
LAUTSPRECHER ZERO 1

Ein Hornlautsprecher zählt zur Königsklasse unter den Schallwand-
lern. Mit einem traurigen Nachteil: Die Bauweise verlangt Raum
und mitunter gewaltige Schalltrichter. Da kommt es fast dem
Stein der Weisen gleich, dass der deutsche Hersteller Avantgarde
Acoustic nun die ZERO 1 entwickelt hat – technisch ein Horn, äu-
ßerlich aber in den Formspielregeln eines klassischen Lautspre-
chers. Für die konkrete Vorstellung: Das hier abgebildete Modell
erreicht im Wohnraum eine Höhe von etwas über einem Meter –
aber einen Wirkungsgrad von über 100 Dezibel. Vor allem: Zwi-
schen der Musikquelle und dem Klang muss keine weitere Elektro-
nik angeschafft werden: Eine ZERO 1 ist zugleich Digital/Analog-
wandler und Endstufenkraftwerk. Vom MacBook aus könnte man
direkt und kabellos per AirPort Express Musikdateien zur audio-
philen High-End-Faszination wandeln. ag

 www.avantgarde-acoustic.de

 DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Lautsprecher-Konstrukteure sind
Ohrenmenschen. Gut – doch schlecht für das praktische Leben. Was
vielen Lautsprecher-Entwicklern aber geradezu aufreizend egal ist. Die
ZERO 1 ist der Traum der Gegenseite – menschenfreundlich, kon-
sequent, antrittsstark, vor allem wohnraumaffin bis hin zur aktiven
Raumanpassung.

09

GIGASET SL930A –
AUCH TELEFONE DÜRFEN SCHÖN SEIN

Viel ist die Rede davon, dass Design immer mehr unser Leben be-
stimmt, weil es Produkte ergonomischer, bedienbarer, wertvoller
und nicht zuletzt schöner macht. Designer entscheiden maßgeb-
lich, wie viel und wie lange wir Freude an einem Produkt haben.
Schade nur, dass ein ganzer Berufsstand offensichtlich einen wei-
ten Bogen um ein ganzes Produktfeld macht – anders lässt es sich
nicht erklären, dass Festnetztelefone überwiegend das Gegenteil
von guter Gestaltung widerspiegeln: Billigste Plastik-Verarbei-
tung, Tasten ohne fühlbaren Druck, schlecht ablesbare Displays,
unlogische Menüs. Aus dieser Designwüste ragen Festnetztele-
fone wie das SL930A von Gigaset vorbildlich heraus: Flaches Ge-
häuse mit polierten Metalloberflächen, sorgfältige Verarbeitung
und – auch das in Anlehnung an vorbildliche Smartphones – eine
Touch-Oberfläche mit Zugriff auf Apps. Mit seiner WLAN-Funktion
und Android-Oberfläche bringt das SL930A – zusätzlich zur ge-
wohnt komfortablen Festnetztelefonie inklusive Anrufbeantworter
– die Funktionalität eines Smartphones nach Hause. kpb

 www.gigaset.com

 DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Ein Festnetztelefon mit Anrufbe-
antworter, das technisch, gestalterisch und im Bedienkomfort aus der
Masse herausragt. Hervorragende Sprachqualität, dank ECO DECT
Technologie strahlungsarm und energieeffizient.

10

BOSCH – 
ACTIVEWATER ECO2 GESCHIRRSPÜLER

Ein kleiner Zungenbrecher – seine vollständige Bezeichnung lau-
tet: „ActiveWater Eco2 Geschirrspüler mit Zeolith-Trocknungs-
technologie“. Klingt nach Wort-Rasseln, ist aber Motor für eine
ganze Branche. Entstanden aus einer Kooperation von Bosch mit
dem Kristallglashersteller Schott Zwiesel. Das Grundproblem:
Feine Gläser werden in den meisten Spülmaschinen entweder
nicht glänzend rein oder (noch schlimmer) zu Tode getrocknet.
Bosch und Schott Zwiesel haben ein neues Programm entwickelt:
Bei „Glas 40 Grad“ werden die drei Parameter Wassermenge,
Wassertemperatur und Trocknungszeit optimiert. Besonders die
automatische Anpassung des Wasserhärtegrades soll schonend
auf Geschirr und Gläser wirken. Aber auch ganz offensichtliche
Design-Elemente überzeugen – wie ein „Stielglaskorb“, der bis
zu vier langstielige Gläser fixiert. In der schönen Zugabe: Ein „Tür­
öffnungsassistent“ für grifflose Küchenfronten. ag

 www.bosch-home.com/de

 DIE BEGRÜNDUNG DER JURY: Porzellan und feine Gläser sind nicht
für Spülmaschinen geschaffen. Gilt wie ein Glaubensgrundsatz. Bosch
arbeitet an der Vergangenheitsform: Galt bislang. Die wachsende Intel-
ligenz der Spezialprogramme verändert Nutzerverhalten – bei umwelt-
freundlichster A+++-Klassifizierung.

ARCHITEKTUR // LED im neuen Lenbachhaus

38 39

DESIGN  
/ 

N A C H H A LT I G K E I T


Dass LED gut, schön und schlau ist, hat
pure ebenso oft wie laut propagiert. Wie
künstlerisch wertvoll – ja regelrecht sinn-
stiftend – LED in öffentlichen Bauten ein-
gesetzt werden kann, lebt jetzt das neue
Lenbachhaus in München vor. Zudem ein

Ritterschlag für diese Lichtqualität an
sich, die zu Unrecht als unausge-
reift und inhuman kritisiert
wurde.

Ritterschlag mit Kandinsky

Zu oft schlendern wir durch Museumsräume – und nehmen dort die hohe Kunst der
richtigen Beleuchtung als selbstverständlich hin. ZEIT FÜR EINE KLEINE LAUDATIO:
Ganz vorn in der Weltklasse strahlt seit diesem Jahr das neue Lenbachhaus in
München – LED sei Dank

Ein singuläres Ensemble: Im
Lenbachhaus treffen Expo-
nate des Blauen Reiters auf
Joseph Beuys (rechts, „Zeige
deine Wunde“, 1975) und
neu (links) auf die zentrale
Lichtinstallation „Wirbel-
werk“ von Ólafur Elíasson.

„Licht gehört zu den zentralen Themen eines Museums, deshalb wurde bei der Pla-
nung der neuen Ausstellungsräume viel Wert auf Tages- wie auch auf Kunstlicht gelegt.
Wir freuen uns sehr, dass wir mit der Unterstützung unseres Fördervereins und der Stadt-
sparkasse München sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eine
Beleuchtung basierend auf einem eigens für das Lenbachhaus entwickelten LED-
Konzept bekommen haben. Ein Kunstlicht, das die ausgestellten Werke möglichst
natürlich beleuchtet, konservatorische Anforderungen in höchstem Maße erfüllt und
neue Gestaltungsmöglichkeiten durch variable Lichtfarben eröffnet.“

Prof. Dr. Helmut Friedel – Direktor Lenbachhaus

© Michael Wesely

Von Andreas Günther Die Städtische Galerie im Lenbachhaus hat ihren Sitz im ehe­
maligen Ateliertrakt und der Villa des Malers Franz von Lenbach
So verwegen der Vergleich sein mag: Das Licht in einem Museum (1836 bis 1904). Der seinen Bau 1890 bezog –  eine toskanische
ist ebenso gut oder schlecht wie die Leistung eines Schiedsrich- Villa am Beginn der Achse von der Münchner Innenstadt hinaus
ters auf dem Fußballplatz – wenn beide nicht stören, haben sie zum Schloss Nymphenburg. Damals fast eine Randlage, heute ein
ihre Sache gut gemacht. Oder kritisch gedacht: Wir sind nicht sen- Kleinod im Zentrum der Metropole. Womit auch ein Grundprob-
sibilisiert für wirklich gute Beleuchtungskunst in einem Museum. lem der Sanierung beschrieben wäre: Die Städtische Galerie ist
Zeit für eine Laudatio. Ganz vorn in dieser Liga spielt jetzt das eben nicht als eine solche auf dem Reißbrett entstanden – sondern
Lenbachhaus zu München mit. Vor rund einem halben Jahr wurde als Anhang an ein eigenwilliges Wohnhaus; zudem eingefasst von
der Bau frisch eröffnet – ausgestattet mit einer Lichtinstallation strategisch wichtigen Straßenzügen im Innenbereich Münchens.
komplett auf LED-Basis. Die Speerspitze in der europäischen In Spitzen­zeiten pilgerten 400.000 Besucher pro Jahr hierher.
Museenlandschaft. 4,3 Millionen Euro hat dieser technologi- 2006 beschloss der Stadtrat eine „Generalsanierung mit teilwei-
sche Fortschritt gekostet. Wobei die Summe nahezu paritätisch sem Neubau“. Den Zuschlag erhielt ein Entwurf der Architekten
geteilt wurde zwischen dem Bundesministerium für Bildung Foster+Partners. Deren wesentlicher Ansatz bestand darin, die
und Forschung sowie dem Förderverein des Lenbachhauses. historische Villa frei zu stellen – als Kern des Museums.
Klingt zwar trotzdem nach viel Geld, ist in Relation zu den Während der Altbau mit zahlreichen Fenstern relativ viel Tages-
Gesamtkosten der Kernsanierung (59,4 Millionen Euro) aber doch licht in die Ausstellungsräume lässt, zeigt sich der Neubau über-
überschau- und vertretbar. Zumal ohne Licht alles nichts wäre. wiegend mit einer geschlossenen Außenhaut. Ausgenommen sind
die Ausstellungsräume im zweiten Obergeschoss, in die Tages­
licht für die legendäre Sammlung des Blauen Reiters dringen
kann. Trotzdem: Gerade in den Wintermonaten müsste das Mu-
seum gegen 15 Uhr schließen, würde es nur dem Naturlicht seine

ARCHITEKTUR // LED im neuen Lenbachhaus

Zwei Welten, ein Haus:
Die ehemalige Lenbachvilla
wurde von den Architekten

Foster+Partners neu ein-
gefasst – wie ein Juwel im
Inneren. In der Folge mit
extrem hohen Ansprüchen

an das Lichtkonzept.

40 41 DAS NEUE LENBACHHAUS – DIE FAKTEN

Schätze anvertrauen. So wurde eine aufwendige LED-Lichtinsze- WAS GIBT ES ZU SEHEN?
nierung als fester Bestandteil eingeplant. Dabei sind die räumli-  Die weltberühmte Sammlung des Blauen Reiters – mit Werken unter
chen Bedingungen äußerst unterschiedlich: Räume mit Fenstern,
Oberlichtern, gänzlich ohne Naturlicht. Dennoch sollte Harmonie anderem von Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Franz Marc und Au-
entstehen – schattenlos und nicht zuletzt sensibel für die unwie- gust Macke –, Schätze der Malerei des 19. Jahrhunderts, Sammlungs-
derbringlichen Kunstwerke. Ein entscheidender Vorteil der LED- schwerpunkt Joseph Beuys mit der Schenkung Lothar Schirmer sowie
Technik ergibt sich bereits aus der hohen Gleichmäßigkeit – ver- eine umfangreiche Sammlung internationaler Gegenwartskunst
glichen mit dem „vibrierenden“ Flimmern von Leuchtstoffröhren.
Ein intelligentes Licht-Management-System erlaubt dabei, das WIEDERERÖFFNUNG
Licht nicht nur einmal dauerhaft einzustellen, sondern es frei an  8. Mai 2013
die Ansprüche anzupassen – beispielsweise bei wechselnden Aus-
stellungen oder neuer Hängung. Nicht nur die Intensität selbst AUSSTELLUNGSFLÄCHE
kann variiert werden, im Lenbachhaus bestimmen die Kuratoren  2.800 Quadratmeter (300 Quadratmeter mehr als zuvor)
und der Leiter Dr. Helmut Friedel auch flexibel über die Farb­
temperatur – zwischen warm (3.000 Kelvin) und kalt (6.000 Kelvin). KOSTEN DER GESAMTSANIERUNG
Damit jedes Werk in dem Licht erscheint, in dem es am besten zur  59,4 Millionen Euro für die Kernsanierung der alten Villa plus Neubau
Geltung kommt. Und am wenigsten geschädigt wird. Mehr als nur
ein Nebenaspekt. Denn ungefiltertes Tageslicht ist für Kunst die KOSTEN DER LED-INSTALLATION
gefährlichste Lichtquelle – wegen der starken UV-Strahlung und  4,3 Millionen Euro. Darin: 2 Millionen Euro Zuschuss des Bundesmi-
Helligkeit. Der Vorteil der LED-Lösung im Lenbachhaus liegt auch
in der bewussten Mischung des Spektrums – ohne nachweisbare nisteriums für Bildung und Forschung sowie 1,8 Millionen Euro vom
UV-Anteile. Ein im Verhältnis zu den ausgestellten Schätzen eher Förderverein Lenbachhaus
untergeordneter, aber doch beachtenswerter Gesichtspunkt: Strom Das Lenbachhaus wurde von dem Münchner Lichtkünstler Dietmar
für Licht ist in Museen ein deutlicher Kostenfaktor – die LED über- Tanterl beraten, der auch die technische Realisation durch OSRAM und
ragt alle Konkurrenztechnologien mit einer Effizienz, die beispiels- das Ingenieurbüro Bamberger und Partner zusammen mit dem Bau­
weise bis zu 90 Prozent über der von Glühlampen liegt. referat begleitet hat.

LEITUNG DES LENBACHHAUSES
 Amtierender Direktor bis Dezember 2013: Prof. Dr. Helmut Friedel,

neuer Direktor ab Januar 2014: Dr. Matthias Mühling
www.lenbachhaus.de

Der Geist des Hausherrn:
Die Städtische Galerie im Lenbachhaus resi-
diert in der und um die Villa des Malerfürsten
Franz von Lenbach (1836–1904). Der Bau
entstand 1890 nahe dem Münchner Königs-
platz als toskanische Villa. Auf dem Bild oben:

Der Bauherr im eigenhändig gemalten
Familienporträt mit Frau und Töchtern (1903).

„IT’S TIME TO CREATE SOMETHING NEW !“

Mohamed Farouk

CEO Mobica+

by DESIGN BALLENDAT

Infos unter www.mobicaplus.de

MENSCHEN // Interview Dietrich F. Brennenstuhl

FRAGEN AN DIETRICH F. BRENNENSTUHL

„Wir konnten unsere Qualitätsansprüche
durchsetzen“

42 43

VORSPRUNG DURCH TECHNIK: Er war bereits von der LED überzeugt, als sie noch belächelt
wurde. Heute produziert Dietrich F. Brennenstuhl mit Nimbus praktisch nur noch LED-Leuchten
und gilt damit als Pionier einer ganzen Branche

pure: Herr Brennenstuhl, Sie gelten als LED-Pionier, weil Sie sich bereits Inwieweit konnten Sie als Leuchtenhersteller auch Einfluss nehmen auf die
mit dieser Lichttechnik beschäftigt haben, als deren Lichtausbeute und Entwicklung der LED-Technik?
Qualität noch sehr bescheiden waren ... Für die Leistungssteigerung der LED sind natürlich die Hersteller
Brennenstuhl: Ja, wir haben bereits 1999 angefangen, uns mit der verantwortlich, darauf haben wir wenig Einfluss. Wir konnten
LED auseinanderzusetzen – also zu einer Zeit, als da wirklich uns aber an einem anderen entscheidenden Punkt einbringen –
noch kein Licht herauskam. Es war aber schon damals für mich nämlich bei der Lichtfarbe, also beim sogenannten Binning.
faszinierend zu sehen, wie aus einem kleinen Kristall Helligkeit Das wurde zunächst wenig beachtet, weil die LED vor allem als
emittiert wird. Das war der Auslöser für Überlegungen, diese Backlight bei Flachbild-Fernsehern zum Einsatz kam – und da spielt
Technologie eines Tages in ein Produkt fließen zu lassen – zumal die Lichtfarbe kaum eine Rolle. In einem langwierigen Prozess
diese neue Lichtquelle auch gestalterisch neue Möglichkeiten mit den Herstellern konnten wir aber unsere Qualitätsansprüche
versprach. Dadurch hatten wir einen Vorsprung und konnten durchsetzen – Schwankungen in der Farbwiedergabe vermeiden
auch frühzeitig bei den asiatischen LED-Produzenten unsere und die Farbtemperatur gezielt steuern.
Vorstellungen und Ansprüche deutlich machen und so die
Weiterentwicklung dieser Technologie aktiv vorantreiben. Ab Wie sieht es mit der Haltbarkeit aus?
2005 war uns schließlich klar, dass die LED nun ausreichend Da kam mit dem Thermomanagement ein weiterer wichtiger
Licht emittierte, um damit Leuchten zu realisieren – und zwar zu Aspekt ins Spiel, der bis dahin ebenfalls nicht wirklich relevant
realistischen Preisen. war, weil eben ein Fernseher nach 10.000 Betriebsstunden schon
ein biblisches Alter erreicht hat und das Potenzial der LED von
Welche neuen gestalterischen Möglichkeiten haben Sie bei der LED 50.000 Betriebsstunden gar nicht nutzt. Auch da haben wir als
besonders fasziniert? Leuchtenhersteller mit unseren Ansprüchen viel erreicht. Sobald
Lichttechnik und Leuchtendesign lassen sich nicht trennen. einem das Prinzip des Thermomanagements klar ist, eröffnet
Als die Halogenlampe Mitte der 1980er-Jahre den Sprung vom die LED völlig neue Möglichkeiten in der dreidimensionalen
Autoscheinwerfer ins Wohnzimmer schaffte, haben wir auch Ausgestaltung. Bei Halogenleuchten war das Problem, die Wärme
das bereits als Chance für eine neue Formensprache begriffen. abzuführen, viel größer, .
Technische Parameter wie Hitzeentwicklung und Lichtemission
erzwangen allerdings bestimmte gestalterische Raster, die die Sie erwirtschaften inzwischen 98 Prozent Ihres Umsatzes mit LED-
Leuchten wiederum vergleichbar machten. Da versprach die Leuchten. Gibt es noch Nachteile – vom Preis mal abgesehen?
extrem kleine, sehr effiziente und nur wenig Wärme abstrahlende Nein, die gibt es nicht mehr!
LED beste Voraussetzungen für einen weiteren Paradigmen­
wechsel im Leuchtenbau: Sie hat uns in die Lage versetzt, den für Dass sich LED im Objektbereich nur langsam durchsetzt, hat also
uns typischen gestalterischen Minimalismus weiter zu zelebrieren ausschließlich Kostengründe?
und uns wieder deutlich zu differenzieren. Eindeutig ja! Wir haben bereits 2007 beschlossen, dass wir
keine konventionelle Entwicklung mehr vorantreiben und

uns ausschließlich auf die LED konzentrieren. Damit sind wir ziemlich Machen auch .
einsam unterwegs, weil die Wettbewerber erst bei gut 20 Prozent LED- Sie ein
Anteil angekommen sind. Wer relativ spät eingestiegen ist, muss nun die
Fertigungsprozesse teuer umstellen. Jetzt zu Ökostrom
wechseln.
Das Objektgeschäft nimmt bei Ihnen eine Schlüsselrolle ein. Was sind die Vorzeigeobjekte? Und einen Baum
Die Unilever-Hauptverwaltung in Hamburg ist mit insgesamt 3.500 Leuchten wachsen lassen.
bis heute eine starke Referenz, ebenso das neue ADAC-Gebäude in München.
Wechseln Sie jetzt zum Ökostrom
Was wird durch die LED bei so einem Objekt an Lichtenergie eingespart? aus 100% deutscher Wasserkraft
DassindmitSicherheit50bis60ProzentWirgehenbeiAmortisationsberechnungen und wir pflanzen gemeinsam mit
von einem Zeitraum zwischen vier und acht Jahren aus. der Deutschen Umweltstiftung
einen Baum für Sie.
Welche Erwartungen verbinden Sie mit der OLED-Technik?
Flächenleuchten sind eine architektonische Geschmacksfrage. Wir haben schon www.naturenergieplus.de
während meines Architekturstudiums von leuchtenden Tapeten geträumt
– je realistischer solche Visionen werden, desto skurriler erscheinen sie im Im Rahmen der
Nachhinein. Leuchtende Flächen lassen sich auch heute schon herstellen, Schulpflanzaktionen
haben sich aber nie durchgesetzt. Ein tageslichtdurchflutetes Fenster, durch von:
das ich rein- und rausschauen kann, lässt sich einfach nicht durch eine matt
vor sich hinglimmende Fläche ersetzen. Dennoch ist OLED ein berechtigtes
Forschungsthema, mit dem wir uns auseinandersetzen. Auf absehbare Zeit wird
das aber keine Konkurrenz zur LED, da gehen noch zehn Jahre ins Land.

Was haben wir bis dahin von Nimbus zu erwarten?
Weiterhin gute Gestaltung, weiterhin hohe Energieeffizienzen und intelligente
Lichtsteuerungen.

LED-Pionier und Andersmacher

 1988 hat Dietrich F. Brennenstuhl die Nimbus Design GmbH gegründet,
heute führt er das Unternehmen mit zwei Marken in unterschiedlichen Ge-
schäftsbereichen als Nimbus Group: Unter der Marke Nimbus stellt die Nim-
bus Group LED-Leuchten und unter den Marken Rosso sowie Rossoacoustic
akustisch wirksame Raumgliederungssysteme her. Typisch für den oft auch
als LED-Pionier bezeichneten Unternehmer ist, dass er stets jenseits ausge-
tretener Wege nach Neuem gesucht hat. Vor allen anderen hat Brennenstuhl
auf der Suche nach innovativen Lichtlösungen auf die LED-Technik gesetzt
und sich damit weltweit einen Technologievorsprung erarbeitet. Seit 2006
hat Nimbus rund 8.000 LED-Projekte realisiert – von Wohnhäusern, Arztpra-
xen, Galerien oder Vorstandsetagen bis hin zu groß­ en Firmenzentralen wie
der Hauptverwaltung von Unilever in Hamburg oder der ADAC-Zentrale in
München. Sämtliche Unternehmensbereiche sind in Stuttgart-Feuerbach
konzentriert, umweltbewusstes Handeln gehört zum Selbstverständnis des
Architekten und gelernten Werkzeugmachers: Nimbus-Lieferfahrzeuge fa-
hren mit Solarstrom, über 90 Prozent der Zulieferbetriebe sind im Umkreis
von 200 Kilometern angesiedelt.

ARCHITEKTUR & WOHNEN // Designerin Patricia Urquiola

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/
IN EINER SERIE STELLT PURE DIE WICHTIGSTEN

ZEITGENÖSSISCHEN DESIGNER VOR

Patricia
Urquiola

Design ist ein Dialog

PATRICIA URQUIOLA IST DIE MIT ABSTAND ERFOLGREICHSTE FRAU IN DER DESIGN-
WELT. Zu ihren Auftraggebern zählen nahezu alle renommierten Hersteller. Mit ihrem
Gespür für Sinnlichkeit, Farbe und Textur überwindet sie die Grenzen zwischen Industrie
und Handwerk

DESIGN  
/ 

N A C H H A LT I G K E I T


Patricia Urquiola bringt Gegensätzliches
in Einklang. Ihren Arbeiten gelingt es, die
Sinne mit haptischen Materialien und sinn-
lichen Formen zu verführen und dennoch
nicht dem Modischen zu verfallen. Durch
Einbeziehung handwerklicher Herstel-

lungsmethoden hat sie der Indus-
trieform eine neue Wertigkeit
verliehen.

01 Von Norman Kietzmann

01 Patricia Urquiola arbeitet häufig mit Mustern – aber keineswegs
nach Schema F. Ihre Möbel, Leuchten und Objekte changieren
DAS STUE BERLIN / zwischen den Gegensätzen: Sie sind industriell und handwerklich
2013 zugleich, wirken mitunter puristisch klar und umspielen dennoch
Temporärer Salon: Das Res­ die Sinne mit haptischen Texturen und dekorativen Details. Wo an-
taurant „The Casual“ im dere Designer eine verlässliche Schiene suchen, erfindet sich die
Berliner Hotel „Das Stue“ gebürtige Spanierin lieber neu. Leuchten wirken wie vergrößerte
setzt auf breite Sofafronten Schmuckstücke, Sessel faszinieren mit grob gestrickten Polstern
und rundum gepolsterte und Badewannen dürfen selbst Anklänge an Großmutters Zeiten
Sessel. Der grafische Teppich nicht scheuen.
sorgt optisch für Dynamik.
Dass Urquiola diese Bandbreite beherrscht, verdankt sie einem
anderem Freigeist par excellence: dem Mailänder Designer, Archi-
tekten und gestalterischen Überflieger Achille Castiglioni. Der Alt-
meister, der in den fünfziger bis neunziger Jahren eine Design­ikone
nach der anderen aus dem Ärmel geschüttelt hat, wurde zu ihrem
Mentor. Urquiola, 1961 im spanischen Oviedo geboren, studierte
in Madrid Architektur, wechselte in den späten achtziger Jahren
nach Mailand. Am dortigen Politecnico machte sie unter der Regie
von Achille Castiglioni ihren Abschluss. Aber auch andere Größen
des italienischen Designs wie Marco Zanuso, Vico Magistretti oder
Tomás Maldonado waren der Hochschule eng verbunden und lie-
ßen sich über die Schulter schauen.

ARCHITEKTUR & WOHNEN // Designerin Patricia Urquiola

46 47

02

„Viele Architekten in Italien haben von Anfang an als Designer ge- Gestalterin, die ihre Projekte nicht im Elfenbeinturm entwickelt,
arbeitet, weil es an Möglichkeiten, Bauten zu entwerfen, haperte. sondern in langen und intensiven Gesprächen mit Herstellern, Ma-
Umgekehrt hatte die Industrie einen enormen Bedarf erzeugt. Es nufakturen und Handwerkern vor Ort. Diese Haltung hat Patricia
war normal, Architekt und Designer in einer Person zu sein“, er- Urquiola nicht nur davor bewahrt, in eine Schublade gesteckt zu
klärt Patricia Urquiola, die ihre Karriere ebenfalls auf der Bühne werden. Sie wurde vielmehr gleich mehrfach zur Vorreiterin für die
des Designs begann. Achille Castiglioni erkannte das Talent der gesamte Einrichtungsbranche.
jungen Spanierin rechtzeitig und vermittelte ihr die Leitung der
Produktentwicklung des Möbelherstellers De Padova. Sechs Jahre Bereits in den neunziger Jahren hatte das Unternehmen Dedon mit
bekleidete sie den Posten, bei dem sie mit fast allen wichtigen seinen handgeflochtenen Kunststoffmöbeln einen aus Designsicht
italienischen und internationalen Designern zusammenarbeite- weitestgehend ignorierten Lebensbereich ins Visier genommen:
te. 1996 wechselte Patricia Urquiola ins Büro von Piero Lissoni den Garten. Dennoch waren es Urquiolas Sessel- und Sofaserien
und leitete die Designabteilung des Mailänder Gestalters, bis sie „Canasta“ (2007) und „Crinoline“ (2008, beide für B&B Italia) so-
schließlich ab 2001 ihre eigenen Wege ging. wie „Tropicalia“ (2008 für Moroso), die die gestalterischen Mög-
lichkeiten in diesem Revier erstmals voll zur Blüte brachten. Man
Das „Studio Urquiola“ arbeitet seitdem für das Who-is-who des De- nahm einfach gerne Platz in den angenehm geräumigen, weichen
signs. Ob B&B Italia, Molteni&C, Axor, Baccarat, Moroso, Driade, Gartenmöbeln, die den Be-Sitzer umfingen wie schützende Kokons
Kartell, Foscarini, Flos oder Agape: Patricia Urquiola agiert in der und es dabei schafften, gleichermaßen skulptural wie grafisch
noch immer männlich geprägten Designwelt mit einer Selbstver- zu wirken. Wurden Gartenmöbel von Designern zuvor als „kleine
ständlichkeit, dass es schwerfällt, ihre Sonderrolle zu verstehen. Brüder“ der Wohnzimmereinrichtung vernachlässigt, richtete sich
Denn nach wie vor steht sie als Frau auf dieser Designer-Karriere- nun plötzlich der Blick auf sie. Heute wird der Garten als voll-
stufe weitestgehend alleine da. Lediglich die Niederländerin Hella wertige Erweiterung des Wohnraums gesehen und von fast allen
Jongerius kann eine ähnlich souveräne Stellung für sich beanspru- großen Möbelunternehmen mit eigens entwickelten Kollektionen
chen. Das Gros der weiblichen Vertreter dieser Zunft wird dage- bestückt.
gen (wie beispielsweise das von drei Frauen geleitete Stockholmer
Designbüro Front) in die Ecke des rein Dekorativen abgeschoben – Der Clou von Urquiolas Arbeiten lag neben der gestalterischen
ein frustrierender Umstand, mit dem sich junge Gestalterinnen bis Aufwertung von Outdoor-Möbeln auch in der sichtbaren Mitein-
heute konfrontiert sehen. beziehung des Handwerks. Anstelle der bis dahin üblichen Ober-
flächen aus gleichmäßig verflochtenen Kunststoffkordeln mit der
Patricia Urquiola hat sich nie auf eine bestimmte Richtung fest­ Anmutung des industriell Gefertigten, wählte sie für ihre Sitzmö-
legen lassen. Sie beherrscht Minimalismus ebenso wie dekorative bel komplexe, dreidimensionale Muster, die die handwerkliche
Sinnlichkeit. „Design ist ein ständiger Dialog“, weiß die 53-jährige Verarbeitung selbstbewusst zur Schau stellten.

05 07
03 06
04

Ihren Entwürfe gelang die Überwindung von Gegensätzen. Zuvor 02 03 04
war die Designwelt in zwei streng voneinander getrennte Lager ge-
spalten: Auf der einen Seite stand die Serienproduktion, auf der W HOTEL VIEQUES MANDARIN MANDARIN
anderen Seite die Politik der hochpreisigen Einzelstücke, die nicht
erst mit Sammlermessen wie der Design Miami aufkam, sondern / 2010 ORIENTAL / 2009 ORIENTAL / 2009
von den Mitgliedern der Memphis-Gruppe bereits seit den acht- Garten-Parade: Bei der Sinnliches Doppel: Das Sichwohlfühlen im Mus­
ziger Jahren praktiziert wurde. Indem sie diese scharfe Trennung Einrichtung des „W Ho­ 2-Sterne-Restaurant ter-Look: Das Restau­
zwischen Handwerk und Industriedesign, Unikat und Serie ganz tel Retreat & Spa“ auf „Moments“ im „Man­ rant „Blanc“ des „Man­
einfach aufhoben, wirkten Patricia Urquiolas kunstvoll gefloch- der Karibikinsel Vieques darin Oriental Hotel“ in darin Oriental Hotels“
tene Gartenmöbel wie ein plötzlicher Schulterschluss einstiger war Patricia Urquiola Barcelona ist nicht nur in Barcelona gewährt
Gegner. ganz in ihrem Element bekannt für seine traditi­ seinen Gästen Intimität.
und kombinierte eine onelle, katalanische Kü­ Locker platzierte Sitz­
„Ich denke, dass ich im Kopf noch immer eine Architektin bin“, er- Vielzahl ihrer Entwürfe che, sondern ebenso für ecken sorgen für eine
klärt Urquiola, die neben Möbeln, Leuchten und Objekten auch für den Außenbereich. seine vergoldete Decke. wohnliche Atmosphäre.
Showrooms, Boutiquen, Messestände und Ausstellungen konzi-
piert. Welche räumlichen Qualitäten ihre Arbeiten im Zusammen- 05 06 07
spiel erzielen können, zeigen ihre Inneneinrichtungen von Hotels
und Privathäusern. Ob das „Mandarin Oriental Hotel“ (2009) in DAS STUE BERLIN FOUR SEASONS AXOR URQUIOLA
Barcelona, das „W Hotel“ auf der Karibikinsel „Vieques“ (2010)
oder das 2013 eröffnete Hotel „Das Stue“ in Berlin: Ihre Interieurs / 2013 SPA / 2012 / 2009
sind keine selbstverliebten oder gar abweisenden Inszenierun- Alles aus einem Guss: Sauna in historischen „Das Badezimmer ist
gen, sondern schaffen charaktervolle individuelle Atmosphären. Patricia Urquiola ge­ Gemäuern: Das „Four der einzige Ort, an dem
Sind die Einrichtungen vieler Designhotels mitunter derart präzi- staltete das gesamte Seasons Hotel“ in Mai­ ich mein Telefon immer
Interieur des Hotels in land bespielt ein frü­ ausschalte. Es ist ein
den Räumen der frühe­ heres Kloster aus dem persönlicher Ort“, verrät
ren dänischen Botschaft. 15. Jahrhundert. Patri­ uns Patricia Urquiola.
Im 2-Sterne-Restaurant cia Urquiola gestaltete Für ihre Badserie „Axor
„5-Cinco“ zelebriert man den 800 Quadratmeter Urquiola“ wählte sie or­
übrigens Menüs mit bis großen Spa-Bereich. ganisch-weiche Formen.
zu 25 Gängen.

ARCHITEKTUR & WOHNEN // Designerin Patricia Urquiola

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CABOCHE / 2005 FERGANA / 2012
Neuer Klassiker: Die Spiel der Gegensätze: Die
Leuchte „Caboche“ für Fos­ Kollektion „Fergana“ für
carini wirkt wie Schmuck­ Moroso weckt mit ihren ab­
stück, das zum Leuchten gerundeten Polstern Remi­
gebracht wurde. Der Schirm niszenzen an die 70er Jahre.
besteht aus transparenten Als Kontrast wirken Kissen
oder goldgelb eingefärbten mit traditionellen Mustern
Kunststoffkugeln. aus Usbekistan.

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KLARA / 2010 SCRIBA / 2010
Auf historischen Pfaden: Kalkuliertes Ungleichgewicht:
Die Rückenbespannung des Während das linke Fußteil
Sessels „Klara“ für Moroso des Schreibtisches „Scriba“
erfolgt in historischen Werk­ für Molteni&C einen Bar-
stätten der Region Udine, Code stilisiert, nimmt rechts
wo man seit dem 19. Jahr­ eine lederne Tasche Zeit­
hundert Rohrgeflecht von schriften und anderes auf. .
Hand produziert.

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CANASTA / 2007 M.A.S.S.A.S. / 2012 BIKNIT / 2011
Evolution an der Rasen­ Wohltuende Erdung: Das Plastische Oberfläche: Sitz­
kante: Bei der „Canasta“- Sofa „M.a.s.s.a.s.“ von polster müssen keineswegs
Kollektion für B&B Italia Moroso verzichtet auf harte nur klobige Kuben sein.
hat Patricia Urquiola die Kanten und setzt stattdes­ Im Falle der Chaiselongue
Möglichkeiten, Gartenmöbel sen auf eine weiche und ge­ „Biknit“ für Moroso sind
zu gestalten, neu ausgelotet mütliche Erscheinung. Als sie beispielweise ähnlich wie
und deutlich voluminösere Hingucker dienen farblich ein grobmaschiger Pullover
Formen eingebracht. abgesetzte, breite Nähte. „gestrickt“.

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TROPICALIA / 2008 HUSK / 2012 SILVER LAKE / 2010
Grafische Erscheinung: Die Komfort-Transfer: Mit dem Mit Ecken und Kanten:
„Tropicalia“-Kollektion von Sessel „Husk“ für B&B Ita­ Die Polsterkollektion „Silver
Moroso setzt auf raffinierte lia stellte Patricia Urquiola Lake“ von Moroso setzt
Flechttechniken, bei denen ein rundum gepolstertes auf materielle Kontraste.
Fäden aus einem thermo­ Sitzmöbel vor, das dank Die Polster, von hölzernen
plastischen Polymer um wetterfester Bezüge selbst Paneelen seitlich eingefasst,
filigrane Stahlgestelle gewi­ auf der Terrasse überwin­ werden mithilfe metallener
ckelt werden. tern kann. Armlehnen stabilisiert.

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CROSSING / 2012 LOGENZE / 2013

Dynamische Erscheinung: Hybrid aus Handwerk

Der Tisch „Crossing“ von und Industrie: Der Teppich

Glas Italia verfügt über „Logenze“ für Ruckstuhl

zwei bedruckte Tischplatten, besteht aus mehreren Mo­

die leicht zueinander ver­ dulen, die miteinander ver­

setzt wurden, so dass sich näht wurden, um ein Mus­

ihre grafischen Oberflächen ter aus unterschiedlichen

19 gegenseitig verstärken. Verläufen zu erzeugen.

se durchkomponiert, dass Menschen sich darin wie Fremdkörper signerin ihrem Ansatz treu, keine vorab gefasste Idee mit Gewalt
vorkommen, ist es hier genau umgekehrt: Der Mix aus grafischen durchzuprügeln, sondern Entwürfe vielmehr aus Vorgefundenem
Oberflächen, Mustern und Texturen erzeugt ein wohl dosiertes heraus zu entwickeln.
Chaos, in dem sich die Gäste frei bewegen und schnell zuhause
fühlen können. „Es ist spannend, auf diese Weise die Grenzen zwi- Trotz ihrer Arbeit für etablierte Marken kooperiert Urquiola weiter-
schen Design und Architektur zu überwinden und die Energie von hin mit kleinen Manufakturen. Nachdem sie 2012 für das franzö-
dem einen für das andere zu übertragen“, erklärt Patricia Urquiola, sische Traditionshaus Baccarat eine Kollektion von spielerischen
die ihre Hotelprojekte stets als Labor für weitere Produktentwick- Kristallobjekten kreiert hatte, erhielt sie eine Anfrage aus Venedig.
lungen begreift. Für die Ausstellung „Glass Stress“ anlässlich der Kunstbiennale
2013 unternahm sie einen Workshop mit einem der bekanntesten
Ein Terrain, auf dem die Spanierin ebenfalls brillieren konnte, ist Glasmeister von Murano. „Bei Kristall arbeitet man mit vorgefer-
das Badezimmer. Mit der Wanne „Vieques“ (2008) für Agape, ur- tigten Formen, die eine hohe Präzision abverlangen. Bei venezia-
sprünglich ein Entwurf für ein Hotel auf der gleichnamigen karibi- nischem Glas ist es das genaue Gegenteil. Es geht darum, etwas
schen Insel, ließ sie die Metallwannen des 19. Jahrhunderts wieder schnell und spontan zusammen mit dem Maestro zu machen“, sagt
aufleben. 2009 präsentierte sie während der Mailänder Möbelmes- Patricia Urquiola, der genau diese Arbeitsweise besonders liegt. In
se in den Räumen des altehrwürdigen Palazzo Visconti eine umfas- Japan kooperierte sie jüngst mit einer traditionsreichen Tapeten-
sende Badkollektion für Axor. „In den vergangenen Jahren ging es manufaktur, die seit Jahrhunderten Königshäuser und Tempel be-
ganz klar um ein neues Lebensgefühl im Badezimmer. Doch heute liefert und schon die Arts-and-Crafts-Bewegung um William Morris
ist es genauso wichtig, möglichst wenig Wasser zu verbrauchen beeinflusst hat.
und auch die Form so unaufdringlich wie möglich zu gestalten“, „Dass sie mich gefragt haben, die Grenzen des Traditionellen ein
sagt die spanische Designerin, die abgerundeten, kurzen Bade- wenig zu bewegen, war eine Ehre für mich“, erklärt die Gestalterin,
wannen den Vorrang gibt. die mit ihrem Büropartner Alberto Zontone auch im privaten Le-
ben liiert ist. Als sie nach Japan fuhr, wurde sie nicht nur von ihrer
Ein Unternehmen, mit dem sie bei ihren Hotelprojekten eng zu- Assistentin Francesca begleitet. „Rio, ein Japaner, mit dem ich lan-
sammenarbeitete, ist der Steinhersteller Budri aus Modena. Als ge in meinem Studio gearbeitet habe und der inzwischen wieder
im Mai 2012 eine Erdbebenserie den Norden Italiens erschütter- nach Japan zurückgegangen ist, war ebenfalls mit dabei. Wir haben
te, wurde ein Großteil der eingelagerten Marmor- und Onyxplat- uns in Kyoto getroffen und zehn Tage Spaß zusammen gehabt“,
ten zerstört. Patricia Urquiola entwickelte daraufhin die Kollektion sagt Patricia Urquiola. Man merkt, dass für sie nicht nur die Ergeb-
„Earthquake 5.9“, die während der Mailänder Möbelmesse 2013 nisse in Form von fertigen Produkten zählen. Auch die Chemie in
präsentiert wurde und Regale, Tische sowie dekorative Bodenbe- ihrem Team muss stimmen, damit die Arbeit an Möbeln, Leuchten
läge aus den Steinfragmenten umfasst. Auch hierbei blieb die De- und Objekten nicht eines Tages doch zu Schema F verkommt.

ARCHITEKTUR & WOHNEN // Designerin Patricia Urquiola

FRAGEN AN PATRICIA URQUIOLA

„Es geht darum, Werte zu verändern“

IHREN ZUMEIST MÄNNLICHEN KOLLEGEN IST SIE IMMER EINE NASENLÄNGE VORAUS. Ein
Gespräch mit Patricia Urquiola über quer denkende Teppiche, Yoko Onos Worte und Sprünge
durch die Zeit

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pure: Frau Urquiola, einen Zug, auf den fast alle Designer heute technische Rückseite. Ich mag es, auf diese Weise ein wenig „out
aufzuspringen versuchen, haben Sie mit Ihren Arbeiten ins Rollen of the box“ zu denken und Handwerkliches mit Industriellem zu
gebracht: Sie haben die eisern gelebte Trennung zwischen Industriedesign kombinieren. Das ist ein spannender Prozess.
und Handwerk aufgehoben. Wie kam es dazu?
Urquiola: Viele meiner handwerklichen Arbeiten sind Hotels und Was bedeutet für Sie gutes Design?
anderen Inneneinrichtungen entsprungen, an denen ich zuvor Wenn ein Produkt einer klar erkennbaren Intention folgt, so dass
gearbeitet habe. Die Prototypen für B&B Italia entwarf ich für eine man es auf Anhieb versteht, erhält es Signifikanz. Ein anderer Punkt
Privatvilla, die Möbelkollektion für Kettal entstanden für das „W kann zum Beispiel die besonders raffinierte Verarbeitung eines
Hotel“ auf der karibischen Insel Vieques. Auch wenn die Entwürfe bestimmten Materials sein. Oder Elemente, die so miteinander
sehr industriell waren, wurden sie auf eine eher handwerkliche gemischt werden, dass etwas Überraschendes und Unverhofftes
Weise hergestellt. Das war vor sechs, sieben Jahren noch absolut entsteht. Zum Schluss geht es in unserer Arbeit darum, Werte
üblich und anfangs auch nicht einfach zu erklären. Heute gibt es zu verändern. Innovation ist ein sehr delikater Begriff für mich.
eine regelrechte Invasion vom Industriellen ins Handwerkliche Yoko Ono, die ich sehr mag, hat einmal gesagt: „Künstler erfinden
und umgekehrt. Natürlich muss diese Vermischung nicht für jedes überhaupt nichts! Sie verändern Werte.“ Dieser Sicht stimme
Projekt gelten. Doch ich glaube, dass sich der Blick auf das Design ich absolut zu. Es gibt viele Wege, etwas zu bewegen. Wenn die
in den letzten Jahren verändert hat. Er ist weiter geworden und Absicht dieser Bewegung clever oder einfühlsam ist, liegt man
hat Welten zusammengeführt, die bislang sehr streng voneinander damit richtig.
getrennt waren.
Wie würden Sie dann Innovation beschreiben?
Welche Rolle spielen hierbei technologische Entwicklungen? Schließlich Es gibt keine Formel, um innovativ zu sein, sondern vielmehr
ist das Handwerk nicht trotz, sondern sogar ausdrücklich wegen neuer viele verschiedene Arten. Ich denke, dass ich es auch nicht immer
Technologien stärker in den Fokus gerückt. hinbekomme, auch wenn ich es versuche. Innovation ist ein
In Zukunft wird es noch andere Wege geben, wie wir miteinander großes Argument. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Job
kommunizieren und Dinge produzieren und verkaufen werden. bei Maddalena De Padova, als sie mit Vico Magistretti über ein
Mithilfe neuer Technologien wie dem 3-D-Drucken lassen sich neues Sofa diskutiert hat. Sie sagte „Vico, Schluss jetzt!“ Er war
Stickereien und Dekore maschinell erzeugen, was früher nur von ein Mann mit unglaublicher Qualität in allem, was er gemacht
Hand möglich war. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, wie hat. Aber es war auch die Zeit der Achtzigerjahre. Dann meinte
Designer die Herstellung auf eine andere Weise kontrollieren sie: „Vielleicht müssen wir aufhören, immer nach neuen Formen
können. Wir sind eine Generation der Macher, die sich von den und neuen Ideen fürs Sitzen zu suchen. Wir müssen ein klassisches
gängigen Standards loslöst. Der Teppich „Logenze“ zum Beispiel, Sofa in Weiß machen!“ Und das tat sie dann auch. Indem sie die
den wir für Ruckstuhl entworfen haben, besteht aus mehreren Recherche nach dem Immer-Neuen ausgesetzt hat, fand sie eine
Modulen, die anschließend zusammengefügt wurden. Der Grund Möglichkeit, wieder von vorne anzufangen. Das war eine gute
dafür war, dass wir ein Muster mit diagonalen Farbverläufen Übung. Innovation steht nicht nur für den großen Wurf. Oft sind
erzielen wollten. Diese Geometrie hätte sich nicht in einem es eher die kleinen Schritte, die einem Projekt seinen Wert geben
Stück anfertigen lassen. Auch verfügt der Teppich über eine sehr und neue Sichtweisen öffnen.

Einen Sprung durch die Zeit haben Sie mit Ihrem „Comback Chair“ Was 1896 als traditionelle Schreinerei begann, ist heute
(2011) für Kartell unternommen. Der Kunststoffstuhl ist den englischen eines der innovativsten und zukunftsweisenden Holzhaus-
„Windsor Chairs“ aus dem 18. Jahrhundert nachempfunden. Unternehmen Europas. Denn seit Jahrzehnten arbeiten wir an
Ich hatte die Idee schon länger mit mir herumgetragen, einen unserer wohngesunden Naturbauweise und perfektionierten
solchen Stuhl zu entwerfen. Diese „Windsor Chairs“ sind ja recht Holzbaukunst. Zum Beispiel unsere spezielle, atmungsaktive
klassisch und rustikal. Eine Typologie, die man eher in einem Voll-Werte-Wand: sie sorgt für spürbares Frischluftklima und
Landhaus findet und nicht unbedingt zu dem zählt, was man besten Wärmeschutz. So zahlt sich unsere große Erfahrung
normalerweise unter zeitgenössischem Design versteht. Aber ich eines ganzen Jahrhunderts heute für Sie aus.
mochte sie, weil meine Eltern einen solchen Stuhl im Haus hatten.
Für meine Mutter war er das unwichtigste von allen Möbeln. Von Lassen Sie sich von den Baufritz-Innova-
Zeit zu Zeit hat sie ihn neu angestrichen, sodass er in einem Jahr tionen überzeugen und von Ihrer persön-
rot und im nächsten blau war. Es war der einzige Stuhl, mit dem wir lichen Architekturbroschüre inspirieren.
immer spielen konnten [lacht]. Jetzt bestellen: Telefon 0 8336-9000

Der Clou Ihres Entwurfs liegt im Transfer des Materials. Anstelle von > www.baufritz-pu.de
Holz haben Sie auf Kunststoff gesetzt.
Ja, das Möbel sollte genauso robust und farbig sein wie der Stuhl
aus dem Haus meiner Eltern. Es hat vier Jahre gebraucht, bis wir
mit der Qualität der Spritzgussformen zufrieden waren. Daran
haben wir wirklich lange gekämpft. Manchmal entwerfe ich Möbel
für ein Hotel und wir werden mit dem Gebäude schneller fertig als
mit den Möbeln [lacht]. Dann verwenden wir oft erst einmal die
Prototypen, weil die Serienreife mitunter noch ein weiteres Jahr
benötigt. Der Zeitunterschied zwischen Architektur und Design ist
häufig relativ.

Wie gehen Sie beim Entwerfen vor?
Ich habe viel gezeichnet, als ich jünger war. Heute lassen sich
meine Projekte kaum noch mit einer vereinfachten Zeichnung
darstellen. In meinem Büro benutzen wir den Computer als
Zeichenbrett und arbeiten oft mit Prototypen. Viele Projekte
entstehen direkt im Austausch mit den Handwerkern. Als ich
an der „Canasta“-Kollektion gearbeitet habe, bin ich zu einem
Workshop auf die Philippinen gefahren. Ich musste verstehen,
mit wem ich arbeite und wozu sie in der Lage sind, um meinen
eigenen Ansatz zu finden. Das war ein wichtiger Prozess nicht nur
von professioneller, sondern ebenso von menschlicher Seite. Wir
schicken uns heute immer noch Dinge zu Weihnachten. Ich denke,
dass dieser Austausch absolut notwendig ist. Selbst wenn man
den Prozess bestimmt, ist man auf das Wissen und die Fähigkeiten
von anderen angewiesen. Man muss einfühlsam und offen sein
und mit anderen diskutieren. Design ist ein ständiger Dialog.

Aber besteht nicht umgekehrt die Gefahr, dass eine gute Idee zerredet wird?
Sicher. Man muss aufpassen, dass ein Projekt nicht seine Seele
verliert. Häufig gibt es während der Produktentwicklung immer
wieder Meetings, in denen einem erklärt wird, dass etwas nicht
funktioniert oder die Kosten überschritten wurden. Es braucht
viel Energie, die anderen immer wieder zu überzeugen, auch
wenn man sich von Zeit zu Zeit fügen muss. Ich habe heute
kein Problem damit, auch nein zu sagen und ein Projekt notfalls
abzubrechen. Auf der anderen Seite sind auch die Firmen daran
interessiert, dass etwas Gutes dabei herauskommt. Wir sind also
keine Kontrahenten, sondern ziehen beide an einem Strang. Das
macht die Sache leichter [lacht].

WIRTSCHAFT // Versicherungen

Abschwächung der Liquidität / Rückgang der Abbild der modernen, komplexen
chinesischen Wirtschaft Kreditklemme Globalisierung Risikowelt. Der Verdienst der
Einbruch der Regulatorische Versicherungswirtschaft ist
Globales Ungleichgewicht und Vermögenspreise Versäumnisse
Währungsschwankungen doppelt: Man skaliert Risiken,
Haushaltskrisen quantifiziert – und stabilisiert
Extreme Volatilität die Leistung einer Volkswirtschaft.
der Verbraucherpreise
(Quelle: Studie Prognos AG
Extreme Volatilität der Extreme Volatilität Globale Führungs- Korruption in Anlehnung an den
Rohstoffpreise der Energiepreise versäumnisse
Global Risk Report 2011 des
Ökonomisches World Economic Forum)
Ungleichgewicht
Schwarzhandel

Weltraumsicherheit

Organisiertes
Verbrechen

Ansteckende Demographische Schwache Onlinedaten und
Krankheiten Herausforderung Staaten Informationssicherheit

Terrorismus

Migration Geopolitische
Konflikte
Sichere Risiken neuer
Lebensmittelversorgung Technologien
Sichere
Wasserversorgung Zusammenbruch der
Chronische Massen- Kommunikationsinfrastruktur
Krankheiten vernichtungswaffen

Rückgang der
Artenvielfalt

Luftverschmutzung Klimawandel Ocean Governance Anfällige Infrastruktur

52 53 Überschwemmung
Erdbeben und
Stürme und Zyklone Vulkanausbrüche

DESIGN  
/ 

N A C H H A LT I G K E I T


Ein tiefer Blick in die Branchen – und
wie sie es mit der Nachhaltigkeit halten.
In dieser Folge: Die deutschen Versicherer
herrschen über ein Anlagevolumen von
1,35 Billionen Euro. Damit kann man ein
Land verändern. An acht konkreten

Beispielen zeigt pure, was Versi-
cherungsunternehmen für das
Gemeinwohl tun.

Die unsichtbare Macht

DIE VERSICHERUNGSBRANCHE? In unserer Wahrnehmung eine seltsame Vermengung von Sinn
und Nutzwert, aber auch von Skandalen und Skandälchen. Weil sie hochkomplex und schwer
greifbar ist. Vor allem jedoch: gut und nachhaltig für Deutschland

Von Andreas Günther

Der größte Haken an Versicherungen liegt in ihrer Unsichtbarkeit. nehmen, aber auch fast jede Person sind in irgendeiner Weise
Kennt jeder, der zum Jahresende beispielsweise seine Rechnung versichert. Der deutsche Versicherungsmarkt ist dabei so vielfältig
über Haftpflicht und Vollkasko im Briefkasten vorfindet: Man zahlt wie die Risiken der Kunden. Mit aktuell rund 460 Millionen Ver-
– zugespitzt – für eine Fiktion, ein Zukunftsszenario, das eben am sicherungsverträgen werden eine Vielzahl unterschiedlicher Risi-
besten nicht eintreffen sollte. Der Gesamtverband der Deutschen ken abgesichert. Versicherungsvereine, öffentlich-rechtliche Ver-
Versicherungswirtschaft (GDV) hat deshalb einmal durchgespielt, sicherer und Aktiengesellschaften, in- und ausländische Anbieter,
wie sichtbarer Versicherungsschutz aussehen könnte. Vielleicht vom regionalen Versicherer bis zum globalen Konzern, sind am
mit einem neonfarbenen Aufkleber. Dem wir dann bei Schritt und deutschen Markt aktiv. Die Versicherungswirtschaft hat eine über-
Tritt begegnen würden. Jedes Auto, jedes Gebäude, jedes Unter- proportionale Bedeutung für den Zuwachs des Bruttoinlandspro-


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