Est modus in rebus
Es ist ein Maß in den Dingen
Horaz
KÜNSTLER
IM PORTRÄT
Dem Künstlersonderbund in Deutschland
von Kunstfreunden zum zwanzigjährigen Bestehen
1990 Berlin 2010
Grußwort
Als sich 1990 - im Jahr der Deutschen Einheit - Künstlerinnen und
Künstler aus ganz Deutschland zusammentaten, um einem gegen-
ständlich-figurativen Realismus zu mehr öffentlicher Aufinerksamkeit
zu verhelfen, wähnte mancher darin einen „Angriff auf eingefahrene
Sehweisen“. Das war zumindest für den Kunstmarkt nicht falsch be-
obachtet. Dabei steht der Realismus der Gegenwart, dem sich die
inzwischen 103 Mitglieder des Künstlersonderbundes verpflichtet
fühlen, in einer überaus langen Tradition gegenständlicher Kunst.
Denn Realismusist - in den Worten des Gründungsmitglieds Matthias
Koeppel - ein ewiges Prinzip, variantenreich wie unser Leben, das er
widerspiegelt. Gerade diese bemerkenswerte Vielfalt künstlerischer
Gestaltungs- und Darstellungsmöglichkeiten macht die große Faszi-
nation realistisch-gegenständlicher Malerei, Plastik und Grafik aus.
In diesem Jahr feiert der Künstlersonderbund in Deutschland nicht
nur sein zwanzigjähriges Bestehen, wozu ich all denen sehr herzlich
gratuliere, die sich in den vergangenen Jahren für das gemeinsame
Anliegen ehrenamtlich engagiert haben. Die Mitglieder können
auch auf ein Jahrzehnt bemerkenswerter jahresausstellungen zu-
rückblicken, die entscheidend zu größerer öffentlicher Präsenz der
gegenständlich-figürlichen Kunstströmung beitrugen. Dem gesell-
schaftlichen Dialog über den Realismus der Gegenwart als selbstver-
ständlichem Teil der Moderne haben die Künstlerinnen und Künstler
durch die Kraft ihrer Bilder zu neuem Schwung verholfen. Und ich
bin sicher, dass dieser jubiläumsband, der den Facettenreichtum der
Stilrichtung in beeindruckenden Künstlerportraits dokumentiert,
dazu weitere Anstöße geben wird. In diesem Sinne wünsche ich dem
Künstlersonderbund in Deutschland auch in der Zukunft viel Erfolg.
Prof. Dr. Norbert Lammert
Präsident desDeutschen Bundestages
Grußwort
Mit Freude stelle ich diesem Buch ein Grußwort voran. DasWerk stellt
anlässlich des 20jährigen Bestehens eine Hommage an die Mitglie-
der des Künstlersonderbundes dar und bringt in mannigfaltigerWei-
se zum Ausdruck, wie vielschichtig und facettenreich sich die Mit-
glieder unserer Künstlervereinigung mit unserem bleibenden Thema
„Gegenstand Realismus“ geistig und künstlerisch auseinandersetzen.
Gerade mit dem Porträt wird die überragende Bedeutung unseres
Gegenstandes im Konzert der zeitgenössischen Künste veranschau-
licht. Dieses Buch erscheint als Ausdruck der großen Souveränität der
Mitglieder des beim Vertreten ihrer künstlerischen Auffassungen.
Die Freude über dieses Grußwort ist noch größer, da die Initiative zu
diesem Buch von einem kleinen Kreis unserer Fördermitglieder aus-
ging und wesentlich erst durch großzügige Kunstfreunde ermöglicht
wurde. Fürden Künstlersonderbund danke ich herzlich für diese Leis-
tung und spreche im Namen aller Künstler Dank und respektvolle
Anerkennung für mühevolle Redaktion, mäzenatisches Wirken und
gelungenes schöpferisches Gestalten aus.
Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung.
Tobias Gall
Vorstandsvorsitzender
Künstlersonderbund
FRIEDEL ANDERSON
Maler, Grafiker, Itzehoe
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Ein Sonntagim Gar-
ten. Ihre liebste Literatur / Lektüre? Frühstückszeitung, Reiseer-
zählungen.Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte? Sitting Bull. Ihre
Lieblingsmaler / -grafiker? Caravaggio, Tizian, Rembrandt, Ver-
meer, Hals, Tiepolo, Chardin, Menzel, Sorolla,Zorn, Corinth, Ensor,
Soutine, Freud. Ihre Lieblingsbildhauer? Donatello, M. Buonarot-
ti. Ihre Lieblingskomponisten? Sibelius, Mahler, R. Strauss, Miles D.
Mit wem hätten Sie gern ein intensives Gespräch über Kunst geführt?
Mit meiner Mutter Wo sollte Ihre erträumte Ausstellung stattfin-
den? ? Ihre Lieblingstugend? Selbstzweifel und pünktlich zu
Tisch. Ihre Lieblingsbeschäftigung? Hm ... Ihr Lieblingsschriftsteller?
Josef Conrad,AlbertCamus. Was wäre für Sie das größte Unglück?
Nach den Kindernsterben. Ihre Lieblingsfarbe? Alle – zum Beispiel
eine beschattete weiße Wand im Licht eines frühen Augustnach-
mittags. Ihre Lieblingsblume? Mal Rose, mal Gänseblümchen.Ihr
Lieblingstier? Deichlamm.Was verabscheuen Sie am meisten? Geiz,
Essen und Trinken im Gehen. Welche Reformen bewundern Sie?
Reformen?Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Menschen
am meisten? Zurückhaltung.Welche natürliche Gabe möchten Sie
besitzen? Reden.Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Unscharf.Wa-
rum Realismus? Die Frage stellt sich mir nicht; wenn doch: warum
nicht.
„Selbst“, 2005, Radierung ( Vernis Mou), Plattengröße:15 x 10 cm
– 8–
BERND ALTENSTEIN
Bildhauer, Bremen
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? IrdischesGlück? Erst
im Rückblickwird es sichtbar.Alle „Lieblings“-fragen zielen auf ein
Prioritätensetzen.Das Leben verändert mich. Ich verändere mich,
und damit ändert sich auch mein Blick in meine Welt. Was verab-
scheuen Sie am meisten? Lüge, Neid und Bürokraten.Welche natür-
liche Gabe möchten Sie besitzen? Ich möchte Klavierspielenkön-
nen. Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Optimistisch-skeptisch.
Warum Realismus? Kann man sich eine andere Geisteshaltung
leisten?
Am Porträt James Last, 2009, Foto: selbst
– 10 –
BELE BACHEM
Malerin, München
Düsseldorf 1916 – 2005 München
„Bele Bachem über sich selbst“
Mein Vater gab mir die Flasche und hat mich gewindelt. Er war Maler. Fast die erste Hälfte
meines Lebens verbrachte ich mit ihm. Wir lasen zusammen Balzac, Maupassant, Rimbaud
– Proust ließen wir aus - hingegen gab es noch Haeckel und Hexenprozesse.
Wir lebten in einem Glasfensterhaus, der Garten war wild und romantisch. … Ich lauerte
auf die Zwanziger Jahre, über die soviel geredet wurde. Aber als ich in Berlin ankam, war
Nazizeit. Die ersten Jahre bevor ich eine Freistelle bekam, musste ich das Studiengeld für
die Akademie selbst verdienen. … Ich hatte mich in einer Porträtklasse einschreiben las-
sen. Fiel bald meiner Fantasie wegen auf und bekam einen Extratisch, an dem ich ohne
Korrektur tun konnte, was ich wollte.
Ich bin mit einem eigenen Stil geboren – allem Suchen danach war ich enthoben.
Die Presse entdeckte mich bald. So wurden schon in der Akademiezeit in Zeitschriften Bil-
der publiziert, und der Verlag Waldemar Klein veröffentlichte eine Jahreszeitenserie … Ich
bekam viele Aufträge, … und Falckenberg aus München holte mich zu einem Bühnenbild.
Völlig ahnungslos ging ich daran. Es wurde ein Erfolg.
Doch die Nazis mochten meine Arbeiten nicht, so wie ich die Nazis nicht mochte. Schnur-
stracks wurde jede Veröffentlichung verboten. Ich war damals 22 Jahre alt, … Nach dem
Krieg erinnerten sich die Intendanten wieder meiner. So machte ich in vielen Städten
Bühnenbilder. Man holte mich für Porzellan, ich illustrierte eine Unmenge Bücher (schrieb
auch zwei), machte Filmvorspanne, Plakate usw. … Alles waren Nebensachen – blieb ich
doch Malerin.
Es ist, finde ich, kaum verständlich, dass ein Mensch, statt sich das Leben leichter zu ma-
chen, malt, denn über jeden Maler schwebt, unerreichbar hoch, die Kunstgeschichte mit
Tintoretto, Greco, dem Riesen Michelangelo. Alle Weltuntergänge nahm Goya vorweg.
Wie sollte man die stille Harmonie Vermeers erreichen oder Botichellis´, Degas Strenge.
Es gehört die Verwegenheit des Naiven dazu, das Malen zu wagen. Braute Picasso doch
vor unseren staunenden Augen in seiner Alchimistenküche „Roter Löwe“ – „Weißer Löwe“,
Feuer und Wasser, und hoch oben in den Lüften agiert Dali auf dem Akrobatenteil.
Fantasie, Beobachtung, scharfe Kritik muss sein, etwas Philosophisches und eine große
Portion Vitalität. Von Farb- und Raumgefühl nicht zu schweigen.
Je länger man malt, desto mehr ist man Lehrling.
„Mondreisendemit Portraitistin“, 1993, Kasein
– 12 –
EVELYN BAUER
Malerin, Berlin
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Geordneter Alltag
bei schönem Wetter. Ihre liebste Literatur / Lektüre? Es gibt keine
liebste Lektüre, aber kürzlich hat mich die Lesung von „Aposto-
loff“ von Sybille Lewitscharoff sehr amüsiert. Ihre Lieblingsgestalt
in der Geschichte? Jeanne d´Arc. Ihre Lieblingsmaler / -grafiker?
Unter anderen Botticelli, Xenia Hausner, Lucian Freud, Paula Mo-
dersohn-Becker. Ihre Lieblingsbildhauer? Ludmila Matějková,Au-
guste Rodin. Ihre Lieblingskomponisten? Bach, Beatles,Bob Dylan.
Mit wem hätten Sie gern ein intensives Gespräch über Kunst geführt?
Mit Lucas Cranach über die verknoteten Beine der Frauen. Wo
sollte Ihre erträumte Ausstellung stattfinden? In einerschönen alten
Villa, zum Beispiel das Haus am Waldsee, oder vielleicht Schloß
Schwanstein?Ihre Lieblingstugend? Zuverlässigkeit.Ihre Lieblings-
beschäftigung? Malen, anregende Gespräche führen, Musik hören.
Ihr Lieblingsschriftsteller? ? Was wäre für Sie das größte Unglück?
Keine Augen, keine Hände, keinen Verstand. Ihre Lieblingsfarbe?
Gibt es nicht. Ihre Lieblingsblume? Gibt es nicht. Ihr Lieblingstier?
Gibt es nicht. Was verabscheuen Sie am meisten? Arroganz, Hab-
gier, Gewalt. Welche Reformen bewundern Sie? Die Einführungder
Rentenversicherung.Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem
Menschen am meisten? Großzügigkeit,Humor, Offenheit. Welche
natürliche Gabe möchten Sie besitzen? Die Fähigkeit,ein Musikin-
strument gut zu spielen. Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Von
inspiriertbis deprimiertund oft dazwischen. Warum Realismus?
Es geht eher um das Transformieren des Gesehenen in eine ei-
gene Sprache der Bilder, die uns erstaunen, erschrecken oder
erkennen läßt.
Gisela Breitling:„Die Malerin Evelyn Bauer“, 1985“, Öl / Lwd., 55 x 45 cm
– 14 –
PETER BERNDT
Maler, Berlin
Ernst ist das Leben, heiter die Kunst
Ist der oft zitierte Schlusssatz des Prolog´s zu „Wallenstein“ von
Friedrich Schiller.
Dass das Leben ernst ist, dem möchte man nicht widersprechen.
Davon wüsste jeder genügend Beispiele anzuführen, wo es bis-
weilen mehr als ernst zugegangen ist im Leben.
Aber ist die Kunst heiter? Gewiss, wenn man das Wort in sei-
ner ursprünglichen Wertigkeit nimmt und nicht mit lustig und
spaßig gleichsetzt. Heiterkeit ist so verstanden nicht einfache
vergnügliche Lustigkeit. Heiter hat in solchem Sinne nichts mit
Ausgelassenheit zu tun, nicht einmal mit naiver Fröhlichkeit. Auf
die „Kunst“ bezogen ist es hier wohl mehr als solenn, als feierlich-
festlich gestaltete Form zu verstehen – nicht aber als einfaches
Spiegelbild des „Lebens“.
„Selbst“, 2010, Bleistift / Zeichenkarton, 29 x 41 cm
– 16 –
CHRISTA BIEDERBICK
Bildhauerin, Berlin
Für mich verbindet sich der Realismus mit der menschlichen Figur. Der
Mensch ist mir ein inneres Anliegen. Seine Erscheinungsformen, auch
seine Körpersprache regen mich zu plastischem Gestalten an.
Manchmal bleibt die plastische Darstellung einer realen Situation aus:
Blick ins Schaufenster.
Hochzeitsmode in der Kantstraße: „La sposa bella“ – „Schwedische
Brautkleider exklusiv – nur hier erhältlich“.
Lange glockige Röcke – hellgelb weiß lindgrün –
paillettenbesticktes Oberteil –
Serie in Weiß –
duftiges Gazekörbchen mit zartfarbener Zuckermandeldekoration –
kleine Sträuße aus Kunstrosen, umrandet mit Feingoldblättern –
Bräute mit langen Haaren und blauem tiefsinnigem Blick –
die Hände in anmutiger Pose -
Fingernägel hellrot bis dunkel lackiert -
Glanzperlenkettchen am Hals, in der Frisur zu Blütenrosetten geformt –
auch für die kleine Braut „in Weiß“ ein duftiges Kleidchen –
alles für „La sposa bella“ – die Braut „in Schön“.
„Selbst im Atelier“, Foto: selbst,2008
– 18 –
KARLHEINZ BIEDERBICK
Bildhauer, Berlin
Ich könnte mich nicht dazu aufraffen, ein Selbstporträt zu zeich-
nen oder zu modellieren. Dazu müßte ich vor mir selbst oder
vor anderen eine Rolle spielen oder in meine Existenz hineingrü-
beln.
Als einzige Aufnahme vor dem Spiegel entstand nebenstehen-
des Foto aus dem Jahre 2008.
Warum wir Realisten sind, läßt sich nicht so leicht beantworten.
Jedenfalls sind wir es fraglos, meine Frau und ich.
Wir sind es so sehr, daß wir nicht einmal einen Fernseher im
Hause haben. Die fortlaufend wechselnden Bilder im matten fla-
ckernden Licht der Bildschirme haben wir nie vermißt, vielleicht
weil wir zu sehr mit der Umsicht, den Dingen und Menschen be-
schäftigt sind.
So wie die Menschheit heute vor dem Fernseher sitzt, erinnert
es an das urzeitliche Hineinstarren ins Lagerfeuer, aus welchem
vielleicht so etwas wie Urvertrauen erwächst.
Wir gehören, um im Bild zu bleiben, zu den einzelnen, die im
Hintergrund mit den abgenagten Knöchelchen spielen oder wo-
möglich an einem Mammutzahn herumschnitzen.
Wir raspeln an Gips und Holz, kneten den Tonklumpen und wan-
dern durch den magischen Bezirk, an allen Stilisierungen vorbei
bis dorthin, wo die Oberfläche unserer Gebilde mit den Erschei-
nungen um uns in Berührung kommt.
Und die Umsicht im heiteren Sinne geschieht für mich in der
Landschaft, an Strand und Liegewiese mit Stift und Zeichenheft.
„Selbst im Atelier“, Foto: selbst2008
– 20 –
HANS-JOACHIM BILLIB
Maler, Berlin
Was ist für Sie vollkommenes irdischesGlück? Nichtarbeitenmüssen.
Ihre liebste Literatur / Lektüre? Prosa. Ihre Lieblingsgestalt in der
Geschichte? Siddhartha.Ihre Lieblingsmaler /-grafiker? Tizian, Ve-
lázquez, Rubens, Monet, Gauguin, Bonnard, Fußmann. Ihre Lieb-
lingsbildhauer? Der Platz ist noch frei. Ihre Lieblingskomponisten?
Richard Wagner, Richard Strauss, Keith Richards. Mit wem hätten
Sie gern ein intensives Gespräch über Kunst geführt? MarilynMonroe.
Wo sollte Ihre erträumte Ausstellung stattfinden? Vor interessierten
Millionären.Ihre Lieblingstugend? Bescheidenheit. Ihre Lieblings-
beschäftigung? Filme ansehen. Ihr Lieblingsschriftsteller? Samuel
Beckett.Was wäre für Sie das größte Unglück? Nicht arbeitenkön-
nen. Ihre Lieblingsfarbe? Ölfarbe. Ihre Lieblingsblume? Lupine. Ihr
Lieblingstier? Noch meine Katze Mica. Was verabscheuen Sie am
meisten? Hochmut. Welche Reformen bewundern Sie? Die müssen
noch kommen. Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Men-
schen am meisten? Integrität.Welche natürliche Gabe möchten Sie
besitzen? Augenmaß. Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Ausbau-
fähig.Warum Realismus? Sieheoben!
„Wir“, 2004, Öl / Lwd., 140 x 190 cm
– 22 –
MANFRED BLUTH
Maler, Zeichner, Berlin
Berlin 1926 – 2002 Berlin
POSTSCRIPTUM ZUM ZEITGEIST
Ach möge sich uns doch der Tag aufheitern … Vor mir liegt ein Kinderbuch
mit Bildern von MAURICE SENDAK„Als Papa fort war“. Ich blättere darin und
bin entzückt und verzaubert zugleich. Sendak ist Amerikaner jüdischer Her-
kunft und wurde in Brooklyn geboren, aber er zeichnete Blätter, in denen
der Geist der deutschen Romantik auferstanden zu sein scheint. „Es steht
manches Schöne isoliert in der Welt, doch der Geist ist es, der Verknüp-
fungen zu entdecken und dadurch Kunstwerke hervorzubringen hat“ – so
spricht GOETHE. Seinen Worten ist der Zeichner Sendak mit den Illustra-
tionen für sein Buch nachgefolgt. Eine sublimere Umgießung der Bilder-
welt deutscher Romantik – auf Schritt und Tritt entdeckt man Zitate nach
Runge und Friedrich – in ein modernes „fantasy“–Kinderbuch ist wirklich
nicht vorstellbar.Doch wie konnte das gelingen?Auf diese Frage gibt es nur
eine Antwort, die den Kern trifft: Sendak liebt diese Welt. Wir folgen Ida, der
kindlichen Heldin mit dem Waldhorn, wenn sie, das wiedergefundene Baby
im Arm, dem Bach folgt, um zu ihrer in der Weinlaube sitzenden Mutter
zurückzukehren. In einem Gartenhäuschen auf der anderen Seite des Ba-
ches (das ist natürlich auch die Ilm, der Weimarer Park und Goethes Garten-
haus …) sieht man einen Mann mit Zopf und gepudertem Haar vor seinem
Spinett sitzen, auf dem er spielt. Wir können das sehen, weil die Tür des
Häuschens weit offensteht. Das, was er spielt, muß auch die vorbeieilende
Ida hören können. Auf dem Hügel dahinter bewegt sich ein Schäfer mit
seiner Herde. Das könnte aus einem der Blätter von SAMUEL PALMERS „Val-
ley of Vision“ entsprungen sein; die sublimste Landschaftskunst englischer
Romantik wird beiläufig zitiert. Ein solches Buch ist ein kleines Wunder, aber
um es zu erschaffen, brauchte es die Liebe zu dieser Welt. Davon wird auch
der Betrachter dieser Blätter angerührt und erwärmt.
Der Zeitgeist aber liebt nicht – er gibt sich „cool“.Meist weht uns sein Wind
so kalt an, daß er uns frösteln macht.
„Selbst“, 1973, Bleistift / Zeichenkarton, 29 x 41 cm
– 24 –
KARIN BOHRMANN-ROTH
Bildhauerin, Grebenstein
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Alle sind zufrieden.
Ihre liebste Literatur / Lektüre? Romane.Ihre Lieblingsgestalt in der
Geschichte? Michelangelo. Ihre Lieblingsmaler / -grafiker? David
Hockney. Ihre Lieblingsbildhauer? Alfred Hrdlicka. Ihre Lieblings-
komponisten? – Mit wem hätten Sie gern ein intensives Gespräch
über Kunst geführt? Michelangelo.Wo sollte Ihre erträumte Aus-
stellung stattfinden? Salzburg. Ihre Lieblingstugend? – Ihre Lieb-
lingsbeschäftigung? Arbeiten. Ihr Lieblingsschriftsteller? – Was
wäre für Sie das größte Unglück? – Ihre Lieblingsfarbe? Rot. Ihre
Lieblingsblume? Zierquitte. Ihr Lieblingstier? Hund. Was verab-
scheuen Sie am meisten? Arroganz. Welche Reformen bewundern
Sie? – Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Menschen am
meisten? Bescheidenheit.Welche natürliche Gabe möchten Sie besit-
zen? Sprachen können.Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Positiv
entspannt.Warum Realismus? Mit der Menschendarstellungkann
ich Gefühle ausdrücken.
„Selbst mit den Hunden Rudi und Ronja“, Beton, farbig gefasst,70 cm
– 26 –
MONIKA BRACHMANN
Malerin und Grafikerin, Berlin
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Malen zu können.
Ihre liebste Literatur / Lektüre? „Kästnerslyrische Hausapotheke“.
Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte? Katharina die Große. Ihre
Lieblingsmaler / -grafiker? Paula M.-Becker,Max Beckmann. Ihre
Lieblingsbildhauer? RenéeSintenis.Ihre Lieblingskomponisten? Mo-
zart. Mit wem hätten Sie gern ein intensives Gespräch über Kunst
geführt? Van Gogh. Wo sollte Ihre erträumte Ausstellung stattfin-
den? Versailles. Ihre Lieblingstugend? Selbstkritisch zu sein. Ihre
Lieblingsbeschäftigung? Lesen und französische Filme ansehen.
Ihr Lieblingsschriftsteller? Heinrich Heine, Tucholsky,Kästner. Was
wäre für Sie das größte Unglück? Nicht mehr sehen zu können.
Ihre Lieblingsfarbe? Gelb und Blau. Ihre Lieblingsblume? Ritter-
sporn und Ringelblume.Ihr Lieblingstier? Unsere Hauskatze.Was
verabscheuen Sie am meisten? Habgier.Welche Reformen bewundern
Sie? Die sinnvollsind. Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem
Menschen am meisten? Humor.Welche natürliche Gabe möchten Sie
besitzen? Alles leichtzunehmen. Ihre gegenwärtige Geistesverfas-
sung? Noch ausbaufähig.Warum Realismus? Weil man damit viele
Menschen erreichen kann;sie teilhaben läßt an Kunst bzw. Kultur.
„Selbstà la Beckmann“, 1978, Öl / Lwd., 80 x 100 cm
– 28 –
PETER BRADTKE
Maler, Berlin
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Geruchlos zu ver-
wesen. Ihre liebste Literatur / Lektüre? Kochrezepte. Ihre Lieb-
lingsgestalt in der Geschichte? Robin Hood. Ihre Lieblingsmaler /
-grafiker? Hoturnrich.Ihre Lieblingsbildhauer? Michelangelo.Ihre
Lieblingskomponisten? Gershwin.Mit wem hätten Sie gern ein in-
tensives Gespräch über Kunst geführt? Mit meinem Onkel Anton.
Wo sollte Ihre erträumte Ausstellung stattfinden? Guggenheim.
Ihre Lieblingstugend? Pünktlichkeit. Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Firnissen.Ihr Lieblingsschriftsteller? Cicero. Was wäre für Sie das
größte Unglück? Sich bei einem guten Essen die Zunge zu ver-
brennen.Ihre Lieblingsfarbe? Blau. Ihre Lieblingsblume? „Die blaue
Blume“.Ihr Lieblingstier? Puma. Was verabscheuen Sie am meisten?
Unpünktlichkeit.Welche Reformen bewundern Sie? Agenda 2010.
Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Menschen am meisten?
Zu denken.Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen? Fliegen.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Verwirrt. Warum Realismus?
Immer wieder: Was sehe ich und wie sehe ich es!
„No.128“, 1988, Öl / Lwd., 142 x 203 cm.
– 30 –
BARBARA BRÄUER
Malerin, Berlin
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Wenn die Amsel sich
badet. Ihre liebste Literatur / Lektüre? Chronikenvon Orten. Ihre
Lieblingsgestalt in der Geschichte? FürstPückler.Ihre Lieblingsmaler
/ -grafiker? Gauguin.Ihre Lieblingsbildhauer? Auch Gauguin.Ihre
Lieblingskomponisten? Bach. Mit wem hätten Sie gern ein intensives
Gespräch über Kunst geführt? Mit Gauguin.Wo sollte Ihre erträum-
te Ausstellung stattfinden? In einem Raum mit natürlichemLicht.
Ihre Lieblingstugend? Furchtlosigkeit.Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Die meisten. Ihr Lieblingsschriftsteller? T. H. White, Georg Fors-
ter. Was wäre für Sie das größte Unglück? Wenn es passiert.Ihre
Lieblingsfarbe? Grau in allen seinen Farben. Ihre Lieblingsblume?
Schwertlilie.Ihr Lieblingstier? Hunde,alle.Was verabscheuen Sie am
meisten? Hemmnisse,unnötige. Welche Reformen bewundern Sie?
Preußen:Stein,Hardenberg.Welche Eigenschaften schätzen Sie bei
einem Menschen am meisten? Eigene Sicht, Aufrichtigkeit.Welche
natürliche Gabe möchten Sie besitzen? Schweben.Ihre gegenwärti-
ge Geistesverfassung? Gut, danke.Warum Realismus? Es gibt nichts
anderes.
Selbstauf Martinique, Foto, 2006
– 32 –
GISELA BREITLING
Malerin, Graphikerin, Berlin
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Kann ich nicht beschreiben,
da bekanntlichsehr wechselhaft. Ihre liebste Literatur / Lektüre? Ändert
sich alle paar Tage,jetzt gerade wieder mal Hedwig Dohm, daneben Ag-
rippavon Netthesheim.Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte? Christinede
Pizan.Ihre Lieblingsmaler / -grafiker? SusanneHay. Ihre Lieblingsbildhau-
er? Ludmila Seefried-Matějková.Ihre Lieblingskomponisten? Ethel Smyth.
Mit wem hätten Sie gern ein intensives Gespräch über Kunst geführt? Mit
Hannah Ahrendt. Wo sollte Ihre erträumte Ausstellung stattfinden? Keine
Ahnung, vielleicht in Orplid. Ihre Lieblingstugend? Mehrere: zum Beispiel
Großzügigkeit und Güte. Ihre Lieblingsbeschäftigung? Schauen, malen,
schreiben, mit gescheiten, lieben Leuten reden, nicht zu vergessen die
hochkarätigen Discorsi mit Kater T., dem einzigen Alphatier seiner Art.
Ihr Lieblingsschriftsteller? Andramoi.Was wäre für Sie das größte Unglück?
Nachts in unbekannter Gegend barfuß im Regen, kein Geld und kein
Telefon. Ihre Lieblingsfarbe? Die Farbe des Quetzal, dazu nach und nach
so gut wie alle. Ihre Lieblingsblume? Amaryllis,sie ist groß, vielfarbigund
schön, blüht wirklich auf und blüht lange. Ihr Lieblingstier? Alle Arten
von Lories, älteste Entdecker der Langsamkeit, sie sind nachtaktiv, haben
große weiche Ohren und große Augen, sind immer zu zweit, weil sie
auskühlen, wenn sie sich nicht aneinander kuscheln. Sie fressen, leben
und schlafen unglaublich langsam und überleben doch, neben all dem
schnellen, starken, hektischen Getier in seinem „Kampf ums Dasein“.
Was verabscheuen Sie am meisten? Grobheit, Arroganz,Dummdreistigkeit.
Welche Reformen bewundern Sie? Alle, die Gerechtigkeitschaffen.Welche
Eigenschaften schätzen Sie bei einem Menschen am meisten? Güte,Mut und
Witz. Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen? Genau davon (siehe
oben) mehr. Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Meine gegenwärtige
Geistesgegenwart sollte oft noch gegenwärtiger sein, aber immerhin
… Warum Realismus? Weil es außer der Vergangenheitnur die Gegen-
wart gibt, von allem, was möglich ist, unter anderem die Realität. Davon
sollten wir nicht absehen.
„Der schwarze Schleier“,1987, Öl / Hartfaser, 50 x 40 cm
– 34 –
TREMEZZA VON BRENTANO
Malerin, Köln
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Wenn ich malen
kann. Ihre liebste Literatur / Lektüre? Laotse. Ihre Lieblingsgestalt
in der Geschichte? Buddha. Ihre Lieblingsmaler / -grafiker? Goya.
Ihre Lieblingsbildhauer? Brâncuşi.Ihre Lieblingskomponisten? Bach.
Mit wem hätten Sie gern ein intensives Gespräch über Kunst geführt?
Samuel Beckett. Wo sollte Ihre erträumte Ausstellung stattfinden?
Neue NationalgalerieBerlin. Ihre Lieblingstugend? Mitgefühl. Ihre
Lieblingsbeschäftigung? Malen.Ihr Lieblingsschriftsteller? Kafka.Was
wäre für Sie das größteUnglück? EinneuerWeltkrieg.Ihre Lieblings-
farbe? Blau. Ihre Lieblingsblume? Tulpen. Ihr Lieblingstier? Hunde.
Was verabscheuen Sie am meisten? Terrorismus.Welche Reformen
bewundern Sie? Frauenwahlrecht.Welche Eigenschaften schätzen
Sie bei einem Menschen am meisten? Intelligenz.Welche natürliche
Gabe möchten Sie besitzen? Gesundheit.Ihre gegenwärtige Geistes-
verfassung? Gelassenheit.Warum Realismus? Weil die Wirklichkeit
das Interessanteste ist.
„Tun, Nichttun“, 2009, Öl / Lwd., 60 x 50 cm
– 36 –
JANET BROOKS-GERLOFF
Malerin, Aachen
Kansas, USA 1947 – 2008 Aachen
Die Kunst, also hier die Malerei, ist nicht mit der gesprochenen Sprache
auszudrücken, weil sie eigentlich eine Art Selbstgespräch ist, das nach
einer Realisierungsform sucht.
Und wie anders sind unser aller Selbstgespräche im Gegensatz zu un-
seren hörbaren Gesprächen miteinander. Wenn jemand aber unsere
Selbstgespräche wahrnehmen könnte – Gott bewahre - und uns fragen
würde „Was meinst du damit? Wie kommst du darauf? Warum kannst du
das nicht in Worte fassen?“,wären wir etwas hilflos. In der Kunst hat der
Mensch eine Möglichkeit, ja ein Bedürfnis, dieser Art Selbstgespräch eine
Form zu geben. Die Kunst entspricht der inneren Notwendigkeit, dies zu
tun. Wenn dieses Bedürfnis nicht da wäre, entstünde kein authentischer
Ausdruck. Die Kunst entspringt nicht einer WUNSCHVORSTELLUNG,
sondern einem notwendigen Schaffenswillen.
Ungern ergänze ich Bilder mit persönlichen Schriftstücken – nicht, um zu
behaupten, die Bilder wären inhaltlich nicht zu präzisieren, sondern weil
das, was man mit erfahrungsgeprägter Intuition malt, durch Worte einen
bewußten Ausdruck bekommt, den man erst im nachhinein und dann
doch neu formuliert. Eine schriftliche Beschreibung entspricht nie der
gedanklichen Arbeitsweise, mit der man vorgeht. Die vorangegangene
gedankliche Arbeit, die den intuitiven Vorgang geprägt und geformt hat,
wird im Moment der Umsetzung verdrängt, und das Gelernte löst sich in
unbewußtem Tun auf.
Manche sagen, die Bilder sind wie Kinder, und man kann sie nicht weg-
geben. Ich sehe das nicht so. Bilder sind wie Seitenaus Tagebüchern oder
vergleichbar mit einem Album mit Andenken und Erinnerungen von ei-
ner inneren Reise. Man gibt sie nicht gerne aus der Hand. Sie sind immer
mit einem selbst verbunden. Oder man gibt sie nur an bestimmte Men-
schen. Vertraute Hände. Das ist leider nicht immer möglich ... man muß
auch davon leben!
„Selbstportrait“,2002, Öl / Lwd., 80 x 65 cm
– 38 –
HANS-GEORG DORNHEGE
Maler, Münster / Westf.
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Der Himmel auf Er-
den. Ihre liebste Literatur / Lektüre? SphärenI + II. Ihre Lieblingsge-
stalt in der Geschichte? Hildegardvon Bingen.Ihre Lieblingsmaler /
Grafiker? GiovanniBellini,Diego Velazquez.Ihre Lieblingsbildhau-
er? Michelangelo Buonarroti, Alberto Giacometti. Ihre Lieblings-
komponisten? Johann Sebastian Bach, Gustav Mahler. Mit wem
hätten Sie gern ein intensives Gespräch über Kunst geführt? Mit Dan-
te Alighieri.Wo sollte Ihre erträumte Ausstellung stattfinden? In der
Peggy GuggenheimCollection Venedig. Ihre Lieblingstugend? To-
leranz. Ihre Lieblingsbeschäftigung? Zeichnen auf dem Jakobsweg.
Ihr Lieblingsschriftsteller? Mein Galerist Dr. Friedrich Rothe. Was
wäre für Sie das größte Unglück? Verlust der Menschlichkeit.Ihre
Lieblingsfarbe? Das gesamte Farbspektrum. Ihre Lieblingsblume?
Kunstblume. Ihr Lieblingstier? „Mafalda“unsere Hauskatze. Was
verabscheuen Sie am meisten? Unmenschlichkeit.Welche Reformen
bewundern Sie? Den Westfälischen Frieden von 1648 und den
EU-ReformvertragvonLissabon.Welche Eigenschaften schätzen Sie
bei einem Menschen am meisten? Aufrichtigkeit.Welche natürliche
Gabe möchten Sie besitzen? Begabung. Ihre gegenwärtige Geistes-
verfassung? Geistige Verfaßtheit.Warum Realismus? Weil alles real
ist.
„FotographischesSelbstporträt„Himmel über San Jordimudanzas“, 2008
– 40 –
WOLFGANG DREYSSE
Bildhauer, Quedlinburg
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Das ist von Stimmun-
gen abhängig. Ihre liebste Literatur / Lektüre? Ich müßte mich
festlegen. Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte? Ich müßte mich
festlegen. Ihre Lieblingsmaler / -grafiker? Ich müßte mich fest-
legen. Ihre Lieblingsbildhauer? Ich müßte mich festlegen. Ihre
Lieblingskomponisten? Ich müßte mich festlegen. Mit wem hät-
ten Sie gern ein intensives Gespräch über Kunst geführt? Mit Herrn
Hans Sedlmayr und den Baumeistern gotischer Kathedralen. Wo
sollte Ihre erträumte Ausstellung stattfinden? Keine temporärenEr-
eignisse – das Bronzeportal eines bedeutenden europäischen
Kirchenbaues. Ihre Lieblingstugend? Ich müßte mich festlegen.
Ihre Lieblingsbeschäftigung? Ich müßte mich festlegen. Ihr Lieb-
lingsschriftsteller? Ich müßtemich festlegen.Was wäre für Sie das
größte Unglück? Das ist von Stimmungenabhängig.Ihre Lieblings-
farbe? Ich müßte mich festlegen.Ihre Lieblingsblume? Ich müßte
mich festlegen.Ihr Lieblingstier? Ich müßte mich festlegen. Was
verabscheuen Sie am meisten? Wachstum – um jeden Preis. Welche
Reformen bewundern Sie? Die dezentrale Nutzung erneuerbarer
Energie.Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Menschen am
meisten? Das hängt vom jeweiligenGegenüber ab. Welche natür-
liche Gabe möchten Sie besitzen? Ich möchte mich nicht festlegen.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Ich müßte mich festlegen.
Warum Realismus? Ich bin Realist.Es gibt keinespürbareEntwick-
lung. Des Menschen geistige Verfassung ist unverändert an die
200 000 Jahre alt.
„Selbst“, 1980, Holzschnitt, 16 x 27 cm
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JOACHIM DUNKEL,
Bildhauer und Zeichner, Berlin
Berlin 1925 – 2002 Berlin
… Zeichnen ist in meinen Augen eins der reichsten, faszinierendsten Aben-
teuer, denn Tasten, Suchen, Finden, Empfinden, Reflektieren laufen synchron
und bedingen sich im Moment des Tuns gegenseitig; Korrektur ist dabei fehl
am Platz, sie zerbricht die Einheit, nur ein neues Blatt Papier kann helfen. Ab-
stand zu gewinnen, wie beim Aufbau der Plastik und bei der Arbeit an ihr,
erübrigt sich, ist doch der Spannungsbogen nur kurzzeitig und nur begrenzt
weit zu dehnen. Zeichnen heißt, sozusagen mit Haut und Haaren involviert
zu sein, Instinkt, Emotion und Wissen springen gleichsam durch die Haut aufs
Papier. …
Die Zeichnung, wie immer sie gehandhabt wird, eröffnet Möglichkeiten, die
die Malerei und die Plastik nicht bieten. In vielen Fällen entsteht ein zeichneri-
sches Oeuvre, gerade bei Bildhauern, von bemerkenswerter Eigenständigkeit.
Der Weg von der dritten Dimension zur Fläche mag ausschlaggebend sein.
Ob nun Studie, Skizze, …, was immer auch, ich kann dem Statuarischen der
einzelnen Figur entwischen, das Schwere gegen das Schwerelose tauschen.
…
Zunächst mein eigener Spielplatz, bleibtdie Zeichnung etwas außerordentlich
Intimes. Leider! Nach dem Motto: die Schlechten ins Kröpfchen, die guten ins
Töpfchen, bleibt das Publikum vor der Tür. Nur Gültiges (?) wird präsentiert.
Das leere Blatt, womöglich der horrend teure Bogen aus der renommierten
Papiermühle, verunsichert, flößt Respekt ein (nichtso sehr der Gipsbecher, der
Modellierton, das Wachs). Erstmal sich warmzeichnen, rauchen, trinken, die
Musik ins Ohr holen. Nacht muss es sein, Rückzug, durch nichts gestörte Kon-
zentration, Hochspannung, Unmittelbarkeit. Beginnen, wo die Worte fehlen,
wo das Greifbare flüchtig, nicht mehr zu fassen ist. Sich der Vorstellung, der
zeichnenden Hand anvertrauen. Das innere Gezeichnetsein der zeichnenden
Hand anvertrauen. Entschlüsseln und verschlüsseln. Wahrnehmen statt erle-
ben.
Umkreisen statt definieren.
Bannen statt festhalten.
Zeigen statt behaupten.
„SelbstporträtVI“, 2002, Gips, farbig gefaßt, Höhe 35 cm
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TOBIAS DUWE
Maler, Großensee
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Ein gelungenesBild.
Ihre liebste Literatur / Lektüre? Gargantua und Pantagruel von
FrancoisRabelais.Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte? Don Qui-
chotte. Ihre Lieblingsmaler / -grafiker? CamillePissarro,J. P. Camil-
le Corot, Nicolas Poussin. Ihre Lieblingsbildhauer? Hans Wimmer.
Ihre Lieblingskomponisten? Henry Purcell,Georg Friedrich Händel,
JohannSebastianBach.Mit wem hätten Sie gern ein intensives Ge-
spräch über Kunst geführt? Mit van Gogh. Wo sollte Ihre erträumte
Ausstellung stattfinden? – Ihre Lieblingstugend? – Ihre Lieblings-
beschäftigung? Schauen.Ihr Lieblingsschriftsteller? Theodor Fonta-
ne. Was wäre für Sie das größte Unglück? Krankheit.Ihre Lieblings-
farbe? Grün.Ihre Lieblingsblume? Rose.Ihr Lieblingstier? Pferd.Was
verabscheuen Sie am meisten? Angeberei.Welche Reformen bewun-
dern Sie? – Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Menschen
am meisten? Stetigkeit.Welche natürliche Gabe möchten Sie besit-
zen? Witz. Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Verhalten optimis-
tisch. Warum Realismus? Es gibt keineAlternative.
„Selbst“,2010, Öl / Hartf., 40 x 31 cm
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CHRISTINE EBERSBACH
Malerin, Grafikerin, Wurzen
Was ist für Sie vollkommenes irdisches Glück? Auf einem Berggip-
fel stehen. Ihre liebste Literatur / Lektüre? Kurzgeschichten.Ihre
Lieblingsgestalt in der Geschichte? Sherpa Tenzing Norgay. Ihre
Lieblingsmaler / -grafiker? Claus Johansen, Albert Marquet. Ihre
Lieblingsbildhauer? Ewald Mataré, Henry Moore. Ihre Lieblings-
komponisten? Gustav Mahler, Arvo Pärt. Mit wem hätten Sie gern
ein intensives Gespräch über Kunst geführt? Mit meinenGroßvätern.
Wo sollte Ihre erträumte Ausstellung stattfinden? LouisianaMuse-
um, Humlebæk. Ihre Lieblingstugend? Zurückhaltung.Ihre Lieb-
lingsbeschäftigung? Landschaft erleben. Ihr Lieblingsschriftsteller?
Halldor Laxnes. Was wäre für Sie das größte Unglück? Finsternis.
Ihre Lieblingsfarbe? Paynes Gray. Ihre Lieblingsblume? Margerite.
Ihr Lieblingstier? Rotbarsch. Was verabscheuen Sie am meisten?
Überheblichkeit. Welche Reformen bewundern Sie? Die, welche
Veränderungen ohne Gewalt erreichen. Welche Eigenschaften
schätzen Sie bei einem Menschen am meisten? Aufrichtigkeit.Wel-
che natürliche Gabe möchten Sie besitzen? MühelosesErlernenvon
Fremdsprachen.Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Ansprechbar.
Warum Realismus? Egon Erwin Kisch: „Nichts ist verblüffender
als die einfache Wahrheit, nichts exotischer als unsere Umwelt,
nichts phantastischer als die Wirklichkeit …“
„Selbst mit Pelzmütze“, 1981, Farbholzschnitt, 32 x 31 cm
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