Soweit in ihr legal die demokratische Republik angedeutet wurde, war Engels bereit, ausagitatorischen Gründen „zeitweilig“ die „Berechtigung“ dieser Losung gelten zu lassen. DieseLosung war aber opportunistisch, denn sie brachte nicht nur eine Beschönigung derbürgerlichen Demokratie, sondern auch ein Verkennen der sozialistischen Kritik anjedwedem Staat überhaupt zum Ausdruck. Wir sind für die demokratische Republik als diefür das Proletariat unter dem Kapitalismus beste Staatsform, aber wir dürfen nichtvergessen, daß auch in der allerdemokratischsten bürgerlichen Republik Lohnsklaverei dasLos des Volkes ist. Ferner. Jedweder Staat ist „eine besondere Repressionsgewalt“ gegendie unterdrückte Klasse. Darum ist ein jeder Staat unfrei und kein Volksstaat. Marx undEngels haben das ihren Parteigenossen in den siebziger Jahren wiederholtauseinandergesetzt.Fünftens: In dem gleichen Werk von Engels, in dem die Betrachtung über das Absterbendes Staates enthalten ist – an die sich alle erinnern –, finden sich Ausführungen über dieBedeutung der gewaltsamen Revolution. Die geschichtliche Bewertung ihrer Rolle wird beiEngels zu einer wahren Lobrede auf die gewaltsame Revolution. Dessen „erinnert sichniemand“; über die Bedeutung dieses Gedankens zu reden, ja auch nur nachzudenken, istin den heutigen sozialistischen Parteien nicht üblich, in der täglichen Propaganda undAgitation unter den Massen spielen diese Gedanken gar keine Rolle. Indes sind sie mit dem„Absterben“ des Staates untrennbar zu einem harmonischen Ganzen verbunden.Hier diese Ausführungen von Engels:„Daß die Gewalt aber noch eine andre Rolle“ (als die einer Vollbringerin des Bösen) „in derGeschichte spielt, eine revolutionäre Rolle, daß sie, in Marx’ Worten, die Geburtshelferinjeder alten Gesellschaft ist, die mit einer neuen schwanger geht, daß sie das Werkzeug ist,womit sich die gesellschaftliche Bewegung durchsetzt und erstarrte, abgestorbne politischeFormen zerbricht – davon kein Wort bei Herrn Dühring. Nur unter Seufzen und Stöhnen gibter die Möglichkeit zu, daß zum Sturz der Ausbeutungswirtschaft vielleicht Gewalt nötig seinwerde – leider! denn jede Gewaltanwendung demoralisiere den, der sie anwendet. Und dasangesichts des hohen moralischen und geistigen Aufschwungs, der die Folge jedersiegreichen Revolution war! Und das in Deutschland, wo ein gewaltsamer Zusammenstoß,der dem Volk ja aufgenötigt werden kann, wenigstens den Vorteil hätte, die aus derErniedrigung des Dreißigjährigen Krieges in das nationale Bewußtsein gedrungeneBedientenhaftigkeit auszutilgen. Und diese matte, saft- und kraftlose Predigerdenkweisemacht den Anspruch, sich der revolutionärsten Partei aufzudrängen, die die Geschichtekennt?“143Wie läßt sich diese Lobrede auf die gewaltsame Revolution, die Engels beharrlich von 1878bis 1894, d.h. bis zu seinem Tode, den deutschen Sozialdemokraten darbot, mit der Theorievom „Absterben“ des Staates in einer Lehre vereinen?Gewöhnlich vereint man beides mit Hilfe des Eklektizismus, eines ideenlosen odersophistischen Herausgreifens willkürlich (oder den Machthabern zu Gefallen) bald der einen,bald der anderen Betrachtung, wobei in 99 von 100 Fällen, wenn nicht noch öfter, geradedas „Absterben“ in den Vordergrund geschoben wird. Die Dialektik wird durch Eklektizismus143 S.193, dritte deutsche Auflage, Schluß des IV. Kapitels, Zweiter Abschnitt.200
ersetzt. Das ist, was den Marxismus anbelangt, die allgemein übliche, am weitestenverbreitete Erscheinung in der offiziellen sozialdemokratischen Literatur unserer Tage. Einsolches Ersetzen ist natürlich nichts Neues, es war sogar in der Geschichte der klassischengriechischen Philosophie zu beobachten. Bei der Verfälschung des Marxismus inOpportunismus pflegt die Verfälschung der Dialektik in Eklektizismus die Massen amleichtesten zu täuschen, sie gewährt eine scheinbare Befriedigung, berücksichtigt scheinbaralle Seiten des Prozesses, alle Entwicklungstendenzen, alle widerspruchsvollen Einflüsseusw., während sie in Wirklichkeit gar keine einheitliche, keine revolutionäre Auffassung desgesellschaftlichen Entwicklungsprozesses gibt.Wir haben schon oben davon gesprochen und werden in der weiteren Darstellungausführlicher zeigen, daß die Lehre von Marx und Engels von der Unvermeidlichkeit dergewaltsamen Revolution sich auf den bürgerlichen Staat bezieht. Dieser kann durch denproletarischen Staat (die Diktatur des Proletariats) nicht auf dem Wege des „Absterbens“abgelöst werden, sondern, als allgemeine Regel, nur durch eine gewaltsame Revolution. DieLobrede, die Engels auf die gewaltsame Revolution hält und die den vielfachen Erklärungenvon Marx durchaus entspricht (erinnern wir uns an den Schluß des Elends der Philosophie144und des Kommunistischen Manifests145 mit der stolzen und offenen Erklärung, daß diegewaltsame Revolution unausbleiblich ist; erinnern wir uns an die Kritik des GothaerProgramms vom Jahre 1875146, fast dreißig Jahre später, in der Marx den Opportunismusdieses Programms schonungslos geißelte) – diese Lobrede ist durchaus keine„Schwärmerei“, durchaus keine Deklamation, kein polemischer Ausfall. Die Notwendigkeit,die Massen systematisch in diesen, gerade in diesen Auffassungen über die gewaltsameRevolution zu erziehen, liegt der gesamten Lehre von Marx und Engels zugrunde. Der Verratan ihrer Lehre durch die heutzutage vorherrschenden sozialchauvinistischen undkautskyanischen Strömungen kommt besonders plastisch darin zum Ausdruck, daß manhier wie dort diese Propaganda, diese Agitation vergessen hat.Die Ablösung des bürgerlichen Staates durch den proletarischen ist ohne gewaltsameRevolution unmöglich. Die Aufhebung des proletarischen Staates, d.h. die Aufhebungjeglichen Staates, ist nicht anders möglich als auf dem Wege des „Absterbens“.Eine ausführliche und konkrete Entwicklung dieser Auffassungen lieferten Marx und Engels,indem sie jede einzelne revolutionäre Situation studierten, die Lehren aus den Erfahrungenjeder einzelnen Revolution analysierten.146 Kritik des Gothaer Programms (Marx u. Engels, Werke, Bd.19, S.11-32, 521/522.)Auf dem Parteitag in Gotha 1875 vereinigten sich die „Eisenacher“ (Bebel, Liebknecht, Marx, Engels)mit den „Lassalleanern“ (Lassalle) zur „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“. Das neue,gemeinsame Programm enthielt zwar wichtige politische und soziale Forderungen, war jedochinsgesamt durchdrungen vom opportunistischen Gedankengut des Lassalleanismus. Marx undEngels unterzogen den Entwurf des Gothaer Programms einer vernichtenden Kritik und bezeichnetenihn als entschiedenen Rückschritt gegenüber dem Eisenacher Programm von 1869.145 Manifest der kommunistischen Partei (Marx u. Engels, Werke, Bd.4, S.493.)144 Das Elend der Philosophie (Marx u. Engels, Werke, Bd.4, S.63-182.)201
Robert KatzensteinZur Theorie des staatsmonopolistischen KapitalismusBei der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus handelt es sich um eineAnalyse der Entwicklung des Kapitalismus in der Gegenwart, ihrer Erscheinungenund Gesetzmäßigkeiten. Das ist ein weites Feld, es läßt sich nicht in kurzen Wortenabhandeln. Die Theorie ist auch weder in sich geschlossen, in dem Sinne, daß aufalle Fragen bereits eine Antwort gefunden wurde, noch erhebt sie Anspruch, daßalle Antworten, die sie schon geben kann - und das sind nicht wenige - auchbereits der Erkenntnis letzter Schluß, also völlig befriedigend sind. Es gibt untermarxistischen Ökonomen sehr unterschiedliche Ausgangspunkte und sehr unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Erklärung bestimmter Erscheinungen undGesetzmäßigkeiten. Ich muß mich hier also darauf beschränken, einige wesentlicheGrundzüge dieser Theorie zu umreißen.Zunächst zur Bildung des Begriffs staatsmonopolistischer Kapitalismus. Ausgangspunkt derUntersuchung war die starke Zunahme der staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft nach demII. Weltkrieg. Sie wurden zunächst mit den Besonderheiten der Nachkriegsentwicklungerklärt. Im Verlauf der Untersuchung zeigte sich dann, daß es sich keineswegs um ausBesonderheiten herrührende Eingriffe handelte - obwohl diese die auslösenden Faktorenbildeten - sondern daß sie notwendig aus den Konflikten selbst entsprangen, die diekapitalistische Bewegung der gesellschaftlichen Produktion hervorruft. Sie warengesetzmäßig entstanden und sie hatten Systemcharakter, d. h. sie waren gesetzmäßig zumBestandteil der Bewegung des Kapitalismus der Gegenwart geworden.Da es sich bei diesem Kapitalismus um Monopolkapitalismus handelt und die staatlichenEingriffe auf das Funktionieren dieses Systems gerichtet waren, lag es nahe, diese neuenErscheinungen im Begriff staatsmonopolistischer Kapitalismus zusammenzufassen. Derweitere Verlauf der Untersuchung ergab dann, daß es sich bei diesen staatlichen Eingriffen,ihrem Charakter nach, um Monopolbedingungen handelte, die der Staat in der Wirtschaftsetzte, d. h. um Bedingungen, die gegen das Wirken des Konkurrenzmechanismusgerichtet waren und die für sein Wirken bestimmte neue Bedingungen setzten. Eshandelt sich um eine höhere Form der Monopolisierung. Sie beeinflußt, wie dasökonomische Monopol auch, die Verteilung des Nationaleinkommens entgegen dersich aus den inneren Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus ergebenden Verteilung.Von Staats wegen wurden hier Bedingungen in der Wirtschaft gesetzt, die die Verwertung des Kapitals beeinflußten. Die ökonomische Macht der Monopole wurdeauf diese Weise durch die außerökonomische Macht des Staates erweitert; und dieswar notwendig, um die Bewegung der gesellschaftlichen Produktion als kapitalistische Produktion überhaupt zu ermöglichen.An sich liegt es durchaus nahe, daß das Monopolkapital, sobald es zur ökonomischen Grundlage der gesellschaftlichen Produktion geworden ist, sich der Machtdes Staates zu bedienen sucht, um seine Verwertung zu steigern. Derartige Erscheinungen sind nicht neu und sie werden immer wieder auch an der Oberfläche in ganz202
eindeutiger Form sichtbar; man denke hier nur an die Herrschaftsformen amerikanischer Konzerne in Südamerika, an die englische East India Company oder dieBeziehungen zwischen den IG-Farben und der Nazi-Regierung. Auch in jüngster Zeitgibt es dafür genügend Beispiele.Zur Gesetzmäßigkeit einer Entwicklung gehört jedoch mehr, als nur der Willeund die Macht der Beteiligten, dazu gehört auch die Notwendigkeit solcher Entwicklungen.Untersucht man die Bedingungen, denen der Kapitalismus heute unterworfenist, denen er in seiner Entwicklung Rechnung tragen muß, so schält sich dieseNotwendigkeit sehr eindeutig heraus und man kann ihre Wurzeln sogar bis in dieAnfänge dieses Jahrhunderts hinein verfolgen. Ganz allgemein gesehen, entspringtsie aus der Zuspitzung des kapitalistischen Grundwiderspruches zwischen dem gesellschaftlichen Charakter von Produktion und Produktivkräften und den durch dieprivate Aneignung der Produkte dieser gesellschaftlichen Produktion charakterisierten Produktionsverhältnissen. Konkreter gesehen, äußert sich dieser Widerspruch inzwei großen Komplexen:Erstens in den Bedingungen, denen die Kapitalbewegung selbst durch dietechnische Revolution unterworfen wird. Der Prozeß der Kapitalakkumulation wirdvon der Seite der Entwicklung der Produktivkräfte her Bedingungen unterworfen,die gegenüber früher zwar keine neuen, aber doch von ihrer Bedeutung her qualitativ veränderte Anforderungen stellen. Der Grundwiderspruch tritt ganz unmittelbarin der Form in Erscheinung, daß das Kapitalverhältnis zu einer Schranke für dieEntwicklung der Produktivkräfte wird. Und damit entsteht auch eine Schranke fürdie Kapitalbewegung selbst. Staatliche Eingriffe werden notwendig, um Raum für •dieseBewegung und für die Entwicklung der Produktivkräfte auf kapitalistischerGrundlage zu schaffen.Zweitens hat der Grundwiderspruch, vermittelt über andere Konflikte, überKrisen und Kriege, auch in anderer Hinsicht neue Bedingungen geschaffen. Auchdiese sind nicht absolut neu, aber von qualitativ neuer Bedeutung. Seit der sozialistischen Revolution in Rußland haben die inneren, sozialen Konflikte des Kapitalismus einen Reifegrad erlangt, daß sie seine Existenz selbst in Frage stellen. Seitherstellen sich diese inneren Konflikte auch äußerlich als Gegensatz zwischen Kapitalismus und Sozialismus dar. Seither wird der Kapitalismus, ganz gleich in welchenFormen sich das äußert und ob im Innern der hochindustrialisierten kapitalistischenLänder oder in ihrer äußeren Einflußsphäre, am Sozialismus gemessen, d. h. seineBewegungsfreiheit ist eingeengt. Und in dieser Hinsicht sind nach dem II. Weltkriegebenfalls Bedingungen neuer Qualität entstanden; durch die Bildung des sozialistischen Systems; durch den Zerfall des Kolonialsystems; durch die Entfaltung demokratischer Massenbewegungen in den imperialistischen Ländern selbst, die von ihrem Umfang her, von der Breite der erfaßten Schichten, von deren Organisiertheitund, bei allen Unterschieden in den Auffassungen im einzelnen, von ihrer antimonopolistischen Zielstellung her eine Kraft neuer Qualität darstellen. Das alles sindBedingungen, denen der Kapitalismus in seiner Bewegung heute Rechnung tragenmuß. Es ist unmöglich, daß er den Konflikten, die aus dem inneren Wesen des203
Kapitals und aus seiner spontanen Bewegung heraus entstehen, freien Lauf läßt,ohne daß er das System selbst in Gefahr bringt. Auch aus diesen Gründen sindstaatliche Eingriffe zur Regulierung der Produktion unerläßlich geworden.Beide Ursachenkomplexe sind wechselseitig verbunden, sie beeinflußen sichgegenseitig; aber darauf sei hier nur hingewiesen.Politische Gründe verursachten bereits die ersten, wirklich großangelegtenökonomischen staatsmonopolistischen Eingriffe im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise von 1929/33. Ihre Wurzeln liegen in den Klassenkämpfen nach demI. Weltkrieg, die das gesellschaftliche System des Kapitalismus erschütterten und diein der Krise erneut und mit großer Heftigkeit aufflammten. Die weltweite Krise warvon einer bislang unbekannten Schärfe und ihr folgte eine langandauernde Stagnation. Die Massenarbeitslosigkeit, die Verelendung weiter Schichten der Bevölkerungund zugleich auch die Ausweglosigkeit der Situation führten zu sozialen Unruhenund politischen Krisen und Kämpfen, wie man sie vorher in Friedenszeiten nochnicht erlebt hatte. Der Staat mußte eingreifen. Und zwar nicht nur politisch, durchden Übergang zum Faschismus, sondern auch ökonomisch, um die ökonomischenGrundlagen der sozialen Unruhen zu beseitigen. In der Hauptsache erfolgten dieEingriffe damals über staatliche Investitionen; sie stiegen in den folgenden Jahrensprunghaft an und machten 1935 rund 44 Prozent der volkswirtschaftlichen Gesamtinvestitionen aus, gegenüber 20 Prozent im Durchschnitt der Aufschwungsjahrevon 1924 bis 1928.Weder die Tiefe der Krise, noch die Dauer der Stagnation, noch die Verbindung der staatlichen Eingriffe mit den Investitionsprozessen waren zufällig. DieInvestitionsprozesse spielen als materielle Basis der zyklischen Produktionsbewegungen im Kapitalismus eine zentrale Rolle. Gerade die Investitionen aber hatten imLaufe der Entwicklung ihre Bedeutung im Rahmen des Gesamtablaufs der volkswirtschaftlichen Prozesse ganz beträchtlich gesteigert. 1925 war bereits jeder vierteBeschäftigte in der deutschen Volkswirtschaft mit der Produktion von Teilen desfixen Kapitals befaßt; nach 1875 war es erst etwa jeder neunte gewesen. Man kannsich also leicht vorstellen, welche Auswirkungen der Rückgang der Investitionen umrund 66 Prozent - über die mit ihm verbundene Multiplikatorwirkung - auf dieTiefe der Krise haben mußte. Und auch weiterhin haben muß! Seitdem hat dasrelative Gewicht des fixen Kapitals noch zugenommen. 1962 war bereits jeder dritteBeschäftigte in der Volkswirtschaft der Bundesrepublik mit der Produktion vonArbeitsmitteln befaßt. Seit der Weltwirtschaftskrise ist daher die Gefahr, daß Überproduktionskrisen sich zu außerordentlich tiefen und für die politische Stabilitätdes Systems gefährlichen Krisen ausweiten, sehr groß und seit damals spielen daherauch Maßnahmen zu ihrer Verhinderung oder Abschwächung in der staatlichenWirtschaftspolitik eine ganz entscheidende Rolle; und sie sind erklärlicherweiseauch hauptsächlich mit den volkswirtschaftlichen Investitionsprozessen verbunden.Man kann sagen, daß die Absicherung der Existenz des kapitalistischen Systems seitder Weltwirtschaftskrise auch zu einer ökonomischen Funktion des bürgerlichenStaates geworden ist.Die Tiefe der Krise war jedoch nicht nur durch das relative Gewicht des fixenKapitals bedingt. Auch das Monopol hat dazu beigetragen. Anders als im einfachenKapitalismus, da alle Kapitale unter dem Druck der Konkurrenz weiter produzieren204
müssen bis sie untergehen, selbst bei enormem Preisdruck, legt das Monopol alleBetriebe still, mit Ausnahme derjenigen, die ihm unter den gegebenen Marktverhältnissen und bei entsprechenden Preisabsprachen eine optimale Verwertung versprechen. Der Umfang der Stillegungen und die Senkung des Verbrauchs sind dahergrößer als im vormonopolistischen Kapitalismus. Die Weltwirtschaftskrise war alsoeine für den Monopolkapitalismus typische Krise.Auch die Dauer der Stagnation nach dieser Krise erklärt sich aus dem Monopol. Das einfache Kapital kann auf die durch die Krise veränderten Konkurrenzund Verwertungsbedingungen nur auf eine Weise reagieren: durch die Modernisierung seiner Produktionsanlagen. Auch das Monopol reagiert auf diese Weise, aber esbeschränkt die Modernisierung auf die Anlagen, die es in Betrieb hält, d. h. es engtden Umfang der Investitionsprozesse ein und begrenzt so den Einfluß, der vonihnen auf den Produktionsaufschwung ausgeübt werden kann. Die Reaktion desKapitals auf die veränderten Bedingungen löst also nicht mehr automatisch den aufdie Krise relativ bald folgenden Aufschwung aus.Bei der Weltwirtschaftskrise handelt es sich also um eine für den Monopolkapitalismus typische Krise. Seit damals ist die Gefahr, daß sich die periodischenÜberproduktionskrisen zu tiefen, langandauernden und für die politische Stabilitätdes Systems gefährlichen Krisen ausweiten, außerordentlich groß. Seit damals spielen daher auch Maßnahmen zu ihrer Verhinderung oder Begrenzung in der staatlichen Wirtschaftspolitik eine erstrangige Rolle; und sie sind erklärlicherweise auchhauptsächlich mit den volkswirtschaftlichen Investitionsprozessen verbunden. Mankann sagen, daß seit der Weltwirtschaftskrise die Sicherung der Existenz des kapitalistischen Systems auch zu einer ökonomischen Funktion des bürgerlichen Staatesgeworden ist.Obwohl nach dem II. Weltkrieg, bedingt durch die Veränderungen im politischen Gefüge der Welt und namentlich im Kräfteverhältnis zwischen Kapital undArbeit, einige Faktoren ohnehin dahin wirken, die Vertiefung der Krisen zu begrenzen - z. B. ist es für das Kapital unmöglich geworden, die Lasten solcher Krisen volloder auch nur mittelfristig auf die Arbeiter abzuwälzen - spielt diese Frage derRegulierung der Produktionsbewegung nach wie vor eine ganz zentrale Rolle. Siehat sogar insofern noch an Bedeutung gewonnen, als das Kapitalverhältnis in zunehmendem Maße zu einer Schranke.für die Entwicklung der Produktivkräfte zu werden beginnt. Die Investitionsprozesses des privaten Kapitals laufen daher periodischGefahr, ins Stocken zu geraten und den Umschlag der Produktionsbewegung in eineKrise auszulösen. Die staatliche Konjunkturpolitik, die inzwischen sogar notwendigerweise zu einer Wachstumspolitik geworden ist, gewinnt daher heute größereBedeutung denn je. Gleichzeitig hat sich aber das Schwergewicht der Problematikverschoben. Die staatlichen Eingriffe können sich nicht mehr darauf beschränken,die Bewegungsform der kapitalistischen Produktion zu regulieren, sondern siemüssen schon auf die Bewegung des Kapitals selbst gerichtet werden, müssenSchranken durchbrechen, die seinen Bewegungsspielraum zunehmend einengen.Auf diese Problematik möchte ich jetzt eingehen, allerdings nur auf eine ihrerSeiten. Ich sagte eingangs, daß sich der Grundwiderspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktivkräfte und den kapitalistischen Produktions205
verhältnissen nach dem II. Weltkrieg derart zugespitzt hat, daß das Kapitalverhältnisimmer offener und eindeutiger als Schranke für die Entwicklung der Produktivkräfte hervortritt. Kernproblem ist hier das rapide Wachstum des fixen Kapitals, das vonseinem Umschlag her ganz neue Anforderungen an den Vergesellschaftungsgrad derProduktion stellt, Anforderungen, die gesellschaftliche Organisation der Produktionnotwendig machen und denen die kapitalistische Aufteilung der Produktion widerspricht. Ich spreche von Aufteilung nicht von Zersplitterung, weil dieser Begriff dieheutigen Bedingungen hochkonzentrierter Produktion besser kennzeichnet, obwohler andererseits das Moment der Privatinteressen, ihrer Gegensätzlichkeit, der Konkurrenz etc. eher etwas verwischt.Die Entwicklung der modernen Technik wird durch ein sprunghaftes Wachstum der Kapazitäten charakterisiert. In der Regel wächst dabei das fixe Kapitalüberproportional. Von seinem Umschlag her gesehen, ergibt sich daher ein Zwangzu beträchtlicher Absatzsteigerung oder, anders ausgedrückt, ein Zwang zur Kontinuität der Produktion auf hoher gesellschaftlicher Stufenleiter. Anders läßt sich diemoderne Technik nicht rentabel ausnutzen. Das gilt nebenbei selbst für den anlagekapitalsparenden Typ der Technik.In der Mineralölindustrie, beispielsweise, sind die Investitionskosten je TonneJahreskapazität gegenüber der Vorkriegszeit auf etwa ein Viertel gesunken. Derabsolute Investitionsaufwand für optimale Anlagen ist jedoch derart gestiegen, daßsich der Absatz mehr als verdreifachen mußte, wenn der Verschleißteil von fixemKapital je Erzeugniseinheit gleichbleiben sollte. Er mußte sich mehr als verzehnfachen, sobald die neue Technik zur allgemeinen technologischen Basis der Raffinerieproduktion geworden war und folglich die Konkurrenzverhältnisse bestimmte.Die Mineralölverarbeitung ist dabei noch eine Ausnahme. In den meisten Zweigensind die Investitionskosten je Tonne Jahreskapazität gestiegen und zwar zum Teilbeträchtlich. Je schneller also das relative Gewicht des fixen Kapitals wächst, um somehr wird die Auslastung der Anlagen zu einer wesentlichen Bedingung de_r Kapitalverwertung. Der Zwang zur Kontinuität der Produktion auf hoher gesellschaftlicherStufenleiter verstärkt sich ungemein.Es kommt noch ein weiteres Moment hinzu: das der Vertiefung der Arbeitsteilung und der engeren und unmittelbareren Verflechtung der verschiedenen Produktionsstufen. Die Proportionalität der Produktionsstufen, eine wichtige Bedingung der Kapitalverwertung, setzt ebenfalls neue Maßstäbe in Bezug auf die Größenordnungen der Gesamtanlagen. Es sei nebenbei erwähnt, daß dieses Problem sichgesamtvolkswirtschaftlich als Proportionalität der volkswirtschaftlichen Bereicheniederschlägt und auch in dieser Form gesamtgesellschaftlicher Produktionszusammenhänge in ganz neuen Maßstäben zu einer Voraussetzung rationeller Anwendungmoderner Produktivkräfte wird. Man kann sich das in seiner Bedeutung leicht sichtbar machen, wenn man überdenkt, in was für ein Netz von volkswirtschaftlichenBeziehungen Unternehmen der neuen Größenordnungen reibungslos eingebettetsein müssen, wenn sie profitabel arbeiten sollen. Jedoch zurück zu den Unternehmungsgrößenordnungen.Vergleicht man beispielsweise die in der Eisen- und Stahlindustrie noch An206
fang der 50er Jahre angewandte Technik mit dem Stand, der die darauf folgendetechnische Entwicklungsstufe charakterisierte, so zeigt sich ebenfalls ein sprunghaftes Wachstum der Kapazitäten der Aggregate in den einzelnen Produktionsstufen.Die Tagesleistung der Hochöfen hat sich mehr als verzehnfacht; das Chargengewichtder Siemens-Martin-Öfen hat sich etwa verfünffacht, wobei die Schmelzzeit derChargen überdies auf ein Drittel verkürzt wurde, die Leistung der Walzenstraßen istetwa auf das Fünfundzwanzigfache gestiegen.Schon diese wenigen Beispiele zeigen, daß jede Veränderung in einem Teilbereich die Proportionalität der Gesamtanlage sprengt, von der das reibungslose Ineinandergreifen der einzelnen Produktionsbereiche und folglich die Rentabilität derGesamtanlage abhängt. Die technische Revolution erzwingt also die völlige Umgestaltung eines Hüttenwerkes. Noch etwas hat sich geändert. Im Gegensatz zu frühersind heute die Walzwerke strukturbestimmend. Mißt man die Größenordnung einesvon der technischen Zusammensetzung der Anlagen her optimal strukturiertenHüttenwerkes an der jährlichen Rohstahlproduktion, so betrug sie bei den altenAnlagen rund 800 000t, bei den neuen liegt sie bei etwa 5 Mio.t.Soweit die unmittelbare produktionsmäßige Verflechtung. Für einen Konzerntritt aber noch die Frage seiner Stellung im Konkurrenzkampf hinzu. Eine optimaleKonzernstruktur, d. h. eine solche, die dem Konzern von der Breite des Produktionssortiments und zugleich von der Proportionalität der Anlagen her, eine festeStellung im Markt verleiht und die früher ebenfalls bei rund 800 000 t lag, liegtheute bei 10 bis 12 Mio. t.Dabei zeigt sich ein Wesenszug kapitalistischer Produktionsverhältnisse, der indiesem Zusammenhang bedeutsam ist. Ein Konzern kann sich nicht einfach ingesellschaftliche Produktionszusammenhänge einordnen. Er kann sich nicht daraufbeschränken, um ein Beispiel zu nennen, durch Spezialisierung den rationellen Einsatz moderner Technik in der optimalen Größenordnung eines Hüttenwerkes von5 Mio. t zu ermöglichen - einer Größenordnung, die Mitte der 50er Jahre von einer.Reihe von Unternehmen im Zuge des Akkumulationsprozesses hätte erreicht werden können - sondern er muß seine Stellung im Konkurrenzkampf, seine relativeMachtposition im Gefüge des gesellschaftlichen Gesamtkapitals dadurch wahren,daß er alle Hauptstrukturen seines Produktionsbereiches umfaßt. D. h. die Größenordnungen, die ein Konzern erreichen muß, um die Potenzen der neuen Technikausschöpfen zu können, werden nicht nur technisch, sondern auch durch die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung seiner Monopolstellung bestimmt; sie vervielfachen sich dadurch erneut. Und in dieser Hinsicht verändern sich die Bedingungenebenso schnell wie durch die rein technisch bedingte Entwicklung. Noch vor zehnJahren waren in der Eisen- und Stahlindustrie die Walzwerke strukturbestimmend.Heute ist die gesellschaftliche Stufenleiter der Produktion bereits so weit fortgeschritten, daß Konzernstrukturen auch in diesem Bereich die Weiter- bzw. Endverarbeitung mit einbeziehen müssen, wenn das gesamte notwendige Netz einer Monopolstruktur erfaßt werden soll. Es sind Imperien volkswirtschaftlicher Größenordnungen, die sich da herausbilden müssen, wenn der erforderliche Vergesellschaftungsgrad der Produktion erreicht werden soll, der sowohl die technischen Gesichts207
punkte als auch die des Monopols berücksichtigt. Der Vergesellschaftungsgrad derProduktion wird durch die Entwicklung der Produktivkräfte also ganz enorm gesteigert und er ist, im Gegensatz zu früher, heute nicht mehr nur die Folge, sondernmehr und mehr schon die Voraussetzung für die rationelle Anwendung modernerTechnik.Früher spielte es für die Steigerung des Gesamtumfanges der gesellschaftlichenProduktion in einem Bereich kaum eine Rolle, wenn modernste Technik durch einDutzend oder mehr Kapitale eingeführt wurde; sie erhöhte sich dadurch nicht innennenswertem Umfange. Als Fall der Profitrate wurde dieser Prozeß erst dannfühlbar, wenn die neue Technik zur allgemeinen technologischen Grundlage derProduktion zu werden begann. Heute ist der Vergesellschaftungsgrad der Produktion aber schon so weit fortgeschritten und gleichzeitig der Sprung in der Ausdehnung der Kapazitäten so groß, daß derselbe Prozeß eine völlige Umwälzung derMarktverhältnisse herbeiführen kann. Es bestehen daher heute schon von vornhereinSchwierigkeiten, bei der Einführung neuer Technik die Produktions- und Marktentwicklung einigermaßen in Übereinstimmung zu halten. Dieses Problem ist im Rahmen einzelner Konzerne in ihren jeweils gegebenen Größenordnungen kaum mehrzu lösen. Auch die herkömmlichen Produktions- und Preisabsprachen eines ganzenmonopolisierten Zweiges helfen hier nicht mehr. Bei breiter Anwendung der modernen Technik bricht die Marktbeherrschung durch das Monopol zusammen. Es entstehen Überkapazitäten, die die Marktentwicklung auf Jahre hinaus vorwegnehmenund die Kapitalverwertung verschlechtern oder sogar völlig aufheben können. Einerationelle Anwendung der modernen Technik ist also nur möglich, wenn der Marktsich rapide ausdehnt - und das ist nur in ausgesprochenen Wachstumszweigen derFall - oder aber wenn das einzelne Kapital seinen Marktanteil entsprechend sprunghaft auszuweiten vermag - und das dürfte eine Ausnahmeerscheinung sein.Sieht man einmal von ausgesprochenen Wachstumsindustrien ab, so kann sichein derartiger Vergesellschaftungsgrad der Produktion heute kaum noch durch dieKapitalakkumulation, sondern meist nur noch durch großangelegte Zentralisationsprozesse des Kapitals herstellen. Diese Prozesse aber sind überaus langwierig, gleichgültig, in welchen Formen sie sich vollziehen, ob durch Kooperation oder durch dieAufsaugung schwächerer Kapitale. Es sind Kapitalmassen von ungeheurer ökonomischer Kraft, die sich heute gegenüberstehen und sie können einem solchen Prozeßsehr lange Widerstand entgegensetzen. Der Zusammenschluß mehrerer Konzerneoder die Spezialisierung der Produktion berührt wiederum private Interessen unddie Stellung der einzelnen Konzerne im Gefüge des Gesamtkapitals; Abhängigkeitsverhältnisse können entstehen, Positionen untergraben werden usw. Die Zentralisation erfolgt daher nur unter sehr starkem Druck, nur dann, wenn andere Wege nichtmehr offenstehen. Daher erfolgt der Zentralisationsprozeß im Verhältnis zu denErfordernissen der technischen .Entwicklung nur langsam. Für die Entwicklung derProduktivkräfte hat das sehr konkrete Folgen.Das Kapitalverhältnis wird zu einer Schranke für den technischen Fortschritt.Zunächst einmal nicht absolut. Produktivere Technik wird zwar eingeführt, aber esist eine Technik, die teils sehr weit hinter dem bereits erreichten Stand der technischen Entwicklung zurückbleibt. Das Kapital kann den technischen Fortschritt nurin dem Maße praktisch nutzen, in dem es die in ihm liegenden Potenzen zur Profit208
steigerung auch tatsächlich zu realisieren vermag. Die Frage des Zwanges zur Einführung moderner Technik lasse ich hier beiseite, weil sich dieser Zwang erst dannergibt, wenn sie bereits in breiterem Umfange eingeführt ist und so die Konkurrenzund Verwertungsbedingungen bestimmt.Diese Schranke findet sehr greifbar Ausdruck. Im Falle der Eisen- und Stahlindustrie z.B. hätte der Mitte der 50er Jahre einsetzende Investitionszyklus, derden Beginn der technischen Revolution in diesem Bereich kennzeichnet, bei einigermaßen konsequenter Anwendung bereits erprobter moderner technischer Verfahrendazu führen können, daß die Eisen- und Stahlproduktion Anfang der 60er Jahre mit30 Hochöfen, 45 Siemens-Martin-Öfen147 und 13 Konvertern148 hätte erzielt werdenkönnen. In Betrieb waren aber 118 Hochöfen, 145 SM-Öfen und 70 Konverter. DiePotenzen der technischen Entwicklung waren also nur zu etwa 25 Prozent ausgeschöpft worden. Derartige Prozesse sind in allen Industriezweigen, mit Ausnahmeder Wachstumsindustrien und für alle Investitionszyklen seit Ende des II. Weltkrieges nachzuweisen.Die Kapitaleigentumsstrukturen passen sich also nicht den Erfordernissen dertechnischen Entwicklung an, sondern umgekehrt, die technische Entwicklung wirddem Rahmen der Kapitaleigentumsstrukturen angepaßt. Erst dieser relativ beschränkte Prozeß technischen Fortschritts führt dann zu den Konflikten, die dieKapitaleigentumsstrukturen aufbrechen und die Zentralisationsprozesse des Kapitals auslösen.Durch diese spezifische Form des technischen Fortschritts entsteht für dasKapital eine Reihe von Problemen. Es entwickelt die Produktivkräfte nur dann,wenn es dadurch einen Extraprofit erzielen kann. Das schließt aber ein, daß die mitHilfe der neuen Technik erzielbare Profitsteigerung größer sein muß als die Vernichtung des noch in den alten, zu erneuernden Anlagen gebundenen Wertes. Geradedurch diese Form des technischen Fortschritts wird aber nicht nur die Lebensdauerder Anlagen verkürzt, über das Maß hinaus, das an sich schon durch das hoheTempo der wissenschaftlich-technischen Entwicklung gegeben ist. Gleichzeitigwächst auch noch mit jeder Stufe in diesem Prozeß der Umfang des eingesetztenfixen Kapitals, d. h. es wächst der Umfang der Kapitalvernichtung, der dem Fortschritt der Produktivkräfte entgegensteht.An sich, gesellschaftlich betrachtet, bildet die Kapitalvernichtung, trotz desschnell wachsenden Umfanges des fixen Kapitals, kein gravierendes Problem. Diemoderne Technik wird durch eine so sprunghafte Steigerung der Arbeitsproduktivität gekennzeichnet, daß sich mit ihrer Hilfe auch Kapitalvernichtung großen Umfanges ausgleichen läßt. Aber das Kapital kann diese Potenzen der Profitsteigerungnicht ausschöpfen. Daher hat sich diese Schranke für den technischen Fortschritt imLaufe der Nachkriegsentwicklung zusehends versteift und zwar in einem Maße, daß148 Bezeichnet in der Metallverarbeitung ein feuerfestes Gefäß zur Reinigung von Schmelzgut147 Ein Siemens-Martin-Ofen ist ein historischer Flammofen, benannt nach den Erfindern Siemens undMartin, der zur Massenherstellung von Stahl durch das Siemens-Martin-Verfahren genutzt wurde,indem Roheisen und Schrott bei hohen Temperaturen (bis zu 1800°C) geschmolzen, gereinigt und inflüssigen Stahl umgewandelt wurden, eine zentrale Technologie des späten 19. und frühen 20.Jahrhunderts209
staatliche Eingriffe notwendig wurden, um sie zu durchbrechen und den kontinuierliehen Ablauf des Prozesses zu ermöglichen. In der Tat wurde die staatliche Regulierung der volkswirtschaftlichen Investitionsprozesse, die vorher hauptsächlich überdie direkten staatlichen Investitionen erfolgte, seit Mitte der 50er Jahre mehr undmehr mit den Investitionsprozessen des privaten Kapitals verknüpft. Durch Abschreibungserleichterungen und andere Maßnahmen wurde die Kapitalvernichtungvon der Ebene des privaten Kapitals auf die der Gesellschaft verlagert. Natürlichbeschränkten sich die staatlichen Maßnahmen nicht auf die steuerliche Begünstigungprivater Investitionen. Jede staatlich gesetzte Bedingung, die die Kapitalverwertungbeeinflußt oder die auf die Marktausdehnung gerichtet ist und auf diese Weise denSpielraum für die rentable Anwendung moderner Technik erweitert, dient auch derDurchbrechung dieser Schranke für die Entwicklung der Produktivkräfte. Aber diese zunehmende Verknüpfung der staatlichen Eingriffe mit den privaten Investitionsprozessen zeigt besonders deutlich, in welchem Maße die Produktivkraftentwicklung und damit auch der kontinuierliche Ablauf der Investitionsprozesse auf dasKapitalverhältnis als Schranke stieß.Das Kapitalverhältnis wird aber auch zunehmend zu einer absoluten Schrankefür die Entwicklung der Produktivkräfte. Immer mehr Bereiche brechen aus derSphäre der Bewegung des privaten Kapitals aus und müssen gesellschaftlich entwickelt werden. Ich meine damit nicht nur jene allgemeinen Bedingungen gesellschaftlicher Produktion, die nur gesellschaftlich zu schaffen und zu unterhaltensind, also Straßen usw., obwohl man darauf hinweisen muß, daß der Umfang dieserBereiche und noch mehr ihre Bedeutung für die Kapitalverwertung mit im Laufe derEntwicklung und bedingt durch den steigenden Vergesellschaftungsgrad ganz erheblich zugenommen haben. Auch sollte man überdenken, inwieweit derartige Bereicheihren Charakter als allgemeine Bedingung der gesellschaftlichen Produktion überhaupt erst erlangt haben, weil die Stufenleiter und allgemeine Verflechtung derProduktion in so hohem Grade gestiegen sind. Die industrielle Wasserversorgung,beispielsweise, gehörte früher in die Sphäre des privaten Kapitals. Heute hat sie sichzu einer gesellschaftlichen Sphäre erweitert, über die reine Wasserversorgung hinausbis hin zur Regulierung des Wasserhaushalts - aber eben wegen der Entwicklung derProduktion - und sie ist für die Verwertung des privaten Kapitals ein nicht zuunterschätzender Faktor geworden.Es ist aber auch überhaupt zu beobachten, daß immer mehr Bereiche aus demRahmen der Kapitalverwertung ausbrechen und durch das Kapital daher auch überhaupt nicht mehr oder nur noch unzulänglich entwickelt werden können. Charakteristisch für diese Zweige ist es, daß in ihnen der gesellschaftliche Charakter derProduktion so sprunghaft steigt oder von vornherein so hoch ist, daß es gewisse Zeitdauert, ehe sie mit Produktion und Absatz in das Gefüge des gesellschaftlichenProduktionsorganismus integriert sind. Hohe Kapitalfixierung, überdurchschnittlichlange Umschlagszeiten und Unsicherheit der Kapitalverwertung oder überhaupt desRückflusses der Mittel kennzeichnen diese Bereiche.Schon der erste, von seiner allgemeinen Bedeutung her wesentliche staatsmonopolistische Eingriff in Deutschland wurde durch dieses Phänomen verursacht. Ichmeine den Aufbau der Elektroenergieversorgung. Um diese Energiequelle für die210
Produktion nutzbar zu machen, mußte der Strom so billig erzeugt und verteiltwerden können, daß er die herkömmlichen Energiesysteme zu verdrängen vermochte. Das war nur über kostspielige Großanlagen möglich, für die wiederum der Marktfehlte. Der Profit als Maßstab der Entwicklung versagte hier vollkommen. Der Staatmußte eingreifen. Er baute bzw. finanzierte die Anlagen oder er garantierte denAbsatz.Heute gibt es eine Vielzahl solcher Bereiche. Als Beispiel kann man auf dieNutzung der Kernenergie, bestimmte Verkehrs- und Nachrichtenmittel, bestimmteBereiche der Elektrotechnik usw. verweisen. Auch der Komplex Forschung undEntwicklung kann hier eingeordnet werden. Ebenso solche Bereiche wie der Steinkohlebergbau, die im Zuge der technischen Revolution an relativer Bedeutung verlieren und deren Neueingliederung in das Gefüge der gesellschaftlichen Produktion,für die sie nach wie vor unentbehrlich sind, im Rahmen des privaten Kapitals nichtmehr möglich ist. Die Entwicklung aller dieser Bereiche muß, direkt oder indirekt,vom Staat übernommen werden.Bevor ich diesen Komplex abschließe, ist es vielleicht doch angebracht, eineVorstellung von den Größenordnungen staatlicher Eingriffe zu vermitteln. Wennman nur die Subventionen und die geschätzten steuerlichen Vergünstigungennimmt, so waren sie 1965 fast so groß und 1969 etwa eineinhalbmal so groß wie diegesamten Investitionen der verarbeitenden Industrie. Zählt man noch die direktenstaatlichen Investitionen hinzu - und damit hat man noch keineswegs alle staatlichen Eingriffe erfaßt - so ergeben sich Größenordnungen, die rund 30 bzw. 36 Prozent der gesamtvolkswirtschaftlichen Investitionen entsprechen. Derartige Größenordnungen sind in Aufschwungszeiten und im Frieden nie zuvor erreicht worden.Der kapitalistische Grundwiderspruch wird heute also schon unmittelbarwirksam. Das Kapitalverhältnis tritt in der Tat als Schranke der Entwicklung derProduktivkräfte hervor; und nicht nur der Entwicklung der Produktivkräfte, sondern der gesellschaftlichen Entwicklung überhaupt. Ich habe die staatlichen Eingriffe hier unmittelbar in Zusammenhang mit der Entwicklung der Produktivkräftegebracht, weil in dieser Wirkungsform des Grundkonflikts auch die Problematik derAusbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus und die historische Begrenztheit, der Übergangscharakter des gegenwärtigen Kapitalismus, voll zum Ausdruckkommen. Aber sie dienen natürlich ebenso der Regulierung der zyklischen Produktionsbewegung bzw. anderer Krisenformen, die heute ein neues Gewicht erlangthaben, beispielsweise der Regionalkrisen usw. Die ganze Problematik ist also außerordentlich komplex. Es ging hier aber auch nur darum, zu zeigen, daß die Einbeziehung des bürgerlichen Staates in die Wirtschaft notwendig geworden ist, um dieAnwendung der hochgradig gesellschaftlichen Produktivkräfte auf privatkapitalistischer Basis überhaupt noch möglich zu machen. Aus der Konfliktentfaltung erklärtsich die Notwendigkeit, die Gesetzmäßigkeit der Ausbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Er ist eine notwendige Anpassung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse an den Vergesellschaftungsgrad der Produktion, das gesetzmäßigeProdukt einer unter kapitalistischen Bedingungen verlaufenden Vergesellschaftungder Produktion in den heutigen Ausmaßen, d. h. des Drucks der systemimmanentenWidersprüche und seiner sich daraus ergebenden ökonomischen und politischenRealität.211
Es ist also eine unzulässige Vereinfachung, wenn man den Begriff des staatsmonopolistischen Kapitalismus lediglich dahingehend definiert, daß der bürgerlicheStaat von den Monopolen benutzt würde, um ihnen Höchstprofite zuzuschanzen.Richtig ist diese Definition nur, soweit sie den staatsmonopolistischen Kapitalismusals zugespitzte Entwicklungsform des kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisses charakterisiert. Das ist in der Tat ein entscheidender Wesenszug; und darauf möchte ichjetzt noch eingehen.Grundlage der Ausbeutung ist das private Eigentum an den Produktionsmitteln. Aus ihm leitet sich das Recht bzw. die Macht der Eigentümer zur Aneignungdes in der gesellschaftlichen Produktion erzeugten Mehrwerts bzw. Profits ab. (DieUnterscheidung zwischen Mehrwert und Profit ist in unserem Zusammenhang ohneBelang.) Das gilt grundsätzlich auch noch heute. Dennoch sind in dem Prozeß derAneignung und Verteilung des Profits Veränderungen qualitativer Art eingetreten.Im einfachen Kapitalismus wurde der auf das einzelne Kapital entfallende Teildes gesellschaftlichen Gesamtprofits durch das Gesetz der Durchschnittsprofitratebestimmt. Die Konkurrenz reduzierte den Profitanteil eines jeden Einzelkapitalsletztlich auf den, seinem relativen Anteil am Gesamtkapital entsprechenden Profitteil. Mit der Entstehung des Monopols kommt in diesen Prozeß ein neues Moment;das der ökonomischen Macht. Kraft seiner ökonomischen Machtstellung ist dasMonopol in der Lage, die Konkurrenz in bestimmter Hinsicht auszuschalten - obwohl es sie nicht aufzuheben vermag - dadurch das Gesetz des Durchschnittsprofitszu durchbrechen und sich einen zusätzlichen Profitteil, über den Durchschnittsprofit hinaus, anzueignen. (über die Frage, ob und wie sich das Gesetz des Durchschnittsprofits dennoch durchsetzt, gibt es unter Marxisten unterschiedliche Auffassungen und es würde zu weit führen, hier meine eigene darzulegen.) Durch dasMonopol wird aber nicht nur der Verteilungsmechanismus des Profits verändert.Das Ausbeutungsverhältnis selbst wird erweitert, denn das Monopol kann durchseine Machtstellung Wertteile aus Produktionsbereichen an sich ziehen, die vorhernicht der Ausbeutung unterlagen; z.B. aus der einfachen Warenproduktion.Beim staatsmonopolistischen Kapitalismus liegen die Dinge nicht so einfach.Das Monopol ist eine Entwicklungsform des Privatkapitals. Der Staat ist ein zentralisiertes Machtinstrument des Gesamtkapitals. Das Privatkapital ist ein Element derProduktionsverhältnisse, der Basis, der Staat ein Element des Überbaues. Der staatsmonopolistische Kapitalismus kann daher nicht einfach eine Entwicklungsform desPrivatkapitals sein. Wenn man vom staatsmonopolistischen Kapitalismus als einerEntwicklungsform des Kapitalverhältnisses sprechen kann, so deshalb, weil derStaat neue ökonomische Funktionen ausübt, mit denen er auf die Bedingungen derProfitaneignung durch das Privatkapital und ebenso auf die Bedingungen der Profitproduktion und der Profitrealisierung einwirkt, mit denen er direkt in den kapitalistischen Mechanismus der Profitaneignung und -verteilung einbezogen wird.Im vormonopolistischen Kapitalismus waren die ökonomischen Funktionendes Staates vergleichsweise gering. Er hatte für die allgemeinen Bedingungen derProduktion zu sorgen, die nur gesellschaftlich zu schaffen waren. Er stellte einegewisse ökonomische Größe dar, einen gewissen Markt, war aber in dieser Beziehungweder für die Bewegung des Kapitals noch für die Entwicklung der Produktivkräfte von wesentlicher Bedeutung. Für die Kapitalverwertung spielte er eigentlichnur insofern eine größere Rolle - und auch das nur, wenn man die Entwicklung des212
Kapitalismus in seiner konkreten, nationalen Gestalt, nicht aber die als gesellschaftliches System im Auge hat - als er das nationale Kapital gegen ausländische Konkurrenz abschirmte. Schon jetzt kann man allerdings die charakteristischen Merkmale der Ausnutzungsmöglichkeit staatlicher Macht durch das Kapital erkennen.Der Staat kann im Aneignungs- und Umverteilungsprozeß von Nationaleinkommenalle Klassen und Schichten der Bevölkerung und alle Bereiche der Wirtschaft erfassen; und zwar unabhängig von den sich aus den gesellschaftlichen Zusammenhängender Produktion oder ökonomischen Einzugsbereichen ergebenden Beziehungen, diedie Macht des Monopols in dieser Hinsicht begrenzen. Der Teil des Nationaleinkommens, den der Staat an sich zieht, unterliegt in seinem Einsatz nicht dem Zwang zurKapitalverwertung; beim Monopol ist das aber der Fall. Schließlich: wenn der StaatBedingungen in der Wirtschaft setzt, gleich welcher Art, die auf die Bewegung desKapitals gerichtet sind, so handelt es sich dabei um Monopolbedingungen, um Bedingungen, die gegen das ungehemmte Wirken des Konkurrenzmechanismus gerichtet sind und die eine Umverteilung von Nationaleinkommen bewirken, d. h. einekraft staatlicher Gewalt bewirkte Verteilung gegen die sich aus dem eigentlicheninneren Mechanismus des Kapitalismus ergebende Verteilung. Staatliche Macht kannalso im Prozeß der Profitaneignung und -verteilung als zusätzliches Moment inErscheinung treten.Betrachtet man nun die Rolle des Staates in der Ökonomie heute, so mußman feststellen, daß sich im Laufe der Entwicklung eine qualitative Veränderungvollzogen hat. Der Staat ist unmittelbar in den Reproduktionsprozeß und in denVerwertungsprozeß des Kapitals einbezogen worden. Er entwickelt bestimmte, fürden Gesamtreproduktionsprozeß des Kapitals und für seine Verwertung unentbehrliche Bereiche und zwar weit über den Rahmen der allgemeinen Bedingungen dergesellschaftlichen Produktion hinaus. Er übernimmt Aufgaben der Mobilisierung derfür die Akkumulation unter den heutigen Bedingungen notwendigen Kapitalmassen.Er greift in den Regulierungsmechanismus der gesellschaftlichen Produktion ein undzwar sowohl im Hinblick auf die Gestaltung der volkswirtschaftlichen Strukturen,als auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Produktion und Markt und auf dasgesamtvolkswirtschaftliche Wachstum. Er ist also in den Reproduktionsprozeß desgesellschaftlichen Gesamtkapitals direkt einbezogen worden und er überzieht dieWirtschaft mit einem Netz von Maßnahmen, mit denen er in den Prozeß der Profitaneignung und -verteilung eingreift. Es gibt heute faktisch keinen einzigen volkswirtschaftlichen Bereich mehr, in dem der Staat nicht in der einen oder anderenForm die sich aus dem inneren Mechanismus des Kapitalismus ergebende Verteilungdes Nationaleinkommens durchbricht und so, kraft staatlicher Macht, Verwertungsbedingungen für das Kapital setzt. Vom Standpunkt des Kapitalverhältnisses ausgesehen, ist also ein neues Moment in den Mechanismus der Aneignung und Verteilung des Profits einbezogen worden, das der außerökonomischen Gewalt. Der Staatfungiert heute unmittelbar im Ausbeutungsprozeß. Die ökonomische Macht desMonopols in diesem Prozeß wird durch staatlich gesetzte Monopolbedingungen ergänzt.Auch dies ist nicht schematisch aufzufassen als einfache Aneignung und Umverteilung von Nationaleinkommen durch den Staat zugunsten der Monopole. Dasjst nur die allgemeine Grundlage. Indem der Staat Verwertungsbedingungen für das213
Kapital setzt und so die Schranken für die Entwicklung der Produktivkräfte durchdas Monopolkapital durchbricht, beeinflußt er zugleich die Bedingungen der Profitproduktion beim Monopol selbst. Wenn der Staat Marktbedingungen setzt, beeinflußt er die Bedingungen der Profitrealisierung und erweitert er über diese wiederumdie Möglichkeiten der Produktivkraftentwicklung für das Privatkapital und folglichdie Bedingungen der Profitproduktion. Die ganze Bewegung des Kapitals vollziehtsich also nach wie vor im Selbstlauf, soweit dies überhaupt noch möglich ist, angetrieben von den inneren Gesetzmäßigkeiten des Kapitals. Aber die staatlichen Eingriffe bilden die Grundlage für diesen Selbstlauf, ermöglichen ihn, indem sie diestets von neuem entstehenden Schranken stets von neuem durchbrechen. Sie schaffen den Spielraum, der die Bewegung der gesellschaftlichen Produktion als kapitalistische Produktion überhaupt noch ermöglicht.Die Schwierigkeiten in der Erkenntnis des staatsmonopolistischen Kapitalismus als höhere Form der Monopolisierung liegen in der besonderen Stellung desStaates im System einer Produktionsweise. Die staatlichen Eingriffe sind in derRegel allgemeiner Natur. Sie sind weniger auf die bessere Verwertung dieses oderjenes Monopols gerichtet -- obwohl auch das durchaus eine Rolle spielen kann - alsvielmehr auf die Bewegung und Entwicklung tler gesellschaftlichen Produktion insgesamt - aber eben auf ihre Bewegung in diesem ganz spezifischen Rahmen, derdurch das Kapitalverhältnis geprägt ist und in dem sich die Bewegung nur über denProfit und die Beeinflussung der Profitbedingungen vollziehen kann. Die Grenzen,die sich aus diesem engen Rahmen für die Entwicklung auf einer bestimmten Stufenleiter der Vergesellschaftung der Produktion ergeben, können, auf kapitalistischer Basis, nur über die Monopolisierung durchbrochen werden. Andere Formender notwendig werdenden Veränderungen im Prozeß der Aneignung und Verteilungdes Profits gibt es nicht. Das Monopol ist aber zugleich die letztmögliche Entwicklungsform des privaten Kapitalverhältnisses. Eine darüber hinausgehende Möglichkeit des Eingriffs in diesen Mechanismus ist nur durch die Anwendung staatlicherMachtmittel gegeben.Durch die besondere Stellung des Staates ergibt sich natürlich ein Moment,das geeignet ist, das Wesen des staatsmonopolistischen Kapitalismus bis zu einemgewissen Grade zu verbergen. Staatliche Eingriffe können sich sowohl zugunstenmonopolisierter wie nichtmonopolisierter Bereiche auswirken, sie können bestimmte nichtmonopolisierte Bereiche begünstigen und gleichzeitig gegen die Interessenbestimmter monopolisierter Zweige gerichtet sein. Der staatsmonopolistische Kapitalismus ist in seinen Oberflächenerscheinungen durchaus widersprüchlich. DerSchleier verschwindet jedoch, wenn man die Ursachen und die auf die Bewegungdes Kapitals begrenzte Funktion des staatlichen Wirkens in der Ökonomie bei derBetrachtung berücksichtigt.Zunächst einmal muß man die allgemeine Basis bedenken, auf die die staatlichen Eingriffe gerichtet sind. Die Produktion ist heute hochgradig gesellschaftlich.In der Industrie beschäftigten 1967 rund 12 Prozent aller Unternehmen rund71 Prozent der Arbeitskräfte und sie bestritten rund 80 Prozent des Umsatzes.Berücksichtigt man die eigentumsmäßige Verflechtung dieser Unternehmen untereinander, so verringert sich der Prozentsatz der Unternehmen noch weiter. In den214
wichtigsten anderen volkswirtschaftlichen Bereichen besteht ein ähnlicher Grad derKonzentration von Produktion und Kapital. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung istheute überdies so weitgehend entwickelt, die einzelnen Unternehmen sind so hochgradig spezialisiert, die ökonomischen Beziehungen zwischen den verschiedenenProduktionszweigen und volkswirtschaftlichen Bereichen sind so eng, daß auch dienichtmonopolisierten Kapitale entweder in die Produktionszusammenhänge dermonopolisierten Zweige einbezogen sind oder in irgendeiner Weise vom Monopolerfaßt werden können. D. h. die gesamte Wirtschaft ist heute weitgehend monopolisiert und das Monopol ist die allgemeine Grundlage, die die Verteilung des Profitsbestimmt. In einer solchen Wirtschaft, die faktisch mehr und mehr einem gesamtgesellschaftlichen Produktionsorganismus gleicht, dessen Entwicklung und Produktivität weitgehend von der Entwicklung, Produktivität und Proportionalität seiner einzelnen Teile abhängt, in der die Verwertung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals,die Gesamtmasse des Profits, folglich in stärkstem Maße von dem technischen Standund der optimalen Struktur des Gesamtorganismus bestimmt wird, in einer solchenWirtschaft schlägt sich jede staatliche Einwirkung, die auf die Bewegung des Kapitals gerichtet ist, letztlich als Einwirkung zugunsten des Monopolkapitals nieder.Indirekt, weil das Monopol in der Lage ist, Profit aus nichtmonopolisierten Zweigenan sich zu ziehen. Direkt, weil jene Unternehmen, die rund 71 Prozent der Arbeitskräfte beschäftigen und rund 80 % des Umsatzes tätigen, ohnehin in erster Linievon der Entwicklung des Transport- und Nachrichtenwesens, der Energieversorgung,der Forschung, der Exportförderung, der Staatsausgaben generell und selbst derstaatlichen Wohnungsbauförderung profitieren müssen; allein schon von denGrößenordnungen und der hohen gesellschaftlichen Stufenleiter ihrer Produktionher.Zum anderen kann sich die staatliche Monopolisierung garnicht auf einzelneMaßnahmen oder einzelne Bereiche beschränken. Der Vergesellschaftungsgrad derProduktion ist so hoch und die sich daraus ergebende Schärfe der systemimmanenten Konflikte so groß, daß sich daraus in zunehmendem Maße die Notwendigkeitergibt, auch in kapitalistischem Rahmen Formen gesellschaftlicher Organisation undRegulierung der Produktion zu finden. Das ist nicht nur eine Frage der sozialen undpolitischen Konfliktentfaltung, sondern auch schon der Kapitalbewegung selbst. DieZusammenhänge sind so komplex und von so unmittelbarem Einfluß, daß die staatliche Monopolisierung die Gesamtheit der ökonomischen Bedingungen berücksichtigen muß. Anders kann sie ihre Funktion, Raum für die Bewegung der gesellschaftlichen Produktion als kapitalistische Produktion zu schaffen, nicht erfüllen.Die Ausrichtung staatlicher Eingriffe auf diese Zielstellung ist jedoch keinbewußter, planmäßiger Vorgang. Es handelt sich um eine objektive Notwendigkeit,um Sachzwänge, die selbst Ergebnis der Wechselwirkung verschiedener Prozessesind.Das Verhältnis Staat - Monopol ist kompliziert. Faßt man es dahingehendzusammen, daß der Staat den Interessen des Monopolkapitals untergeordnet wird,so wird es keineswegs in der Vielfalt seiner Beziehungen voll erfaßt; obwohl dasWesentliche der objektiven Tatbestände damit charakterisiert wird. In der Praxis hatsich dieses Verhältnis sicherlich zunächst als Ausnutzung des Staatsapparates imInteresse einzelner Monopole oder Monopolgruppen entwickelt. Der Staatsapparat215
selber ist aber kein Bestandteil des Monopolapparates, obwohl in vielfältiger Weise,über ökonomische und personelle Zusammenhänge mit ihm verflochten. Reduziertman die Zusammenhänge auf das Wesentliche, so ist der Staat wohl ein Instrumentdes Monopolkapitals. Aber er ist zugleich auch eine Sphäre der Konkurrenz derMonopole um die Ausnutzung der staatlichen Macht zu ihren eigenen Gunsten,zugunsten ihrer besonderen, spezifischen Interessen. In der Praxis ist es also eineFrage der Stärkeverhältnisse, der Interessengemeinschaften oder -kollisionen undder jeweils gegebenen allgemeinen ökonomischen und politischen Bedingungen, inwelcher Richtung die staatsmonopolistischen Maßnahmen in besonderem Maße wirken. Damit sind bei weitem noch nicht alle Einflußfaktoren erfaßt; nicht die Eigeninteressen der staatlichen Bürokratie, nicht die politischen Einflüsse, nicht die vonder Systemsicherung her gegebenen Faktoren usw.Die auf das Gesamtfunktionieren des Systems gerichtete Aufgabe der staatlichen Monopolisierung setzt sich also als Ergebnis dieser sehr konkreten und sehrunterschiedlichen, teilweise antagonistischen Einflüsse durch. Aus der objektivenAusrichtung der staatlichen Monopolisierung einerseits und der Vielfalt der konkreten Bedingungen, unter denen sie sich entfaltet, andererseits, erklärt sich die Vielfalt und oft scheinbare Widersprüchlichkeit der staatsmonopolistischen Erscheinungen, erklärt es sich, daß staatliche Eingriffe durchaus auch gegen die Interesseneinzelner Monopole oder Monopolgruppen gerichtet sein können - und sogar gerichtet sein müssen, wenn diese das Gesamtfunktionieren des Systems untergraben,daß sie auch nichtmonopolisierte Bereiche begünstigen können und daß von Monopolen geforderte Maßnahmen oft überhaupt nicht zustande kommen oder durchgesetzte wirkungslos verpuffen. Die Prozesse sind also äußerst vielschichtig. Das ändert jedoch nichts am Wesen dieser staatlichen Funktion.In meinen Darlegungen habe ich eine Fülle von Problemen nicht berücksichtigen können. Nicht einmal die Ursachen der Ausbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus konnten in ihrer ganzen Vielfalt und Wechselbezogenheit dargestellt werden. Mir kam es jedoch vor allem darauf an, zu zeigen, daß der staatsmonopolistische Kapitalismus nicht allein als Umverteilung von Nationaleinkommendurch den Staat zugunsten der Monopole zu begreifen ist, sondern daß die Einbeziehung des Staates in die Ökonomie ein gesetzmäßiger Prozeß ist, der sich aus deninneren Konflikten dieser Produktionsweise notwendig ergibt, um die Bewegung dergesellschaftlichen Produktion als kapitalistische Produktion zu ermöglichen. Gleichzeitig wollte ich die Potenzen dieses Systems andeuten, die darin liegen, daß es zurBasis einer weiteren Entwicklung der Produktivkräfte auf kapitalistischer Grundlagewird, und seine Grenzen, die darin liegen, daß es die Produktionsverhältnisse nichtaufhebt und die Vergesellschaftung der Produktion weiter vorantreibt und so zugleich die Entfaltung der Konflikte, die die bewußte, vorausschauende gesellschaftliche Organisation und Regulierung der Produktion als Bedingung für die Bewältigung der Entwicklungsprobleme der modernen Gesellschaft zu einer objektivenNotwendigkeit machen.216
Wladimir Iljitsch LeninDer Imperialismus - Ausgewählte KapitelIn den letzten 15-20 Jahren, besonders nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg (1898)und dem Burenkrieg (1899-1902), verwendet die ökonomische sowie die politische Literaturder Alten und der Neuen Welt immer häufiger den Begriff „Imperialismus“, um die Epoche, inder wir leben, zu charakterisieren. Im Jahre 1902 erschien in London und New York dasWerk des englischen Ökonomen J. A. Hobson Imperialismus. Der Verfasser, der denStandpunkt des bürgerlichen Sozialreformismus und Pazifismus vertritt – einen Standpunkt,der im Grunde genommen mit der jetzigen Stellung des ehemaligen Marxisten K. Kautskyübereinstimmt –, gibt eine sehr gute und ausführliche Beschreibung der grundlegendenökonomischen und politischen Besonderheiten des Imperialismus. Im Jahre 1910 erschienin Wien das Werk des österreichischen Marxisten Rudolf Hilferding Das Finanzkapital.Obwohl der Autor in der Geldtheorie irrt und eine gewisse Neigung zeigt, den Marxismus mitdem Opportunismus zu versöhnen, ist dieses Werk eine höchst wertvolle theoretische„Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus“, wie der Untertitel desHilferdingschen Buches lautet. Im Grunde genommen geht das, was in den letzten Jahrenüber den Imperialismus gesagt wurde – insbesondere in sehr zahlreichen Zeitschriften undZeitungsartikeln zu diesem Thema und ebenso in Resolutionen, z.B. der im Herbst 1912abgehaltenen Kongresse von Chemnitz und Basel – kaum über den Kreis der Ideen hinaus,die von den beiden genannten Autoren dargelegt oder vielmehr zusammengefaßt wordensind ...Im Folgenden wollen wir versuchen, den Zusammenhang und das Wechselverhältnis dergrundlegenden ökonomischen Besonderheiten des Imperialismus in aller Kürze und inmöglichst gemeinverständlicher Form darzustellen. Auf die nichtökonomische Seite derFrage werden wir nicht so eingehen können, wie sie es verdienen würde.Konzentration der Produktion und MonopoleDas ungeheure Wachstum der Industrie und der auffallend rasche Prozeß der Konzentrationder Produktion in immer größeren Betrieben ist eine der charakteristischen Besonderheitendes Kapitalismus. Die modernen Betriebszählungen liefern uns über diesen Prozeß dievollständigsten und genauesten Daten.In Deutschland z.B. waren von je tausend Industrieunternehmungen Großbetriebe, d.h.Betriebe mit mehr als 50 Lohnarbeitern: im Jahre 1882 - 3, im Jahre 1895 - 6 und im Jahre1907 - 9. Von je hundert Arbeitern entfielen auf diese Betriebe: 22, 30 und 37. Aber dieKonzentration der Produktion ist viel stärker als die Konzentration der Arbeiter, denn dieArbeit ist in den Großbetrieben viel produktiver. Darauf weisen die Daten über217
Dampfmaschinen und elektrische Motoren hin. Ziehen wir in Betracht, was man inDeutschland als Industrie im weiteren Sinne bezeichnet, d.h., schließen wir auch denHandel, das Verkehrswesen usw. ein, so erhalten wir folgendes Bild: Von den 3.265.623Unternehmungen Deutschlands sind 30.588, d.h. nur 0,9%, Großbetriebe. Auf sie entfallenvon 14,4 Millionen Arbeitern 5,7 Mill., d.h. 39,4%; von den 8,8 Mill. Pferdestärken derDampfmaschinen 6,6 Mill., d.h. 75,3% von den 1,5 Mill. Kilowatt elektrischer Energie 1,2 Mill.Kilowatt, d.h. 77,2%.Weniger als ein Hundertstel der Betriebe verfügt über mehr als drei Viertel der gesamtenDampf- und Elektrizitätskraft. Auf die 2,97 Mill. Kleinbetriebe (mit höchstens 5Lohnarbeitern), die 91% der Gesamtzahl der Betriebe ausmachen, entfallen im ganzen 7%der Dampf- und Elektrizitätskraft. Einige zehntausend Großbetriebe sind alles; Millionen vonKleinbetrieben sind nichts.Betriebe mit 1.000 und mehr Arbeitern gab es 1907 in Deutschland 586. Diese beschäftigtenfast ein Zehntel (1,38 Mill.) der Gesamtzahl der Arbeiter und verfügten über nahezu einDrittel (32%) aller Dampf- und Elektrizitätskraft.149 Das Geldkapital und die Banken machen,wie wir sehen werden, dieses Übergewicht eines Häufleins von Großbetrieben nocherdrückender, und zwar im buchstäblichen Sinne des Wortes, d.h., Millionen kleiner, mittlererund sogar zum Teil großer „Unternehmer“ sind in Wirklichkeit von einigen hundertMillionären der Hochfinanz völlig unterjocht.In einem anderen fortgeschrittenen Land des modernen Kapitalismus, den VereinigtenStaaten von Nordamerika, wächst die Konzentration der Produktion noch stärker. Hiersondert die Statistik die Industrie im engeren Sinne aus und gruppiert die Betriebe nach demWert ihrer Jahresproduktion. 1904 gab es an Großbetrieben mit einer Jahresproduktion von1 Million Dollar und darüber 1.900 (von 216.180, d.h. 0,9%); auf sie entfielen 1,4 Mill.Arbeiter (von 5,5 Mill., d.h. 25,6%) und 5,6 Milliarden der Jahresproduktion (von 14,8Milliarden, d.h. 38%), Fünf Jahre später, im Jahre 1909, lauteten die entsprechendenZahlen: 3.060 Betriebe (von 268.491, d.h. 1,1%) mit 2 Mill. Arbeitern (von 6,6 Mill., d.h.30,5%) und 9 Milliarden Jahresproduktion (von 20,7 Milliarden, d.h. 43,8%).150Fast die Hälfte der Gesamtproduktion aller Betriebe des Landes liegt in den Händen einesHundertstels der Gesamtzahl der Betriebe! Und diese dreitausend Riesenbetriebe umfassen258 Industriezweige. Daraus erhellt, daß die Konzentration auf einer bestimmten Stufe ihrerEntwicklung sozusagen von selbst dicht an das Monopol heranführt. Denn einigen DutzendRiesenbetrieben fällt es leicht, sich untereinander zu verständigen, während anderseitsgerade durch das Riesenausmaß der Betriebe die Konkurrenz erschwert und die Tendenzzum Monopol erzeugt wird. Diese Verwandlung der Konkurrenz in das Monopol ist eine derwichtigsten Erscheinungen – wenn nicht die wichtigste – in der Ökonomik des modernenKapitalismus, und wir müssen daher ausführlicher darauf eingehen. Doch zuerst muß einmögliches Mißverständnis beseitigt werden.Die amerikanische Statistik besagt: 3.000 Riesenbetriebe in 250 Industriezweigen. Demnachkämen im ganzen je 12 Betriebe größten Ausmaßes auf jeden Industriezweig.150 Statistical Abstract of the United States, 1912, S.202.149 Zahlenangaben nach den Annalen des Deutschen Reichs, 1911, Zahn.218
Dem ist aber nicht so. Nicht in jedem Industriezweig gibt es Großbetriebe; und anderseits isteine äußerst wichtige Besonderheit des Kapitalismus, der die höchste Entwicklungsstufeerreicht hat, die sogenannte Kombination, d.h. die Vereinigung verschiedenerIndustriezweige in einem einzigen Unternehmen; diese Industriezweige bilden entwederaufeinanderfolgende Stufen der Verarbeitung des Rohstoffs (z.B. Gewinnung von Roheisenaus Erz, seine Verarbeitung zu Stahl und unter Umständen auch die Erzeugung dieser oderjener Stahlfabrikate) oder spielen in bezug aufeinander eine Hilfsrolle (z.B. Verarbeitung vonAbfällen oder Nebenprodukten; Herstellung von Verpackungsmaterial usw.).„... die Kombination“, schreibt Hilferding, „gleicht Konjunkturunterschiede aus und bewirktdaher für das kombinierte Werk eine größere Stetigkeit der Profitrate. Zweitens bewirkt dieKombination Ausschaltung des Handels. Drittens bewirkt sie die Möglichkeit technischerFortschritte und damit die Erlangung von Extraprofit gegenüber dem ‚reinen‘“ (d.h. nichtkombinierten) „Werk. Viertens stärkt sie die Stellung des kombinierten Werkes gegenüberdem ‚reinen‘ im Konkurrenzkampf zur Zeit einer starken Depression“ (Geschäftsstockung,Krise), „wenn die Senkung der Rohmaterialpreise nicht Schritt hält mit der Senkung derFabrikatspreise.“151Der deutsche bürgerliche Ökonom Heymann, der der Schilderung der „gemischten“, d.h.kombinierten Werke in der deutschen Eisenindustrie eine besondere Schrift gewidmet hatsagt: „Die reinen Werke werden zwischen hohen Material- und niedrigen Fabrikatspreisenzerquetscht.“ Es ergibt sich folgendes Bild: „Übriggeblieben sind auf der einen Seite diegroßen Kohlengesellschaften mit einer Förderung, die in die Millionen Tonnen Kohle geht,fest organisiert in ihrem Kohlensyndikat, und eng verbunden mit ihnen die großenStahlwerke und ihr Stahlsyndikat. Diese Riesenunternehmungen mit 400.000 tStahlproduktion im Jahr, entsprechender Ausdehnung der Kohlen-, Erz- undHochofenbetriebe wie der Fertigfabrikation, mit 10.000 Arbeitern, die in Werkskolonienkaserniert sind, ja zum Teil mit eigenen Bahnen und Häfen, diese Riesenunternehmungensind heute der rechte Typus des deutschen Eisenwerks. Und immer weiter schreitet dieKonzentration vorwärts. Der einzelne Betrieb wird stetig größer; immer mehr Betriebe dergleichen oder verschiedener Art ballen sich zu Riesenunternehmungen zusammen, die ineinem halben Dutzend Berliner Großbanken ihre Stützen und ihre Leiter finden. Für dieMontanindustrie ist die Richtigkeit der Konzentrationslehre von Karl Marx exaktnachgewiesen, jedenfalls in einem Land, in dem sie, wie bei uns, durch Zölle undFrachttarife geschützt wird. Die Montanindustrie Deutschlands ist reif zur Expropriation.“152Zu diesem Schluß mußte ein ausnahmsweise gewissenhafter bürgerlicher Ökonomkommen. Es sei bemerkt, daß er Deutschland in Anbetracht der hohen Industrieschutzzölleeine gewisse Sonderstellung einräumt. Aber dieser Umstand konnte die Konzentration unddie Bildung von monopolistischen Unternehmerverbänden, Kartellen, Syndikaten usw. nurbeschleunigen. Es ist außerordentlich wichtig, daß im Lande des Freihandels, in England,die Konzentration ebenfalls zum Monopol führt, wenn auch etwas später und vielleicht inanderer Form. So schreibt Professor Hermann Levy in einer speziellen Untersuchung über152 Hans Gideon Heymann, Die gemischten Werke im deutschen Großeisengewerbe, Stuttgart 1904(S.256, 278).151 Das Finanzkapital, russ.Übersetzung, S.286/287. (Deutsche Ausgabe Berlin 1955, S.234.)219
Monopole, Kartelle und Trusts auf Grund der Daten über die wirtschaftliche EntwicklungGroßbritanniens:„In Großbritannien ist es die Größe der Unternehmung und ihre Leistungsfähigkeit, welcheeine monopolistische Tendenz in sich trägt. Dies einmal dadurch, daß die großenKapitalinvestitionen pro Unternehmung, sobald einmal die Konzentrationsbewegungeingesetzt hat, wachsende Anforderungen an die Kapitalbeschaffung neuerUnternehmungen stellen und damit ihr Aufkommen erschweren. Weiter aber (und diesscheint uns der wichtigste Punkt zu sein) repräsentiert jede neue Unternehmung, welche mitden auf Grund des Konzentrationsprozesses entstandenen Riesenunternehmungen Schritthalten will, ein so großes Mehrangebot von Produkten, daß sie, um diese abzusetzen,entweder nur bei einer enorm wachsenden Nachfrage mit Nutzen verkaufen könnte oderaber sofort die Preise auf ein für sie wie für die Monopolvereinigungen unrentables Niveaudrücken würde. Zum Unterschied von anderen Ländern, wo die Schutzzölle dieKartellbildung erleichtern, entstehen in England monopolistische Unternehmerverbände,Kartelle und Trusts in der Regel nur dann, wenn die Zahl der wichtigsten konkurrierendenUnternehmungen ‚nicht mehr als ein paar Dutzend‘ ausmacht. Hier allein tritt für ein ganzesWirtschaftsgebiet der Einfluß der Konzentrationsbewegung auf die großindustrielleMonopolorganisation in kristallisierter Reinheit zutage.“153Vor einem halben Jahrhundert, als Marx sein Kapital schrieb, erschien der überwiegendenMehrheit der Ökonomen die freie Konkurrenz als ein „Naturgesetz“. Die offizielleWissenschaft versuchte das Werk von Marx totzuschweigen, der durch seine theoretischeund geschichtliche Analyse des Kapitalismus bewies, daß die freie Konkurrenz dieKonzentration der Produktion erzeugt, diese Konzentration aber auf einer bestimmten Stufeihrer Entwicklung zum Monopol führt. Das Monopol ist jetzt zur Tatsache geworden. DieÖkonomen schreiben Berge von Büchern, beschreiben die einzelnen Erscheinungsformendes Monopols und verkünden nach wie vor einstimmig, daß der „Marxismus widerlegt“ sei.Aber Tatsachen sind ein hartnäckig Ding, sagt ein englisches Sprichwort, und man mußihnen wohl oder übel Rechnung tragen. Die Tatsachen zeigen, daß die Unterschiedezwischen einzelnen kapitalistischen Ländern, z.B. in bezug auf Schutzzoll oder Freihandel,bloß unwesentliche Unterschiede in der Form der Monopole oder in der Zeit ihresAufkommens bedingen, während die Entstehung der Monopole infolge der Konzentrationder Produktion überhaupt ein allgemeines Grundgesetz des Kapitalismus in seinem heutigenEntwicklungsstadium ist.Für Europa läßt sich die Zeit der endgültigen Ablösung des alten Kapitalismus durch denneuen ziemlich genau feststellen. Es ist der Anfang des 20. Jahrhunderts. In einer derneuesten zusammenfassenden Arbeiten über die Geschichte der „Monopolbildung“ lesenwir:„Man kann aus der Zeit vor 1860 einzelne Beispiele kapitalistischer Monopole anführen; mankann in ihnen den Ansatz zu den Formen entdecken, die uns heute so geläufig gewordensind; aber all das ist durchaus Vorgeschichte. Der eigentliche Beginn der modernenMonopole liegt allerfrühestens in den sechziger Jahren. Ihre erste großeEntwicklungsperiode hebt mit der internationalen Depression der siebziger Jahre an und153 Hermann Levy, Monopole, Kartelle und Trusts, Jena 1909, S.286, 290, 298.220
reicht bis zum Beginn der neunziger Jahre ... Europäisch betrachtet, kulminiert die freieKonkurrenz in den sechziger und siebziger Jahren. Damals beendete England den Ausbauseiner kapitalistischen Organisation alten Stils. In Deutschland drang sie kräftig vor gegenHandwerk und Hausindustrie und begann, sich ihre Daseinsform zu schaffen.“„Die große Umwälzung beginnt mit dem Krach von 1873 oder richtiger mit der ihm folgendenDepression, die mit einer kaum merklichen Unterbrechung anfangs der achtziger Jahre undeinem ungewöhnlich heftigen, aber kurzen ‚boom‘ um das Jahr 1889 herum 22 Jahreeuropäischer Wirtschaftsgeschichte ausmacht ... In der kurzen Hausseperiode von 1889/90bediente man sich in starkem Maße der Kartellordnung zur Ausnützung der Konjunktur. Einewenig überlegte Politik trieb die Preise noch schneller und noch stärker in die Höhe, als esvielleicht schon sonst geschehen wäre, und fast alle diese Verbände endeten ruhmlos im‚Graben des Kraches‘. Noch ein weiteres Lustrum schlechter Beschäftigung und niedrigerPreise folgte, aber es war nicht mehr dieselbe Stimmung, die in der Industrie herrschte. Mansah die Depression nicht mehr wie etwas Selbstverständliches an, sondern hielt sie nur füreine Ruhepause vor einer neuen günstigen Konjunktur.So trat die Kartellbewegung in ihre zweite Epoche. Statt einer vorübergehendenErscheinung werden die Kartelle eine der Grundlagen des gesamten Wirtschaftslebens. Sieerobern sich ein Gebiet nach dem anderen, vor allem aber die Rohstoffindustrie. Schon zuAnfang der neunziger Jahre fanden sie in der Organisation des Kokssyndikats, dem danndas Kohlensyndikat nachgebildet wird, eine Verbandstechnik, über die man kaum wesentlichherausgekommen ist. Der große Aufschwung zu Ende des 19. Jahrhunderts und die Krisisvon 1900-1903 stehen wenigstens in der Montan- und Hüttenindustrie zum ersten Male ganzim Zeichen Kartelle. Und wenn man das damals noch als etwas Neuartiges ansah, so ist esdem Allgemeinbewußtsein inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden, daß große Teiledes Wirtschaftslebens der freien Konkurrenz regelmäßig entzogen sind.“154Die wichtigsten Ergebnisse der Geschichte der Monopole sind demnach:1. In den sechziger und siebziger Jahren des 19 Jahrhunderts – die höchste, äußersteEntwicklungsstufe der freien Konkurrenz; kaum merkliche Ansätze zu Monopolen.2. Nach der Krise von 1873 weitgehende Entwicklung von Kartellen, die aber nochAusnahmen, keine dauernden, sondern vorübergehende Erscheinungen sind.3. Aufschwung am Ende des 19. Jahrhunderts und Krise von 1900-1903: Die Kartellewerden zu einer der Grundlagen des ganzen Wirtschaftslebens. Der Kapitalismus ist zumImperialismus geworden.Die Kartelle vereinbaren Verkaufsbedingungen, Zahlungstermine u.a. Sie verteilen dieAbsatzgebiete untereinander. Sie bestimmen die Menge der zu erzeugenden Produkte. Siesetzen die Preise fest. Sie verteilen den Profit unter die einzelnen Unternehmungen usw.154 Th. Vogelstein. Die finanziell Organisation der kapitalistischen Industrie und die Monopolbildungen,Grundriß der Sozialökonomik;, VI. Abt., Tüb. 1914, vergleiche von demselben AutorOrganisationsformen der Eisenindustrie und Textilindustrie in England und Amerika, Bd. I, Lpz. 1910.221
Die Zahl der Kartelle in Deutschland wurde 1896 ungefähr auf 250, 1905 auf 385 mit etwa12.000 Betrieben geschätzt.155 Allgemein wird jedoch anerkannt, daß diese Zahlen zuniedrig gegriffen sind. Aus den oben angeführten Daten der deutschen Betriebszählung von1907 geht hervor, daß schon die 12.000 größten Betriebe sicherlich mehr als die Hälfte dergesamten Dampf- und Elektrizitätskraft in sich vereinigen. In den Vereinigten Staaten vonNordamerika wurde die Zahl der Trusts 1900 auf 185, 1907 auf 250 geschätzt. Dieamerikanische Statistik teilt alle Industriebetriebe in Gruppen ein, je nachdem, ob sieEinzelpersonen, Firmen oder Gesellschaften gehören. Letzteren gehörten 1904 23,6% und1909 25,9%, d.h. mehr als ein Viertel aller Betriebe. In diesen Werken waren 1904 70,6%und 1909 75,6% aller Arbeiter, drei Viertel der Gesamtzahl, beschäftigt; die Produktion beliefsich auf 10,9 bzw. 16,3 Milliarden Dollar, d.h. 73,7% bzw. 79,9% der Gesamtproduktion.Die Kartelle und Trusts vereinigen vielfach sieben bis acht Zehntel der Gesamtproduktiondes betreffenden Industriezweige in ihren Händen. Im Rheinisch-WestfälischenKohlensyndikat waren bei seiner Gründung im Jahre 1893 86,7% und im Jahre 1910 bereits95,4% der gesamten Kohlenförderung des Gebiets konzentriert.156 Das auf diese Weiseentstehende Monopol gewährleistet Riesengewinne und führt zur Bildung technischerProduktionseinheiten von unermesslichem Umfang. Der berühmte Petroleumtrust in denVereinigten Staaten (die Standard Oil Company) wurde 1900 gegründet. „Ihr autorisiertesKapital beträgt 150 Millionen $, ausgegeben sind 400 Millionen $ common (gewöhnliche)und 106 Millionen $ preferred (Vorzugs-) Aktien, und es sind darauf von 1900 bis 1907folgende Dividenden bezahlt worden: 48, 48, 45, 44, 36, 40, 40, 49%, im ganzen 367Millionen $. Seit 1882 bis Ende 1907 wurden aus 889 Millionen $ erzielten Reingewinns 606Millionen $ Dividenden verteilt, der Rest den Reserven zugeführt.“157„1907 waren aufsämtlichen Werken des Stahltrust (United States Steel Corporation) nicht weniger als240.180 Arbeiter und Angestellte beschäftigt ... Das größte Unternehmen der deutschenMontanindustrie, die Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft, hatte 1908 46.048 Arbeiterund Angestellte.“158 Schon 1902 produzierte der Stahltrust 9 Millionen Tonnen Stahl.159 SeineStahlproduktion belief sich 1901 auf 66,3% und 1908 auf 56,4% der gesamtenStahlproduktion der Vereinigten Staaten160, seine Erzförderung betrug in den gleichenJahren 43,9 bzw. 46,3%.Ein Bericht der amerikanischen Regierungskommission über die Trusts besagt: „DieÜberlegenheit der Stellung des Trusts gegenüber seinen Wettbewerbern beruht auf derGröße seiner Betriebe und ihrer vortrefflichen technischen Ausstattung. Seit seinerGründung hat der Tabaktrust es sich angelegen sein lassen, alle Handarbeit imweitestgehenden Maße durch Maschinen zu ersetzen. Er hat zu diesem Zweck alle Patenteerworben, welche irgendwie auf die Tabakaufbereitung Bezug hatten, und ungeheureSummen dafür aufgewendet. Viele Patente waren anfangs nicht brauchbar und mußten erst160 Th. Vogelstein, Organisationsformen usw., S.275.159 Dr. S. Tschierschky, Kartell und Trust, Gött. 1903, S.13.158 Ebenda, S.218.157 R Liefmann, Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften. Eine Studie über den modernenKapitalismus und das Effektenwesen, 1. Aufl., Jena 1909, S.212.156 Dr. Fritz Kestner, Der Organisationszwang. Eine Untersuchung über die Kämpfe zwischenKartellen und Außenseitern, Brl. 1912, S.11.155 Dr. Riesser, Die deutschen Großbanken und ihre Konzentration im Zusammenhange mit derEntwicklung der Gesamtwirtschaft in Deutschland, 4. Aufl., 1912, S.149. – R. Liefmann, Kartelle undTrusts und die Weiterbildung der volkswirtschaftlichen Organisation, 2. Aufl., 1910. S.25.222
durch die Ingenieure des Trusts entwickelt werden. Ende 1906 wurden zweiTochtergesellschaften ins Leben gerufen, welche lediglich die Aufgabe haben, Patente zuerwerben. Zum nämlichen Zweck hat der Trust eigene Gießereien, Maschinenfabriken undReparaturwerkstätten angelegt. Eines dieser Werke, in Brooklyn, beschäftigt durchschnittlich300 Arbeiter; hier werden Erfindungen zur Herstellung von Zigaretten, kleinen Zigarren,Schnupftabak, Stanniolpackungen, Zigarettenhülsen, Schachteln usw. geprüft und wennnötig verbessert.“161„Auch andere als die obengenannten Trusts beschäftigen sog.developing engineers“ (Entwicklungsingenieure), „welche die Aufgabe haben, neueHerstellungsverfahren zu erdenken und technische Verbesserungen auszuproben. DerStahltrust zahlt seinen Ingenieuren und Arbeitern hohe Prämien für Erfindungen, welchegeeignet sind, den technischen Gütegrad eines Betriebes zu steigern oder dieGestehungskosten zu erniedrigen.“162Ähnlich ist auch das technische Vervollkommnungswesen in der deutschen Großindustrieorganisiert, z.B. in der chemischen Industrie, die sich in den letzten Jahrzehnten soriesenhaft entwickelt hat. Der Prozeß der Konzentration der Produktion brachte in dieserIndustrie bereits bis 1908 zwei „Haupt“gruppen“ hervor, die sich in ihrer Art ebenfalls demMonopol näherten. Zuerst waren diese Gruppen „Zweiverbände“ zweier Paare vonGroßbetrieben mit einem Kapital von je 20-21 Millionen Mark: einerseits die Farbwerke,vormals Meister, in Höchst am Main und Cassella in Frankfurt am Main; anderseits dieBadische Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen und die Farbenfabriken, vormals Bayer, inElberfeld. Darauf schloß 1905 die eine Gruppe und 1908 die andere eine Konvention mitnoch je einem Großbetrieb. So entstanden zwei „Dreiverbände“ mit einem Kapital von je40-50 Millionen Mark, und zwischen diesen „Verbänden“ hat bereits eine „Annäherung“ inForm von „Verträgen“ über Preise usw. begonnen.163Die Konkurrenz wandelte sich zum Monopol. Die Folge ist ein gigantischer Fortschritt in derVergesellschaftung der Produktion. Im besonderen wird auch der Prozeß der technischenErfindungen und Vervollkommnungen vergesellschaftet.Das ist schon etwas ganz anderes als die alte freie Konkurrenz zersplitterter Unternehmer,die nichts voneinander wissen und für den Absatz auf unbekanntem Markte produzieren. DieKonzentration ist so weit fortgeschritten, daß man einen ungefähren Überschlag allerRohstoffquellen (beispielsweise der Eisenerzvorkommen) in dem betreffenden Lande undsogar, wie wir sehen werden, in einer Reihe von Ländern, ja in der ganzen Welt machenkann. Ein solcher Überschlag wird nicht nur gemacht, sondern die riesigenMonopolverbände bemächtigen sich dieser Quellen und fassen sie in einer Handzusammen. Es wird eine annähernde Berechnung der Größe des Marktes vorgenommen,der durch vertragliche Abmachungen unter diese Verbände „aufgeteilt“ wird. Diequalifizierten Arbeitskräfte werden monopolisiert, die besten Ingenieure angestellt, manbemächtigt sich der Verkehrswege und -mittel – der Eisenbahnen in Amerika, derSchiffahrtsgesellschaften in Europa und in Amerika. In seinem imperialistischen Stadium163 Riesser, a.a.O., 3. Aufl., S.547 ff. Die Zeitungen berichten (Juni 1916) von einem neuenRiesentrust, der die chemische Industrie Deutschlands zusammenfassen soll.162 Ebenda, S.49161 Report of the Commissioner of Corporations on the Tobacco Industry, Washington 1909, S.266,zitiert nach Dr. Paul Tafel, Die Nordamerikanischen Trusts und ihre Wirkungen auf den Fortschritt derTechnik, Stuttgart 1913, S.48.223
führt der Kapitalismus bis dicht an die allseitige Vergesellschaftung der Produktion heran, erzieht die Kapitalisten gewissermaßen ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen in eine Artneue Gesellschaftsordnung hinein, die den Übergang von der völlig freien Konkurrenz zurvollständigen Vergesellschaftung bildet.Die Produktion wird vergesellschaftet, die Aneignung jedoch bleibt privat. Diegesellschaftlichen Produktionsmittel bleiben Privateigentum einer kleinen Anzahl vonPersonen. Der allgemeine Rahmen der formal anerkannten freien Konkurrenz bleibtbestehen, und der Druck der wenigen Monopolinhaber auf die übrige Bevölkerung wirdhundertfach schwerer, fühlbarer, unerträglicher.Der deutsche Ökonom Kestner hat den „Kämpfen zwischen Kartellen und Außenseitern“,d.h. Unternehmern, die dem Kartell nicht angehören, ein spezielles Werk gewidmet. Erbetitelte sein Werk Der Organisationszwang, während man natürlich, um den Kapitalismusnicht zu beschönigen, von einem Zwang zur Unterwerfung unter die Monopolverbändesprechen müßte. Es ist lehrreich, wenigstens einen flüchtigen Blick auf die Liste der Mitteldes gegenwärtigen, modernen, zivilisierten Kampfes um die „Organisation“ zu werfen, zudenen die Monopolverbände greifen:1. die Materialsperre (mit „die wichtigste Methode des Kartellzwanges“)2. Sperrung der Arbeitskräfte durch „Allianzen“ (d.h. Vereinbarungen zwischen Kapitalistenund Arbeiterverbänden derart, daß die Arbeiter nur in kartellierten Betrieben arbeiten dürfen)3. Sperre der Zufuhr;4. Sperre des Absatzes;5. Verträge mit den Abnehmern, wonach diese ausschließlich mit kartellierten FirmenGeschäftsverbindungen haben dürfen;6. planmäßige Preisunterbietung (um die „Außenseiter“, d.h. die Unternehmungen, die sichden Monopolinhabern nicht unterordnen, zu ruinieren; es werden Millionen ausgegeben, umeine Zeitlang unter dem Selbstkostenpreis zu verkaufen; so kam es beispielsweise in denBenzinindustrie vor, daß die Preise von 40 auf 22 Mark, d.h. fast auf die Hälfte, herabgesetztwurden!);7. Sperrung des Kredits;8. Verrufserklärung.Wir haben es nicht mehr mit dem Konkurrenzkampf kleiner und großer, technischrückständiger und technisch fortgeschrittener Betriebe zu tun. Durch die Monopolinhaberwerden alle diejenigen abgewürgt, die sich dem Monopol, seinem Druck, seiner Willkür nichtunterwerfen. Im Bewußtsein eines bürgerlichen Ökonomen spiegelt sich dieser Prozeßfolgendermaßen wider:„Auch innerhalb der rein wirtschaftlichen Tätigkeit“, schreibt Kestner, „tritt eine Verschiebungvom Kaufmännischen im früheren Sinne zum Organisatorisch-Spekulativen ein. Nicht derKaufmann kommt am besten vorwärts, der auf Grund seiner technischen undHandelserfahrungen die Bedürfnisse der Kunden am genauesten versteht, der eine latenteNachfrage zu finden und wirksam zu erwecken vermag, sondern das spekulative Genie (?!),das die organisatorische Entwicklung, die Möglichkeit der Beziehungen zwischen deneinzelnen Unternehmungen und zu den Banken vorauszuberechnen oder auchvorauszufühlen vermag.“224
In eine menschliche Sprache übertragen, bedeutet das: Der Kapitalismus ist so weitentwickelt, daß die Warenproduktion, obwohl sie nach wie vor „herrscht“ und als Grundlageder gesamten Wirtschaft gilt, in Wirklichkeit bereits untergraben ist und die Hauptprofite den„Genies“ der Finanzmachenschaften zufallen. Diesen Machenschaften und Schwindeleienliegt die Vergesellschaftung der Produktion zugrunde, aber der gewaltige Fortschritt derMenschheit, die sich bis zu dieser Vergesellschaftung emporgearbeitet hat, kommt den –Spekulanten zugute. Wir werden weiter unten sehen, wie „auf dieser Grundlage“ diekleinbürgerlich-reaktionäre Kritik des kapitalistischen Imperialismus von einer Rückkehr zur„freien“, „friedlichen“, „ehrlichen“ Konkurrenz träumt.„Eine dauernde Erhöhung der Preise als Kartellwirkung“, sagt Kestner, „ist bisher nur bei denwichtigen Produktionsmitteln, insbesondere bei Kohle, Eisen, Kali, dagegen auf die Dauerniemals bei Fertigwaren zu verzeichnen gewesen. Die damit zusammenhängende Erhöhungder Rentabilität ist gleichfalls auf die Produktionsmittelindustrie beschränkt geblieben. DieseBeobachtung muß man dahin erweitern, daß die Rohstoffindustrie nicht nur hinsichtlichEinkommensbildung und Rentabilität durch die bisherige Kartellbildung zuungunsten derweiterverarbeitenden Industrie Vorteile erzielt, sondern daß sie über diese ein bei freierKonkurrenz nicht gekanntes Herrschaftsverhältnis gewonnen hat.“164Das von uns hervorgehobene Wort deckt das Wesen der Sache auf, das von denbürgerlichen Ökonomen so ungern und selten zugegeben wird und um das die heutigenVerteidiger des Opportunismus mit K. Kautsky an der Spitze so eifrig herumzuredenversuchen. Das Herrschaftsverhältnis und die damit verbundene Gewalt – das ist dasTypische für die „jüngste Entwicklung des Kapitalismus“, das ist es, was aus der Bildungallmächtiger wirtschaftlicher Monopole unvermeidlich hervorgehen mußte undhervorgegangen ist.Noch ein Beispiel für das Wirtschaften der Kartelle. Dort, wo man auf alle oder diewichtigsten Rohstoffquellen die Hand legen kann, geht die Entstehung von Kartellen und dieBildung von Monopolen besonders leicht vonstatten. Es wäre jedoch falsch zu glauben, daßMonopole nicht auch in anderen Industriezweigen entstehen, in denen es unmöglich ist, sichder Rohstoffquellen zu bemächtigen. Die Zementindustrie findet ihr Rohmaterial überall.Aber auch diese Industrie ist in Deutschland stark kartelliert. Die Werke sind inGebietssyndikaten: im süddeutschen, rheinisch-westfälischen usw. zusammengeschlossen;es sind Monopolpreise festgesetzt: 230 bis 280 Mark pro Waggon bei einemSelbstkostenpreis von 180 Mark! Die Betriebe werfen 12-16% Dividende ab, wobei nichtvergessen werden darf, daß die „Genies“ der modernen Spekulation es verstehen, großeSummen außer den als Dividende verteilten Gewinnen in ihren Taschen verschwinden zulassen. Um die Konkurrenz aus einer derart einträglichen Industrie auszuschalten, wendendie Monopolinhaber sogar allerlei Tricks an: Es werden falsche Gerüchte über die schlechteLage der Industrie verbreitet; in den Zeitungen erscheinen anonyme Anzeigen: „Kapitalisten!Hütet euch, Kapital in Zementfabriken anzulegen.“ Schließlich werden die Werke von„Außenseitern“ (d.h. von nicht an den Syndikaten Beteiligten) aufgekauft und ihnen„Abstandssummen“ von 60.000, 80.000 und 150.000 Mark gezahlt.165 Das Monopol brichtsich überall und mit jeglichen Mitteln Bahn, angefangen von „bescheidenen“165 Zement, von L. Eschwege: Die Bank, 1909, 1, S.115ff.164 Kestner, a.a.O., S.254.225
Abstandszahlungen bis zur amerikanischen „Anwendung“ von Dynamit gegen denKonkurrenten.Die Ausschaltung der Krisen durch die Kartelle ist ein Märchen bürgerlicher Ökonomen, dieden Kapitalismus um jeden Preis beschönigen wollen. Im Gegenteil, das Monopol, das ineinigen Industriezweigen entsteht, verstärkt und verschärft den chaotischen Charakter, derder ganzen kapitalistischen Produktion in ihrer Gesamtheit eigen ist. Das Mißverhältniszwischen der Entwicklung der Landwirtschaft und der Industrie, das für den Kapitalismusüberhaupt charakteristisch ist, wird noch größer. Die privilegiert Stellung, die die amstärksten kartellierte sogenannte Schwerindustrie, besonders die Kohlen- undEisenindustrie, einnimmt, ruft in den übrigen Industriezweigen eine „gesteigertePlanlosigkeit“ hervor, wie das Jeidels, der Verfasser einer der besten Arbeiten über „dasVerhältnis der deutschen Großbanken zur Industrie“, zugibt.166„Je entwickelter eine Volkswirtschaft ist“, schreibt Liefmann, ein vorbehaltloser Verteidigerdes Kapitalismus, „um so mehr wendet sie sich riskanteren oder ausländischenUnternehmungen zu, solchen, die einer sehr langen Zeit zu ihrer Entwicklung bedürfen, oderendlich solchen, die von nur lokaler Bedeutung sind.“167 Das gesteigerte Risiko hängt inletzter Instanz mit der ungeheuren Zunahme des Kapitals zusammen, das sozusagenüberschäumt, ins Ausland strömt usw. Und zugleich bringt das beschleunigte Tempo dertechnischen Entwicklung immer mehr Elemente des Mißverhältnisses zwischen denverschiedenen Teilen der Volkswirtschaft, immer mehr Chaos und Krisen mit sich. Dieserselbe Liefmann ist gezwungen einzugestehen: „Wahrscheinlich stehen der Menschheit innicht zu ferner Zeit wieder einmal große Umwälzungen auf technischem Gebiete bevor, dieihre Wirkungen auch auf die volkswirtschaftliche Organisation äußern werden“ ... Elektrizität,Luftschiffahrt ... „In solchen Zeiten grundlegender wirtschaftlicher Veränderungen pflegt sichauch in der Regel eine starke Spekulation zu entwickeln.“168Die Krisen – jeder Art, am häufigsten ökonomische Krisen, aber nicht nur diese allein –verstärken aber ihrerseits in ungeheurem Maße die Tendenz zur Konzentration und zumMonopol. Hier die höchst lehrreiche Betrachtung von Jeidels über die Bedeutung der Krisevon 1900, der Krise, die bekanntlich die Rolle eines Wendepunkts in der Geschichte dermodernen Monopole gespielt hat:„Die Krise von 1900 fand neben den Riesenbetrieben der grundlegenden Industrien vieleBetriebe von nach heutigen Begriffen veralteter Organisation, die ‚reinen‘“ (d.h. nichtkombinierten) „Werke, die von der Welle der Hochkonjunktur mit auf die Höhe gehobenwaren. Der Preisfall, der Rückgang des Bedarfs brachten diese ‚reinen‘ Werke in eine Not,von der bei den kombinierten Riesenbetrieben zum Teil überhaupt nicht, zum Teil nur ganzkurze Zeit die Rede war. Dadurch führte die jüngste Krisis in ganz anderem Maße zurindustriellen Konzentration als die früheren, als die von 1873, die zwar eine Auslese schuf,aber bei dem Stand der Technik keine derartige, daß ein Monopol der siegreichhervorgegangenen Unternehmungen geschaffen wurde. Ein solches dauerndes Monopolhaben aber in hohem Grade die Riesenwerke der heutigen Großeisen- und168 Ebenda, S.465/466.167 Liefmann, Beteiligungs- etc. Ges., S.434.166 Jeidels, Das Verhältnis der deutschen Großbanken zur Industrie mit besonderer Berücksichtigungder Eisenindustrie, Lpz. 1905, S.271.226
Elektrizitätsindustrie, in geringerem die der Maschinenbranche und gewisser Metall-,Verkehrs- und anderer Gewerbe durch ihre komplizierte Technik, ihre großangelegteOrganisation und ihre Kapitalstärke.“169Das Monopol ist das letzte Wort der „jüngsten Entwicklung des Kapitalismus“. Doch würdeunsere Vorstellung von der tatsächlichen Macht und Bedeutung der modernen Monopolehöchst ungenügend, lückenhaft und eingeengt sein, wenn wir die Rolle der Banken außerAcht ließen.Der KapitalexportFür den alten Kapitalismus, mit der vollen Herrschaft der freien Konkurrenz, war der Exportvon Waren kennzeichnend. Für den neuesten Kapitalismus, mit der Herrschaft derMonopole, ist der Export von Kapital kennzeichnend geworden.Kapitalismus ist Warenproduktion auf der höchsten Stufe ihrer Entwicklung, auf der auch dieArbeitskraft zur Ware wird. Die Zunahme des Warenaustausches sowohl innerhalb desLandes wie auch insbesondere des internationalen Warenaustausches ist eincharakteristisches Merkmal des Kapitalismus. Die Ungleichmäßigkeit und Sprunghaftigkeit inder Entwicklung einzelner Unternehmungen, einzelner Industriezweige und einzelner Länderist im Kapitalismus unvermeidlich. Zuerst wurde England, vor den anderen Ländern, einkapitalistisches Land, und um die Mitte des 19. Jahrhunderts, als es den Freihandeleinführte, nahm es für sich in Anspruch, die „Werkstatt der Welt“ zu sein, alle Länder mitFertigfabrikaten zu versorgen, die ihm im Austausch Rohstoffe liefern sollten. Aber diesesMonopol Englands war bereits im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts durchbrochen, denneine Reihe anderer Länder hatte sich, durch „Schutz“zölle gesichert, zu selbständigenkapitalistischen Staaten entwickelt. An der Schwelle des 20. Jahrhunderts sehen wir dieBildung von Monopolen anderer Art: erstens Monopolverbände der Kapitalisten in allenLändern des entwickelten Kapitalismus; zweitens Monopolstellung der wenigen überausreichen Länder, in denen die Akkumulation des Kapitals gewaltige Ausmaße erreicht hat. Esentstand ein ungeheurer „Kapitalüberschuß” in den fortgeschrittenen Ländern.Freilich, wäre der Kapitalismus imstande, die Landwirtschaft zu entwickeln, die jetzt überallweit hinter der Industrie zurückgeblieben ist, könnte er die Lebenshaltung der Massen derBevölkerung heben, die trotz des schwindelerregenden technischen Fortschritts überall einHunger- und Bettlerdasein fristet – dann könnte von einem Kapitalüberschuß nicht die Redesein. Und das ist auch das „Argument“, das allgemein von kleinbürgerlichen Kritikern desKapitalismus vorgebracht wird. Aber dann wäre der Kapitalismus nicht Kapitalismus, denndie Ungleichmäßigkeit der Entwicklung wie das Hungerdasein der Massen sind wesentliche,unvermeidliche Bedingungen und Voraussetzungen dieser Produktionsweise. Solange derKapitalismus Kapitalismus bleibt, wird der Kapitalüberschuß nicht zur Hebung der169 Jeidels, a.a.O., S.108.227
Lebenshaltung der Massen in dem betreffenden Lande verwendet – denn das würde eineVerminderung der Profite der Kapitalisten bedeuten –, sondern zur Steigerung der Profitedurch Kapitalexport ins Ausland, in rückständige Länder. In diesen rückständigen Ländern istder Profit gewöhnlich hoch, denn es gibt dort wenig Kapital, die Bodenpreise sindverhältnismäßig nicht hoch, die Löhne niedrig und die Rohstoffe billig. Die Möglichkeit derKapitalausfuhr wird dadurch geschaffen, das eine Reihe rückständiger Länder bereits in denKreislauf des Weltkapitalismus hineingezogen ist, die Hauptlinien der Eisenbahnen bereitsgelegt oder in Angriff genommen, die elementaren Bedingungen der industriellenEntwicklung gesichert sind usw. Die Notwendigkeit der Kapitalausfuhr wird dadurchgeschaffen, das in einigen Ländern der Kapitalismus „überreif“ geworden ist und dem Kapital(unter der Voraussetzung der Unentwickeltheit der Landwirtschaft und der Armut derMassen) ein Spielraum für „rentable“ Betätigung fehlt.Folgende annähernde Zahlen zeigen, wieviel Kapital die drei Hauptländer im Auslandinvestiert haben:170Im Ausland investiertes Kapital(in Milliarden Franc)Jahr England Frankreich Deutschland1862 3,6 - -1872 15 10 (1869) -1882 22 15 (1880) ?1893 42 20 (1890) ?1902 62 27 - 37 12,51914 75 - 100 60 44Daraus ersehen wir, daß die Kapitalausfuhr erst zu Beginn des 20. JahrhundertsRiesendimensionen angenommen hat. Vor dem Kriege erreichte das im Ausland investierteKapital der drei Hauptländer 175 bis 200 Milliarden Francs. Der Ertrag aus diesem Kapital,bescheiden zu 5% gerechnet, muß etwa 8-10 Milliarden Francs im Jahr erreicht haben.Welch solide Basis für die imperialistische Unterdrückung und Ausbeutung der meistenNationen und Länder der Welt, für den kapitalistischen Parasitismus einiger reicher Staaten!170 Hobson, Imperialismus, L. 1902, S.58; Riesser, a.a.O., S.395 und 404; P. Arndt imWeltwirtschaftlichen Archiv, Bd. 7, 1916, S.35; Neymarck im Bulletin; Hilferding. Das Finanzkapital;,S.492; Lloyd George, Unterhausrede vom 4. Mai 1915 nach dem Daily Telegraph vom 5. Mai 1915; B.Harms, Probleme der Weltwirtschaft, Jena 1912, S.235 u.a.; Dr. Sigmund Schilder,Entwicklungstendenzen der Weltwirtschaft, Berlin 1912, Band 1, S.150; George Paish, Great Britain’sCapital Investments etc., im Journal of the Royal Statistical Society, vol. LXXIV, 1910/11, S.167 ff.;Georges Diouritch, L’Expansion des banques allemandes à l’étranger, ses rapports avec ledéveloppement économique de l’Allemagne, Paris 1909, S.84.228
Wie verteilt sich dieses im Ausland investierte Kapital auf die verschiedenen Länder, wo istes angelegt? Auf diese Frage kann man nur eine annähernde Antwort geben, die jedochgeeignet ist, gewisse allgemeine Wechselbeziehungen und Zusammenhänge des modernenImperialismus zu beleuchten:Erdteile, auf die sich die im Ausland investierten Kapitalien (annähernd) verteilen(um 1910 in Milliarden Mark)England Frankreich Deutschland ZusammenEuropa 4 23 18 45Amerika 37 4 10 51Asien, Afrika,Australien29 8 7 44Insgesamt 70 35 35 140In England steht an erster Stelle sein Kolonialbesitz, der auch in Amerika sehr groß ist (z.B.Kanada), von Asien usw. gar nicht zu reden. Die riesige Ausfuhr von Kapital ist hier aufsengste mit den riesigen Kolonien verknüpft, von deren Bedeutung für den Imperialismusweiter unten noch die Rede sein wird. Anders in Frankreich. Frankreich hat sein exportiertesKapital hauptsächlich in Europa und vor allem in Rußland (nicht weniger als 10 MilliardenFrancs) investiert; dabei handelt es sich vorwiegend um Leihkapital, um Staatsanleihen, undnicht um Kapital das in Industriebetrieben angelegt ist. Zum Unterschied vom englischenKolonialimperialismus könnte man den französischen einen Wucherimperialismus nennen.In Deutschland finden wir eine dritte Abart: Deutschlands Kolonialbesitz ist nicht groß, undsein im Ausland investiertes Kapital verteilt sich am gleichmäßigsten auf Europa undAmerika.Der Kapitalexport beeinflußt in den Ländern, in die er sich ergießt, die kapitalistischeEntwicklung, die er außerordentlich beschleunigt. Wenn daher dieser Export bis zu einemgewissen Grade die Entwicklung in den exportierenden Ländern zu hemmen geeignet ist, sokann dies nur um den Preis einer Ausdehnung und Vertiefung der weiteren Entwicklung desKapitalismus in der ganzen Welt geschehenDie kapitalexportierenden Länder haben fast immer die Möglichkeit, gewisse „Vorteile“ zuerlangen, deren Charakter die Eigenart der Epoche des Finanzkapitals und der Monopoleins rechte Licht setzt. Die Berliner Zeitschrift Die Bank schrieb z.B. im Oktober 1913folgendes:„Am internationalen Kapitalmarkt spielt sich seit kurzem eine Komödie ab, die des Griffelseines Aristophanes würdig ist. Zahlreiche Fremdstaaten, von Spanien bis zu denBalkanländern, von Rußland bis zu Argentinien, Brasilien und China, treten offen oder229
heimlich an die großen Geldmärkte mit ihren Anleiheforderungen heran, von denen einigeaußerordentlich dringlich sind. Die Geldmärkte sind zwar in keiner sonderlich gutenVerfassung, und auch die politischen Aspekte sind noch immer nicht rosenfarbig. Aberdennoch wagt keiner der Geldmärkte, sich den fremden Ansprüchen zu versagen, ausFurcht, der Nachbar könne ihm zuvorkommen, die Anleihe bewilligen und sich damit einAnrecht auf gewisse kleine Gegendienste sichern. Es fällt ja bei solchen internationalenGeschäften immer etwas für den Geldgeber ab, sei es ein handelspolitischer Vorteil odereine Kohlenstation, sei es ein Hafenbau, eine fette Konzession oder einKanonen-Auftrag.“171Das Finanzkapital erzeugte die Epoche der Monopole. Die Monopole sind aber überallTräger monopolistischer Prinzipen: An Stelle der Konkurrenz auf offenem Markt tritt dieAusnutzung der „Verbindungen“ zum Zweck eines profitablen Geschäftes. Diegewöhnlichste Erscheinung ist: Bei einer Anleihe wird zur Bedingung gemacht, daß ein Teilder Anleihe zum Kauf von Erzeugnissen des kreditgebenden Landes, vor allem von Waffen,Schiffen usw. verausgabt wird. Frankreich hat in den letzten zwei Jahrzehnten (1890-1910)sehr oft zu diesem Mittel gegriffen. Der Kapitalexport wird zu einem Mittel, den Warenexportzu fördern. Die Abmachungen zwischen den besonders großen Unternehmungen sind dabeiderart, daß sie, wie Schilder „gelinde“ sagte172, „an Korruption gemahnen“. Krupp inDeutschland, Schneider in Frankreich, Armstrong in England – das sind Musterbeispiele vonFirmen, die mit den Riesenbanken und der Regierungen in enger Verbindung stehen undbeim Abschluß von Anleihen nicht so leicht „umgangen“ werden können.Frankreich, das Rußland Anleihen gewährte, „drückte“ Rußland im Handelsvertrag vom 16.September 1905 „an die Wand“, indem es sich gewisse Zugeständnisse bis 1917ausbedang; dasselbe geschah bei dem Handelsvertrag mit Japan vom 19. August 1911. DerZollkrieg Österreichs gegen Serbien, der mit einer siebenmonatigen Unterbrechung von1906 bis 1911 dauerte, war zum Teil durch die Konkurrenz Österreichs und Frankreichs beider Lieferung von Kriegsmaterial an Serbien veranlaßt worden. Paul Deschanel erklärte imJanuar 1912 in der Kammer, daß französische Firmen in den Jahren 1908-1911 an Serbienfür 45 Millionen Francs Kriegsmaterial geliefert haben.In einem Bericht des österreichisch-ungarischen Konsuls in São Paulo (Brasilien) heißt es:„Der Ausbau der brasilianischen Eisenbahnen erfolgt zumeist mittels französischer,belgischer, britischer und deutscher Kapitalien; die betreffenden Länder sichern sich bei denmit dem Bahnbau zusammenhängenden finanziellen Operationen auch die Lieferungen fürdas nötige Eisenbahnmaterial.“Auf diese Weise wirft das Finanzkapital im buchstäblichen Sinne des Wortes seine Netzeüber alle Länder der Welt aus. Eine große Rolle spielen dabei die in den Koloniengegründeten Banken und ihre Niederlassungen. Die deutschen Imperialisten betrachtenvoller Neid die „alten“ Kolonialländer, die sich in dieser Hinsicht besonders „erfolgreich“versorgt haben: Im Jahre 1904 besaß England 50 Kolonialbanken mit 2.279Niederlassungen (1910: 72 mit 5.449 Niederlassungen); Frankreich 20 mit 436Niederlassungen; Holland 16 mit 68 und Deutschland „im ganzen nur“ 13 mit 70172 Schilder, a.a.O., S.346, 350, 371171 Die Bank, 1913, 2, S.1024/1225230
Niederlassungen.173 Die amerikanischen Kapitalisten beneiden ihrerseits die englischen unddeutschen. „In Südamerika“, klagten sie 1915, „haben 5 deutsche Banken 40 Filialen und 5englische haben 70 Filialen ... England und Deutschland haben in den letzten 25 Jahren inArgentinien, Brasilien und Uruguay annähernd 4.000 Millionen Dollar angelegt und sindinfolgedessen zu 46% an dem gesamten Handel dieser drei Länder beteiligt.“174Die kapitalexportierenden Länder haben, im übertragenen Sinne, die Welt unter sich verteilt.Aber das Finanzkapital führt auch zur direkten Aufteilung der Welt.Die Aufteilung der Welt unter die GroßmächteIn seinem Werk Die territoriale Entwicklung der europäischen Kolonien gibt der Geograph A.Supan175 die folgende kurze Zusammenfassung dieser Entwicklung am Ende des 19.Jahrhunderts:Vom Hundert der Fläche gehörten den europäischen Kolonialmächten(die Vereinigten Staaten eingerechnet):1876 1900 ZunahmeIn Afrika 10,8% 90,4% + 79,6%In Polynesien 56,8% 98,9% + 42,1%In Asien 51,5% 56,6% + 5,1%In Australien 100% 100% -In Amerika 27,5% 27,2% - 0,3%„Das Charakteristische dieser Periode“, folgert Supan, „ist also die Aufteilung Afrikas undPolynesiens.“ Da es in Asien und Amerika keine unbesetzten Länder gibt, d.h. solche, diekeinem Staate gehören, so muß Supans Schlußfolgerung dahingehend erweitert werden,daß das Charakteristische dieser Periode die endgültige Aufteilung der Erde ist, endgültignicht in dem Sinne, daß eine Neuaufteilung unmöglich wäre – im Gegenteil, Neuaufteilungensind möglich und unvermeidlich –, sondern in dem Sinne, daß die Kolonialpolitik derkapitalistischen Länder die Besitzergreifung unbesetzter Länder auf unserem Planeten175 A. Supan, Die territoriale Entwicklung der europäischen Kolonien, 1906, S.254174 The Annals of the American Academy of Political and Social Science, vol. LIX, May 1915, S.301;ebenda, S.331, lesen wir, daß der bekannte Statistiker Paish im letzten Heft der FinanzzeitschriftStatist die Summe des von England, Deutschland, Frankreich, Belgien und Holland exportiertenKapitals auf 40 Milliarden Dollar, d.h. 200 Milliarden Francs, schätzt.173 Riesser, a.a.O., 4. Aufl., S.375, und Diouritch, S.283231
beendet hat. Die Welt hat sich zum erstenmal als bereits aufgeteilt erwiesen, so daß in derFolge nur noch Neuaufteilungen in Frage kommen, d.h. der Übergang von einem „Besitzer“auf den anderen, nicht aber die Besitzergreifung herrenlosen Landes.Wir leben folglich in einer eigenartigen Epoche der kolonialen Weltpolitik, die aufs engsteverknüpft ist mit „der jüngsten Entwicklungsstufe des Kapitalismus“, mit dem Finanzkapital.Es ist daher notwendig, vor allem eingehender bei dem Tatsachenmaterial zu verweilen, umsowohl den Unterschied dieser Epoche von den vorhergegangenen als auch diegegenwärtige Sachlage so genau wie möglich zu klären. Zunächst tauchen hier zweikonkrete Fragen auf: ob eine Verstärkung der Kolonialpolitik, eine Verschärfung desKampfes um die Kolonien gerade in der Epoche des Finanzkapitals zu beobachten ist undwie gerade in dieser Hinsicht die Welt augenblicklich verteilt ist.Der amerikanische Schriftsteller Morris versucht in seinem Buch über die Geschichte derKolonisation176 die Daten über die Größe des englischen, französischen und deutschenKolonialbesitzes für verschiedene Zeitabschnitte des 19. Jahrhunderts zusammenzufassen.Nachstehend gekürzt seine Berechnungen:Größe des KolonialbesitzesEngland Frankreich DeutschlandJahre Fläche(Mill.Quadratmeilen)Bevölkerung(Mill.)Fläche(Mill.Quadratmeilen)Bevölkerung(Mill.)Fläche(Mill.Quadratmeilen)Bevölkerung(Mill.)1815 -1830? 126,4 0,02 0,5 - -1860 2,5 145,1 0,2 3,4 - -1880 7,7 207,9 0,7 7,5 - -1899 9,3 309,0 3,7 56,4 1,0 14,7Die kolonialen Eroberungen Englands nehmen am gewaltigsten in den Jahren 1860-1880 zuund sind auch in den letzten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sehr beträchtlich. Diekolonialen Eroberungen Frankreichs und Deutschlands fallen hauptsächlich gerade in diesezwei Jahrzehnte. Wir haben bereits gesehen, daß die Periode der höchsten Entwicklung desvormonopolistischen Kapitalismus, des Kapitalismus mit vorwiegend freier Konkurrenz, indie sechziger und siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fällt. Jetzt sehen wir, daßgerade nach dieser Periode ein ungeheurer „Aufschwung“ der kolonialen Eroberungenbeginnt und der Kampf um die territoriale Aufteilung der Welt sich im höchsten Gradeverschärft. Unzweifelhaft ist daher die Tatsache, daß der Übergang des Kapitalismus zum176 Henry C. Morris, The History of Colonization, N.Y. 1900, Bd. II, S.88; I, 419; II. 304232
Stadium des Monopolkapitalismus, zum Finanzkapital, mit einer Verschärfung des Kampfesum die Aufteilung der Welt verknüpft ist.In seinem Werk über den Imperialismus hebt Hobson die Periode von 1884-1900 alsPeriode verstärkter „Expansion“ (Erweiterung des Territorialbesitzes) der wichtigsteneuropäischen Staaten hervor. Seiner Berechnung nach erwarb England während dieser Zeit3,7 Millionen Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von 57 Mill.; Frankreich 3,6 Mill.Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von 36½ Mill.; Deutschland 1 Mill. Quadratmeilen mit44,7 Mill.; Belgien 900.000 Quadratmeilen mit 30 Mill. und Portugal 800.000 Quadratmeilenmit 9 Mill. Einwohnern. Die Jagd aller kapitalistischen Staaten nach Kolonien gegen Endedes 19. Jahrhunderts und besonders seit den achtziger Jahren ist eine allbekannte Tatsachein der Geschichte der Diplomatie und der Außenpolitik.Zur Zeit der höchsten Blüte der freien Konkurrenz in England, in den Jahren 1840-1860,waren die führenden bürgerlichen Politiker Englands Gegner der Kolonialpolitik und hieltendie Befreiung der Kolonien und ihre völlige Lostrennung von England für unvermeidlich undnützlich. M. Beer weist in seinem 1898 erschienenen Artikel über „den modernen englischenImperialismus“177 darauf hin, daß 1852 ein solcher englischer Staatsmann wie Disraeli, derim allgemeinen durchaus imperialistisch eingestellt war, geäußert hat: „Die Kolonien sindMühlsteine um unseren Hals.“ Gegen Ende des 19. Jahrhunderts aber waren in England dieHelden des Tages Cecil Rhodes und Joseph Chamberlain, die offen den Imperialismuspredigten und mit dem größten Zynismus eine imperialistische Politik trieben!Nicht uninteressant ist es, daß der Zusammenhang zwischen den sozusagen reinökonomischen und den sozial-politischen Wurzeln des modernen Imperialismus schondamals für diese führenden Politiker der englischen Bourgeoisie klar war. Chamberlainpredigte den Imperialismus als die „wahre, weise und sparsame Politik“ und verwiesbesonders auf die Konkurrenz Deutschlands, Amerikas und Belgiens, der England jetzt aufdem Weltmarkt begegnet. Die Rettung liegt im Monopol – sagten die Kapitalisten undgründeten Kartelle, Syndikate und Trusts; die Rettung liegt im Monopol – sekundierten diepolitischen Führer der Bourgeoisie und beeilten sich, die noch unverteilten Gebiete der Weltan sich zu reißen. Cecil Rhodes hat, wie sein intimer Freund, der Journalist Stead, erzählt,1895 über seine imperialistischen Ideen gesagt: „Ich war gestern im Ostende von London(Arbeiterviertel) und besuchte eine Arbeitslosenversammlung. Und als ich nach den dortgehörten wilden Reden, die nur ein Schrei nach Brot waren, nach Hause ging, da war ichvon der Wichtigkeit des Imperialismus mehr denn je überzeugt ... Meine große Idee ist dieLösung des sozialen Problems, d.h., um die vierzig Millionen Einwohner des VereinigtenKönigreichs vor einem mörderischen Bürgerkrieg zu schützen, müssen wir Kolonialpolitikerneue Ländereien erschließen, um den Überschuß an Bevölkerung aufzunehmen, und neueAbsatzgebiete schaffen für die Waren, die sie in ihren Fabriken und Minen erzeugen. DasEmpire, das habe ich stets gesagt, ist eine Magenfrage. Wenn Sie den Bürgerkrieg nichtwollen, müssen Sie Imperialisten werden.“178So sprach im Jahre 1895 Cecil Rhodes, Millionär, Finanzkönig und Hauptschuldiger amBurenkrieg. Seine Verteidigung des Imperialismus ist nur grob und zynisch, dem Wesen der178 Ebenda, S.304.177 Die Neue Zeit, XVI, 1, 1898, S.302233
Sache nach aber unterscheidet sie sich in nichts von der „Theorie“ der Herren Maslow,Südekum, Potressow und David sowie des Begründers des russischen Marxismus usw. usf.Cecil Rhodes war nur ein etwas ehrlicherer Sozialchauvinist.Um ein möglichst genaues Bild von der territorialen Aufteilung der Welt und den in dieserHinsicht in den letzten Jahrzehnten erfolgten Veränderungen zu vermitteln, wollen wir dieDaten benutzen, die Supan in dem oben zitierten Werk über den Kolonialbesitz aller Staatender Welt zusammengefaßt hat. Supan nimmt die Jahre 1876 und 1900; wir wollen das Jahr1876 nehmen, einen gut gewählten Zeitpunkt, denn gerade zu dieser Zeit kann man dieEntwicklung des westeuropäischen Kapitalismus in seinem vormonopolistischen Stadium imgroßen und ganzen als beendet betrachten, ferner das Jahr 1914, wobei wir Supans Zahlendurch neuere Daten aus Hübners Geographisch-statistischen Tabellen ersetzen. Supanbefaßt sich nur mit den Kolonien; wir halten es für nützlich, zur Vervollständigung des Bildesüber die Aufteilung der Welt kurz auch die Angaben hinzuzufügen über die nichtkolonialenLänder sowie über die Halbkolonien, zu denen wir Persien, China und die Türkei zählen:Persien ist schon fast vollständig zur Kolonie geworden, China und die Türkei sind imBegriff, es zu werden.Wir erhalten folgende Ergebnisse:Kolonialbesitz der Großmächte(Mill. Quadratkilometer und Mill. Einwohner)Kolonien Metropolen Insgesamt1876 1914 1914 1914qkm. Einw. qkm. Einw. qkm. Einw qkm. Einw.England 22,5 251,9 33,5 395,9 0,3 46,5 33,8 440,0Russland 17,0 15,9 17,4 33,2 5,4 136,2 22,8 169,4Frankreich 0,9 6,0 10,6 55,5 0,5 39,6 11,1 95,1Deutschland - - 2,9 12,3 0,5 64,9 3,4 77,2VereinigteStaaten- - 0,3 9,7 9,4 97,0 9,7 106,7Japan - - 0,3 19,2 0,4 53,0 0,7 72,26 Großmächtezusammen40,4 273,8 65,0 523,4 16,5 437,2 81,5 960,6ÜbrigerKolonialbesitz179- - - - - - 9,9 45,3Halbkolonien180- - - - - - 14,5 361,2Übrige Länder - - - - - - 28,0 289,9Ganzer Erdball - - - - - - 133,9 1.657,0180 Persien, China, Türkei179 Belgien, Holland usw.234
Wir sehen hier anschaulich, in welchem Maße die Teilung der Welt um die Wende des 19.und 20. Jahrhunderts „beendet“ war. Der Kolonialbesitz hat nach 1876 ungeheuerzugenommen: Er wuchs bei den sechs Großmächten von 40 auf 65 MillionenQuadratkilometer, auf mehr als das Anderthalbfache; der Zuwachs beträgt 25 Mill.Quadratkilometer, anderthalbmal soviel wie die Bodenfläche der Metropolen (16,5 Mill.). DreiMächte hatten 1876 überhaupt keine und die vierte, Frankreich, hatte fast keine Kolonien.Bis zum Jahre 1914 haben diese vier Staaten Kolonien mit einer Fläche von 14,1 Mill.Quadratkilometern erworben, d.h. ungefähr das Anderthalbfache der Gesamtfläche Europas,mit einer Bevölkerung von fast 100 Millionen Menschen. Die Erweiterung desKolonialbesitzes geht höchst ungleichmäßig vor sich. Vergleicht man z.B. Frankreich,Deutschland und Japan, die sich ihrer Bodenfläche und Einwohnerzahl nach nicht allzusehrvoneinander unterscheiden, so stellt sich heraus, daß Frankreich (der Fläche nach) beinahedreimal soviel Kolonien erworben hat wie Deutschland und Japan zusammengenommen.Das französische Finanzkapital war aber zu Beginn dieser Periode vielleicht ebenfalls umein mehrfaches größer als das Deutschlands und Japans zusammengenommen. Auf dieGröße des Kolonialbesitzes haben außer den rein ökonomischen Bedingungen und auf ihrerBasis auch die geographischen und sonstigen Verhältnisse Einfluß. Welch starkeNivellierung der Welt, welch großer Ausgleich der Wirtschafts- und Lebensbedingungen inden verschiedenen Ländern unter dem Druck der Großindustrie, des Austausches und desFinanzkapitals in den letzten Jahrzehnten auch vor sich gegangen sein mag, einbeträchtlicher Unterschied bleibt dennoch bestehen, und unter den genannten sechsLändern finden wir einerseits junge kapitalistische Länder, die ungewöhnlich raschvorangeschritten sind (Amerika, Deutschland, Japan); anderseits Länder alterkapitalistischer Entwicklung, die sich in der letzten Zeit viel langsamer entwickelt haben alsdie ersteren (Frankreich und England); und schließlich ein Land, das in ökonomischerHinsicht am meisten zurückgeblieben ist (Rußland), in dem der moderne kapitalistischeImperialismus sozusagen mit einem besonders dichten Netz vorkapitalistischer Verhältnisseüberzogen ist.Neben den Kolonialbesitz der Großmächte haben wir die kleinen Kolonien der kleinenStaaten gesetzt, die gewissermaßen das nächste Objekt einer möglichen undwahrscheinlichen „Neuaufteilung“ der Kolonien bilden. Diese kleinen Staaten behalten ihreKolonien zumeist nur dank dem Umstand, daß unter den GroßstaatenInteressengegensätze, Reibungen usw. bestehen, die sie hindern, sich über die Teilung derBeute zu verständigen. Was die „halbkolonialen“ Staaten betrifft, so sind sie ein Beispiel fürjene Übergangsformen, die uns auf allen Gebieten der Natur und der Gesellschaftbegegnen. Das Finanzkapital ist eine so gewaltige, man darf wohl sagen, entscheidendeMacht in allen ökonomischen und in allen internationalen Beziehungen, daß es sich sogarStaaten unterwerfen kann und tatsächlich auch unterwirft, die volle politischeUnabhängigkeit genießen; wir werden sogleich Beispiele dafür sehen. Aberselbstverständlich bietet dem Finanzkapital die meisten „Annehmlichkeiten“ und die größtenVorteile eine solche Unterwerfung, die mit dem Verlust der politischen Unabhängigkeit derLänder und Völker, die unterworfen werden, verbunden ist. Die halbkolonialen Länder sind indieser Beziehung als „Mittelding“ typisch. Der Kampf um diese halbabhängigen Ländermußte begreiflicherweise besonders akut werden in der Epoche des Finanzkapitals, als dieübrige Welt bereits aufgeteilt war.235
Kolonialpolitik und Imperialismus hat es auch vor dem jüngsten Stadium des Kapitalismusund sogar vor dem Kapitalismus gegeben. Das auf Sklaverei beruhende Rom triebKolonialpolitik und war imperialistisch. Aber „allgemeine“ Betrachtungen über denImperialismus, die den radikalen Unterschied zwischen den ökonomischenGesellschaftsformationen vergessen oder in den Hintergrund schieben, arten unvermeidlichin leere Banalitäten oder Flunkereien aus, wie etwa der Vergleich des „größeren Rom mitdem größeren Britannien“181. Selbst die kapitalistische Kolonialpolitik der früheren Stadiendes Kapitalismus unterscheidet sich wesentlich von der Kolonialpolitik des Finanzkapitals.Die grundlegende Besonderheit des modernen Kapitalismus ist die Herrschaft derMonopolverbände der Großunternehmer. Derartige Monopole sind am festesten, wenn alleRohstoffquellen in einer Hand zusammengefaßt werden, und wir haben gesehen, wie eifrigdie internationalen Kapitalistenverbände bemüht sind, dem Gegner jede Konkurrenzunmöglich zu machen, wie eifrig sie bemüht sind, z.B. Eisenerzlager oder Petroleumquellenusw. aufzukaufen. Einzig und allein der Kolonialbesitz bietet volle Gewähr für den Erfolg derMonopole gegenüber allen Zufälligkeiten im Kampfe mit dem Konkurrenten – bis zu einersolchen Zufälligkeit einschließlich, daß der Gegner auf den Wunsch verfallen könnte, sichhinter ein Gesetz über ein Staatsmonopol zu verschanzen. Je höher entwickelt derKapitalismus, je stärker fühlbar der Rohstoffmangel, je schärfer ausgeprägt die Konkurrenzund die Jagd nach Rohstoffquellen in der ganzen Welt sind, desto erbitterter ist der Kampfum die Erwerbung von Kolonien.„Es kann sogar“, schreibt Schilder, „die manchen vielleicht paradox erscheinendeBehauptung gewagt werden, daß das Wachstum der städtisch-industriellen Bevölkerungenin irgendwie absehbarer Zeit weit eher durch nicht genügende Mengen der zur Verfügungstehenden industriellen Rohstoffe als durch irgendeinen Mangel an Nahrungsmittelnaufgehalten werden könnte.“ Es mangelt beispielsweise zusehends an Holz, das immerteurer wird, an Leder, an Rohstoffen für die Textilindustrie. „Als Beispiele für dieBemühungen industrieller Verbände, den Ausgleich zwischen Landwirtschaft und Industrieinnerhalb der gesamten Weltwirtschaft durchzuführen, wären zu erwähnen: der seit 1904bestehende internationale Verband der Baumwollspinner-Vereine in den wichtigstenIndustriestaaten, der nach diesem Muster im Jahre 1910 begründete Verband dereuropäischen Leinenspinner-Vereine.“182Natürlich versuchen bürgerliche Reformer, darunter besonders die Kautskyaner von heute,die Bedeutung derartiger Tatsachen durch den Hinweis abzuschwächen, daß man Rohstoffeohne die „kostspielige und gefährliche“ Kolonialpolitik auf dem freien Markt erhalten „könne“,daß man das Angebot an Rohstoffen durch „einfache“ Hebung der Landwirtschaft überhauptgewaltig steigern „könne“. Aber derartige Hinweise verwandeln sich in eine Apologie desImperialismus, in dessen Beschönigung, denn sie beruhen auf der Außerachtlassung derwichtigsten Besonderheit des modernen Kapitalismus: der Monopole. Der freie Markt rücktimmer mehr in die Vergangenheit, monopolistische Syndikate und Trusts engen ihn von Tagzu Tag mehr ein, die „einfache“ Hebung der Landwirtschaft aber läuft auf eine Hebung derLage der Massen, auf eine Erhöhung der Löhne und eine Verminderung des Profits hinaus.182 Schilder, a.a.O., S.38-42181 C. P. Lucas, Greater Rome and Greater Britain, Oxf. 1912 oder Earl of Cromer, Ancient andModern Imperialism, L. 1910236
Wo existieren jedoch, außer in der Phantasie süßlicher Reformer, Trusts, die fähig wären,sich um die Lage der Massen zu kümmern, anstatt Kolonien zu erobern?Nicht allein die bereits entdeckten Rohstoffquellen sind für das Finanzkapital vonBedeutung, sondern auch die eventuell noch zu erschließenden, denn die Technik entwickeltsich in unseren Tagen mit unglaublicher Geschwindigkeit, und Ländereien, die heuteunbrauchbar sind, können morgen brauchbar gemacht werden, sobald neue Verfahrengefunden (dazu kann eine Großbank eine besondere Expedition von Ingenieuren,Agronomen usw. ausrüsten) und größere Kapitalien aufgewandt werden. Dasselbe läßt sichüber Schürfungen von Minerallagerstätten, über neue Methoden der Bearbeitung undNutzbarmachung dieser oder jener Rohstoffe usw. usf. sagen. Daher das unvermeidlicheStreben des Finanzkapitals nach Erweiterung des Wirtschaftsgebietes, ja des Gebietesschlechthin. Wie die Trusts ihr Vermögen auf Grund einer doppelten oder dreifachenSchätzung kapitalisieren, indem sie die in Zukunft „möglichen“ (aber gegenwärtig nichtvorhandenen) Profite und die weiteren Ergebnisse des Monopols in Rechnung stellen, so istauch das Finanzkapital im allgemeinen bestrebt, möglichst viel Ländereien an sich zureißen, gleichviel welche, gleichviel wo, gleichviel wie, immer auf mögliche Rohstoffquellenbedacht und von Angst erfüllt, in dem tollen Kampf um die letzten Stücke der unverteiltenWelt oder bei der Neuverteilung der bereits verteilten Stücke zu kurz zu kommen.Die englischen Kapitalisten sind auf jede Art und Weise bemüht, die Baumwollproduktion inihrer Kolonie Ägypten zu fördern – im Jahre 1904 waren von 2,3 Millionen Hektar Kulturlandin Ägypten bereits 0,6 Mill., d.h. mehr als ein Viertel, mit Baumwolle bepflanzt –, die Russenin ihrer Kolonie Turkestan, denn auf diese Weise können sie ihre ausländischenKonkurrenten leichter schlagen, können sie die Rohstoffquellen leichter monopolisieren undeinen sparsamer wirtschaftenden und profitableren Textiltrust schaffen mit „kombinierter“Produktion, mit Konzentration aller Stadien der Baumwollerzeugung und -verarbeitung ineiner Hand.Die Interessen des Kapitalexports drängen ebenfalls zur Eroberung von Kolonien, denn aufdem Kolonialmarkt ist es leichter (und mitunter einzig und allein auch möglich), durchmonopolistische Mittel den Konkurrenten auszuschalten, sich Lieferungen zu sichern,entsprechende „Verbindungen“ zu festigen u.a.m.Der außerökonomische Überbau, der sich auf der Grundlage des Finanzkapitals erhebt,seine Politik, seine Ideologie steigern den Drang nach kolonialen Eroberungen. „DasFinanzkapital will nicht Freiheit, sondern Herrschaft“, sagt Hilferding mit Recht. Undgleichsam in Erweiterung und Ergänzung des oben zitierten Gedankens von Cecil Rhodesschreibt ein bürgerlicher französischer Schriftsteller, daß den ökonomischen Ursachen dermodernen Kolonialpolitik soziale hinzugefügt werden müssen: „Infolge der zunehmendenSchwierigkeiten des Lebens, die nicht nur auf den Arbeitermassen, sondern auch auf denMittelklassen lasten, sieht man, wie sich in allen Ländern der alten Zivilisation ‚Ungeduld,Empörung und Haß ansammeln, die den öffentlichen Frieden bedrohen, wie sichdeklassierte Energien, tumultuarische Gewalten anhäufen, die es einzudämmen gilt, um siefür irgendeine große Sache außerhalb des Landes zu gebrauchen, soll nicht eine Explosionim Innern erfolgen‘.“183183 Wahl, La France aux colonies, zitiert bei Henri Russier, Le partage de l’Océanie, P. 1905, S.165237
Spricht man von der Kolonialpolitik in der Epoche des kapitalistischen Imperialismus, dannmuß bemerkt werden, daß das Finanzkapital und die ihm entsprechende internationalePolitik, die auf einen Kampf der Großmächte um die ökonomische und politische Aufteilungder Welt hinausläuft, eine ganze Reibe von Übergangsformen der staatlichen Abhängigkeitschaffen. Typisch für diese Epoche sind nicht nur die beiden Hauptgruppen von Ländern –die Kolonien besitzenden und die Kolonien selber –, sondern auch die verschiedenartigenFormen der abhängigen Länder, die politisch, formal selbständig, in Wirklichkeit aber in einNetz finanzieller und diplomatischer Abhängigkeit verstrickt sind. Auf eine dieser Formen,die Halbkolonien, haben wir bereits hingewiesen. Ein Musterbeispiel für eine andere Form istz.B. Argentinien.„Das südliche Südamerika, insbesondere Argentinien“, schreibt Schulze-Gaevernitz inseinem Werk über den britischen Imperialismus, „findet sich in solcher finanziellerAbhängigkeit von London, daß es fast als englische Handelskolonie zu bezeichnen ist.“184Die in Argentinien investierten Kapitalien Englands schätzt Schilder auf Grund desJahresberichtes des österreichisch-ungarischen Konsuls in Buenos Aires für 1909 auf 8¾Milliarden Francs. Man kann sich leicht vorstellen, mit wie festen Banden infolgedessen dasFinanzkapital Englands – und sein treuer „Freund“, die Diplomatie – mit der BourgeoisieArgentiniens und den führenden Kreisen seines gesamten wirtschaftlichen und politischenLebens verknüpft ist.Eine etwas anders geartete Form finanzieller und diplomatischer Abhängigkeit, beipolitischer Unabhängigkeit, bietet uns Portugal. Portugal ist ein selbständiger, souveränerStaat, aber faktisch steht es seit mehr als 200 Jahren, seit dem spanischen Erbfolgekrieg(1704-1714), unter dem Protektorat Englands. England verteidigte Portugal und dessenKolonialbesitz, um seine eigene Position im Kampfe gegen seine Gegner, Spanien undFrankreich, zu stärken. Dafür erhielt England Handelsprivilegien, bessere Bedingungen beimWarenexport und besonders beim Kapitalexport nach Portugal und seinen Kolonien, dieMöglichkeit, die Häfen und Inseln Portugals zu benutzen, seine Kabel usw. usf.185 DerartigeBeziehungen zwischen einzelnen großen und kleinen Staaten hat es immer gegeben, aberin der Epoche des kapitalistischen Imperialismus werden sie zum allgemeinen System,bilden sie einen Teil der Gesamtheit der Beziehungen bei der „Aufteilung der Welt“ undverwandeln sich in Kettenglieder der Operationen des Weltfinanzkapitals.Um die Frage der Aufteilung der Welt abzuschließen, müssen wir noch folgendes bemerken.Nicht nur die amerikanische Literatur nach dem Spanisch-Amerikanischen und die englischeLiteratur nach dem Burenkrieg haben Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts dieseFrage ganz offen und bestimmt aufgeworfen; nicht nur die deutsche Literatur, die dem„britischen Imperialismus“ am „eifersüchtigsten“ nachspürte, hat diese Tatsachesystematisch bewertet. Auch in der französischen bürgerlichen Literatur wurde diese Frageziemlich bestimmt und breit gestellt, soweit dies vom bürgerlichen Standpunkt denkbar ist.Wir verweisen auf den Historiker Driault, der in seinem Buch Die politischen und sozialenProbleme Ende des 19. Jahrhunderts in dem Kapitel Die Großmächte und die Aufteilung der185 Schilder, a.a.O., I, S.160/161184 Schulze-Gaevernitz, Britischer Imperialismus und englischer Freihandel zu Beginn deszwanzigsten Jahrhunderts, Lpz. 1906, S.318. Dasselbe sagt Sartorius v. Waltershausen, Dasvolkswirtschaftliche System der Kapitalanlage im Auslande, Berlin 1907, S.46.238
Welt folgendes schrieb: „In diesen letzten Jahren wurden alle unbesetzten Gebiete desErdballs, außer China, von den Mächten Europas und Nordamerikas erobert; es kam zueinigen Konflikten und Einflußverschiebungen, die Vorboten noch furchtbarererErschütterungen in der nahen Zukunft sind. Denn man muß sich beeilen: die Nationen, dienicht versorgt sind, riskieren, es niemals zu werden und nicht an der ungeheurenAusbeutung der Erde teilnehmen zu können, die eine der wesentlichsten Tatsachen deskommenden“ (d.h. des 20.) „Jahrhunderts sein wird. Das ist der Grund, weshalb Europa undAmerika vor kurzem von einem Fieber der kolonialen Expansion erfaßt worden sind, des‚Imperialismus‘, der den markantesten Charakterzug des Ausgangs des 19. Jahrhundertsbildet.“ Und der Verfasser fügte hinzu: „Bei dieser Aufteilung der Welt, bei dieserwahnwitzigen Jagd nach den Schätzen und Großmärkten der Erde steht die relativeBedeutung der in diesem (dem 19.) Jahrhundert gegründeten Reiche in gar keinemVerhältnis zu der Stellung, die die Nationen, von denen sie gegründet wurden, in Europaeinnehmen. Die Mächte, die in Europa dominieren und über sein Schicksal entscheiden,dominieren nicht in gleicher Weise in der Welt. Und da die koloniale Größe, die Hoffnung aufnoch ungezählte Reichtümer, offenbar auf die relative Bedeutung der europäischen Staatenzurückwirken wird, hat die Kolonialfrage, der ‚Imperialismus‘, wenn man will, die politischenVerhältnisse in Europa selbst schon verändert und wird sie immer mehr verändern.“186Der Platz des Imperialismus in der GeschichteWir haben gesehen, daß der Imperialismus seinem ökonomischen Wesen nachMonopolkapitalismus ist. Schon dadurch ist der historische Platz des Imperialismusbestimmt, denn das Monopol, das auf dem Boden der freien Konkurrenz und eben aus derfreien Konkurrenz erwächst, bedeutet den Übergang von der kapitalistischen zu einerhöheren ökonomischen Gesellschaftsformation. Es sind insbesondere vier Hauptarten derMonopole oder Haupterscheinungsformen des Monopolkapitalismus hervorzuheben, die fürdie in Betracht kommende Epoche charakteristisch sind.Erstens: Das Monopol ist aus der Konzentration der Produktion auf einer sehr hohen Stuteihrer Entwicklung erwachsen. Das sind die Monopolverbände der Kapitalisten, die Kartelle.Syndikate und Trusts. Wir sahen, welch gewaltige Rolle sie im heutigen Wirtschaftslebenspielen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewannen sie in den fortgeschrittenen Ländern dasvöllige Übergewicht, und wenn die ersten Schritte auf dem Wege der Kartellierung zuerstvon Ländern mit hohen Schutzzöllen (Deutschland, Amerika) getan wurden, so hat Englandmit seinem Freihandelssystem nur wenig später dieselbe grundlegende Tatsacheaufzuweisen: die Entstehung der Monopole aus der Konzentration der Produktion.Zweitens: Die Monopole haben in verstärktem Maße zur Besitzergreifung der wichtigstenRohstoffquellen geführt, besonders in der ausschlaggebenden und am meisten kartelliertenIndustrie der kapitalistischen Gesellschaft: der Kohlen- und Eisenindustrie. Diemonopolistische Beherrschung der wichtigsten Rohstoffquellen hat die Macht des186 J. E. Driault, Les problèmes politiques et sociaux, P. 1907, S.299239
Großkapitals ungeheuer gesteigert und den Gegensatz zwischen der kartellierten undnichtkartellierten Industrie verschärft.Drittens: Das Monopol ist aus den Banken erwachsen. Diese haben sich aus bescheidenenVermittlungsunternehmungen zu Monopolisten des Finanzkapitals gewandelt. Drei bis fünfGroßbanken einer beliebigen der kapitalistisch fortgeschrittensten Nationen haben zwischenIndustrie- und Bankkapital eine „Personalunion“ hergestellt und in ihrer Hand dieVerfügungsgewalt über Milliarden und aber Milliarden konzentriert, die den größten Teil derKapitalien und der Geldeinkünfte des ganzen Landes ausmachen. Eine Finanzoligarchie, dieein dichtes Netz von Abhängigkeitsverhältnissen über ausnahmslos alle ökonomischen undpolitischen Institutionen der modernen bürgerlichen Gesellschaft spannt – das ist diekrasseste Erscheinungsform dieses Monopols.Viertens: Das Monopol ist aus der Kolonialpolitik erwachsen. Den zahlreichen „alten“Motiven der Kolonialpolitik fügte das Finanzkapital noch den Kampf um Rohstoffquellenhinzu, um Kapitalexport, um „Einflußsphären“ d.h. um Sphären für gewinnbringendeGeschäfte, Konzessionen, Monopolprofite usw. – und schließlich um das Wirtschaftsgebietüberhaupt. Als z.B. die europäischen Mächte mit ihren Kolonien erst den zehnten Teil vonAfrika besetzt hatten, wie es noch 1876 der Fall war, da konnte sich die Kolonialpolitik aufnichtmonopolistische Weise entfalten, in der Art einer sozusagen „freibeuterischen“Besetzung des Landes. Als aber neun Zehntel Afrikas bereits besetzt waren (gegen 1900),als die ganze Welt verteilt war, da begann unvermeidlich die Ära des monopolistischenKolonialbesitzes und folglich auch eines besonders verschärften Kampfes um die Aufteilungund Neuaufteilung der Welt.Wie sehr der monopolistische Kapitalismus alle Widersprüche des Kapitalismus verschärfthat, ist allgemein bekannt. Es genügt, auf die Teuerung und auf den Druck der Kartellehinzuweisen. Diese Verschärfung der Gegensätze ist die mächtigste Triebkraft dergeschichtlichen Übergangsperiode, die mit dem endgültigen Sieg des internationalenFinanzkapitals ihren Anfang genommen hat.Monopole, Oligarchie, das Streben nach Herrschaft statt nach Freiheit, die Ausbeutung einerimmer größeren Anzahl kleiner oder schwacher Nationen durch ganz wenige reiche odermächtige Nationen – all das erzeugte jene Merkmale des Imperialismus, die unsveranlassen, ihn als parasitären oder in Fäulnis begriffenen Kapitalismus zu kennzeichnen.Immer plastischer tritt als eine Tendenz des Imperialismus die Bildung des „Rentnerstaates“,des Wucherstaates hervor, dessen Bourgeoisie in steigendem Maße von Kapitalexport und„Kuponschneiden“ lebt. Es wäre ein Fehler, zu glauben, daß diese Fäulnistendenz einrasches Wachstum des Kapitalismus ausschließt; durchaus nicht, einzelne Industriezweige,einzelne Schichten der Bourgeoisie und einzelne Länder offenbaren in der Epoche desImperialismus mehr oder minder stark bald die eine, bald die andere dieser Tendenzen. Imgroßen und ganzen wächst der Kapitalismus bedeutend schneller als früher, aber diesesWachstum wird nicht nur im allgemeinen immer ungleichmäßiger, sondern dieUngleichmäßigkeit äußert sich auch im besonderen in der Fäulnis der kapitalkräftigstenLänder (England).Über die Schnelligkeit der ökonomischen Entwicklung Deutschlands sagt Riesser, derVerfasser des Werkes über die deutschen Großbanken: „Der nicht gerade langsame240
Fortschritt der vorigen Epoche (1848-1870) verhält sich zu der Schnelligkeit, mit derDeutschlands Gesamtwirtschaft und mit ihr das deutsche Bankwesen in dieser Periode(1870-1905) vorwärtskam, etwa so, wie das Tempo der Postkutsche des HeiligenRömischen Reiches Deutscher Nation zu dem Fluge des heutigen Automobils, dessen ...Dahinsausen allerdings auch manchmal sowohl den harmlos dahinziehenden Fußgängerwie die Insassen selbst gefährdet.“ Seinerseits hätte dieses ungewöhnlich schnellgewachsene Finanzkapital gerade deshalb, weil es so schnell gewachsen ist, nichtsdagegen, zu einem „ruhigeren“ Besitz der Kolonien überzugehen, die den reicherenNationen, und zwar nicht nur mit friedlichen Mitteln, entrissen werden können. In denVereinigten Staaten ging die ökonomische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten nochrascher vor sich als in Deutschland, und gerade dank diesem Umstand kamen dieparasitären Züge des jüngsten amerikanischen Kapitalismus besonders kraß zumVorschein. Anderseits zeigt ein Vergleich, sagen wir, der republikanischen amerikanischenBourgeoisie mit der monarchistischen japanischen oder deutschen, daß auch der stärkstepolitische Unterschied in der Epoche des Imperialismus in hohem Grade abgeschwächt wird– nicht etwa, weil er überhaupt unwichtig wäre, sondern weil es sich in allen diesen Fällenum eine Bourgeoisie mit ausgesprochen parasitären Zügen handelt.Dadurch, daß die Kapitalisten eines Industriezweiges unter vielen anderen oder einesLandes unter vielen anderen usw. hohe Monopolprofite herausschlagen, bekommen sieökonomisch die Möglichkeit, einzelne Schichten der Arbeiter, vorübergehend sogar eineziemlich bedeutende Minderheit der Arbeiter zu bestechen und sie auf die Seite derBourgeoisie des betreffenden Industriezweiges oder der betreffenden Nation gegen alleübrigen hinüberzuziehen. Diese Tendenz wird durch den verschärften Antagonismuszwischen den imperialistischen Nationen wegen der Aufteilung der Welt noch verstärkt. Soentsteht der Zusammenhang von Imperialismus und Opportunismus, der sich am frühestenund krassesten in England auswirkte, weil dort gewisse imperialistische Züge derEntwicklung bedeutend früher als in anderen Ländern zutage traten. Manche Schriftsteller,z.B. L. Martow, möchten sich über die Tatsache, daß Imperialismus und Opportunismus inder Arbeiterbewegung zusammenhängen – eine Tatsache, die jetzt ganz besonders in dieAugen springt –, gern hinwegsetzen, und zwar mit dem „amtlichen Optimismus“ (im GeisteKautskys und Huymans’) von Betrachtungen folgender Art: Die Sache der Gegner desKapitalismus wäre hoffnungslos, wenn gerade der fortgeschrittene Kapitalismus zurVerstärkung des Opportunismus führte oder wenn gerade die bestbezahlten Arbeiter zumOpportunismus neigten u.dgl.m. Man darf sich über die Bedeutung eines solchen„Optimismus“ nicht täuschen. Es ist ein Optimismus hinsichtlich des Opportunismus, es istein Optimismus, der der Verhüllung des Opportunismus dient. In Wirklichkeit ist diebesonders schnelle und besonders widerwärtige Entwicklung des Opportunismuskeineswegs eine Garantie für seinen dauernden Sieg, wie auch die schnelle Entwicklungeines bösartigen Geschwürs an einem gesunden Organismus nur das Aufbrechen desGeschwürs, die Befreiung des Organismus von diesem beschleunigen kann. Amgefährlichsten sind in dieser Hinsicht Leute, die nicht verstehen wollen, daß der Kampfgegen den Imperialismus eine hohle, verlogene Phrase ist, wenn er nicht unlöslich verknüpftist mit dem Kampf gegen den Opportunismus.Aus allem, was über das ökonomische Wesen des Imperialismus gesagt wurde, geht hervor,daß er charakterisiert werden muß als Übergangskapitalismus oder, richtiger, als sterbenderKapitalismus. Höchst aufschlußreich ist in dieser Hinsicht, daß die Schlagworte der241
bürgerlichen Ökonomen, die den jüngsten Kapitalismus beschreiben, „Verflechtung“, „Fehlender Isoliertheit“ usw. heißen; die Banken seien „Unternehmungen, die nach ihren Aufgabenund nach ihrer Entwicklung nicht einen rein privatwirtschaftlichen Charakter haben und dieimmer mehr aus der Sphäre der rein privatrechtlichen Regelung herauswachsen“. Undderselbe Riesser, von dem diese Worte stammen, erklärt mit todernster Miene, daß sich die„Voraussage“ der Marxisten über die „Vergesellschaftung“ „nicht verwirklicht“ habe!Was bedeutet denn dieses Wörtchen „Verflechtung“? Es erfaßt bloß einen einzelnen, wennauch den auffallendsten Zug des Prozesses, der sich vor unseren Augen abspielt. Es zeigt,daß der Beobachter einzelne Bäume aufzählt, aber den Wald nicht sieht. Es kopiertsklavisch das Äußere, Zufällige, Chaotische. Es verrät uns in dem Beobachter einenMenschen, der von dem unverarbeiteten Material erdrückt wird und sich in dessen Sinn undBedeutung absolut nicht zurechtfindet. „Zufällig verflechten sich“ Aktienbesitz undPrivateigentümerverhältnisse. Aber das, was dieser Verflechtung zugrunde liegt, was ihreGrundlage bildet, sind die sich verändernden gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse.Wenn aus einem Großbetrieb ein Mammutbetrieb wird, der planmäßig, auf Grund genauerrechneter Massendaten, die Lieferung des ursprünglichen Rohmaterials im Umfang vonzwei Dritteln oder drei Vierteln des gesamten Bedarfs für Dutzende von Millionen derBevölkerung organisiert; wenn die Beförderung dieses Rohstoffs nach den geeignetstenProduktionsstätten, die mitunter Hunderte und Tausende Meilen voneinander entfernt sind,systematisch organisiert wird; wenn von einer Zentralstelle aus alle aufeinanderfolgendenStadien der Verarbeitung des Materials bis zur Herstellung der verschiedenartigstenFertigprodukte geregelt werden; wenn die Verteilung dieser Produkte auf Dutzende undHunderte von Millionen Konsumenten nach einem einzigen Plan geschieht(Petroleumabsatz in Amerika wie in Deutschland durch den amerikanischen Petroleumtrust)– dann wird es offensichtlich, daß wir es mit einer Vergesellschaftung der Produktion zu tunhaben und durchaus nicht mit einer bloßen „Verflechtung“; daß privatwirtschaftliche undPrivateigentumsverhältnisse eine Hülle darstellen, die dem Inhalt bereits nicht mehrentspricht und die daher unvermeidlich in Fäulnis übergehen muß, wenn ihre Beseitigungkünstlich verzögert wird, eine Hülle, die sich zwar verhältnismäßig lange in diesemFäulniszustand halten kann (wenn schlimmstenfalls die Gesundung von demopportunistischen Geschwür auf sich warten lassen sollte), die aber dennoch unvermeidlichbeseitigt werden wird.Schulze-Gaevernitz, ein begeisterter Anhänger des deutschen Imperialismus, ruft aus:„Ist die letzte Leitung der deutschen Bankwelt einem Dutzend von Männern anvertraut, so istderen Tätigkeit schon heute für das Volkswohl bedeutsamer als die der meistenStaatsminister“ (die „Verflechtung“ der Bankiers, Minister, Industriellen und Rentner vergißtman hier lieber ...). „Denken wir uns die aufgewiesenen Entwicklungstendenzen bis zumletzten erreicht: das Geldkapital der Nation in den Banken vereinigt, diese selbstkartellmäßig verbunden, das Anlagekapital der Nation in Effektenform gegossen. Dannverwirklicht sich das geniale Wort Saint-Simons: ‚Die heutige Anarchie in der Produktion, dieder Tatsache entspringt, daß sich die ökonomischen Beziehungen ohne einheitlicheRegelung abwickeln, muß einer Organisation der Produktion weichen. Es werden nicht mehrisolierte Unternehmer sein, die unabhängig voneinander, ohne Kenntnis der ökonomischenBedürfnisse des Menschen, die Produktionsgestaltung bewirken, sondern diese wird einersozialen Institution zufallen. Eine zentrale Verwaltungsbehörde, die von erhöhtem242
Standpunkt aus das weite Gebiet der sozialen Ökonomie zu überblicken vermag, wird diesein einer der Gesamtheit dienlichen Weise regulieren und die Produktionsmittel dengeeigneten Händen überweisen, namentlich wird sie für eine ständige Harmonie zwischenProduktion und Konsumtion sorgen. Es gibt Institutionen, die eine gewisse Organisation derwirtschaftlichen Arbeit in ihren Aufgabenkreis einbezogen haben: die Banken.' Noch sind wirvon der Verwirklichung diese Wortes entfernt, aber wir befinden uns auf dem Wege zuseiner Verwirklichung – Marxismus anders, und doch nur in der Form anders, als Marx sichihn dachte!“187Man muß schon sagen: Eine schöne „Widerlegung“ von Marx, die einen Schritt rückwärtsmacht von der exakten wissenschaftlichen Analyse Marx’ zur Vorahnung Saint-Simons, diezwar genial, aber doch nur eine Vorahnung war.Kurt GossweilerBrief an die MLPDWerter Genosse Briese,zuerst muss ich mich bei Dir dafür entschuldigen, dass ich erst jetzt dazu komme, Dirdie lange versprochene Antwort auf Deinen Brief zu senden. Vergessen habe ichdieses Versprechen aber nie, aber es kam immer wieder zu viel dazwischen, das keinenAufschub duldete.188Dein Brief fordert eine gründliche Antwort und eine fundierte Begründung meinesWiderspruchs zu Deiner und Deiner Partei Positionen in grundsätzlichen Fragen.Vorher aber ein paar Bemerkungen darüber, wie ich auf Euch aufmerksam wurde,und was ich an Eurer „Roten Fahne” schätze. Erstmals fiel mir Euer Stand bei derLiebknecht-Luxemburg-Demo in Friedrichsfelde im Januar 1991 auf. Mein Interessehat Euer Emblem mit den fünf Köpfen erweckt. Ich sagte mir, wer ein solches Emblem wählt,der müsste mit mir gemeinsam haben, dass er ein Gegner des Revisionismus ist. Ich kauftemir deshalb einige der dort angebotenen Materialien und abonnierte Eure Zeitung, einesteilsaus dem Wunsch, mich über Eure Positionen zu informieren über einen längeren Zeitraumhinweg, zum anderen aus Solidarität mit EuremAntirevisionismus. Was ich bei Euch bemerkenswert finde, ist erstens Eure zielstrebigeJugendarbeit, zum anderen die starke Orientierung auf die Betriebsarbeit.Aber wie Du ja aus meiner Zuschrift an die Zeitung, die Deine Antwort provozierthat, weißt, kann ich mich mit einigen Grundpositionen der MLPD nicht anfreunden.Mit welchen und warum, Dir das zu sagen bin ich Dir aufgrund Deines ausführlichenBriefes an mich schuldig.188 Kommentar des Herausgebers der offen-siv: “Es handelt sich um einen Brief Kurt Gossweilersvom 6.11.1994. Dieser Brief kursiert leicht gekürzt auch im Internet. Aus ihrer Korrespondenz mit KurtGossweiler hat uns Ursula Münch eine Kopie dieses Briefes zugesandt. Wir veröffentlichen ihn hieraus zwei Gründen: erstens, weil wir mehrere Anfragen bekommen haben mit der Bitte um eineAnalyse/Einschätzung der MLPD und zweitens, weil der Brief ungekürzt bisher nicht erhältlich war.”187 Grundriß der Sozialökonomik, S.146243
Ich bin seit meinem 14. Lebensjahr, seit 1931, in der kommunistischen Bewegungorganisiert; daher geht es mir heute darum, was in meinen Kräften steht dazu beizutragen,dass die Kommunisten in Deutschland, die jetzt in zwei Hauptparteien – derPDS und der DKP – und in einer viel zu großen Zahl kleinerer Organisationen verstreut sind,Kontakt miteinander aufnehmen und diesen ausbauen, um sich über eineZusammenarbeit zu verständigen, aus der heraus in einem mehr oder weniger langenProzess wieder eine gemeinsame Kommunistische Partei Deutschlands erwachsenkann und muss.Die MLPD könnte und müsste dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Doch so, wie sieheute beschaffen ist, ist sie dazu – wie ich es sehe – leider nicht imstande. Die Gründesehe ich genau in den Ansichten, die Du in Deinem Brief zu begründen suchst.Du schreibst: „Du weißt, dass die MLPD der Auffassung ist, dass in der DDR derKapitalismus restauriert worden ist und eine Form des bürokratischen Kapitalismusgeherrscht hat.”Ja, das weiß ich, und ich weiß auch, dass diese Auffassung abgeleitet ist von derEinschätzung der Sowjetunion als eines sozialimperialistischen Staates seit dem 20.Parteitag der KPdSU im Jahre 1956. So steht es doch in Eurer Schrift „Sozialismus amEnde?” auf S. 32: „…im Februar 1956 (gelang es) der Chruschtschow-Clique aufdem XX. Parteitag der KPdSU…, die Macht zu usurpieren und auf dieser Grundlageeine Restauration des Kapitalismus durchzusetzen…Es war das ein Kapitalismusneuen Typs: ein bürokratischer Kapitalismus!” Und im Grundsatzprogramm derMLPD von 1982 heißt es im Abschnitt C, Punkt 4: „Die Sowjetunion…ist heute neben denUSA der mächtigste Hort der weltweiten Reaktion, Ausbeutung und imperialistischenKriegsvorbereitung.”Darüber, dass mit Chruschtschow ein Exponent des modernen Revisionismus sich andie Spitze der KPdSU gemogelt hat, dessen Ziel die Restauration des Kapitalismuswar, gibt es zwischen uns keine Meinungsverschiedenheiten. Das argwöhnte undbefürchtete ich ziemlich bald nach dem 20. Parteitag; dessen war ich mir sicher nachder ungarischen Konterrevolution vom Herbst 1956. Aber genauso sicher war ich mirauch, dass die Chruschschow-Clique nicht die ganze KPdSU war; ChruschtschowsMachterschleichung bedeutete eine große Gefahr für den Sozialismus, aber nochkeineswegs die Liquidierung des Sozialismus und die Umwandlung der Sowjetunionin einen kapitalistischen Staat.Eure gegenteilige Behauptung steht im Widerspruch zu den Tatsachen, ist deshalbauch theoretisch unhaltbar und hat die verhängnisvollsten Folgen für Eure Position imKlassenkampf. Diese Eure Position wirft überdies Fragen auf, auf die Ihr eine überzeugendeAntwort schuldig bleiben müsst.Nach Eurer Ansicht genügt ein Personenwechsel an der Spitze und ein Parteitag, umdie Ergebnisse der bisher gewaltigsten Revolution der Menschheitsgeschichte von 36Jahren Sowjetmacht zunichte zu machen.Wenn ich das für möglich halten soll, dann muss ich entweder an Wunder glauben,oder aber ich muss annehmen, dass der Sozialismus vor dem 20. Parteitag bereits so244
unterminiert war, dass er quasi über Nacht ohne jedwede konterrevolutionäreGewaltanwendung weggepustet werden konnte. Dann wäre aber der Beginn derrestaurativen Entwicklung nicht erst beim 20. Parteitag und bei Chruschtschow anzusetzen,sondern schon – wie das die Trotzkisten seit eh und je tun – bei Stalin.Das wollt Ihr nicht, und das zu Recht. Aber dadurch geratet Ihr in eine ArtErklärungsnotstand. Den versucht Ihr zu überbrücken mit der Feststellung, Stalin hab einengroßen Fehler gemacht: er habe die ideologische Arbeit vernachlässigt und nicht starkgenug gegen die Bürokratie gekämpft. Damit habe er zugelassen, dass in Gestalt der„Bürokratie neuen Typs” eine neue Bourgeoisie (!) entstanden sei, die auf dem 20.Parteitag die Macht usurpiert und die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetuniondurchgesetzt habe. Seitdem sei die Sowjetunion – und seien alle mit ihr verbündeten Länderdes RGW und des Warschauer Paktes – keine sozialistischen Ländermehr gewesen, sondern Staaten eines neuen Typs von Kapitalismus, des „bürokratischenKapitalismus”. Dies ist die Lehre, die Euer Klassiker Willi Dickhut verkündethat, und die für Euch gewissermaßen das Herzstück Eures besonderenParteiverständnisses ist.Aber lange vor Willi Dickhut haben die Trotzkisten in der „Sowjetbürokratie” dieneue Kapitalistenklasse „entdeckt”. Die fatalste Konsequenz dieser Eurer Position istes, dass Ihr dank dieser „Lehre” in einer Front mit dem Trotzkismus und dem Imperialismusim Kampf gegen die Sowjetunion und die sozialistischen Lände standet.Was ist das nun für ein „neuer Kapitalismus-Typ”, der in der Sowjetunion und auchbei uns in der DDR geherrscht haben soll? Eine genaue Untersuchung ergibt zweifelsfrei,dass dies in der Tat ein ganz neuer Typ Kapitalismus ist, einer nämlich, dem allewesentlichen Merkmale des Kapitalismus fehlen!Bisher jedenfalls waren sich die Marxisten einig, dass der Kapitalismus jeglicherSpielart und jeglichen Typs sich durch einige Grundzüge auszeichnet, zu denen unbedingtgehören:1. Ziel der Produktion ist die Erzielung von Mehrwert bzw. Maximalprofit. Deshalbkann von Kapitalismus nur dann gesprochen werden, wenn der erzielte Profit nichtnur dem privaten Konsum der Eigentümer der Produktionsmittel dient, sondern erneutals Kapital angelegt wird – sei es in der Produktion, sei es in Wertpapieren.Ferner: Kapitalismus bedeutet Konkurrenzkampf, national und international. Um ihnzu bestehen, muss das Kapital ständig um die Erhaltung einer hohen Akkumulationsratezwecks Innovation und Erneuerung des Produktionsapparates auf hohem Niveaubemüht sein. Darum ist das Kapital ständig bemüht, die Lohnkosten zu senken ohneRücksicht auf die Lebenshaltung der Lohnabhängigen, der Arbeiter und Angestellten.Was aber fanden wir in den sozialistischen Ländern vor?Für sie war charakteristisch, dass die Akkumulationsrate in den letzten Jahrzehnteständig gekürzt wurde zugunsten des Konsums, der Subventionierung der unter denUnterhaltskosten liegenden Mieten, Fahrpreise, Preise für Grundnahrungsmittel,Kultureinrichtungen, Gesundheitswesen, Kindergärten, kostenloser Abgabe vonSchulbüchern, usw. usf.Das alles kann Euch ja nicht unbekannt geblieben sein. Aber habt Ihr Euch nicht dieFrage gestellt: was ist das für ein merkwürdiger Kapitalismus, der zugunsten derLebenshaltung der Bevölkerung die Akkumulationsrate kürzt?245
2. Zum Kapitalismus jeglichen „Typs” gehört die anarchische Produktion, die Regulierungder Produktion im Nachhinein, durch den „Markt”, ungeachtet der ausgefeilten Planunginnerhalb der Konzerne. Der Maximalprofit als Ziel der Produktionschließt eine gesamtstaatliche Planung aus.Wo, wie in den sozialistischen Staaten, die Lenkung der Produktion nicht auf diesemWege, im Nachhinein durch den Markt, sondern durch einen gesamtstaatlichen Planerfolgt, dessen Planziele die Erzeugung von Gebrauchswerten, nicht aber der Maximalprofitsind, kann von Kapitalismus schlechterdings nicht gesprochen werden.3. Zum Kapitalismus gehört unabdingbar die Verwandlung buchstäblich von Allemzum Leben Notwendigen und aller Produktionsfaktoren in Waren, also auch dermenschlichen Arbeitskraft – und sogar der Menschen selbst. Wo die Arbeitskraft eineWare ist, kann es natürlich kein Recht auf Arbeit geben, ebenso wenig wie ein Rechtauf Wohnen, denn der Boden und die Wohnungen sind Waren und damitSpekulationsobjekte zur Erzielung von Höchstprofiten.Wo es jedoch diese Rechte gibt – und zwar nicht nur auf dem Papier – da kann wiederumvon keinerlei Kapitalismus die Rede sein.In den sozialistischen Ländern gab es diese Rechte; Arbeits- und Obdachlosigkeitwaren bis zur „Rückwärtswende”, bis zum Sieg der Konterrevolution, dort Fremdworte. DerBoden war keine Ware, er wurde – soweit er gesellschaftliches Eigentumwar – zu minimalstem Entgelt zur Nutzung überlassen; Wälder und Gewässer warenAllgemeingut, kein Privatbesitz wie in der BRD und nun auch wieder auf dem Territorium derDDR.4. Welchem Gebiet wir uns auch zuwenden: der Wirtschaft, der Sozialpolitik, derKultur, dem Gesundheitswesen – in allen sozialistischen Ländern – sogar in den meisten vom Revisionismus erfassten Polen und Ungarn – werden wir vergeblich danachsuchen, dass auf ihnen das herrschende Prinzip das der kapitalistischen Profitmachereigewesen ist. Die Staatspolitik war selbst in diesen Ländern noch entscheidend gebunden andie Prinzipien der möglichst umfassenden – natürlich in Abhängigkeit von denmateriellen Möglichkeiten – und möglichst preiswerten Versorgung der Bevölkerungmit allem Lebensnotwendigen.Es genügt, sich hinsichtlich der DDR die Veränderungen vor Augen zu führen, dieseit ihrer Einverleibung in die imperialistische BDR - von Euch freudig als„Wiedervereinigung” begrüßt! - vor sich gegangen sind, etwa die radikale Reduzierung deröffentlichen Büchereien, die massenhafte Schließung von Polikliniken, Kindergärtenundkrippen, die Beseitigung der kostenlosen Gesundheitsbetreuung, die exorbitantenPreissteigerungen besonders bei den Mieten und, und, und, – um zu erkennen, dassuns ein völlig anderes gesellschaftliches System übergestülpt wurde – zu Ungunstender Bevölkerung, zugunsten der kapitalistischen Banken und Konzerne, derVersicherungsunternehmen, der Pharmaindustrie, der großen Medienmogule, der Miethaieund Grundstückspekulanten und all der anderen, die sich an der „Heimholung” der DDRgesundgestoßen haben und noch gesundstoßen. (Ach fast hätte ich sie noch vergessen:die lieben „Altbesitzer” der brandenburgischen, mecklenburgischen und vorpommerschenWälder und Seen, die Herren Fürsten und Grafen, die Junker derer von undzu…die kriegen wir nun alle wieder, und sie kriegen ihre Ländereien wieder, dank der246
von Euch so sehr begrüßten Beseitigung der „staatskapitalistischen” DDR!)5. Zuletzt noch ein Blick auf die Außenpolitik: für die Außenpolitik kapitalistischerLänder ist kennzeichnend, dass sie ihre Konkurrenzgegensätze zurückstellen undsogar vergessen, wenn es darum geht, eine ihnen allen drohende Gefahr revolutionärerEntwicklungen irgendwo zu verhindern oder zu beseitigen. Gegen revolutionäre,antiimperialistische Bewegungen oder gar antiimperialistische Regierungen sind siesich in aller Regel einig und bekämpfen sie bis aufs Messer. Die Beispiele reichenvon der Pariser Kommune, gemeinsam von den miteinander im Kriege liegendenRegierungen Frankreichs und Preußens bis zur Intervention der 14 Mächte gegenSowjetrussland und den UNO-verbrämten USA-Krieg gegen Nordkorea, denCIA-gesteuerten Putsch Pinochets gegen die Allende-Regierung, die vom Imperialismusgesteuerten Kriege der UNITA- und Renamo-Banditen gegen die antiimperialistischenRegierungen in Angola und Mocambique, usw. usf.Es ist wider die Natur des Imperialismus, antiimperialistische Revolutionen und Staaten zuunterstützen oder ihnen gar zum Sieg über den Imperialismus zu verhelfen.Aber genau das haben die Sowjetunion, haben die sozialistischen Staaten getan, genaudas war die Leitlinie ihrer Außenpolitik – trotz aller revisionistischen Schwankungenund Abweichungen von dieser Linie: ohne ihre Hilfe hätte Ägypten nicht den SuezKanal verstaatlichen, hätten die afrikanischen Völker nicht ihre Kolonialherren verjagen,hätte das kubanische Volk trotz Wirtschaftsblockade durch die USA nicht mitdem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft vor deren Haustür beginnen, hätte deskleine Vietnam nicht seinen nicht für möglich gehaltenen Sieg über die SupermachtUSA erringen können. All die großen und kleineren Erfolge der revolutionärenWeltbewegung wären ohne die Existenz und die kräftige Unterstützung durch dieSowjetunion, Volkschina und die anderen sozialistischen Staaten nicht erreichbar gewesen.Genaue deshalb haben – im Gegensatz zu den imperialistischen Machthabern undauch im Gegensatz zu Euch – die Menschen in der so genannten „Dritten Welt”, soweit siedie Befreiung ihrer Länder von imperialistischer Ausbeutung und Unterordnung wünschenund dafür kämpfen – über den Untergang der Sowjetunion und dersozialistischen Länder nicht Freude, sondern Trauer über den Verlust guter Freundeund Verbündeter empfunden.Wie begründet Ihr nun Euer Festhalten an der These vom „bürokratischen Kapitalismus” inden sozialistischen Ländern und an der Behauptung, die Sowjetunion sei„neben den USA mächstigster Hort der weltweiten Reaktion, Ausbeutung undimperialistischen Kriegsvorbereitung” gewesen, trotz all der genannten Tatsachen?Ich muss feststellen, dass Ihr Euch die Argumentation sehr leicht macht. Dafür nur einBeispiel: in „Sozialismus am Ende?” (S. 49) zitiert Ihr einen Satz aus einer längerenRede des sowjetischen Ministerpräsidenten Kossygin vom September 1965, den Ihrso einleitet: Das Neue Ökonomische System in der Sowjetunion “sollte drei Hauptprinzipienverwirklichen”, sodann zitiert Ihr Kossygin: „Die Erhöhung des wissenschaftlichen Niveausder Planung, die Erweiterung der wirtschaftlichen Rechte der Betriebe und die Verstärkungdes ökonomischen Anreizes.”Dieser Satz, in dem nichts enthalten ist, was gegen Grundsätze sozialistischerWirtschaftsführung verstoßen würde, – mit ökonomischen Anreizen wurde schon bei247
Lenin in der Entlohnung bestimmter Kategorien von Werktätigen gearbeitet – wird inEurem Buch ohne den geringsten Versuch einer Beweisführung so kommentiert:„Dahinter verbarg sich die endgültige (!) und vollkommene (!) Durchsetzung deskapitalistischen Prinzips der Gewinnmaximierung zur treibenden Kraft der Wirtschaft…Nunwurde als zentrales Planziel ‚Gewinn und Rentabilität’ offiziell verkündet.”Bedauernswert, wer sich von einer solchen “Beweisführung” überzeugen lässt!Es ist eine Binsenweisheit, dass auch eine sozialistische Wirtschaft rentabel arbeitenund dass sozialistische Betriebe Gewinne erzielen müssen – wo sonst sollten die Mittel fürdie Akkumulation plus für Ausgaben für die gesellschaftlichen Aufgaben desStaates – Schulen, Hochschulen, Gesundheitswesen, Kultur etc. – herkommen? Dashat uns doch schon Marx in seinen Randglossen zum Gothaer Programm beigebracht!Darum ist der „Gewinn” seit eh und je eine ganz wichtige Kategorie in der PolitischenÖkonomie des Sozialismus und ein fester Bestandteil des Wirtschaftsplans einersozialistischen Wirtschaft. Allerdings kommt es in der sozialistischen Wirtschaft in ersterLinie auf die volkswirtschaftliche Rentabilität der Gesamtwirtschaft an, und nichtdarauf, dass jeder einzelne Betrieb Gewinn abwirft.189Erinnert sei auch an die Ausführungen G.M. Malenkows auf dem 19. Parteitag derKPdSU im Oktober 1952, der kritisch vermerkte: „…statt des im Plan vorgesehenenGewinns von 2,9 Mrd. Rubel ließen die Bauorganisationen in diesem Jahr einen Verlust inHöhe von 2,5 Mrd. Rubel zu.”190Wo aber ist bei Kossygin die Rede davon, dass der Gewinn „zentrales Planziel” sei,wie bei Euch behauptet? Davon ist bei ihm ebenso wenig die Rede wie bei Malenkow. Der –ich will mich mal vorsichtig ausdrücken – „Fehler” in Eurer Darstellung ist, dass Ihrsuggeriert, wenn Kossygin von Gewinn spricht, dann sei damit selbstverständlich nichtsanderes gemeint als der kapitalistische Gewinn, und dass Ihr dann zweitens behauptet, dassein nun „offiziell als zentrales Planziel” verkündet worden.So überzeugend habt Ihr „bewiesen”, dass in der Sowjetunion der Kapitalismuswiederhergestellt war!Und daraus folgt dann auch sonnenklar, dass die sozialistischen Länder gar keinesozialistischen Länder waren und folglich auch gar keine andere als eine kapitalistischeund imperialistische, kriegstreiberische Außenpolitik treiben konnten.Wie soll man dann aber deren Unterstützung revolutionärer, antiimperialistischer undsozialistischer Staaten erklären?Kein Problem! „Der sowjetische Sozialimperialismus” verwandelte „den WarschauerPakt…in ein aggressives Militärbündnis. Dieser grundlegende Wandel führte dazu,dass der Kampf um die Neuaufteilung der Welt heute vor allem zwischen zweiimperialistischen Blöcken, mit den Supermächten USA und Sowjetunion an der Spitze,ausgetragen wird. Die Rivalität der Supermächte bildet die hauptsächliche Quelle derGefahr des III. Weltkrieges.”191191 Aus dem Grundsatzprogramm der MLPD190 Neue Welt, Heft 22/1952, S. 2715189 Siehe dazu die Ausführungen Stalins in den “Ökonomischen Problemen des Sozialismus”, S. 25248
Wie recht Ihr damit hattet, beweist die Welt von heute: seitdem die östliche Supermachtverschwunden ist, herrscht auf unserer Erde nur noch eitel Frieden …odernicht?Neu und originell ist das alles aber nicht. Genauso wie Ihr - als „Roten Imperialismus” -haben Imperialisten, Sozialdemokraten und Trotzkisten die Außenpolitik derSowjetunion schon immer dargestellt.Aber inzwischen haben wir ja einen Anschauungsunterricht darüber erhalten, wie sicheine tatsächlich nicht mehr sozialistische Sowjetunion verhält: die Gorbatschow-SUhörte auf, ihre ehemaligen Verbündeten und Freunde – wie Kuba – zu unterstützen,und fällt ihnen in den Rücken; sie verkaufte die DDR an den BRD-Imperialismus;(übrigens was habt Ihr eigentlich gegen Gorbatschow einzuwenden? Ihr müsst dochwissen, dass ohne ihn und seine Politik die von Euch so positiv bewertete und sofreudig begrüßte „Wiedervereinigung” nicht stattgefunden hätte!) Eine wirklich nichtmehr sozialistische Sowjetunion ist nicht mehr Gegner, sondern Bundesgenosse derUSA im Krieg gegen die Staaten der „Dritten Welt”, wie uns der Golfkrieg gezeigthat.Euer Buch “Sozialismus am Ende?” ist prallvoll mit Anklagen gegen die Sowjetunionund die DDR, die – leider kann darüber nichts anderes gesagt werden – von der gleichenGüte sind, wie das bereits vorgeführte Beispiel. Ich will nur noch ein einzigesanführen und an ihm demonstrieren, wie haltlos und bar jeder Kenntnis der tatsächlichenVerhältnisse die Anklagen sind.Da heißt es über Breschnew: „1968 schlug Breschnew unbarmherzig zu, als sich inder Tschechoslowakei einige führende Bürokraten verselbständigen wollten.”Mit dem, was damals wirklich geschah, hat diese Feststellung nichts zu tun.Der so genannte „Prager Frühling” war der Versuch tschechoslowakischer Revisionisten –Brüder im Geiste der Tito, Chruschtschow, Gomulka und Kadar – , das besservorbereitet erfolgreich zu Ende zu führen, was im Herbst 1956 in Budapest gescheitert war.Der “Stalinist” Novotny sollte gestürzt und danach mit Hilfe des nunmehrvon den Revisionisten beherrschten Parteiapparates der Weg der „friedlichen”Wiederherstellung der bürgerlichen Republik beschritten werden. Mit der willfährigenGalionsfigur Dubcek als Erstem Sekretär war man bis August 1968 auf diesem Wegeschon fast am Ziel angelangt, weil man dem Volk natürlich nicht sagte, wohin dieReise wirklich gehen sollte, sondern versprach, einen besseren Sozialismus, einenSozialismus „mit menschlichem Antlitz”, zu installieren. Niemand anders als einerder Hauptdrahtzieher dieser konterrevolutionären Verschwörung, Ota Sik, hat jetzt –in der “Welt” vom 5. November 1990 – offenbart, dass dies nur dazu diente, die wahrenAbsichten zu verschleiern: „Wir, der Kern der ökonomischen Reformer”, führteer aus, „versuchten in Prag damals eben nicht den Kommunismus zu reformieren.Unser eigentliches Ziel war es, ihn abzuschaffen und ein neues System aufzubauen.Man hat zwar immerfort von der Reform hin zu einer sozialistischen Demokratie odersozialistischen Marktwirtschaft sprechen müssen, weil man sonst überhaupt nicht andie Öffentlichkeit gelangt wäre.”Immerhin eine Aussage, die auch Euch einigen Anlass zum Nachdenken gäbe!249