GG Magazine Jan/Feb 2020

LIFESTYLE • PERSONALITIES • REAL ESTATE ’20Dezember
Januar
CARO DAUR Februar

Vorbild für Millionen – POWERED BY ENGEL & VÖLKERS
eine Begegnung mit der
SIR DYSON & SON
Digital-Unternehmerin
Das faszinierende
Imperium eines

modernen Erfinders

SIR DAVID ADJAYE

Mit seinem neuen Projekt
vereint der britische

Architekt drei Weltreligionen

APPLE & CO.

Die neuen Headquarters der
größten Tech-Konzerne

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WELCOME

Liebe Leserin, lieber Leser!

chon von Berufs wegen begeistere ich mich für besondere Immobilien, für innovative und nachhal-
tige Architektur. Auf meinen Reisen nach London habe ich schon einige Male das beeindruckende
Gebäude „The Crystal“ in den Royal Victoria Docks besucht. Es fasziniert nicht nur durch sein au-
ßergewöhnliches Äußeres, sondern ist vor allem ein gelungenes Beispiel für ein „Green Building“.

Auf dem Dach des 2012 eröffneten Glasbaus wird Regenwasser gesammelt und zu Trinkwasser
aufbereitet. Zudem gibt es Sensoren, die ermitteln, wie viele Menschen sich in einem Raum auf-
halten. Dementsprechend stellt sich die Lüftung ein.
Energie zieht „The Crystal“ aus Sonnenstrahlen und Erdwärme.
Lösungen zum Schutz der Umwelt zu finden, ist sicherlich eines der gro-
ßen zukunftsweisenden Themen in der Immobilienbranche. Nicht nur in
London, sondern rund um den Globus setzen Architekten vermehrt auf
eine nachhaltige Bauweise. Die asiatische Metropole Singapur nimmt
dabei seit mehreren Jahren eine Pionierrolle ein. Kein Bewohner Singa-
purs soll länger als zehn Minuten zum nächsten Park laufen, entschied
die Regierung. Grünflächen, die durch Neubauten verloren gehen, müs-
sen am Gebäude ersetzt werden. Dementsprechend sind die Fassa-
den der Hochhäuser üppig mit Pflanzen umrankt, und tropische Gär-
ten blühen auf terrassenartig angelegten Bauten. Beim 40 Stockwerke
hohen Office-Tower „CapitaGreen“ ist mehr als die Hälfte der Fassade
mit Pflanzen bewachsen. Auf dem Dach befindet sich eine blumenähn-
liche Skulptur, die mit ihren „Blütenblättern“ den Wind einfängt und
in das Kühlungssystem des Gebäudes leitet. Es ist nur ein Beispiel für
die innovative Architektur in dieser faszinierenden „Stadt der Zukunft“.
Für viele unserer Kunden ist Energieeffizienz ein zentrales Kaufkriterium.
Dabei spielen unterschiedlichste Anforderungen eine Rolle. Für die einen ist eine Ladestation für Elektroautos in der
Tiefgarage ein Muss, andere legen Wert auf nachhaltige Energiegewinnung. Das Ziel ist jeweils gleich: die endli-
chen Ressourcen unseres Planeten zu schonen. Dies war uns auch beim Bau unserer neuen Unternehmenszentrale
in der Hamburger HafenCity sehr wichtig, die wir 2018 bezogen haben. So werden etwa durch spezielle Armaturen
mehr als 25 Prozent Trinkwasser eingespart. Wir freuen uns besonders, dass das Gebäude mit dem „Umweltzei-
chen HafenCity“ in Gold ausgezeichnet wurde.
Was auch immer Ihnen bei Ihrer Traumimmobilie wichtig ist: Blättern Sie durch die Seiten des aktuellen GG-Magazins
und lassen Sie sich von den schönsten Immobilien in aller Welt inspirieren. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!

Herzlichst Ihr

Christian Völkers FOTO: CHRISTIAN SCHOPPE

8 www.gg-magazine.com

ALEXANDER SEATING SYSTEM | RODOLFO DORDONI DESIGN

DISCOVER MORE AT MINOTTI.COM/ALEXANDER

WELCOME

2020 – aber hallo! FOTOS: CHRISTIAN SCHOPPE (1)

10 Künstliche Intelligenz, Blockchains, Bitcoins und bemannte Touristenflüge zum Mond
etc., etc. Ich gerate oft in eine etwas widersprüchliche Stimmung – eine Mischung aus
freudiger Neugierde und zweifelndem Angstzustand –, wenn ich Menschen zuhöre, die
uns prophezeien, was da noch alles auf uns zukommt. Ja – wir leben in Zeiten, in denen
sich unsere Welt so schnell wie nie zuvor wandelt und
völlig neue Regeln aufgestellt werden. Branchen erfin-
den sich neu und funktionieren plötzlich ganz anders,
als wir es jahrzehntelang gewohnt waren. Der Gedan-
ke an morgen sollte aber in erster Linie mit guten Ge-
fühlen besetzt sein. Und so haben wir zum Wechsel
in ein neues Jahrzehnt eine Ausgabe unter dem Titel
„Zukunft“ für Sie zusammengestellt: Begegnen Sie
Caro Daur, die mit ihrem Instagram-Account ein Mil-
lionenpublikum bespielt, sich ein eigenes Unterneh-
men aufgebaut hat, und erfahren Sie mehr darüber,
wie das Social-Media-Business funktioniert. Treffen
Sie den Daniel Düsentrieb unserer Zeit, Sir James Dy-
son, der Haushaltsgeräte in futuristische Designobjek-
te verwandelt. Besuchen Sie die neuen Firmensitze der größten Tech-Unternehmen und
staunen Sie über das neue Projekt des Architekten Sir David Adjaye, das in Abu Dhabi
drei Weltr­eligionen vereinen wird. Lernen Sie die Zukunft kennen!

Wir wünschen einen guten Rutsch in das
neue Jahrzehnt, Gesundheit & Glück für Ihr 2020,

Michaela Cordes

BLICKEN SIE HINTER DIE KULISSEN Einfach die Handykamera über
den QR-Code halten. Ein ganz großes Merci an Frauke Meyer und
das Team von Christian Liaigre, die uns ihren Showroom an der Rue
du Faubourg Saint-Honoré für das Shooting mit Caro Daur zur Ver-
fügung gestellt haben. Und noch ein großes Dankeschön an Simon
de Pury, der uns an seinen amfAR-Tisch in Cannes eingeladen hat!

www.gg-magazine.com

THE SPIRIT OF PROJECT

VELARIA SLIDING PANELS, SELF BOLD SIDEBOARDS, EOS SHELVES DESIGN G.BAVUSO

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THANK YOU Wählerisch 

CONTRIBUTORS CHRISTOFFER RUDQUIST 
Der schwedische Fotograf Christoffer Rudquist lebt
Glow-Queen  in Tokio, wo er sich – zum Leidwesen seiner Frau –
AURÉLIE PAYEN  gern an der japanischen Küche versucht. Vor seine
Die in Paris lebende Make-up- Kamera schafft nur, was ihn persönlich interessiert:
Künstlerin Aurélie Payen Architektur, Natur, Technik – wie etwa der Dyson
hat schon Berühmtheiten wie „Supersonic“-Haartrockner auf Seite xxx.
Robin Wright, Kate Hudson,
Kendall Jenner, Cara Dele­
vingne und Tom Hanks verschö-
nert. Sie wirkte an Produktio-
nen für Magazine wie „Vanity
Fair“ und „Elle“ mit. Für das
Cover-Shooting dieser Ausgabe
zauberte sie Caroline Daur
den GG-Glow auf die Wangen.

Kontrast-Sucherin  Künstler 
MONICA VINELLA 
DOUGLAS FRIEDMAN 
Seit über 20 Jahren reist Monica Vinella als Fotografin Die Arbeit des New
von Italien aus um die Welt. Dabei bewahrt sie sich stets ­Yorker Fotografen ist so
gut, dass man oft von
einen frischen Blick durch die Linse, wie etwa auf Zauberei spricht. Für
die Hightech-Metropole Singapur – ab Seite XXX. Was unsere aktuelle Titel­
geschichte setzte Douglas
sie ­besonders reizt, ist der Kontrast zu ihrem Leben Friedman die deutsche
in einem 500-Seelen-Dorf im Hinterland von Ligurien, Influencerin und Unter-
nehmerin ­Caroline Daur
wo sie mit ihrem Partner eigenes Gemüse anbaut. in Paris in Szene. Seinen
außer­gewöhnlichen Blick
bewies er bereits bei vergangenen GG-Titelgeschichten: Er foto­
grafierte den Ladurée-Präsidenten David Holder sowie die Beauty-­
Unternehmerin Dr. Barbara Sturm.

Hindi-Schüler  Top-Seller 
GARETH PHILLIPS 
Der Waliser Fotograf Gareth RAY ALEXANDER 
Phillips verbringt seine Zeit am Ray Alexander ist seit 2008 Engel & Völkers Lizenz-
liebsten in den Bergen des partner und vermarktet Top-Immobilien im Raum
H­ imalaya, entsprechend fleißig South Tampa, Florida. Mit den „Oceanside Farm Resi-
lernt er Hindi. Beim Shooting dences“ hat es nun ein Projekt aus Ecuador in sein
mit den Staubsauger-Pionieren Portfolio geschafft. Was ihn überzeugte? Ab Seite XX.
James und Jake Dyson aber
hat er sich vermutlich ganz www.gg-magazine.com
unexotisch auf Englisch unter­

halten. Ab Seite XXX.

12

unique piece - earrings - diamonds, white gold and white wood.

WELCOME AT HOME Runde Sache: Die
neue „Amazon“-Zentrale in Seattle
INSIDE
52beherbergt Tausende Pflanzen.

48 PLAYGROUND FOTOS: DOUGLAS FRIEDMAN (1), KLEID & SCHMUCK CARO DAUR: DIOR, BENJAMIN BENSCHNEIDER (1), MONICA VINELLA/PHOTO FOYER (1), HARRY BORDEN/CONTOUR BY GETTY IMAGES (1)
AT HOME Auf Instagram folgen ihr Millionen. Caro
Daur ist 315 Tage im Jahr unterwegs. Zur Ruhe TRAVEL 00 Asiatisches Zukunftslabor: Singapur
kommt sie offline: in ihrem Elternhaus in Hamburg. ART & DESIGN
will die grünste Stadt der Welt werden.
32 INTERVIEW
MAN WOMAN 26 Visionäre Highlights für eine
Lautsprecher, MAN
Lampe und Design­ LOOK Design-Reise in die Zukunft.
element in einem:
Pendelleuchte 28 Millionen-Geschäft mit Risiken: Marco
von Oupio.
Streng über die Zukunft des Bitcoins.
20
AT HOME 30 Zarte Farben für kalte Tage: Winter-
David Adjaye kam als
Sohn eines ghanai- Must-haves in Mintgrün.
schen Diplomaten in
Tansania zur Welt. 32 Galaktisch gut: futuristische Designer-­
Der berühmte Archi-
tekt lebt in London. Stücke in Silbertönen.

34 Grüne Akzente: Diese Funde sorgen für

Natur-Flair im digitalen Zeitalter.

30 WOMAN Für glamouröses Sitzenbleiben:
Sessel „Jet“ von Muranti Furniture.

AT HOME

CARO DAUR 00 Weltberühmt innerhalb von nur vier

DAVID ADJAYE Jahren: Dem bunten Alltag von Caro
Daur folgen Millionen auf Instgram.
TECH-
ZENTRALEN 00 Zukunftsmonumente mit Vergangen-

DYSON heit: Der Architekt David Adjaye schafft
komplexe öffentliche Gebäude.

00 Architektur-Wettbewerb der Giganten:

die neue Selbstdarstellung von Google,
Amazon, Facebook, Apple & Microsoft.

00 Mit Staubsaugern ist James Dyson

zum reichsten Briten geworden. Nun
setzen sein Sohn und er auf Roboter.

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Pilzen verbaut CLOSE UP
das Architek-
turbüro The
Living.

OFFICES 000 Natürlich: Das New Yorker Architek-

turbüro The Living baut mit Pilzen.

34 BOOKS 000 Erlesenes, Spannendes & Kurioses

LOOK für Coffee Table und Nachttisch –
Florale Fantasie- plus ein literarisches Möbel.

elemente: Por­ PERSONAL 000 In Montpellier eröffnete der Bau
zellan-Skulptur
von Lindsay Feuer. „L’Arbre Blanc“ von Sou Fujimoto.

ALWAYS FOTOS: ETIEL ZION (1), OCEANSIDE FARMS (1), GARETH PHILLIPS (1)

EDITORIAL 000 Ein Vorwort zum neuen Heft.
EDITOR’S LETTER 000 2020 – aber hallo!

54 AT HOME James Dyson (links) und ADDRESSES 000 Woher wir das alles haben? Namen,
sein Sohn Jake verändern mit STAFF
ihren Erfindungen unseren Alltag. Adressen und Herstellernachweise.

000 Impressum.

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PLAYGROUND TRAVEL
ART & DESIGN
INTERVIEW
WOMAN
MAN
LOOK

FOTO: MONICA VINELLA/PHOTOFOYER Größtes Gewächshaus der Welt: Der „Flower Dome“ in Singapur. Daneben der „Cloud Forest“ mit Indoor-Wasserfall.

PLAYGROUND

TRAVEL

Stadt von
übermorgen

Gegängelte Einwohner, unfreie Verhältnisse –
lange galt Singapur bestenfalls als langweilig.
Aber die Finanzmetropole hat sich neu
erfunden: als grünes Zukunftslabor. Natur und
Hightech präsentieren sich im Doppelpack.

TEXT: Elena Luraghi, Steffi Kammerer  FOTOS: Monica Vinella/PHOTOfoyer

Der Ökopark „Gardens by the Bay“ mit seinen 18 gigantischen Supertrees: Parklandschaft und Hightech-Oase gleichermaßen.

21

PLAYGROUND

TRAVEL

1 Die prächtige Sultan-Moschee 2
im historischen Viertel Kampong 3
Glam. Ihre goldene Kuppel ist weit-
hin sichtbar 2 ArtScience Museum:
Das eindrucksvolle Bauwerk hat
die Form einer Lotosblüte, hier
werden regelmäßig bahnbrechen-
de Ausstellungen gezeigt 3 Luxus
mit Weitblick in der Stadt der Su-
perlative: Der Infinity Pool im „Ma-
rina Bay Sands“-Resort ist der
größte, der weltweit auf dem Dach
eines Hochhauses gebaut wurde
4 Noch ein Rekord: Im „Cloud Fo-
rest“ lockt der größte Indoor-Was-
serfall der Welt 5 Umgeben von üp-
pigen Pflanzen liegt das Restaurant
„Halia“ mitten im Botanischen Gar-
ten 6 Das Restaurant „White Rab-
bit“ befindet sich in einer ehemali-
1 gen Kirche aus den 30er-Jahren.

Singapur ist
eine Stadt
immenser
Gegensätze.
Die Zukunft
ist hier so
allgegenwärtig

wie die
Vergangenheit.

4

56

ehn Jahre alt ist das neue Wahrzeichen Singa- kehr perfekt organisiert, ein dichtes Bus- und Schienennetz deckt je-
den Winkel ab. So viel Weitsicht zieht Zuzügler magisch an, auch aus
purs. „Marina Bay Sands“  verkörpert den Weg, dem Ausland und zunehmend aus der Kunst- und Kulturszene. Das
den der glitzerndste Inselstaat Südostasiens gute Bildungssystem tut ein Übriges: Singapurs Schüler punkten re-
eingeschlagen hat. Die drei 200 Meter hohen gelmäßig als die Besten, im internationalen Pisa-Vergleich steht Sin-
Wolkenkratzer beherbergen über 2.500 Hotel- gapur an der Spitze. Und auch um ältere Menschen macht man sich
zimmer, ein Konferenzzentrum, Theater, öf- hier Gedanken. Ganz praktisch und hilfreich haben sie mehr Zeit,
fentliche Plätze und Kulturzentren und bieten die Straße zu überqueren: Wer seine elektronische Seniorenkarte

Zein Flachdach aus 700 Tonnen Stahl mit Pool,
Restaurants und einem 360-Grad-Ausblick an eine Fußgängerampel hält, hat etliche Sekunden länger Grün.

auf die Stadt – es ist das größte City-Resort des Durchsetzten lässt sich das alles, weil in Singapur seit über 60 Jah-

Kontinents. Von hier aus hat man einen privilegierten Blick auf den ren die gleiche Partei regiert – das Machtmonopol scheint durchaus

Ökopark „Gardens by the Bay“ – Parklandschaft und Hightech-Oase Vorteile zu haben. Fast könnte man vergessen, was in der Zukunfts-

gleichermaßen – und auf das ArtScience Museum. Das faszinieren- stadt nach wie vor gilt: Homosexualität ist straf bar, selbst Graffi-

de Bauwerk hat die Silhouette einer Lotosblüte und präsentiert, was ty-Sprayer kommen ins Gefängnis, wer mit mehr als 500 Gramm

der Name verspricht: bahnbrechen- Cannabis erwischt wird, dem droht

de Ausstellungen an der Schnittstel- Nder Tod durch Erhängen.
le von Kunst und Wissenschaft. eben futuristischer Moder-

Willkommen in Singapur, dem nität  präsentiert sich unver-
Stadtstaat vor der Südspitze Malay- blasste Nostalgie – etwa mit

sias. Wo jedes Jahr Millionen von Be- dem historischen botanischen Gar-

suchern am futuristischen ­Changi ten, dem schönsten des Kontinents.

Airport ankommen, um einen glo- Oder mit dem ewig faszinierenden

balen Handelsplatz zu entdecken, Wechselspiel von niedrigen Häu-

dessen rund 5,6 Millionen Einwoh- sern und grellbunten Schildern in

ner Chinesisch, Hindi, Malaysisch Chinat­own, wo die Tempel direkt an

sprechen, denken und kaufen, aber der U-Bahn liegen. Nicht auslassen

nach britischer Tradition ausgebil- sollte der Besucher auch Little In-

det sind. Wir sind in Asien, aber dia mit seinen maharadschahaf-

den Orient muss man hier suchen. ten Facetten und den pittoresken

Dagegen erkennt man gleich, dass Häuserblocks der Arab Street, dem

das Hightech-Quartier rund um muslimischen Quartier mit seinen

das „Marina Bay Sands“ eine öko- pastellfarbenen Gebäuden.

logische Seele hat. Die sogenann- West-Singapur erstreckt sich rund

ten Supertrees in den „Gardens by um die Orchard Road; hier kos-

the Bay“ – künst­liche Metallpflan- tet ein Apartment Millionen Euro,

zen, auf denen Farne und Orchideen und Luxus-Malls schießen nur so

wachsen – fangen Sonnenstrahlen aus dem Boden. Im „ION“ etwa fin-

ein, um saubere Energie zu produ- den sich neben den Boutiquen vie-

zieren. Dafür sorgt ein hochentwi- le Galerien und Lokale wie etwa das

ckeltes System von Dampfturbinen „TWG Tea“, der schickste Teesalon

Gund Photovoltaikzellen. Ikone der Architektur: das Resort „Marina Bay Sands“. Davor Südostasiens. Hier werden ultra­
leich daneben befinden sich die Fußgängerbrücke „The Helix“, deren Design von mensch- edle Teemischungen wie der „Yun-
nan Gold“ in 18-karätigen Teekan-
der „Flower Dome“  und der licher DNA inspiriert ist. Sie führt über den Singapur River. nen serviert. Das könnte sogar der
„Cloud Forest“: zwei Glaskup- Teestunde im berühmten „Raffles“-
peln, die Blumen und andere Pflan- Hotel Konkurrenz machen.
zen seltener Art aus allen W­ inkeln
der Welt beherbergen. Der erstge- Das Gebäude an der Beach Road

nannte ist das weltgrößte gläserne Gewächshaus, Heimat für me- verströmt kolonialen Charme, der so gar nichts zu tun hat mit dem

diterrane Gewächse und solche aus halbtrockenen Klimazonen. Im Wetteifer der großen internationalen Architekturbüros. Etwa mit dem

zweiten lockt ein 35 Meter hoher Berg, aus dem sich ein gigantischer neuen obersten Gerichtshof von Singapur im Ufo-Look, entworfen von

künstlicher Wasserfall ergießt. Lord Norman Forster. Oder mit dem Aufputzen der Ufer­zone zwi-

Special Effects einer sehr speziellen Stadt, die atemberaubend schen Robertson Quay und Boat Quay, wo die chinesischen Häuser

schnell wächst, aber flächenmäßig kleiner ist als Hamburg. Wol- der Vergangenheit aufgehübscht wurden, um trendige Bars und Res-

kenkratzer sind die Antwort auf den Platzmangel, die Skyline eine taurants zu beherbergen. Unverändert gibt es überall in Singapur tra-

unwiderstehliche Mischung aus Alt und Neu. Eine Betonwüste ist ditionelle Garküchen, gebündelt in sogenannten Hawker Centers. Be-

Singapur trotzdem nicht. Die Regierung setzt auf Nachhaltigkeit, sonders beliebt ist der historische „Lau Pa Sat Market“, gleich hinter

Singapur soll, so ist es der politische Wille, die grünste Stadt der Welt den Wolkenkratzern. Stylish ist das „Satay by the Bay“, eine Garküche

werden. Praktisch heißt das: Jeder vernichtete Quadratmeter Grün­ mit Wasserblick. Und die feine Gesellschaft diniert im „Pollen“, dem

fläche muss ersetzt werden. Von unzähligen Gebäuden hängen des- eleganten Restaurant im „Flower Dome“, das auch nach dem Abgang

halb üppige Pflanzen herab, vertikale Gärten prägen das Stadtbild, von Küchenchef Jason Atherton angesagt blieb. Wer noch mehr Kon-

viele Hausdächer sind begrünt. traste sucht, der sollte ins Villenviertel Dempsey Hill. Hier liegt „The

Autofahrer haben es in Singapur schwer, Zulassungen sind regle- White Rabbit“ – ein europäisch angehauchtes Restaurant mit gut be-

mentiert und kosten ein Vermögen – dafür ist der öffentliche Nahver- stückter Bar in einer entweihten Kirche.

www.gg-magazine.com 23

PLAYGROUND

ART & DESIGN

ALLES IM BLICK! 
Über den Dächern Londons soll bald der
weltweit erste 360-Grad-Pool mit Rundum­
blick entstehen – als Teil des geplanten In­
finity London Towers auf 220 Metern Höhe.
In den Skypool mit transparentem Boden
gelangt man dann nur über eine Luftschleu­
se mitten im Pool – wie bei einem U-Boot.

Destination: Future TEXT: CHRISTINA LIBUDA; FOTOS: STUDIO VANESSA BARRAGAO (1), © DANIEL HAGER (1), 2019 COMPASS CERAMIC POOLS (1)

Diese visionären Design-Highlights zeigen, dass die Zukunft gar nicht so weit weg ist.

E IN TEPPICH MIT BOTSCHAFT  Aus recycelten Materialien gefertigt und mit
einem wichtigen Appell versehen: der Teppich „Ocean Tapestry“ der Portugie­
sin Vanessa Barragão. Die Designerin will mit ihrer Arbeit auf das Sterben
der Korallenriffe aufmerksam machen und ein Zeichen im Kampf gegen
die Umweltverschmutzung und Erderwärmung setzen.

V ERNEBELT  Die „Fog couch“ aus Textil der Firma NACHHALTIG
Kvadrat ist Teil von Ólafur Elíassons Ausstellung „In COOL  Die Taschen und
real life“ – bis 5. Januar in der Londoner Tate Modern. Weekender von Qwstion
bestehen aus Bananatex –
26 dem weltweit ersten Ge­
webe, das aus den Fasern
von Bananenpflanzen her­
gestellt wird. Die werden
im philippinischen Hoch­
land biologisch angebaut.

www.gg-magazine.com

PLAYGROUND

INTERVIEW

Haus des Geldes

In den Server-Anlagen von Genesis Mining in Island werden virtuelle Millionen gemacht. Rund
zehn Prozent aller Bitcoins werden hier geschürft, in der weltgrößten Cloud-Mining-Firma.

Der 30-jährige Firmengründer, der Münchener Marco Streng, ist der Superstar der Krypto-Szene.

2009 wurde der erste Bitcoin verkauft. Wie sah Ihr Weg vom ers- Das kostet Energie: Das Mining-Netzwerk beansprucht die Leis-

ten Bitcoin zu Genesis Mining aus? Es war 2011, ich saß in meinem tung von fünf Großkraftwerken. Wie stehen Sie zum Thema Nachhal-

Zimmer im Münchener Studentenwohnheim, als ich das erste Mal tigkeit? Bei diesem Stromverbrauch haben wir eine Verantwortung.

von Bitcoins las. Ich wollte mitmachen, also baute ich meinen Com- Wir bevorzugen es, unsere Anlagen dort aufzubauen, wo wir erneu-

puter für das sogenannte Mining oder Schürfen um – das Fortschrei- erbare Energien und die Umgebungstemperatur zur Kühlung nutzen

ben der Transaktionsregister von Bitcoins – und schürfte neben dem können, wie etwa in nordischen Ländern. Daher sind wir von Bosnien

Mathestudium meine erste Krypto-Währung. Als dann 2013 der Bit- direkt nach Island umgezogen – dort setzt man zu fast 100 Prozent

coin-Kurs von 100 auf 1.000 US-Dollar stieg, brach auf erneuerbare Energien wie Geothermie. Mein Ziel

ein Goldrausch aus. Daraus musste man ein Busi- für die Zukunft: unser Netzwerk durch erneuerbare

ness machen. Mit meinen Partnern gründete ich Ge- Energien zu betreiben.

nesis Mining. Für das nötige Equipment kauften wir Die Volatilität des Bitcoins ist extrem. Stellen Sie

ganze Computershops leer – wir brauchten Hunder- sich vor, er wäre plötzlich nichts mehr wert. Das

te Rechner und Grafikkarten, um die Bitcoin-Codes wäre nicht ideal und ist mittlerweile sehr unwahr-

im großen Stil zu verifizieren. In Bosnien, weil da scheinlich. Mein realistisch schlimmstes Szenario:

der Strom günstig war, mieteten wir eine Lagerhal- ein Stromausfall. Unsere Server müssen durchgehend

le. Zur Finanzierung verkauften wir Flächenkapazität laufen, denn sie produzieren im Minutentakt Geld.

und wuchsen rasant. Ich schmiss mein Studium. Wir Wann werden wir nur noch mit Krypto-Währungen

expandierten. Heute haben wir unseren Hauptsitz in zahlen? Wir werden noch lange unsere Scheine im

Reykjavík, Island, sind auf vier Kontinenten vertreten Geldbeutel haben. Ich sehe Bitcoins eher als unabhän-

und schürfen für etwa zwei Millionen Kunden rund Marco Streng, 30, kaufte sei- gige Wertanlage. Die nächste Finanzkrise kann ih- INTERVIEW: CHRISTINA LIBUDA; FOTOS: GENESIS MINING
zehn Prozent aller Bitcoins. nen ersten Bitcoin im Jahr nen nichts anhaben. Dennoch sind Online-Währun-
Für Ihre Kunden? Die Idee hinter Genesis Mining ist, 2011 für etwa einen US-Dol- gen im Vormarsch – Facebook führt Libra ein, es gibt
dass man in der Cloud die Rechenkapazität unserer lar. Heutiger Bitcoin-Wert: den Telegram-Token und noch einige mehr. Das Inter-
Hochleistungsserver kauft und einem die damit ge- rund 8.200 Dollar. net hat die Welt verbunden, vieles revolutioniert und

schürften Bitcoins ausgezahlt werden. Zugänglich für alle. Nicht je- dezentralisiert – das wirkt sich auch auf die Währung aus.

der hat das technische Know-how, um selbst zu schürfen. Wieso ist es dann noch so ein Nischenthema? Weil es schwer zugäng-

Wie muss man sich Ihre Server-Anlagen vorstellen? Es sind große lich scheint. Durch Apps und Programme muss das Schürfen und

Hallen, in denen Tausende Rechner auf Hochtouren laufen. Man fühlt Handeln vereinfacht werden, und entsprechende Bezahlsysteme müs-

sich, als würde man neben einem Flugzeug stehen, das gerade star- sen entstehen. Das Potenzial ist groß, weil Bitcoins für jeden zugäng-

tet. Es ist laut, die Luft ist zum Schneiden und unfassbar heiß. Die lich sind – man braucht nicht einmal ein Bankkonto, nur Internet.

Rechner müssen durchgehend gekühlt werden. Wann waren Sie zuletzt offline? Das gibt es bei mir nicht mehr.

28 www.gg-magazine.com

PLAYGROUND

WOMAN

Mint to be yours! 8

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Mit dem stilvollen meter große Kräu-
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und Schaufel von Butterfly Buffet“
Andrée Jardin will 5 mit Ringelblu- TEXT: CHRISTINA LIBUDA; FOTOS: GORUNWAY.COM (1), © 2019 THE CONRAN SHOP (3), © 2019 MUUTO (1), SONJA CABALT (1), CHANEL.COM (1), © 2019 NET-A-PORTER (1)
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PLAYGROUND

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2 APOLLO 13  3 in einem. P. a. A.
Mit dem spacigen
All-over-Look in 8 GUTE NACHT 
Silber aus der Win- Für erholsamen
terkollektion steht Schlaf: Das Stirn-
der Mondlandung band „SmartSleep“
nichts im Wege. unterstützt die
Balmain, P. a. A. Tiefschlafphase.
Philips, € 449,99.
3 KLICK-KLACK 
Für schnelle 9 ICH ZAHLE …  
Wechsel: Dank des mit Karte, bitte!
Magnet-Knotens Gebührenfrei, da-
lässt sich die Kra- tensicher, transpa-
watte nach Belie- rent: Die silberne
ben tauschen. Mo- Kreditkarte aus
dern Tie, ca. € 35. Titan zückt man
gern. Apple, P. a. A.
4 DURCHBLICK  4
Minimalismus 10 MONDREISE 
meets High Für Space Cow- TEXT: CHRISTINA LIBUDA; FOTOS: GORUNWAY.COM (1), PHILIPS.COM (1), APPLE.COM (1)
F­ ashion: futuristi- boys: der erste
sche Brille mit Weltraumkoffer
transparentem „Horizn ONE“,
Rand aus der ausgestattet mit
„20 Years TMA“- Karbonschale,
Kollektion. elektromagneti-
Silhouette, P. a. A. schem Boden,
biometrischer
5 ZU DIENSTEN  Erkennung und
Räumt auf, be- Smart Screen.
grüßt Besuch Horizn Studios,
und kann Small- ca. € 45.000.
talk: Service-Ro-
boter „Cruzr“ 11 MINI-MOBIL 
soll den Büroalltag Das kleine Elektro-
entlasten. UB- auto soll unter
TECH, P. a. A. 1.000 Kilo wiegen,
130 Stundenkilo-
6 WATCH OUT!  meter schaffen, in
Schmeichelt jede Lücke passen
dem Handgelenk: und ab 2021 erhält-
Hightech-Kera- lich sein. Biomega
mikuhr aus der EV, ab € 20.000.

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PLAYGROUND

LOOK

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2

34 8
9

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Back to the roots 10

In unserer digitalisierten Welt sehnen wir uns
oft nach Erdung – diese Funde sorgen für grüne
Akzente und das gewisse Natur-Flair zu Hause.

7
6

1 NATURE LIFE  Im digitalen Zeitalter verschiedenen Größen. Stua, P. a. A. 4 ES riert von der Natur: Teppich „Earth“ von TEXT: CHRISTINA LIBUDA; FOTOS: PETER OPSVIK (1),
zeigt das Design-Buch „Lo-TEK“, wie man WERDE LICHT  Pendelleuchte „Briolette © 2019 LIGHTOLOGY (1), © 2019 BOLIA INTERNATIONAL (1)
im Einklang mit der Natur lebt. Taschen, Freejack“ in Tropfenform. Lightology, ab ca. ­Bolia, €  429 8 ALLEINSTEHEND  In den
€ 250 5 GANZ OBEN  Auf dem erhöhten Töpfen „Monstera“ stehen Blumen wie auf
€ 40 2 BAUMHAUS  Das Neubauprojekt Designer-Stuhl „Globe Garden“ von Peter ihren eigenen Wurzeln. Tim van de Weerd,
„Vertical Forest“ in Kairo von Architekt Opsvik sitzt man wie auf einer Baumkrone.
­Stefano Boeri soll über 350 Bäume beher- Über Archiproducts, € 5.124 6 BLUMEN- P. a. A. 9 CHRIS DOROSZ  Chris Dorosz
bergen und wie ein vertikaler Wald pro DEKO  Mix aus floralen Elementen und möchte mit seiner Skulptur „S.O.H.“ an ein
Jahr etwa acht Tonnen Sauerstoff produ­ Fantasie: Porzellan-Skulpturen von Lindsay menschliches Porträt erinnern, P. a. A. 
Feuer, P. a. A. 7 MUTTER ERDE Inspi-
zieren 3 SOFAECKE  Vier hält besser: 10 KORALLENRIFF  Wirkt wie aus dem
Designer-Couchtisch „Eclipse“ aus Holz in Meer gefischt: das Regal „Aqua“, gefertigt
aus Lava- und Korallensand. Cypraea, P. a. A.

34 www.gg-magazine.com

FOTOS: DOUGLAS FRIEDMAN; HAARE: CYRIL LANOIR; MAKE-UP: AURELIE PAYEN; STYLISTIN: SARAH CAZENEUVE; KLEID: RONAL VAN DER KEMP;
OHRRINGE: CELINE; KUNSTWERK: GAVIN TURK – „ORANGE GEOMETRY“ – 2018; LAMPE: CHRISTIAN LIAIGRE – NUR SUSPENSIONS PENDANT LAMP

Mit Gespür für Eleganz und für ihre Millionen Follower. Caro Daur gehört zu den einflussreichsten Namen der Fashion-Welt. AT HOME

CARO DAUR
SIR DAVID ADJAYE
TECH HEADQUARTERS
SIR JAMES DYSON

DAUR POWER TEXT & PRODUKTION: Michaela Cordes  FOTOS: Douglas Friedman STYLIST: Sarah Cazeneuve  HAAR: Cyril Lanoir  MAKE-UP: Aurelie Payen

Mit Disziplin, harter Arbeit, Natürlich­
keit und der Energie einer Hoch­
leistungsbatterie erobert Caro Daur
nicht nur die Modewelt. Innerhalb
von nur vier Jahren hat sich die heute
weltbekannte Social-Media-Ikone
zur festen Marke eta­bliert, der täglich
zwei Millionen Menschen folgen. Eine
Annäherung – auch an eine Profession,
die immer noch mit Vorurteilen zu
kämpfen hat. Vielleicht auch weil
man viel zu wenig über sie weiß.

38

PELZ (UNECHT): ELIE SAAB; SCHMUCK: DIOR Coole Filter! „Als ich anfing, gab es natürlich schon Leute auf Instagram. Aber ich dachte damals, das wäre eine Fotobearbeitungs-App.“

Durchbruch? „Das gab es bei mir so nicht. Das war alles eine Art organischer Übergang und hat sich natürlich ergeben.“

„Das ist ein Business, bei dem
man zehn Jobs gleichzeitig
machen muss!“
CARO DAUR

KLEID: ANN DEMEULEMEESTER; STUHL: ROBINSON, BANK: SUD, HOCKER: PONEY,
ESSTISCH: SUMI, BÜCHERREGAL: LITERATI, LAMPE: GALERNE – ALLES VON
CHRISTIAN LIAIGRE; PORZELLAN MANUFAKTUR NYMPHENBURG

41

Reality-Programm! „Ich setze mich schon unter Druck. Früher hat meine Mutter mich ständig ermahnt: Caro – hör mal auf zu lernen!“

KOMPLETTES OUTFIT: HAIDER ACKERMANN; SCHLAFCOUCH: NOBILE VON CHRISTIAN LIAIGRE

er Morgen nach der amfAR-Gala in Cannes. Gestern Abend posierte Caro-
line Daur noch in einer eleganten Abendrobe auf dem roten Teppich vor
den kreischenden Fotografen. Jetzt sitzt sie, den aufgeklappten Laptop auf

Dihrem Schoß, in Jeans und Sweatshirt neben mir auf der Rückbank des Ta-
xis und prüft einen Vertrag mit einem Kooperationspartner. Bevor wir zum
Flugh­ afen losgefahren sind, hat Caro – wie sie nicht nur von ihren Followern genannt
wird – noch ein Videokonzept für ein großes Modeunternehmen ausgearbeitet. In we-
nigen Minuten hat sie es fertiggestellt, um es kurz darauf auf ihrem Instagram-Account
zu posten. Innerhalb von Sekunden reagiert ihre Community von mehr als zwei Milli-
onen Menschen: Sie liken, kommentieren und nehmen so an ihrem bunten Leben teil.
Da­rüber hinaus hat sie sich ein mächtiges Netzwerk in der Modewelt aufgebaut. Nicht
nur mit Moncler-Inhaber Remo Ruffini, Valentino-Chefdesigner Pierpaolo Picciolo, Kult-
designer Virgil Abloh (Off-White, Louis Vuitton Men) und der gesamten Fendi-Fami-
lie ist die Deutsche per Du. Auch zu der Hochzeit vom Sohn des Modedesigners Elie
Saab war Caro Daur gerade eingeladen. Neben Modemarken wie Prada, Fendi, Valen-
tino und Cartier haben auch schon Firmen wie Apple, Tesla und Warner Brothers mit
der 24-Jährigen kooperiert. Einen Tag später sitzen wir beim Lunch im Patio des „Hotel
Costes“ in Paris. In einer Zeit, in der täglich 500 Millionen Menschen Instagram nut-
zen, in der man aber kaum etwas erfährt über das Business hinter den schönen Fotos,
haben wir uns zum persönlichen Interview verabredet.

Als wir dieses Treffen geplant haben, haben Sie mich gebeten, Sie und harte Arbeit ginge es nicht. Es kann wirklich sehr stressig sein
und ich gehe zeitweilig durch Ups and Downs. Besonders während
bitte nicht „Influencer“ zu nennen. Wie würden Sie Ihren Beruf statt- der Fashion Weeks ist mein Tag unglaublich eng getaktet und inten-
siv. An ganz verrückten Tagen besuche ich bis zu acht Shows, was be-
dessen bezeichnen?  Das Wort klingt für mich inhaltslos und leer. Es deutet: acht verschiedene Outfits!
charakterisiert keinen Berufszweig und auch nicht, wie das Tagesge-
schäft einer Person aussieht. Es beschreibt lediglich, was es bewirkt: Acht Garderobenwechsel an einem Tag? Müssen Sie sich für jede
man „beeinflusst“ jemanden. Für mich kann das jeder sein. Weil die
sozialen Medien vor wenigen Jahren aus dem Nichts kamen und die Show umziehen?  Ich muss es nicht, aber in gewisser Weise bietet es
Entwicklung so rasant schnell ging, wurde einfach dieser Begriff ge- ja die Möglichkeit, meinen Stil zu präsentieren. Wenn ich zum Bei-
nutzt. Meiner Meinung nach ist er zudem negativ besetzt. Mir fällt spiel gerade mit Prada kooperiere, ist es sinnvoll, etwas von Prada zu
das auf, wenn ich mal jemanden um mich herum nach einer Idee tragen. Ich finde, das ist ein respektvolles Auftreten gegenüber der
für eine Bildunterschrift frage. Denn da eine gute zu finden, ist je- Marke. Während der Fashion Week bin ich von halb acht morgens
des Mal eine neue Herausforderung. Dann reagieren schon mal eini- bis spät in die Nacht unterwegs. Der Grund sind die Beziehungen
ge mit Unverständnis und Desinteresse, als wäre das total unwichtig. zu Designern, die ich unterstützen möchte, Interesse an den Kollek-
Dabei muss ich mit den Captions unter meinen Fotos immer wieder tionen und auch der Gedanke: Es sind nur zwei Monate im Jahr, die
Humor und Spontaneität beweisen. Nein, ich würde mich eher als kann man mal durchpowern. Und ja – das Neinsagen fällt mir sehr
Unternehmerin bezeichnen. Ich habe eine GmbH gegründet und bin schwer. Ich bin interessiert an so ziemlich allem und jedem. Das be-
täglich und persönlich in jedes Detail involviert: im Management von deutet, dass ich „daur-haft“ auf Achse bin. Einen Monat lang schlafe
Projekten. Ich kontrolliere Verträge, habe PR-Meetings, beantworte ich im Durchschnitt pro Nacht vier Stunden. In der Nacht plane ich
E-Mails und Anrufe, erstelle Konzepte, bin hinter und vor der Kamera meine Looks für den folgenden Tag, packe Returns, also Kollektions-
und „entertaine“ 24/7. Man könnte es fast mit einer Art Realityshow teile, die wieder zurück an die Designer gehen …
vergleichen. Zudem nehme ich Schauspielunterricht. Ich habe auch Moment: Die verpacken Sie selbst?  Ja klar! Ich mache alles allein.
schon bei einem Pilot-Dreh in London mitgewirkt und investiere in Umso mehr habe ich die Uhr im Blick. Ich koordiniere meine Mee-
Start-ups. Das sind Bereiche, die ich nicht so sehr auf Instagram kom- tings, Fittings und Events – auch mit Hinblick auf die jeweilige
muniziere und noch etwas vorsichtig behandle. Let’s see what’s next. Location. Ich versuche, alles sehr effizient zu planen. Morgens gehe
ich zum Sport. Das ist der Zeitpunkt, wo ich abschalte und Energie
Seit vier Jahren gehören Sie zu den großen Namen im Fashion Busi- tanke, dann starte ich mit der ersten Show gegen neun Uhr. Snacks
kaufe ich unterwegs und esse Sandwiches, Obst und Süßigkeiten
ness. Sie haben sich über Instagram eine Community von zwei Milli- im Auto auf dem Weg zur nächsten Show. Abends habe ich dann
meist gesetzte Business-Dinner.
onen Followern geschaffen, die Ihnen auf Schritt und Tritt durch Ih- Was lieben Sie an Ihrem Job?  So viel! Den Kontakt zu interessanten
Menschen. Das viele Reisen, das immer wieder neue Entdecken von
ren Alltag folgen. Welche Missverständnisse und Vorurteile würden Kulturen und Biografien. Das ist ein riesiges Privileg, dessen ich mir
sehr bewusst bin. Ich blicke aber schon seit Beginn mit einer gewissen
Sie gern aus dem Weg räumen?  Der Job ist kein Zuckerschlecken. Ich
versuche das auch in meinen täglichen Storys zu porträtieren. Es ist
nicht leicht, da die Balance darzustellen. Auf der einen Seite ist mir
bewusst, wie einzigartig meine Arbeit ist. Sie bietet unglaubliche Pri-
vilegien. Aber es gehört auch sehr viel Druck dazu. Ohne Disziplin

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Freunde? „Ich lerne gern von anderen Menschen und habe total unterschiedliche Freunde – oft älter als ich. Ich habe eine alte Seele.“ KLEID & SCHMUCK: DIOR

„Viele haben mir schon geraten: Schreib doch
mal ein Buch, wie dein Business funktioniert!
Aber es gibt keine magische Formel. Mein
bester Tipp: Mach dein eigenes Ding!“ CARO DAUR

45

Authentisch! „Ich bin nicht jemand, der beim Aufstehen denkt: Oh, das mache ich heute, weil das bei meiner Community gut ankommt.“ KLEID: RONALD VAN DER KEMP; OHRRINGE: FENDI; CUPBOARD: MARGAUX;
SOFA: GRIFFON – ALLES VON CHRISTIAN LIAIGRE

Vogelperspektive auf meinen Job und das Umfeld. Daher denke ich, B­ eauty- und Fitnessbereich. Die Übergänge sind fließend. Ich gehe

dass mich die „Szene“ kaum verändert hat. Das liegt aber auch sehr an zum Beispiel zu einem Filmfestival wie in Cannes. Dort treffen dann

meinen Eltern. Sie sind immer für mich da und haben mir die wah- Menschen aus allen Industrien aufeinander – von Mode, Beauty, Film,

ren und wichtigen Werte im Leben mitgegeben. Natürlich ist mir auch Musik und Lifestyle. Oft ergeben sich dann wieder neue Kontakte und

bewusst, wie gefährlich Social Media sein kann: zu viel Zeit am Han- die Möglichkeit, gemeinsam Projekte umzusetzen.

dy und das reale Leben „vergessen“. Aber ich möchte auch hervorhe- Apropos Filmfestival – ist es richtig, dass Sie gern in der Filmindus­trie

ben, dass die digitale Welt sehr viele Chancen bietet. Meine Commu- arbeiten möchten?  Ja, und daher verbringe ich im Jahr auch einige

nity ist so cool – ich bin im steten Austausch mit meinen Followern, Wochen in L.A. und nehme dort Schauspielunterricht. Ich habe schon

lerne von ihnen, bekomme Tipps und treffe sie auch im realen Leben. mit elf Jahren zu meiner Mama gesagt: Ich möchte Schauspielerin

Wie muss man sich das vorstellen?  Man ist mit Menschen der ganzen werden. Im Kindergarten war mein Traum, Opernsängerin zu wer-

Welt verknüpft. Ich habe eine sehr diverse Community, die sich aus den, bis ich feststellen musste, dass ich nicht singen kann (lacht).

Menschen aus allen Ländern der Welt zusammensetzt. Wenn ich auf Dann wählte ich in der Schule das Fach Darstellendes Spiel und

Instagram eine Frage stelle, bekomme ich immer gutes und schnelles habe gemerkt: Das möchte ich machen! Es hat mir so viel Spaß ge-

Feedback. Meine Follower sind schneller als Google! (lacht) Als Bei- bracht, dass ich darauf hin in die Theater-AG gegangen bin. Nach

spiel: Ich bin immer auf der Suche nach guten Cafés und habe somit dem Abitur habe ich ein Studium in Politikwissenschaft, Schau-

meine Follower gefragt: „Hey, was sind eure Lieblingscafés?“ Darauf- spiel, BWL oder Jura in Betracht gezogen. Ich habe mich für BWL

hin habe ich alle Antworten zusammengeschrieben und eine Liste – entschieden, da ich als Person doch eher risikoavers bin und mir

die „Daur Coffee Tour“ – mit ihnen geteilt. So eine Aktion finde ich eine solide Basis wünschte. Nebenbei habe ich bei Michael Page ge-

toll, weil sie nicht nur mir hilft, sondern allen einen Service bietet. arbeitet, einem Headhunter in Hamburg.

Wenn Sie eine Frage stellen in Ih- Sie haben ein sehr gutes Abi ge-

rem Forum von zwei Millionen Fol- macht oder?  Ja … 1,6. Nur zwei ver-

lowern, wie viele davon schicken Ih- flixte Punkte fehlten mir für einen

nen dann eine Antwort?  Das kommt „Ich bin eher so ein Notendurchschnitt von 1,5. Alle ha-
natürlich immer auf die Frage an. Ist Bauchmensch und ben schon gefeiert und ich so: Ich
sie sehr spezifisch, kommt weniger mache nur das, womit gehe nochmal in die Nachprüfung.
zurück. Aber es ist besonders span- ich mich identifizieren Ich will die 1,5! Zwei Wochen habe ich
nend, wenn ich dieselbe Antwort kann und anschließend gelernt, gelernt, gelernt. Und guess
mehrmals bekomme. Dann weiß mit mir im Reinen bin. what: Ich bin in die mündliche Nach-
ich, ach ja, das scheint ein Hotspot Ich bin mein ganz prüfung gegangen, um mich zu ver-
zu sein! Da kann man richtig Mark- eigenes Barometer.“ bessern – und dann hat nur ein Punkt
forschung betreiben. gefehlt. Aber: Ich hab es versucht.

Ihre Follower – können Sie die be- Sie haben schon einen gewissen

schreiben?  Sophisticated, stylish, Ehrgeiz, oder?  Öhm, ja – „ein ge-
aufgeschlossen, positiv. Mein Al- wisser“ ist gut: einen sehr großen,
ter und auch oft älter. Zwischen würde ich sagen! (lacht)
25 und 35 Jahre alt, hauptsächlich
Frauen. Ich kenne meine Follower Bei Ihren Jobs als Studentin: Ging es

Ihnen darum, eigenes Geld zu ver-

sehr genau. Es ist mir auch schon CARO DAUR dienen, oder auch um die Erfahrung? 
oft passiert, dass ich von Leuten aus Beides. Ich habe viele verschiedene

meiner Community angesprochen Jobs gemacht. Unter anderem als

wurde und dann fast rot wurde, weil Nachhilfelehrerin oder als Sprin-

ich sie als deutlich cooler empfand ger bei einem Catering-Unterneh-

als mich selbst (lacht). Manchmal men. Ich sprang immer ein, wenn

werde ich auch gefragt: Oh Gott, findest du nicht, dass du zu trans- jemand gebraucht wurde. Mal ab vier Uhr morgens im Frühstücks-

parent bist und dein Privatleben zu sehr zeigst? Ich denke dann im- service eines Hotels, oder ich habe Crêpes gewendet im Heidepark

mer: Ach, wer bin ich denn schon? Soltau – wo ich kläglich versagt habe (lacht). Es hat natürlich nicht

Gibt es da Grenzen für Sie, was Sie zeigen?  Ich bin ein Bauchmensch alles Spaß gemacht, aber im Endeffekt sind das alles wichtige Erfah-

und mache nur das, womit ich mich wirklich identifizieren kann. rungen im Leben. Und heute denke ich: Hallo, wie witzig ist es, dass

Ich bin da mein eigenes Barometer. Ich denke, es gibt viele Leute, ich mal Crêpes im Heidepark gewendet habe?

die sich alles vorher ganz genau überlegen, planen und schauen, 2010 wurde Instagram gegründet. Die Community auf Ihrem eigenen

was in ihrer Community gut ankommt. Ich finde es dagegen wich- Account wuchs mit der App, und nachdem die Sportcompany Nike Sie

tig, spontan und natürlich zu sein. Manchmal denke ich mir auch: als erste Marke wegen einer Kooperation ansprach, haben Sie 2015

Ach, Mensch Caro, du Depp! Da hättest du nochmal drei Minuten beschlossen, sich ganz auf Ihr eigenes Business zu konzentrieren und

vorher nachdenken sollen (lacht)! Aber ich finde es auch wichtig, Ihr Studium zu pausieren. Das war sicher keine leichte Entscheidung. 

Fehler zu machen. Ich versuche immer zu reflektieren und gute Mitte 2015 wurde das Pensum mehr und mehr. Ich war dauernd auf

wie auch schlechte Seiten zu zeigen. Bei Krankheiten und familiä- Reisen. Ich habe gemerkt: Es wurde zu viel. Studium, der Job bei

ren und sehr privaten Themen ziehe ich eine Grenze. Michael Page und nun dieser ganz neue Job. Also habe ich mich –

Gab es Zeiten, in denen Ihre Eltern Ihren Job kritisch betrachtet ha- erst mal – für den Auf bau meines Unternehmens entschieden. Ich

ben?  Am Anfang hat mein Vater mich öfter gefragt: Musst du das mache lieber eine Sache richtig gut als drei nur halb. Ich bin durch

wirklich alles machen? Aber heute hat er einen riesigen Respekt und und durch Perfektionistin.

sagt immer: Wow, ich kenne wenige, die so viel arbeiten wie du. Was war damals Ihr eigentliches Ziel, als Sie angefangen hatten zu

Verstehen Ihre Eltern Ihr Business?  Ja. Sie sehen ja meinen Alltag – studieren?  Ich wäre gern in ein Unternehmen gegangen.

und unterstützen mich dabei. Ich arbeite im Fashion-, Lifestyle-, Fortsetzung auf Seite XXX

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FOTO: HARRY BORDEN/CONTOUR BY GETTY IMAGES

Seit 2017 ein Sir: Der britisch-ghanaische Architekt David Adjaye wurde für seine Verdienste zum Ritter geschlagen.

Monumente
mit Geschichte

David Adjaye gehört zu den erfolgreichsten Architekten
der Gegenwart. Gefällig ist er nicht, die öffentlichen
Bauten, die er schafft, sind komplex. Sein Ziel: mensch-
liche Erfahrungen und Erinnerungen in Stein zu gießen.
Derzeit plant er einen Komplex in Abu Dhabi, der drei

Weltreligionen an einem Ort vereint. TEXT: Helen Barrett

„Mich interessieren Klienten, die einen FOTOS: ADJAYE ASSOCIATES (2)
seltsamen Baugrund haben, einen, der
eine Schwierigkeit aufweist.“ DAVID ADJAYE

50

Adjayes Entwurf „The Abrahamic Family House“ in Abu Dhabi vereint eine Moschee, eine Kirche und eine Synaoge in einem Komplex.

„Genesis“ war ein temporärer Pavillon, den Adjaye aus Hunderten von Hölzern schuf. Er stand 2011 am Eingang der Design Miami.

ir David Adjaye erinnert sich an ein frühes Krone wider, die eine Figur von Olowe of Ise trägt, dem berühmten

Projekt:  ein bescheidenes Haus in Ost-Lon- DYorùbá-Bildhauer aus Nigeria.
don. Heute einer der fantasievollsten und ge- ie 100-Millionen-Dollar-Kathedrale  in der ghanaischen Haupt-
suchtesten Architekten der Welt, zuckt er zu- stadt Accra ist problematischer. Sie zieht christliche Architek-
sammen, als er an das „stumpf gewalttätige“ tur und Akan-Motive heran und wurde auf Grund errichtet,
Scharmützel mit Londoner Stadtplanern zu- den die Regierung gespendet hat. Kritiker beschuldigten Ghanas
rückdenkt. „Man hat mich gezwungen, die Präsidenten Nana Addo Dankwa Akufo-Addo, die Rolle von Kirche
und Staat vermischt und Christen über Ghanas muslimische Bevöl-
SFassadenverkleidung niederzureißen.“ Er ist
noch immer außer sich wegen der Art und kerung gestellt zu haben. Die Debatte illustriert zwei Probleme, die

Weise, wie die Ambitionen seines jüngeren Adjayes narrativer Ansatz mit sich bringt: Geschichten widerspre-

Ichs – so empfindet er es – niedergeboxt wurden. „Das System reagiert chen einander und sie ändern sich mit der Zeit. Wie entscheidet er,

und versucht, dich in kindischer Manier zur Ordnung zu rufen, statt welche kulturellen Bezüge Eingang in ein öffentliches Bauvorhaben

Verständnis dafür aufzubringen, dass du etwas vorangebracht hast.“ finden – und welche außen vor bleiben?

Ob es nun um ein Privathaus geht oder ein großes öffentliches Bau- „Ja, ich editiere. Und Sie könnten einwenden, was gibt mir das Recht

vorhaben: Für Architekten, so sagt er, „sind Kontroversen Normali- zu editieren?“, sagt er. „Meine Klienten haben jedes Recht, nein zu sa-

tät“. Adjaye, der 2017 von Prinz William zum Ritter geschlagen wur- gen und mich zu jedem Zeitpunkt zu feuern. Aber mein Job besteht

de, schreckt weder vor Kontroversen noch vor Komplexität zurück. Der darin, sicherzustellen, dass ich Formen schaffe, die für sie Sinn erge-

52-jährige Brite ghanaischer ben, und dass ich viele Mög-

Herkunft – selbstsicher und lichkeiten aufzeige.“ Adjaye

schlank im schwarzen Hoo- räumt ein, dass er es nicht

die unterm schwarzen Bla- jedem recht machen könne.

zer – wurde im Frühjahr 2019 „Unmöglich. Selbst mit dem

drei Monate lang im Londo- Smithsonian kann ich nicht

ner Design Museum gefeiert. jeden glücklich machen.

Die Ausstellung „David Ad- Aber wonach sie alle suchen,

jaye: Making Memory“ zeigte das ist ein Intellekt, der Sinn-

sieben seiner bedeutenden öf- zusammenhänge herstellt.“

fentlichen Bauten und umriss Das zu liefern ist das Beste,

seine vielseitige Arbeitsweise. was er hoffen kann, sagt er.

Zwischen den präsentier- „Ob es gelingt oder nicht, das

ten Projekten und Famili- ist meine Bürde.“ Sein nächs-

endomizilen in Ost-London tes Großprojekt entsteht der-

liegen Welten. Zu Ersteren zeit in den Arabischen Emira-

gehört das viel gerühmte Na- ten und ist einzigartig: Adjaye

tional Museum of African baut eine Moschee, eine Syna­

American History and Cul- goge und eine Kirche auf ei-

ture in Washington, D. C., Das National Museum of African American History and Culture in ner Abu Dhabi vorgelagerten
Teil der Smithsonian Institu- Washington, D. C., liegt prominent an der National Mall. Es verweist mit Insel, die Eröffnung ist für
tion an der National Mall. Es 2022 geplant.
war von Barack Obama eröff- ä­ sthetischen Elementen auf den Beitrag von Sklaven zur US-Geschichte.
Er wollte immer Werke für

net worden, kurz vor Ende seiner Präsidentschaft. Und es gehört die die Öffentlichkeit schaffen. Adjaye begründete seinen Ruf in den

neue – und eher umstrittene – Nationale Kathedrale von Ghana dazu. 1990ern und 2000ern, mit Domizilen für Klienten wie Ewan McGre-

Zu sehen waren auch Adjayes Entwürfe für eine Holocaust Gedenk- gor oder Alexander McQueen. „Als junger Architekt bekommt man

FOTOS: ALEXANDER TAMARGO/GETTY IMAGES (1), MAURITIUS IMAGES/TIM BROWN/ALAMY (1) und Auf klärungsstätte in unmittelbarer Nähe der Parlamentsgebäu- kein öffentliches Bauvorhaben, bevor man nicht eine gewisse Reputa-

de in London. Die Ausstellung macht den argumentativen Ansatz tion erworben hat.“ Seine ambitioniertesten Wohnhäuser weisen frü-

des Architekten beim Erinnern an die Vergangenheit deutlich. Ad- he Spuren seines narrativen Prozesses auf. Etwa das „Dirty House“

jaye spricht vom „Narrativen“, wenn er beschreibt, wie er in seiner Ar- der Künstler Sue Webster und Tim Noble in Shore­ditch mit seinen

beit auf Geschichte, Kunst, Anthropologie und Erinnerungen zurück- nackten und geschwärzten Fenstern aus dem Jahr 2002. Die Idee zu

greift. Immer in der Hoffnung, menschliche Erfahrung in Form eines dem Haus entstand aus einer langen Diskussion mit den Klienten

Gebäudes zu kristallisieren. Die Kenotaphe, Statuen und Gedenkstät- „über das Schaffen von Schönheit aus den Trümmern der Straße“.

ten, die den öffentlichen Raum übersäen, sollten der Vergangenheit Wie wählt er Projekte aus? „Wenn Sie etwas ausgesprochen Ge-

überlassen werden, das legt die Ausstellung nahe. schmackvolles, Elegantes wollen, kommen Sie nicht zu David Adjaye“,

„Die Zeiten von Monumenten mit Gedenktafeln, von Objekten, sagt er. „Mich interessieren sehr Klienten, die einen ungewöhnlichen

die eine Art steinernen Beweis darstellen sollen – die sind vorbei“, Baugrund haben, der besondere Schwierigkeiten aufweist. Solche Pro-

sagt Adjaye. „Es geht nicht darum, etwas exakt abzubilden, sondern jekte ziehen mich an, und das sind die Klienten, die ich anziehe.“

Dum Erfahrungen.“ Nachdem er es mit vielerlei Herausforderungen und verfestigten In-
ie Smithsonian-Konstruktion,  2017 zum Beazley Design of teressenlagen bei großen öffentlichen Aufträgen zu tun hatte, spricht
the Year gekürt, ist ein gutes Beispiel dafür. Das Gebäude er heute über seine kleinkalibrigen Planungs-Scharmützel als intel-
versucht, den afroamerikanischen Beitrag zur US-Geschich- lektuelle Herausforderungen – „Puzzles“, die gelöst werden müssen,

te durch eine Gitterwerk-Fassade aus Metall herauszuarbeiten. Die nicht so sehr traumatische Zusammenstöße wie früher. Er erwähnt

verweist auf die schmiedeeisernen Architekturelemente, die kreoli- ein Projekt der jüngsten Vergangenheit, bei dem er mit der Londoner

sche afroamerikanische Sklaven einst in New Orleans und Charles- Verwaltung zusammenarbeitete, um ein Haus in einer Baulücke zu

ton schufen. Die dreigeschossige Struktur des Gebäudes spiegelt die bauen. „Inzwischen kommen sie zu mir, um Rat zu holen.“

www.gg-magazine.com 53

Hier wird an der
Zukunft gebastelt

G OOGLE  setzt ein Zeichen
mit dem „Charleston East“ in
Mountain View. Der zeltähnli-
che Bau bietet reichlich Platz
für gemeinsame Ideen. Innen
und außen verschwimmen.

Nicht nur technologisch wetteifern Google, Amazon,
Facebook, Apple und Microsoft um den ersten Platz.
Auch mit dem futuristischen Design ihrer Firmensitze wollen
sich die fünf Tech-Giganten übertrumpfen. Sie verwandeln
ihre Headquarter in begehbare Objekte, in denen mutige
Visionen für morgen verwirklicht werden sollen. TEXT: Silke Bender

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„Die Welt wird zum Dorf und
die Firma zur Welt.“ SILKE BENDER

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FOTO: DANIEL L. LU (USER:DLLU) – OWN WORK, CC BY-SA 4.0,
HTTPS://COMMONS.WIKIMEDIA.ORG/W/INDEX.PHP?CURID=69553418

APPLE  eröffnete das architek-
tonische Vermächtnis von Steve
Jobs im Jahr 2017. Das High-
tech-Ufo „Apple Park“ ist schon
jetzt eine Ikone. Der Entwurf
stammt von Sir Norman Foster.

AMAZON  hat mit „The
­Spheres“ gezeigt, wie das Büro
der Zukunft aussehen kann.
Mit Wasserfällen und Baum-
häusern, mit Hängebrücken
und 50 Mammutbäumen.