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Published by thomas.pleiner, 2021-05-29 14:11:59

THE SPHERE

THE SPHERE

der für den Park verantwortlichen Behörde Battery Conservancy, provozierte das
Versprechen der Flamme, ewig Bestand zu haben, Fragen darüber, ob das enorme
beschädigte Kunstwerk nun für immer bleiben solle. Wie lange würde der tempo-
räre Aufenthalt der Sphere an diesem geliehenen Standort voraussichtlich dauern?
Sollte das Objekt nicht besser wieder zum World Trade Center zurückgebracht wer-
den, sobald sein ursprünglicher Standort wiederhergestellt war? Die Antworten
hingen von Entscheidungen zu größeren Fragen ab, bei denen es um die Form, den
Ort und den Zeitpunkt für eine permanente Gedenkstätte für die Opfer und um
die Ausdrucksform ging, die man für diese Geste wählte. Koenig wählte sehr dip-
lomatisch eine Haltung der Nichteinmischung, als man ihn nach seiner Meinung
hierzu befragte. Wenn man ihn drängte, meinte er, Battery Park biete viele Vorteile
für eine temporäre Aufstellung: einen Standort im Freien, demokratischen Zugang,
problemlose Erschließung und bedeutende Ausblicke nach Norden, wo eines Tages
eine neue Skyline entstehen würde, sowie nach Süden, über den New Yorker Hafen
zur Freiheitsstatue. The Sphere war nicht sein Eigentum. Ihre Zukunft hing von
anderen ab, die die Macht hatten, zu entscheiden.

Die Verbundenheit der Öffentlichkeit mit The Sphere schien mit ihrem neu ge- 149
fundenen Zweck im Battery Park zu wachsen. Als man seine Aufmerksamkeit
auf die Wiederherstellung der zerstörten Umgebung des World Trade Centers
richtete, beschlossen die Verantwortlichen der Planung für Downtown Manhat-
tan, Anhörungen für alle interessierten Bürger einzurichten, die so ihre Ideen
einbringen konnten. Für jede Variante gab es Grundbedingungen zu erfüllen,
darunter die Bereitstellung von 930.000 Quadratmetern neuer kommerzieller
Immobilien sowie die Berücksichtigung einer geeigneten Gedenkstätte für die
Opfer. Zwischen Februar und Juli 2002 nahmen Tausende Menschen aus der

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gesamten New Yorker Großstadtregion an diesen vereinfachten Anhörungen
teil, und oft hörte man dort Aufrufe, der Golden Globe solle zurückkehren.
Auch die Lower Manhattan Development Corporation holte vor ihren Entschei-
dungen Informationen ein und organisierte dazu eine Reihe von Beratungs-
komitees, welche die wichtigen Punkte mit der vielschichtigen Gemeinschaft
von »Stakeholdern« besprach, die direkt vom Attentat betroffen waren. Die
Komitees trafen sich mit den Angehörigen der Opfer und mit Ortsansässigen,
die später in den neuen Gebäuden wohnen würden, und auch dort wurden
Stimmen zugunsten der Koenig Sphere erhoben und man drängte darauf, dass
ihr Exil im Battery Park nicht unbefristet sein solle. Wenn sie auch aufgrund des
enormen Umfangs der Wiederaufbauarbeiten an und rund um »Ground Zero«
momentan außer direkter Sichtweite lag, sollte The Sphere doch nicht aus den
Köpfen derer verschwinden, welche die neue Entwicklung Downtown leiteten.
Die Coalition of 9/11 Families, eine der aktivsten Interessengruppen, die nach
der Katastrophe entstanden, meldete sich ebenfalls zu Wort. Für sie war die
Rückkehr der Sphere in das Herz des World Trade Centers Teil ihrer wachsen-
den und immer lauter werdenden Forderung nach der Erhaltung der in situ
befindlichen Archäologie und anderer authentischer Elemente, die weiterhin
aufzeigen sollten, wo ihre Lieben gestorben waren und über neun Monate
lang heldenhafte und unermüdliche Rettungs- und Bergungsarbeiten statt-
gefunden hatten.

Die Planungen für die versprochene Gedenkstätte, das 9/11 Memorial, gingen 151
mit Appellen aus der Bevölkerung nach einer Garantie einher, dass The Sphere
ein Teil des wiederhergestellten World Trade Centers sein müsse. Im April 2003
rief die LMDC einen allen zugänglichen Designwettbewerb für das Memorial

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aus. Es wurden 5.201 Projekte aus 63 Nationen und 49 US-Staaten einge- 153
reicht. Die Richtlinien ließen Raum für die verschiedensten Interpretationen und
gaben nur vor, man müsse jedes Opfer namentlich würdigen, die Umrisse der
Originaltürme abzeichnen, das Ausmaß der persönlichen und physischen Ver-
luste vermitteln und der Sakralität des Ortes Respekt verschaffen. Die Entwürfe
konnten sich auf erkennbare Überreste des World Trade Centers oder solche, die
daraus stammten, beziehen oder sie integrieren. Es war keine Überraschung,
dass in den eingereichten Vorschlägen globusförmige Motive und Brunnen mit
einer rotierenden Kugel in der Mitte als wiederkehrende Themen auftauchten.
Zum Beispiel zitierte die Levitating Sphere des Künstlers Jarrett Mellenbruch,
der in der Nähe der Twin Towers in ihren besten Jahren gelebt hatte, ganz offen
Koenigs Skulptur als das wichtigste Erinnerungsobjekt »unserer gemeinsamen
globalen Vision des World Trade Centers«.12

Eine der internationalen Kandidaturen kam aus Ganslberg. Von Fritz Koenig.
Darin stellte er sich die verwundete Kugelkaryatide als Kern einer Gedenkanla-
ge vor, zu der man über eine in Serpentinen verlaufende Fußgängerrampe ge-
langte, die über eine ansonsten kahle Plaza verlief, charakterisiert nur von der
Leere der Umrisse des Nord- und Südturms. Seine Idee wurde von der Jury zwar
nicht in die letzten Runden aufgenommen, doch sie nahm die Debatte voraus,
die folgte, als im Januar 2004 der Entwurf Reflecting Absence von Michael Arad
und Peter Walker als Gewinner verkündet wurde.

Diese Wahl stand im Einklang mit Trends zu einem Minimalismus, der an Abs-
traktion grenzte und in modernen Gedenkstätten zu Massenvernichtungen je-
der Art gerade in Mode war. Die spartanische, horizontale Ebene der von Arad

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und Walker gestalteten, etwas mehr als drei Hektar großen Plaza war ein klarer
Bezug zur Tatsache, dass die Vertikalität dieses Ortes am 11. September ausge-
löscht worden war. Zwei je 4.000 Quadratmeter große Becken an den Stellen,
an denen die Twin Towers gestanden hatten, sollten an die Gebäude erinnern,
und in die Umrandung der Becken die Namen der Toten eingraviert werden.
Wasserfälle, die tränengleich Wasser an den Innenseiten der Becken fließen
ließen, fielen neun Meter tief in ein Untergeschoss, bevor sie in zentralen Spal-
ten verschwanden, die aussahen, als seien sie endlos tief, und die so die un-
ermesslichen menschlichen Verluste symbolisierten. Arad und Walker wählten
als Sprache des Gedenkens ein absolutes Fehlen von Greifbarkeit. Der Terror
jenes Tages wurde über Inferenz erfasst, nicht über Evidenz.

Nur wenige verändernde Eingriffe am Konzept des Mahnmals wurden im Ver-
lauf seiner Genehmigung bewilligt. So wurde zum Beispiel ein Zierbirnenbaum,
den die Räumungskräfte stark ramponiert, doch lebendig auf der Austin J. Tobin
Plaza gefunden und gesund gepflegt hatten, in das Bepflanzungsprogramm des
Platzes aufgenommen, für das die Designer eigentlich nur Sumpfeichen vorge-
sehen hatten. Er gedieh und blühte wieder und wurde als »Survivor Tree«, der
Überlebensbaum, berühmt. Obwohl ebenfalls eine Überlebende, war Koenig's
Sphere das Gegenteil einer Ästhetik der Abwesenheit. Das Problem ihrer In-
tegration in den Plan des Memorials war im Wesentlichen ihre kolossale und
beeindruckende Präsenz.

Die Hoffnung keimte im Winter 2006 wieder auf, als die Planungen für das Me- 155
morial Museum begannen, das 110.000 Quadratmeter der unter dem Mahn-
mal-Park befindlichen archäologischen Höhle des World Trade Centers einneh-

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men sollte. Hier würde man das Geschehen mit Hilfe von Belegen aus erster
Hand und von Erzählungen von Augenzeugen darstellen. Die Anlage sollte von
einer unabhängigen, pädagogisch orientierten und ohne Profit arbeitenden
Stiftung gebaut, mit einem Programm versehen und geleitet werden, die zu Be-
ginn noch Hilfe in der Auswahl der Ausstellungsstücke und anfängliche Fonds
von der Lower Manhattan Development Corporation erhalten würde.

Bald nach der im März erfolgten Ernennung von Alice Greenwald als Museums-
direktorin wurde für sie ein erstes Treffen mit dem Families Advisory Committee
der LMDC arrangiert, damit die Angehörigen der Opfer ihre Vorstellungen und
Ansprüche an die entstehende Institution formulieren konnten. Besonders wich-
tig war ihnen allen, Artefakte und Originalbauteile der Gebäude auszustellen,
aus denen die Dimensionen und die Schrecklichkeit des Geschehens ersichtlich
wurden. Sie sprachen sich auch dafür aus, die abgetrennten Pfeilerfundamente,
welche die »Fußabdrücke« des Nordturmes auf Bodenebene umrissen, als Teil
des Besuchererlebnisses zu integrieren. Die Gruppe bat Greenwald einstimmig
und inständig darum, ihre Kampagne zur Wiederaufstellung der Sphere auf ge-
heiligtem Boden zu unterstützen. Dabei war es ihnen allen lieber, sie nicht in
den Ausstellungsräumen des Museums sieben Stockwerke unter der Erde zu
begraben, sondern sie auf Ebene der Plaza aufzustellen und so ihren Kontext
al fresco wiederherzustellen und sie gleichzeitig vor der Vernachlässigung zu
bewahren. Die Schwester eines der Opfer brachte ihre Betroffenheit darüber
zum Ausdruck, dass der Sphere im Battery Park nur mehr wenig Respekt ent-
gegengebracht werde. Sie sei, so meinte sie, »nur noch von Kümmelblättchen-
spiel-Abzockern« umgeben.13

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158

Die Forderung war in vielerlei Hinsicht problematisch. Das Museum konnte den 159
Entwurf des im Freien gelegenen Teils des Memorials nicht verändern. The Sphere
war schwierig in die vorgesehene Architektur einzugliedern, ob nun von Anfang
an oder durch Überarbeitung. Da die meisten Sprecher der Familien dagegen
waren, die 25 Tonnen schwere Skulptur ins Museum zu sperren, schien auch jede
andere unterirdische Lösung unvertretbar. Außerdem hatte nun eine dritte Partei
Rechte am Eigentum des Kunstwerks erhalten: AXA, der Versicherer der verloren
gegangenen Kunstsammlung der PANYNJ. So blieb die Frage der Aufstellung
der Skulptur weiter ungeklärt. Doch dass so viele sich leidenschaftlich für sie
ausgesprochen hatten, stellte sicher, dass man im Museum Raum zur Verfügung
stellte, um die Geschichte der Sphere zu erzählen, wenn man schon das Kunst-
werk selbst nicht aufnehmen sollte.

Zu diesem Zweck reiste ich im Juli 2008 mit dem Creative Director des Museums,
Michael Shulan, nach Bayern, um Fritz Koenig zu treffen und ihm unseren Plan
darzulegen. Wir wollten ihn bitten, uns sein erhalten gebliebenes Bronzemodell
im Maßstab 1:12 für die Kommission des World Trade Centers zu leihen, das
inzwischen 35 Jahre alt war. Dieses wollten wir in ein Modell setzen, um zu
demonstrieren, dass die Kugelkaryatide von 1971 bis September 2001 ein an-
genehmer Treffpunkt auf der Tobin Plaza gewesen war. So würden die Besucher,
die in Scharen kamen und oft zu jung waren, um das intakte World Trade Center
gekannt zu haben, auch daran erinnert, mit wie viel Optimismus und Hoffnung
auf globalen Frieden dieses gewagte Bauprojekt damals ausgeführt worden war.

Koenig war ein aufmerksamer und liebenswerter Gastgeber. Mit Hilfe der
Übersetzerdienste des Kunsthistorikers Alexander Rudigier, der Fritz und Maria

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Koenig schon lange kannte, verbrachten wir einen langen und aufschlussrei-
chen Tag mit dem Künstler in seinem Haus und Atelier auf dem Hügel, gekrönt
von einem Besuch in seinem Skulpturenmuseum im Hofberg. Die Maquette
der Kugelkaryatide in Koenigs Scheune zu sehen war für uns ein besonders
emotioneller Moment, denn sie war so perfekt und pur und ganz und gar nicht
vorbereitet auf die Tragödie, die das fertige Werk 2001 ereilt hatte. In einer
mündlichen Erzählung, die wir über mehrere Stunden hinweg aufnahmen, be-
schrieb Koenig noch einmal die Umstände, wie er in den 1960er Jahren den
Auftrag für die Brunnenskulptur erhalten hatte, ihre konzeptuelle Entwicklung,
die verschiedenen Modelle und den Guss des Stückes sowie den schmerzlichen
Besuch, den er in New York nach dem Attentat »dem Grab« des World Trade
Centers abstattete. »Ich war so schockiert, wie schockiert ich nur sein konnte;
ich war wirklich erschüttert«, sagte er.14

Wir verließen Ganslberg um vieles bereichert. Koenig bestand darauf, dass wir ein 161
Erinnerungsstück von besonderer Bedeutung mitnehmen: eines der in Miniatur
gegossenen Exemplare der Sphere, das er im Herbst 2001 nach Lower Manhat-
tan mitgenommen hatte, als Hilfe bei seiner Suche. Er versprach außerdem, das
erhalten gebliebene Modell im Maßstab 1:12 der Stadt New York zu schenken.
Als das Museum im Mai 2014 eröffnet wurde, war das Modell anwesend. Es be-
grüßte die Gäste, die die Lobby des Concourse Levels betraten, an der Schwelle
zum Besucherrundgang des Museums. Es war auf einen nach Koenigs Angaben
hergestellten runden Sockel aus schwarzem indischen Granit aufgestellt worden
und bietet seither den Besuchern einen Hinweis, der ihnen zeigt, dass sie am
ehemaligen und nun historischen Platz angekommen sind, an dem die Ereignisse
vom 11. September das öffentliche Gedächtnis in ein »Vorher« und ein »Nach-

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her« teilten. Genau wie sie es taten, als The Sphere auf der Mitte der Tobin Plaza
stand, versammeln sich die Menschen um das goldmetallene Modell und erken-
nen schnell seine Beziehung zum historischen Globe, der auf zwei vergrößerten
Archivbildern hinter dem Modell zu sehen ist. An derselben Wand sind auch die
hoffnungsvollen Worte Minoru Yamasakis zu lesen, die durch die Formulierung
im Präsens noch betont werden: »Das World Trade Center ist ein lebendiges
Symbol für das Engagement der Menschheit für Weltfrieden«.

Für The Sphere jedoch gab es von 2006 bis zur Fertigstellung des Museums 163
und darüber hinaus immer noch keine Lösung, und so verbrachte sie weiterhin
ihr »Sabbatical« im Battery Park. Der zehnte Jahrestag der Angriffe vom 11.
September kam und verging ohne neue Antworten. Die Gedenkstätte und das
Memorial Museum wurden im September 2011 bzw. Mai 2014 eingeweiht und
für das Publikum geöffnet, ohne dass es einen Plan gab, wie man The Sphere
innerhalb der ursprünglichen sechseinhalb Hektar des World Trade Centers als
Erinnerungsstück integrieren könne. Innerhalb der PANYNJ, der LMDC und der
New Yorker Stadtverwaltung wechselten die Führungspersonen und für die Für-
sprecher der Sphere war es frustrierend, mit der Vermittlung ihrer persönlichen
Lösungsvorschläge gegenüber den nun für die Neuentwicklung des betroffenen
Gebiets Verantwortlichen praktisch wieder von vorne anfangen zu müssen. Der
Vorstand der 9/11 Memorial Foundation blieb stur: Der Entwurf von Arad und
Walker für die Memorial Plaza war nicht flexibel, und die Stiftung würde auch
keine andere Lösung bieten, wie man die Koenig Sphere unterbringen könne.
In der Zwischenzeit verschlechterte sich die Situation der Skulptur, denn mit
der Eröffnung des National September 11 Memorial Museum hatten sowohl
Touristen als auch die Gemeinschaft der Hinterbliebenen einen festen Anker

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für ihre Andacht. So gab es wenig Grund, sich mehrere Häuserblocks weiter
nach Süden zu begeben, um den Opfern an einem »Ersatzmonument« Ehre zu
erweisen. Die Battery Park Conservancy, die Non-Profit-Verwaltung des Parks,
begann Druck zu machen. Man möge The Sphere möglichst bald wieder von
dort entfernen, denn man wolle eine neue Landschaftsgestaltung durchführen
– ohne den 25 Tonnen schweren Störenfried.15 (Ende 2013 war das Objekt
ohne großes Aufsehen vom Standort, den es 2002 bekommen hatte, etwas
seitlich versetzt und kurz hinter den Bauzäunen versteckt worden, die man für
die achtzehnmonatige Renovierung errichtet hatte – für einige ein weiteres
Zeichen für sein Absinken in der öffentlichen Gunst.) The Sphere, die ja nach
ihrer Feuerprobe vom 11. September bereits beeinträchtigt war, befand sich
nun in einem besorgniserregenden Zustand. Durch sauren Regen verursachte
unansehnliche Streifen verunstalteten das Metall der Außenseite, während sich
Schimmel, Unkraut, Müll, Rost und der Schmutz von Vögeln innen ausbreite-
ten.16 Man spekulierte schon darüber, dass man die Skulptur wohl wieder am
Flughafen einlagern würde, doch dies geschah nie.

Während dieser ganzen Zeit erschienen über das Exil der Sphere immer wieder 165
Artikel in Zeitschriften und Untersuchungen im Fernsehen. »Könnte die Sphere
hier aufgestellt werden?«, war 2012 die Überschrift eines Artikels des Repor-
ters David Dunlap in der New York Times. Er lieferte eine Zusammenfassung der
Situation aller verworfener oder blockierter Optionen für eine neue Aufstellung
der Skulptur.17 Dunlap selbst schlug vor, sie auf ein kleines Grundstück an der
Fulton Street zu quetschen, das eigentlich für ein neues Zentrum der darstel-
lenden Kunst gleich nördlich des Memorials reserviert war, doch auch dieser
Vorschlag fand nicht viel Zustimmung und wurde schnell wieder verworfen.

166

Die Gewissenserforschung durch die Medien hatte jedoch sicher den Vorteil, den
Anstrengungen der Befürworter der Sphere neue Energie zu geben, um weiter-
hin einer Garantie für ihre Rückkehr in der Nähe des ursprünglichen Standorts
zum Durchbruch zu verhelfen. Ganz besonders unermüdlich in diesem Sinn war
Michael Burke, der Bruder des gefallenen Feuerwehrmannes Captain William
Burke, der beim Versuch, einen Querschnittsgelähmten und dessen Kollegen
zu retten, im Nordturm zu Tode gekommen war. Seit man den Entwurf für das
Memorial offiziell ausgewählt und vorgestellt hatte, kritisierte Burke Reflecting
Absence unerbittlich. Seiner Meinung nach war das Konzept zu indirekt und
steril für das Geschehen, an das es erinnern sollte. The Sphere könne da korri-
gierend eine Balance herstellen, da sie eine direkte und sichtbare Verbindung
zur Barbarei des 11. Septembers vorweise.

Burke setzte den moralischen Vorteil, den er als Verwandter eines der Opfer 167
unter den heldenhaften Ersthelfern hatte, zur Organisation einer PR-Kampagne
ein. Mitte 2012 berichtete er, 7.200 Unterschriften für seine Online-Petition
»Save the W.T.C. Sphere« gesammelt zu haben, die sich für eine Rettung der
Sphere und ihr Einfügen in das 9/11 Memorial einsetzte.18 Im Juni erhielt er
auch eine Einladung, vor dem Vorstandsgremium der Port Authority zugunsten
der Heimkehr der Sphere zu sprechen. Patrick J. Foye, Executive Director der
PANYNJ, meinte danach zu Reportern: »Ehrlich gesagt stimmen wir Herrn Bur-
ke zu«. Er räumte ein, dessen Plan werde »von vielen Menschen in New York
und New Jersey und vor allem von Vielen hier bei der P. A. geteilt«.19 Doch das
bürokratische Schleifenlassen ging weiter. Während am und rund um das World
Trade Center neue Infrastrukturen entstanden, wurde in der politischen Debatte
um jeden Quadratmeter wiederhergestellten Grundbesitzes, um seine Verwen-

Performing

168 Lageskizze des neugestalteten WTC-Areals

dung und die Botschaft, die er vermitteln solle, hart gerungen. Sollte man nicht,
nachdem 2011 das etwas mehr als drei Hektar große Memorial für trauervolle
Retrospektion geliefert worden war, dem Rest des rehabilitierten Geländes den
Blick nach vorne lassen und Themen der Erholung und Wiederbelebung aus-
strahlen? Welche Schwingungen würde es zwischen einem bekannten Relikt,
das für die zerstörerische Kraft der Menschheit stand, und einer neuen Ge-
neration von Angestellten, Pendlern, Kauflustigen und Anwohnern geben, die
jeden Tag daran vorbei gehen müssten? Als das Manhattan Community Board 1,
in dem alle Anwohner, Geschäfte und Unternehmen in Downtown vertreten
sind, davon erfuhr, dass die PANYNJ einverstanden war, The Sphere in einem
kleinen, noch nicht fertig gestellten Park eine Straße südlich der Memorial Plaza
aufzustellen, stellten seine Mitglieder einen Gegenantrag.20 Warum sollte man
das Memorial de facto räumlich ausweiten und ein weiteres aufdringliches Erin-
nerungsstück der Tragödie vom 11. September in diesem neuen offenen Raum
aufstellen? Die Gegenrhetorik war ebenso erhitzt. The Sphere außer Sichtweite
des Memorials zu verbannen würde bedeuten, zukünftigen Generationen den
Zugang zu wichtigen Inhalten zu verweigern und die Unschuldigen zu verraten,
die beim Anschlag umkamen.21

Zu guter Letzt löste sich die verfahrene Situation, doch weniger durch den Sieg 169
einer der beiden Parteien, sondern weil 2016 der brandneue, erhöht gelegene
und etwa 4.000 Quadratmeter große Liberty Park eröffnet wurde. Er liegt an der
Südkante des ehemaligen World Trade Center Campus über dem sogenannten
Vehicle Screening Center, in dem alle Fahrzeuge, die auf das Gelände des World
Trade Centers gelangen wollen, eine Sicherheitskontrolle durchlaufen müssen.
Diese Freizeitanlage, welche für die Gemeinschaft in Lower Manhattan als grüne

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Oase zum »Seelentrost« und als luftige Überführung zwischen Greenwich und
West Streets gedacht war, wurde von den Wiederaufbauplanern der Port Autho-
rity in fünf langen Jahren entwickelt. Wann genau sie jedoch für das Publikum
öffentlich gemacht werden sollte, blieb lange Zeit vage, genau wie die eventu-
elle Aufstellung von Koenig's Sphere. (Zeichnungen des zukünftigen Parks vom
Oktober 2011 zeigen verschiedene Varianten eines Standorts der Skulptur.22)

Zwischen Buchsbaumhecken, Blumenrabatten, langen verwinkelten Bänken
und einem noch jungen Wäldchen sollte der Liberty Park einen weiten Blick
nach Norden über die Memorial Plaza und nach oben auf den kürzlich fertig
gestellten 102-stöckigen Wolkenkratzer One World Trade Center bieten, der als
kühner »Leuchtturm« des neuen Downtown gefeiert wurde. Am Südosteingang
des Parks würde der Eingang zur neuen Kirche St. Nicholas Greek Orthodox
Church and National Shrine liegen, die von Santiago Calatrava als Ersatz für
das Gotteshaus entworfen wurde, das der Südturm unter sich begraben hatte.
An der südwestlichen Seite würde das America's Response Monument (mit dem
Untertitel De Opresso Liber) einen Ehrenplatz erhalten, das den Spezialeinhei-
ten der Vereinigten Staaten gewidmet war, die im Herbst 2001 während der
ersten Tage des Krieges gegen den Terror in Afghanistan operierten und sich
dabei antiken Formen des Kampfes anpassen mussten. Die beinahe vier Meter
hohe Reiterstatue, deren Guss eingeschmolzenen Stahl von »Ground Zero« ent-
hält, hatte verschiedene temporäre Standorte gehabt, bevor sie nun an diese
Stelle kommen sollte.

Bei der öffentlichen Einweihung des Parks am 29. Juni 2016 fehlte jedoch et- 171
was ganz deutlich: Koenigs Sphere. Es folgten Wochen weiterer Spekulationen,

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während derer man in den Morgenstunden manchmal Mitarbeiter der Baufirma 173
entdecken konnte, die in der Mitte der Fußgängerzone des Parks Vermessungen
vornahmen und eine runde Markierung anbrachten, die den Dimensionen der
Skulptur entsprach. Ende Juli brach die Port Authority endlich das Schweigen
und kündigte den Plan an, The Sphere wieder in die Nachbarschaft des World
Trade Centers zu transportieren, wo sie ab nun im Liberty Park ruhen würde.
Somit würde sie nicht direkt dort stehen oder die Zone überblicken, wo sie im
wörtlichen Sinn Zeuge und Opfer der Katastrophe vom 11. September 2001
geworden war, sondern am oberen und äußeren Rand des Areals des Memo-
rials, wo sie als Wachposten und Krone eines Stadtparks dienen würde, der
aus jener Tragödie entstanden war. Als die Nachricht den damals 92-jährigen
Fritz Koenig erreichte, zeigte er sich zufrieden mit der Lösung. Michael Burke
meinte, als er von der Entscheidung erfuhr, zu Cable News Network (CNN):
»Wenn es für den Künstler gut genug ist, ist es mir auch recht«.23 Das National
September 11 Memorial & Museum gab ebenfalls eine Stellungnahme ab, in
der die Entscheidung als eine befürwortet wurde, die es Millionen von Besu-
chern erlauben würde, dieses historische Kunstwerk jeden Tag zu sehen.24 Der
Liberty Park lag zwar leicht abseits vom sakrosankten Memorial, hatte dafür
aber weniger strenge Sicherheitsauflagen und ermöglichte freiere Bewegung
und ziviles Engagement. Die Menschen konnten um die Skulptur herum sitzen
und ihr Mittagessen oder Erfrischungen verzehren, wie sie es taten, als The
Sphere noch stolz auf der Tobin Plaza stand. Eine bittersüße Note liefert die Tat-
sache, dass Koenig den Moment nicht mehr erleben konnte, der den Abschluss
der Odyssee seines Kunstwerk-Kindes darstellte. Er starb am 22. Februar 2017.
Zu jenem Zeitpunkt hatte die Versicherung AXA-Nordstern Art lnsurance Cor-
poration die Schenkung der Skulptur an den Liberty Park zum Gedenken an

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die Opfer der Tragödie des World Trade Centers bereits offiziell gemacht. Im
August 2017 wurde The Sphere über Nacht und ohne Fanfarenstöße auf die
etwa siebeneinhalb Meter ihres neuen Standortes gehoben. Dort blieb sie dann
verhüllt, bis ein neuer Sockel und ein Pflanzenbeet um sie herum fertiggestellt
waren. Mehrere Wochen lang fragte ich mich, während ich an der kolossalen
bedeckten Kugel in mein in der Liberty Street 200 gelegenes Büro im Museum
ging oder von dort zurückkehrte, ob der erneute Auftritt seiner Skulptur vor
aller Welt Fritz Koenig gefallen hätte, so »unter Tüchern«. Schon vor ihrer er-
neuten Einweihung, die für Ende November vorgesehen war, zeigte The Sphe-
re ihre wiedererlangte Ausstrahlung, als Touristen, Angestellte, Anwohner und
Spaziergänger mit Hunden die Stufen zum Liberty Park hinaufstiegen, um die
Skulptur zu fotografieren (und dabei meist eine Pause einlegten, um den kur-
zen Text zu ihrer Geschichte auf einem Schild zu lesen), mit anderen Menschen
in Kontakt zu treten und dann ihren Weg als Fußgänger weiter fortzusetzen.
Im Oktober kamen aus Landshut im Auftrag des Skulpturenmuseums Teresa
Scavetta-Stecher und der Videofilmer Michael Stecher. »What does The Sphere
mean to you« stand auf mitgebrachten Karten, mit denen sie die Meinung der
Besucher im Liberty Park erbaten. Diese Dokumentation sollte später im Skulp-
turenmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. [Anmerkung der
Redaktion: Siehe das Kapitel »What does ›The Sphere‹ mean to you«, Seite 209
und DVD-Aufzeichnung.]

Die erhaltenen Antworten deckten ein breites Spektrum ab, von einzelnen Wör- 175
tern wie Hoffnung, Stärke, Mut, Ausdauer, Geduld, Charakter, Perspektive, bis
zu zusammenfassenden Ideen, die in wenigen Worten oft sehr ausdrucksstark
waren: Träumen ist notwendig; Nichts kann die Freiheit besiegen; Schönheit in

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Unvollkommenheit; Kunst überlebt. Antony Gardner, mein Kollege am Museum,
dessen Bruder beim Attentat vom 11. September umkam und der jahrelang Zeit
und Energie darauf verwendet hatte, einen würdigen Ausgang für die Geschi-
cke der Sphere zu erreichen, gab sein Wort ab: Widerstandsfähigkeit.

Bei der Feier am 29. November 2017, mit der The Sphere im Liberty Park will- 177
kommen geheißen wurde, kommentierten teilnehmende Würdenträger, wie an-
gemessen ihr Dialog mit dem Memorial und der neuen Skyline von Downtown
New York sei. Ihr Überleben – ramponiert und doch ungebrochen – sei ein
Zeugnis unserer nationalen Zähigkeit, meinten einige. Man bemerkte auch ihre
Position in der Mitte zwischen einem Haus des Glaubens und einem Monument
des Mutes und der Verteidigung der Freiheit. Dudelsackspieler spielten auf. Eine
Ehrengarde der Port Authority Police machte eine Fahnenparade. Michael Bur-
ke stellte sich selbst als der »Sphere Guy« vor und dankte »einer großen, ja
riesigen Regierungsbehörde« dafür, dass sie ihm zugehört und »eine Menge
Menschlichkeit in dem, was Sie hier getan haben« gezeigt hatte.25 Alice Green-
wald, die das National September 11 Memorial & Museum vertrat, verzichtete
jedoch darauf, The Sphere mit einer triumphalen Interpretation zu beschreiben.
In ihrem Beitrag reflektierte sie vielmehr die Tatsache, dass The Sphere auch ein
Symbol des »in Stücke gegangenen Strebens nach globaler Harmonie« sei.26
Für alle, die den 11. September in New York City erlebt haben, und für einige
wie mich selbst, die an der Schaffung des National September 11 Memorial
Museums beteiligt waren, existiert Koenigs Sphere heute als ein Warnsymbol.
Sie kann inspirieren und gleichzeitig verunsichern. Ihr Vermächtnis könnte sein,
dass sie mehrfache Deutungen zulässt, jeweils den Augen angemessen, die ihre
unvollkommene Schönheit und beschädigte Form der Weltkugel betrachten.

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ANMERKUNGEN

1 Anthony Gardner, in einer Erinnerung an seinen Bruder, per E-Mail geschickt an Jan Seidler Ramirez, 14. Februar 179
2018.
2 »Lost Art: Hundreds of Works were destroyed in the Trade Center attack«, Transkription einer Radiosendung im

National Public Radio vom 16. Oktober 2001; International Foundation for Art Research (IFAR), September 11th:
Proceedings of an IFAR Symposium on February 28, 2002. Die Port Authority verlor nicht nur sieben bedeutende
Kunstwerke, die sie für die Twin Towers in Auftrag gegeben hatte, sondern auch über 100 weitere Kunstwerke, die
sich im Gebäudekomplex befunden hatten.
3 Fünf verblasste und verkratzte Fragmente, die etwa 40% von Calders Stabile ausmachten, wurden im Schuttfeld
ausgegraben und in das Zwischenlager für Artefakte der Port Authority in Hangar 17 gebracht. Vertreter der Cal-
der Foundation begutachteten, ob eine eventuelle Rekonstruktion möglich sei, mussten die Idee jedoch angesichts
des Ausmaßes der Schäden verwerfen. Die Teile wurden der PANYNJ zur Aufbewahrung übergeben und später in
die Sammlung des National September 11 Memorial Museums verbracht.
4 Aus einer mündlichen Unterhaltung Koenigs in Ganslberg, Juli 2008, mit den Mitarbeitern des National September
11 Memorial Museums Jan Seidler Ramirez und Michael Shulan, die Alexander Rudigier übersetzte, Audiokata-
log Nr. CT. 2010.312.1. In dieser mehrere Stunden dauernden Sitzung erzählt Koenig, wie die Port of New York
Authority und der Architekt Minoru Yamasaki ihn Mitte der 1960er Jahre kontaktierten und fragten, ob er eine
Skulptur für das geplante World Trade Center schaffen wolle. Er beschreibt weiterhin detailliert den Bauvorgang
der Sphere in Deutschland und ihren Transport nach New York City, und er erinnert sich, wie er von dem Anschlag
auf das World Trade Center am 11. September zuhause von seiner Frau erfuhr. Zuletzt beschreibt er die Schäden,
die sein Kunstwerk erlitten hat, und seine Gefühle im Zusammenhang mit der erneuten Aufstellung der Sphere im
Battery Park.
5 Das Ergebnis war Koenigs Sphere, ein 58 Minuten langer Dokumentarfilm von Percy Adlon.
6 Ein genauer Bericht der Methodologie, mit der die Port Authority anfangs im »Ground Zero« Fundstücke suchte,
erscheint in der Einleitung zu ihrem Archivkatalog vom 31. Januar 2007: WTC Archive: Artifacts lnventory Report,
Volume II - Select Object Documentation. Der Abschlussreport vom 19. Dezember 2006, S. 1-11, beinhaltet eine
Erzählung, die diese ungewöhnliche Mission zusammenfasst. Er beschreibt auch, wie der Hangar 17 am JFK
Airport als Lager der Objekte angeworben wurde und liefert eine Liste der Mitglieder des Projektteams und der
wichtigsten Berater.
7 Im Jahr 2001 war Mark Wagner Mitarbeiter von Voorsanger Architects, eines Unternehmens, das schon lange
als Berater der Port Authority tätig war. Der damals dreiunddreißigjährige Architekt mit AIA-Zertifikat blieb der
Hauptprojektmanager für das World Trade Center Memorial Archive. Er durchsuchte den Schutt und die Grube am
»Ground Zero« nach Objekten, wie auch den Schutt, der zur Müllhalde Fresh Kills Landfill gebracht worden war,
bis 2004. Dann ging er zu Davis Brody Bond, denn DBB hatte die Ausschreibung gewonnen, das unterirdisch ge-
legene National September 11 Memorial Museum zu entwerfen. Er blieb bis zur Fertigstellung und Eröffnung des
Museums im Mai 2014 auf diesem Posten als Projektmanager. Zur Geschichte der Entstehung des Archivs, siehe
Eric Lipton/James Glanz, »WTC Artifacts Saves for Posterity«, in Wired New York, 29. Januar 2002.
8 Memorandum vom 29. September 2001, von Saul S. Wenegrat an Kenneth Holder, Commissioner, New York City
Department of Design and Construction, mit freundlicher Genehmigung von Mark Wagner, Davis Brody Bond.
9 Das verdrehte Stück aus gegossener Bronze, das man abgetrennt in der Skulptur gefunden hatte, war 105 cm lang
und 20 cm hoch. Die Konservatoren hielten es damals nicht für angebracht, es wieder an den Rest anzufügen. Es

180 trug die lnventarnummer F-0020.001 aus Hangar 17. Mehrere Fragmente der inneren Stützkonstruktion aus Stahl
wurden ebenfalls gefunden und aufbewahrt.
10 Heute ist diese 10 Hektar große Landschaft als The Battery bekannt. Sie liegt an der äußersten Südspitze Manhat-
tans und war der erste am Wasser gelegene Park von New York City, geschaffen 1693. Er wird von der ohne Profit
arbeitenden Battery Conservancy verwaltet, einer Behörde, die nichts mit der Battery Park City zu tun hat, einer
Wohnanlage am Hudson River auf einem mit dem Aushub der Fundamente des World Trade Centers geschaffenen
Hügel.
11 Melinda Applegate, »The Sphere Sculpture by Fritz Koenig, Restored at Battery Park as a Temporary Memorial«,
3. Oktober 2004, zitiert ein Interview der BBC mit dem Künstler.
12 Siehe Lester J. Levine, 9/11 Memorial Visions: Innovative Concepts from the 2003 World Trade Center Site Memorial
Competition, McFarland & Co. Publishers, 2016, S. 117-18.
13 Protokoll des Treffens der Lower Manhattan Development Corporation und des Families Advisory Council, 23.
März 2006. Der über 100 Seiten umfassende Bericht enthält zahlreiche Befürwortungen einer Aufstellung der
Sphere auf dem Memorial Campus durch Angehörige der Opfer des Anschlags vom 11. September. Interessan-
terweise kommt auch der Präsident der LMDC, Stefan Pryor, in dem Bericht mit einem Kommentar vor: »Meine
persönliche Ansicht ist, dass sie auf der Plaza stehen sollte, in der Nähe des Ortes, an dem sie vorher stand. Wir
arbeiten daran, das so zu machen«. Er fügt noch an, dass der letzte Beschluss einen »Überprüfungsprozess«
durchlaufen werde.
14 Fritz Koenig, mündliche Erzählung, 2008. Museum CT. 2010.312.1.
15 David W. Dunlap, »City Room: A Round Symbol of Resilience Rolls Out of Public View«.
16 Im Jahr 2009 wurde die Konservatorin Leslie Gai, Leiterin der Art Conservator Group, beauftragt, für das 9/11
Memorial Museum und mit Genehmigung der Port Authority einen Bericht zum Zustand der Sphere zu schreiben.
Sie lieferte einen Bericht mit dem Datum 22. Oktober 2009, in dem sie anmerkte, dass für The Sphere wohl
kein routinemäßiges Wartungsprogramm vorgesehen worden war. Außerdem verzeichnete sie abplatzenden Lack,
Oberflächenkorrosion, Ausbleichen und Kratzer, die nach dem Umzug an die Battery entstanden sein mussten.
Schlimmer noch, sie berichtete von einer toten Taube, Haufen von Vogeldreck und dem Wachsen von Biomasse
im Inneren der Kugel sowie von bröckelnder Farbe und stellenweisem Rostbefall an der inneren Stahlstützkons-
truktion. Unabhängig von der letztendlichen Aufstellung des Kunstwerks empfahl sie die rasche Erstellung eines
Konservationsplans, um es an seinem momentanen Ort zu stabilisieren.
17 David W. Dunlap, »Could the Sphere Go Here?«, in The New York Times, 17. August 2016.
18 Siehe Julie Shapiro, »9/11Family Members Start Petition to Save World Trade Center Sphere«, in DNAinfo, 28.
Februar 2011. Sie berichtet, unter einigen der Angehörigen der Opfer gebe es eine Bewegung, die Eröffnung des
9/11 Memorial am 10. Jahrestag des Anschlags zu boykottieren, um gegen den Ausschluss der Sphere von der
Memorial Plaza zu protestieren. Dies wurde jedoch nie umgesetzt.
19 Dunlap, a. a. 0..
20 Community Board 1 Resolution vom 26. Juli 2016.
21 Yannic Rack, »Fate of the Sphere Keeps Turning«, in Downtown Express, 14. Januar 2016. Der Autor fasst einige
der zuvor von Befürwortern der »W.T.C. Sphere« vorgebrachten Argumente zusammen und zitiert Kommentare,
die Michael Burke 2012 für den Bericht machte. Auch die Antworten auf diesen Artikel in Leserbriefen sind voll
solcher leidenschaftlicher Rhetorik.
22 »Relocation of the Koenig Sphere, World Trade Center Construction«, Powerpoint-Präsentation vom 20. Oktober
2011 der Port Authority of NY & NJ.
23 »World Trade Center Sphere to Come Home«, Bericht von Lauren del Valle für CNN, 23. Juli 2016.

24 Angaben von Michael Frazier, Vice President of Communications & Marketing, im Namen des National September
11 Memorial & Museum, 23. Juli 2016.

25 Sharon Otterman, »Battered and Scarred, Sphere Returns to 9/11 Site«, in The New York Times, 20. November
2017.

26 Alice M. Greenwald, Präsident & CEO, National September 11 Memorial Museum, Bemerkungen zur Einweihung
von Koenigs Sphere, Liberty Park, 29. November 2017.

181

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Stefanje Weinmayr – Entwurf für WTC Memorial Site Competition 183

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Entwurf für WTC Memorial Site Competition 185
Entwurf 790580

Stefanje Weinmayr

Im Frühjahr 2003 schreibt die Lower Manhattan Development Corporation
(LMDC) einen offenen internationalen Wettbewerb für das World Trade Center
Site Memorial aus. Standort und Fläche im Südwesten des Areals ist bereits
durch den Masterplan Daniel Liebeskinds definiert worden und umfasst das ur-
sprüngliche Gelände der Zwillingstürme.

John C. Whitehead, Chairman der LMDC, schreibt in seinem Vorwort der um-
fangreichen Ausschreibungsunterlagen, dass man einige hundert Wettbewerbs-
entwürfe erwarte.

Letztlich reichen 5201 Teilnehmer aus mehr als siebzig Ländern rund um die
Welt Entwürfe ein. Am 19. November 2003 bestimmt die Jury acht Finalisten
in die Endauswahl. Der Entwurf Reflecting Absence von Michael Arad und Peter
Walker erringt am 6.Januar 2004 den ersten Preis. Es folgen erregte ideologische
und politische Debatten, auch das Geld wird auf einmal knapp. Erst 2011 kann
das Mahnmal eingeweiht werden.

Fritz Koenig bewegen die Ereignisse von 9/11 in der Folgezeit sehr. Als der Wett-
bewerb für das World Trade Center Memorial ausgeschrieben wird, entschließt
er sich – fast achtzigjährig – zur Teilnahme. Im Zentrum seiner bildnerischen
Überlegungen steht seine eigene Skulptur, die Große Kugelkaryatide N.Y., die
die Amerikaner nur The Sphere nennen. Sie wurde im Battery Park bereits weni-
ge Monate nach den Anschlägen als Mahnmal und Erinnerungszeichen für die
Opfer aufgestellt und ist in der Folgezeit in ihrer Versehrtheit rasch zu einem

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wichtigen Symbolträger der amerikanischen Öffentlichkeit geworden. Nach Koe- 187
nigs Entwurfsplanung sollte die Monumentalskulptur – in verwandelter Gestalt
und Funktion – an ihren angestammten Platz zurückkehren und versehrt, aber
nicht zerstört, als Erinnerungszeichen im Zentrum einer konzentriert angelegten
Raumsituation stehen. Unter der Nummer 790580 reicht er seinen Vorschlag
ein, der ganz auf Kontemplation, auf Rückbesinnung auf den Einzelnen und
Rückzug setzt.

Gemeinsam entwerfen wir den Text, der den Entwurf begleitet:

Die geplante Gedenkstätte am »Ground Zero« antwortet mit monumentaler
Eindeutigkeit auf den unwiederbringlichen Verlust des World Trade Centers mit
seinen Menschen. Zum Leben und zur Betriebsamkeit der Straßen Manhattans
steht die Gestaltung der eingetieften, vom Bauschutt befreiten Fläche des Me-
morials in bewusstem, äußerstem Kontrast, den weder architektonische Akzente
noch bepflanzte Bereiche mildern. Die Konzentration auf das gerettete Frag-
ment der Brunnenskulptur und eine strikte Reduktion der Materialien machen
die Wunde im Stadtgefüge New Yorks dauerhaft ablesbar.

Im Süden wird das Gelände über breite Rampen aus strukturiertem Beton für die
Besucher erschlossen. Dadurch wird die Mauer, die das Gelände zum Hudson
River hin begrenzt, nicht gestört.

Den Mittelpunkt des Mahnmalgeländes bildet die 1971 auf der Plaza des World
Trade Centers aufgestellte Große Kugelkaryatide N.Y. des Bildhauers Fritz Koe-
nig. Die Katastrophe vom 11. September 2001 überlebte die aus den Trümmern
geborgene Plastik versehrt, aber ungebrochen. Als Sinnbild für Zerstörung und
deren Überwindung soll sie nun nach ihrer temporären Aufstellung im Battery
Park zum Ursprungsort zurückkehren. In sich stabilisiert und mechanisch drehbar

188

montiert, wird sie auf einem scheibenförmigen Sockel aus poliertem schwarzen
Granit aufgestellt, auf dessen Seiten die Namen aller Opfer der Anschläge fort-
laufend eingemeißelt sind. Sie markiert den zentralen Bezugspunkt der Mahn-
mal-Anlage und verbindet – wie an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort – die
quadratischen Grundflächen der Türme zu einer räumlichen Einheit. Im Näher-
treten blendet die schwarze Sockelung der Kugelkaryatide die Umgebung aus.
Der Blick kann sich alleine auf das unendliche Band der Namen konzentrieren.
Ein geplanter Absatz zwischen der Sockelwand und dem Boden erlaubt es den
Trauernden, Blumen und Kerzen niederzulegen.

Die Weite des einheitlich mit grauem Granit gepflasterten Platzes wird zum
einen von den Grubenwänden gesäumt. Zum anderen schieben sich die hoch-
gestuften »Fußabdrücke« der beiden Türme, monumentalen Grabplatten gleich,
in den Bewegungsraum der Besucher. Als steinerne, unbetretbare Kenotaphe
bergen sie symbolisch die nicht identifizierten menschlichen Überreste. Nur ein
schmaler Pfad erschließt das Innere, das durch die immense Fläche von der Um-
gebung abgeschirmt ist und so zum Rückzugsraum für Gebet, Besinnung und
Erinnerung werden kann.

189

190

Zach Janisch – Bergung und Rückkehr 191

The Sphere at the World Trade Center site, also known as »Ground Zero«, on
an afternoon a few days after the September 11th attacks. Pictured around The
Sphere are rescue workers still looking for any survivors that may have been
192 trapped under the rubble of the Twin Towers.

The Sphere is pictured at »Ground Zero« two weeks after the attacks. The rem- 193
nants of the North Tower of the World Trade Center are visible in the background.
The Sphere was used to orient rescue and recovery workers in the World Trade
Center Complex, as the collapses left the area unrecognizable.

The Sphere is pictured still
in its original location at
»Ground Zero«. The 25-foot
sculpture had sunken below
street level, as the Austin J.
Tobin Plaza had collapsed
into the shopping mall below.
An American Flag has been
attached to one of the Light
Poles that formerly lit up the
plaza at night.
A tattered banner, advertis-
ing live music in the plaza the
week of 9/11, is still attached
194 above.

The Sphere was recovered intact and saved. The Sphere is pictured here on its 195
side, preparing for transport. The steel framed octagonal bottom that used to
allow the Sphere to rotate once every 30 minutes, is shown.

A man stands next to The Sphere on its side, laying against the platform it was
once centered on. Behind the shopping concourse and B1 level are visible, show-
ing just how far the sculpture had sunken due to the collapse of the Twin Towers.
It was then pulled by crane out of the debris, dismantled, and sent to Hangar 17
of the John F. Kennedy Airport, with many other artifacts saved from the WTC
196 site, where it remained for months.

On March 9th, 2002, the dismantled pieces of The Sphere were brought back
to Battery Park, on the southern tip of Manhattan, by flatbed truck. Fritz Koenig
met with workers there and helped piece the damaged and complicated puzzle
back together. Certain pieces had to be bent and manipulated slightly to fit back
together.

197

The base of the Sphere has
been lowered already onto
its new custom steel framed
base during assembly on
March 9th, 2002. The new
base did not rotate but
served as the new focal point
to keep the sculpture stable
and vertical. The Sphere was
not fixed or refurbished, but
rather left battered and dam-
aged, to show the true scale
of devastation.

198


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