Thomas Schneider
Benno Wolcke
Roman Böhmer
Taschenatlas Notfall & Rettungsmedizin
Thomas Schneider
Benno Wolcke
Roman Böhmer
Taschenatlas
Notfall & Rettungsmedizin
Kompendium für den Notarzt
3. Auflage
Mit 83 Abbildungen, 64 tabellarischen Übersichten
und 12 Notfallalgorithmen
Mit Beiträgen von
J. Bengel • M. Böhmer • A. Boos • G. Jäger • P. Hartwig
J. Helmerichs • Th. Hess • H. Loup • E. Lubos • J. Müller
C. Reuß • S. Scheufens • S. Singer • S. Vettel • St. Vettel
Dr. med. Thomas Schneider
Arzt für Anästhesiologie, Notfallmedizin, Mainz
Dr. med. Benno Wolcke
Arzt für Anästhesiologie, Notfallmedizin,
Klinik für Anästhesiologie der Johannes Gutenberg-Universität, 55131 Mainz
Roman Böhmer
cand. med., Lehrrettungsassistent, Mainz
ISBN-10 3-540-29565-8 3. Auflage 2006 Springer Medizin Verlag Heidelberg
ISBN-13 978-3-540-29565-5 3. Auflage 2006 Springer Medizin Verlag Heidelberg
ISBN 3-540-01363-6 2. Auflage 2004 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
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Planung: Ulrike Hartmann und Dr. Anna Krätz, Heidelberg
Zeichnungen: Roman Böhmer (ausgenommen Abb. auf S. 41 und 42)
Design: deblik Berlin
Titelbild: Pedro Bargon, Mainz
SPIN 1130 6337
Satz: PDF-Daten der Herausgeber (EDV-Unterstützung: Thomas Häfner, Mainz)
Gedruckt auf säurefreiem Papier 22/2122 – 5 4 3 2 1 0
Dieses Werk enthält Beiträge von
Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. med. Jürgen Bengel, Freiburg
Matthias Böhmer †, PK, RS, Büttelborn
Alexander Boos*, ref. iur., Mainz
Gregor Jäger*, stud. B. Rescue-Engineering, RS, Mainz-Kastel
Dr. med. Peer-Malte Hartwig, Mainz
Dr. disc. pol. Jutta Helmerichs, Göttingen
Thorsten Hess*, cand. med., RA, Hamburg
Heinz Loup, Oberfeuerwehrmann, RA, Niederzier
Edith Lubos, cand. med., RS, Mainz
Jens Müller*, LRA, Ingelheim
Carsten Reuß*, Zahnarzt, RS, Mainz
Sandra Scheufens, Dipl.-Verw.-Betriebswirtin (FH), RS, Mainz
Stefan Singer, Dipl.-Psych., RA, Mainz
Sabine Vettel*, Ärztin, Ingelheim
Stephan Vettel*, RA, Ingelheim
* Mitwirkung an der 3. Auflage, 2006
Lektorat und wissenschaftliche Recherche zur 3. Auflage
Hans-Udo Endres, Katrin Kirch, Sandra Scheufens (jeweils Mainz)
Dank der Herausgeber
- Wir danken dem Team der Anker-Apotheke in Mainz für die
stets geduldige und freundliche Unterstützung bei einigen
pharmakologischen Fragen.
- Den Herren Dr. J. Olk und Dr. M. Hillebrandt (jeweils Mainz)
sind wir sehr verbunden für das spontane Lektorat einiger
Seiten in der Vorauflage (z.B. präklinische Ultraschalldiagnostik).
- Für das Lektorat des Abschnittes über Notfälle bei Herzschritt-
macher- und ICD-Trägern in einer vorangegangenen Veröf-
fentlichung möchten wir uns recht herzlich bei den Herren
Univ.-Prof. Dr. E. Himmrich sowie Herrn Dr. A. Liebrich
(jeweils Mainz) bedanken.
- Die Notfallalgorithmen auf den Seiten 127-130, 141, 166,
167, 204, 214, 310, 330 und 331 sind dem Titel „Reanima-
tion ’06 kompakt“ (ISBN 3-937244-02-6) entnommen.
Abdruck in diesem Werk mit freundlicher Genehmigung des
Naseweis Verlages, Mainz. Gestaltung der Algorithmen und
Anpassung für dieses Werk: Sarah Dörries, Reinheim.
Geleitwort zur 1. Auflage
Der „Taschenatlas Rettungsdienst”, ‚ein ständiger Begleiter für den Rettungs-
und Notarztdienst’ und ,gestaltet von denen, die den Rettungsdienst wahrneh-
men, Notärzten, Rettungsassistenten und Rettungssanitätern‘, hat sich zu einem
Taschenatlas Notfall & Rettungsmedizin – jetzt im Springer-Verlag – fortentwickelt.
Inhaltlich liegt dieser Neukonzeption die 3. Auflage des „Taschenatlas Rettungs-
dienst” zugrunde, die auch weiterhin für die Zielgruppe Ärzteschaft und
Rettungsdienst erscheinen wird.
Der neue Taschenatlas ist „notarztorientierter”, als dies der bisherige Taschenatlas
war; das prägt sich bereits in der Ausweitung der Themenkomplexe aus, die
Definitionen, notfallmedizinisch relevante diagnostische und therapeutische
Maßnahmen, ethische und juristische Überlegungen, Protokolle etc. umfassen.
Das macht sich zum Beispiel auch in der schon im “Taschenatlas Rettungsdienst”
sehr übersichtlichen und doch komprimierten Ausgestaltung der einzelnen Notfall-
bilder bemerkbar, die jetzt sowohl nomenklatorisch als auch inhaltlich präzisiert
bzw. komplementiert worden sind.
Wenn auch der neue Taschenatlas mehr notärztlich ausgelegt ist, so ist er doch ein
Kompendium, das nach wie vor dem Anspruch gerecht wird, der ständige
Begleiter für die Mitglieder des Notfallteams zu sein, nämlich Notärzte und Rettungs-
assistenten.
Das wird schon daraus deutlich, dass Maßnahmen, die in aller Regel vom Rettungs-
assistenten wahrgenommen werden, in das Konzept der notärztlichen Therapie
bei den Fallbeispielen integriert werden.
Die Aufnahme von Leitlinien ist sicher da, wo sie als Orientierungen gedacht sind
und nicht als Bevormundung des Notarztes, sinnvoll; für die Tätigkeit des Rettungs-
assistenten sind sie allerdings als Richtlinien verbindlich.
Dem „Taschenatlas Notfall & Rettungsmedizin“ wünsche ich den gleichen Erfolg
wie den vorhergehenden Auflagen des “Taschenatlas Rettungsdienst”. Das
gelungene Konzept der Praxisnähe, eines nachvollziehbaren didaktischen
Aufbaus, einer didaktisch geschickten Darstellung begründet auch jetzt ohne
jeden Zweifel wieder die Empfehlung, das ‚Büchlein‘ – wo immer möglich – mit
sich zu führen; allerdings wird es nicht mehr in die Kittel- oder Anzugtasche
passen, Notfallmedizin ist eben voluminöser geworden.
Mainz, im März 2000 W. Dick
Einleitung der Herausgeber zur 3. Auflage
Jeder Notfallpatient im Rettungsdienst stellt aufs Neue eine Herausforderung für
den Notarzt und sein Rettungsteam dar. Schnelle Auffassungsgabe und ziel-
gerichtetes Handeln sowie die Fähigkeit zur Zusammenarbeit im Team stellen hier-
bei wesentliche Grundlagen dar. Solide, praktisch gefestigte Fähigkeiten und
Fertigkeiten rettungsdienstlichen Handwerks sind obligatorisch. Eine ebenso
wichtige Voraussetzung ist ein fundiertes, aktuelles medizinisches Basiswissen.
Wir hatten uns für dieses Werk zum Ziel gesetzt, ein Handbuch für den Notarzt zu
erarbeiten, in dem neben Grundlagen rettungsdienstlicher Versorgung und hilf-
reichen Hintergrundinformationen auch die Neuerungen der letzten Jahre
berücksichtigt werden, einen abgerundeten Begleiter für Ausbildung und Alltag.
Dieser Anspruch in Verbindung mit erfreulich reger Nachfrage machen nun zum
zweiten Mal eine überarbeitete Neuauflage gleichzeitig notwendig und möglich.
Die Weiterentwicklung der Notfallmedizin erfordert bei jeder Neuauflage eine
kritische Überprüfung der angegebenen Maßnahmen und Hintergrundinforma-
tionen. So haben wir auch für diese Neuauflage beispielsweise alle Handlungs-
strategien auf die aktuell gültigen Lehraussagen des ERC (2005) abgestimmt.
Neu in dieser Auflage sind darüberhinaus z. B. Notfälle bei Herzschrittmacher-
Trägern (ab S. 150), Tipps für die Behandlung verschiedener Akutsituationen (ab
S. 415), detailliertere Informationen zu den Themen Todesfeststellung und MANV
sowie bei den Notfallmedikamenten mehrere neue Medikamentensteckbriefe
(Clopidogrel, Hydroxocobalamin, Salbutamol und Terlipressin).
Es erscheint kaum mehr möglich, die vielen großen und kleinen Helfer zu nennen,
die zum Gelingen dieses Büchleins beigetragen haben. Wir haben abermals
erfahren dürfen, dass ohne freundschaftliche Unterstützung, fachliche Kritik und
unbürokratische Hilfe ein solches Projekt nicht gedeihen kann. Nicht zu vergessen
die Anregungen und Verbesserungsvorschläge, die wir von Ihnen, den interes-
sierten Leserinnen und Lesern, erhalten haben und die unsere Arbeit an dieser
Auflage stark beeinflussten. Vielen Dank erneut dafür! Wir hoffen sehr, dass wir
Ihre konstruktive Kritik bei der Revision in Ihrem Sinne eingebracht haben und
wünschen Ihnen von Herzen recht viel Freude und Erfolg mit diesem Büchlein.
Sicherlich werden Ihnen auch in Zukunft Verbesserungsvorschläge, Kritik oder
Anregungen einfallen, die wir gerne entgegennehmen, nicht zuletzt, um mit den
aktuellen Entwicklungen der Notfallmedizin Schritt zu halten, damit der „Taschen
atlas Notfall & Rettungsmedizin“ ein Werk bleibt, auf das die Notärztin und der
Notarzt gerne vertrauensvoll zurückgreifen.
Mainz, im Februar 2006 Die Herausgeber
A Abkürzungsverzeichnis
A. A - DNR
Aa.
a. M. Arteria
ACD Arteriae
AED aktive Metabolite
AF active compression decompression (Technik der Wiederbelebung)
AHA automatischer externer Defibrillator
ALS Atemfrequenz
a. M. American Heart Association
Amp. advanced life support
AMV aktive Metabolite
AP Ampulle / Ampullen
ARDS Atemminutenvolumen
AV Angina pectoris
AZV adult respiratory distress syndrome
atrio-ventrikulär
B Atemzugvolumen
bes.
BLS besonders
BTM! basic life support
das Medikament unterliegt den Vorschriften des
BWS Betäubungsmittelgesetzes
Brustwirbelsäule
C
cm H2O Zentimeter Wassersäule
CO Kohlenmonoxid
CO2 Kohlendioxid
COPD chronic obstructive pulmonary disease
CoSTR International Consensus on CPR and ECC Science with Treatment
Recommendations
CPP cerebral perfusion pressure (zerebraler Perfusionsdruck)
CPR cardio-pulmonary resuscitation (kardiopulmonale Reanimation)
CT Computertomographie
D dies (Tag)
d dexter, -tra, -trum (rechts) / der, die, das, des / durch
d. Differenzialdiagnose
DD Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfall
DIVI medizin
Durchblutung, Motorik und Sensibilität (diagnostische Kontrolle)
DMS „do not attempt resuscitation“ (keine Wiederbelebung versuchen)
DNAR „do not resuscitate“ („nicht wiederbeleben“), besser: DNAR
DNR
E Abkürzungsverzeichnis
ECC ECC - kg
EKG
EMS emergency cardiac care
Elektrokardiogramm
enth. emergency medical system (Bezeichnung für verschiedene Rettungs-
entspr. dienstsysteme)
ERC enthält / enthalten
entspricht / entsprechend
European Resuscitation Council
F
FiO2 Inspiratorische Sauerstofffraktion
G
GCS Glasgow-Coma-Scale
H
h hora (Stunde)
HBV Hepatitis-B-Virus
HF Herzfrequenz
HI Herzinfarkt
HIV human immunodeficiency virus
HKS Herz-Kreislaufstillstand
HWS Halswirbelsäule
HWZ dominante Halbwertzeit (i. d. R. terminale Eliminations-Halbwertzeit
bei nieren- / lebergesunden Erwachsenen)
HZV Herzzeitvolumen
I intraarteriell
i. a. Intercostalraum
ICR intensive care unit (Intensivbehandlungseinheit)
ICU in der Regel
i. d. R. Abkürzung für stoffspezifisch definierte Mengeneinheit:
I. E. / IE z. B. Immunitätseinheit (Antitoxin), internationale Einheit
(Antibiotikum, Heparin), Insulineinheit
ILCOR International Liaison Committee on Resuscitation
i.m. intramuskulär
insbes. insbesondere
i.o. intraossär
i.v. intravenös
K
KatS Katastrophenschutz
kg Kilogramm
Abkürzungsverzeichnis
KG - RA
KG Körpergewicht
KHK Koronare Herzkrankheit
KTP Krankentransport
KTW Kranken(transport)wagen
L
lat. lateinisch
LNA Leitender Notarzt
LWS Lendenwirbelsäule
M Musculus / Morbus
M. Musculi
Mm. Massenanfall von Verletzten
MANV mittlerer arterieller Druck
MAP maximal / höchstens
max. mobile intensive care unit; Synonym für Rettungswagen (Klasse C)
MICU Minute(n)
min Millimeter Quecksilbersäule
mmHg Millival
mval Mehrzweckfahrzeug
MZF
N
N. Nervus
Nn. Nervi
NA Notarzt
NAW Notarztwagen
NEF Notarzteinsatzfahrzeug
NK Notkompetenz
NNR Nebennierenrinde
O
OrgLRettD Organisatorischer Leiter Rettungsdienst
O2 Sauerstoff
P Patient
Pat. positive endexpiratory pressure
PEEP potentia Hydrogenii
pH Sauerstoff-/Kohlendioxidpartialdruck
pO2/pCO2 per os
p. o. Patellarsehnenreflex
PSR
R
RA Rettungsassistent
RD Abkürzungsverzeichnis
RH RD - Vv.
RKI
RLS Rettungsdienst
ROSC Rettungshelfer
Robert-Koch-Institut
RR Rettungsleitstelle
restoration of spontaneous circulation (Wiederherstellung eines
RS Spontankreislaufs)
RTH arterieller Blutdruck (gemessen mit dem Gerät nach Scipione
RTW Riva-Rocci)
RW Rettungssanitäter
Rettungs(transport)hubschrauber
S Rettungs(transport)wagen
s Rettungswache / Rüstwagen (Feuerwehr)
s.
S. Sekunde(n)
s.c. siehe / sinister, -tra, -trum (links)
s. l. Seite(n)
spez. subcutan
syn. sublingual
SEG spezifisch, -er, -e, -es, -en / speziell
SHT synonym
SID(S) Schnelleinsatzgruppe (für Großschadensereignis / MANV)
SIH Schädel-Hirn-Trauma
SM sudden infant death (syndrome) (plötzlicher Kindstod)
SpO2 schwangerschaftsinduzierte Hypertonie
SSD (Herz-) Schrittmacher
SSW partielle Sauerstoffsättigung
SVES Schwangerschaftsdrittel
Schwangerschaftswoche
T supraventrikuläre Extrasystole(n)
TEL
Technische Einsatzleitung (für Großschadensereignis)
V
V. Vena
v.a. vor allem
V. a. Verdacht auf
VEL Vollelektrolytlösung (kristalloid)
VES ventrikuläre Extrasystole(n)
VF ventricular fibrillation (Kammerflimmern)
vgl. vergleiche
VT ventrikuläre Tachykardie
Vv. Venae
Abkürzungsverzeichnis
Wo. - ZVD
W
Wo. Woche(n)
WD Wirkdauer nach Medikamentengabe
WE Zeitdauer bis zum Wirkungseintritt nach Medikamentengabe
WM Zeitdauer bis zum Wirkungsmaximum nach Medikamentengabe
WS Wirbelsäule
Z
z. B. zum Beispiel
ZNS zentrales Nervensystem
z. T. zum Teil
ZVD zentralvenöser Blutdruck
Kapitelübersicht 1 1
Einsatz, Technik, Taktik
1.1 Notfall- und Rettungswesen ............................................ 2
Notfall versus Notsituation ................................. 2
Rettungsdienststruktur ...................................... 3
Personal und Fahrzeuge .................................... 4
Der Notarzt im Rettungsdienst .......................... 5
1.2 Einsatzablauf ................................................................... 6
Führung im Einsatz ............................................. 6
Verhalten am Einsatzort, Gefahren ................... 7
Rückmeldung / Nachalarmierung ................... 1 3
Retten / Heben / Tragen ................................... 1 4
1.3 Basischeck .................................................................... 16
1.4 Basismaßnahmen (Übersicht) ....................................... 17
1.5 Monitoring (Übersicht) ................................................. 32
1.6 Erweiterte Maßnahmen ................................................. 37
Medikamente / Zugangswege ......................... 3 7
Atemwegssicherung ......................................... 4 5
Thoraxdrainage ................................................. 5 3
Sonstige ............................................................. 5 5
1.7 Spezielle Einsatzsituationen ......................................... 63
Zusammenarbeit mit der Feuerwehr .............. 6 3
Zusammenarbeit mit der Polizei ...................... 6 4
Rettungshubschrauber (RTH) ........................ 6 5
Der tote Patient im Rettungsdienst ................. 6 7
Massenanfall von Verletzten (MANV) .............. 7 2
1.8 Einsatzbeendigung ....................................................... 77
1.9 Qualitätsmanagement .................................................... 78
Einsatz, Technik, Taktik 2 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Notfall versus Notsituation
• Notfallpatienten (z. B. mit Verdacht eines Herzinfarktes) werden durch den
Rettungsdienst (Notarzt, Rettungsassistent) am Notfallort frühestmöglich
mit den Mitteln präklinischer Intensivmedizin erstversorgt. Nach der Akut-
versorgung wird der Notfallpatient in ein geeignetes Krankenhaus zur
weiteren Diagnostik und Therapie eingewiesen. Der Transport findet unter
fachlicher Begleitung und unter Fortführung der Erstmaßnahmen statt. Für die
Versorgung von Notfallpatienten werden die Rettungsmittel Notarzteinsatz-
fahrzeug (NEF) und Rettungswagen (RTW), der Notarztwagen (NAW) oder der
Rettungshubschrauber (RTH) eingesetzt (s. S. 4).
• Patienten ohne primäre Vitalbedrohung, bei denen es sich aber um ein
„akut entstehendes, lokalisiertes, pathologisches Geschehen“ mit der
Gefahr zusätzlicher Schädigungen (z. B. Gallenkoliken, neu aufgetretene
Infektion) oder um die akute Verschlimmerung einer chronischen Erkrankung
(z. B. Gicht) handelt, werden als Akutfälle (früher: Notsituationen)
bezeichnet. Sie werden innerhalb kurzer Zeit von ihrem Hausarzt, seiner
Vertretung oder dem hierfür eingerichteten (kassen-) ärztlichen Bereit-
schaftsdienst (z. B. außerhalb der Sprechzeiten, nachts, an Feiertagen,
mancherorts ständig) ärztlich versorgt (Vorstellung in Arztpraxis oder Haus-
besuch - je nach Fall). Nach der Versorgung entscheidet der Arzt über eine ggf.
notwendige Klinikeinweisung (dringlich oder disponibel); der Transport wird
- je nach Fall - mit einem öffentlichen Verkehrsmittel, Taxi, Krankentransport-
wagen (KTW) oder Rettungswagen durchgeführt.
• Andere Krankheitsfälle, die keine akute medizinische Intervention not-
wendig machen, sollen direkt einem Vertragsarzt zur Diagnostik bzw.
Therapie zugewiesen werden. Hier kommen zur (i.d.R. zeitunkritischen)
Beförderung - je nach Fall - private oder öffentliche Verkehrsmittel oder der
Krankentransport mit Krankentransportwagen (KTW) in Betracht.
Ausblick auf die Zukunft
• Die oben dargestellten drei Versorgungsstrategien sind in Deutschland noch
nicht durchgehend etabliert. Sie gelten für verschiedene Patientengruppen und
setzen unterschiedliche Mittel ein, so dass jeder Patient frühzeitig (z. B. bei
Anruf) der richtigen Kategorie zugeteilt werden muss, um die adäquate Hilfe zu
erhalten. In bestimmten Fällen sind jedoch Überschneidungen möglich.
• Eine wesentliche Möglichkeit der Zukunft, die außerklinischen Versorgungs-
systeme sinnvoll zu verzahnen, besteht in der Einrichtung sogenannter
integrierter Leitstellen, die unter einheitlicher Notrufnummer für die
Einleitung und Abwicklung aller drei genannten außerklinischen Versorgungs-
strategien zuständig sind (Vermeidung von Fehlalarmierungen und initialer
Fehlversorgung).
1.1 · Notfall- und Rettungswesen 3 1
Rettungsdienststruktur
Allgemeines - Definitionen aus DIN 13050
„Der Rettungsdienst ist eine öffentliche Aufgabe der Gesundheitsvorsorge und
der Gefahrenabwehr; er gliedert sich in Notfallrettung und Krankentransport.
Notfallrettung ist organisierte Hilfe, die in ärztlicher Verantwortlichkeit erfolgt
und die Aufgabe hat, bei Notfallpatienten am Notfallort lebensrettende Maßnah-
men durchzuführen, ihre Transportfähigkeit herzustellen und diese Patienten un-
ter Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit und Vermeidung weiterer Schäden
in eine geeignete Gesundheitseinrichtung / Krankenhaus zu befördern.“
Zuständigkeiten
In Deutschland zählt der Rettungsdienst zu den Obliegenheiten der Bundeslän-
der. Er ist in den einzelnen Ländern durch die Landesrettungsdienstgesetze ge-
regelt. Innerhalb der Ländergrenzen wurden Rettungsdienstbereiche festgelegt,
deren Landkreise und kreisfreien Städte den Rettungszweckverband bilden. Dieser
ist in der Regel kommunalen Behörden zugeordnet. Von diesen wird die Aufgabe
des Rettungsdienstes auf gemeinnützige Hilfsorganisationen, Feuerwehr u. a.
übertragen oder (seltener) selbst durchgeführt. Unter Beachtung der Wirtschaft-
lichkeit und der in den Landesrettungsdienstgesetzen vorgeschriebenen Hilfs-
fristen werden in den Rettungsdienstbereichen Rettungswachen eingerichtet.
Die Koordination der Einsätze in einem Rettungsdienstbereich ist Aufgabe der
Rettungsleitstelle.
Funktionen der Rettungsleitstelle
• Annahme von Notrufen und Entsenden von Rettungsmitteln
• Koordination der Rettungseinsätze
• Zusammenarbeit mit den Leitstellen von Polizei und Feuerwehr; zukünftig
vermehrt integrierte Leitstellen
• Telefonischer Kontakt mit Krankenhäusern (Bettennachweis), Vergiftungs-
zentralen u. a. Informationszentren
• Koordination bei Großschadensereignissen
• Dokumentation aller Vorgänge (Datenpflege), Überwachung der Funkdisziplin
• Mancherorts Zusatzdienste, z. B. Hausnotruf, ärztlicher Notdienst
Einsatzkräfte
• Rettungshelfer (RH): Helfer des Rettungssanitäters beim Krankentransport
und bei der Erstversorgung von Notfallpatienten. Ausbildung: Grundlehrgang
wie RS (s. u.), 2 Wo. Klinikpraktikum, 2 Wo. Rettungswachenpraktikum.
• Rettungssanitäter (RS): Durchführung von Krankentransport, Erstversorgung
von Notfallpatienten und Helfer des Rettungsassistenten bei der
Notfallversorgung von Notfallpatienten. 520 Stunden Ausbildung: Lehrgang,
4 Wo. Klinikpraktikum, 4 Wo. Rettungswachenpraktikum, Abschlussprüfung.
Einsatz, Technik, Taktik 4 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Personal und Fahrzeuge
• Rettungsassistent (RA): Assistent des Notarztes; Notfallversorgung von
Patienten bis zum Eintreffen des Notarztes (§ 3 RettAssG). 2 Jahre
Regelausbildung: 1. Jahr Lehrgang und Praktika (Klinik und Rettungswache),
staatliche Abschlussprüfung; 2. Jahr: Ausbildung als RA-Praktikant in einer
Lehrrettungswache. In der anstehenden Novellierung des RettAssG wird von
den meisten Beteiligten eine dreijährige Ausbildung angestrebt.
• Notarzt (NA): Stabilisierung vital bedrohter Patienten vor Ort und auf dem
Transport. Anästhesisten, vielerorts auch Unfallchirurgen und Internisten. Die
Mindestvoraussetzungen für eine notärztliche Tätigkeit sind die Approbation
als Arzt und der Fachkundenachweis Rettungsdienst, bzw. die Zusatz
bezeichnung Notfallmedizin (je nach Regelung der Bundesländer). Der Notarzt-
dienst sollte dem erfahrenen Arzt vorbehalten bleiben.
Rettungsmittel
• KTW – Krankentransportwagen: für den Transport von Nicht-Notfallpatienten,
die aus medizinischen Gründen nicht in der Lage sind, öffentliche Verkehrs-
mittel, Taxen oder Mietwagen zu benutzen, z. B. liegen müssen, an ansteckenden
oder ekelerregenden Krankheiten leiden (auch Verdacht) oder für den Transport
fachliche Betreuung benötigen (könnten). Die DIN EN 1789 unterteilt:
- Typ A1: KTW, geeignet für den Transport eines einzelnen Patienten, der vor-
aussehbar kein Notfallpatient ist (Bsp. für Kfz: Renault Espace).
- Typ A2: KTW, geeignet für den Transport eines oder mehrerer Patienten (auf
Krankentrage(n) oder -sessel(n) (Bsp. für Kfz: VW T4):
- Typ B: KTW als Notfallkrankenwagen, ausgerüstet für Erstversorgung und Über
wachung von Patienten (Bsp. für Kfz: Mercedes „hoch/lang“):
• RTW – Rettungswagen: Geeignet für Erstversorgung und Transport von Not-
fallpatienten, die neben Erste-Hilfe-Maßnahmen zusätzlicher Maßnahmen
bedürfen (Wiederherstellung/Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen). Diese
Fahrzeugart wird in der DIN EN 1789 als Typ C-Krankenkraftwagen oder MICU
(Mobile Intensive Care Unit) beschrieben. Einzelheiten s.S. 582 f.
• NAW (Notarztwagen = RTW mit festem Notarzt: stationäres Notarztsystem; Vor-
teile sind ein meist einspieltes Team und bekannte Ausstattung): Rettungsmittel
zur Erstversorgung und zum Transport von Notfallpatienten, die vor und/oder
während des Transportes lebensrettender und erweiterter lebensrettender Maß-
nahmen durch einen Arzt bedürfen
• NEF (Notarzteinsatzfahrzeug - dieses wird parallel mit einem RTW alarmiert:
Rendezvous-Notarztsystem; Vorteile sind Flexibilität und Schnelligkeit,
insbesondere im ländlichen Bereich): DIN 75079
• RTH (Rettungshubschrauber: luftgebundenes Notarztsystem; Vorteile: Schnel-
ligkeit bei Langstrecken, Einsatzstellenerkundung aus der Luft, schwer zugäng-
liche Einsatzstellen können angeflogen werden; Nachteile: Geräuschpegel, Enge,
Landeplatzauswahl in Wohngebieten erschwert): DIN 13230; s. S. 65 f.
1.1 · Notfall- und Rettungswesen 5 1
Der Notarzt im Rettungsdienst
Einsatzindikationen für den Notarzt
(in Anlehnung an den Indikationskatalog Rheinland-Pfalz, MdI 1999)
1. Patientenzustandsbezogene Indikationen:
Bei einem lebensbedrohlichen Gesundheitszustand des Patienten (Gefährdung
oder Einschränkung der Vitalfunktionen):
- Bewusstseinsstörung (Pat. reagiert nicht auf Ansprache oder Schütteln)
z.B. bei Schädel-Hirn-Trauma, Vergiftung, Apoplex
- Atemstörung (ausgeprägte/zunehmende Atemnot, Atemstillstand)
z.B. bei Asthmaanfall, Lungenödem, Aspiration
- Kreislaufstörung (ausgeprägte/zunehmende Kreislaufinsuffizienz, HKS)
z.B. bei Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, hypertensive Krise, Schock
- Schwere Verletzung, schwere Blutung oder starke akute Schmerzen
z.B. bei größeren Amputationen, Verbrennungen, stark dislozierten Frakturen
2. Notfallbezogene Indikationen:
- Schwerer Verkehrsunfall, Brand und/oder Rauchgasentwicklung,
Explosions- oder Starkstromunfälle, thermische oder chemische Unfälle
(jeweils mit Hinweis auf Personenschaden), Unfall mit mehreren Verletzten
- Wasserunfälle, Ertrinkungsunfälle, Eiseinbruch
- Einklemmung, Verschüttung, Sturz aus großer Höhe (ab 3 m)
- Schuss-, Stich- und Hiebverletzungen im Kopf-, Hals- oder Rumpfbereich
- Geiselnahme und Verbrechen mit Gefährdung von Menschenleben
- Unmittelbar einsetzende oder stattgefundene Geburt
- Drohender Suizid und/oder zur Indikationsstellung einer Zwangseinweisung
bei Eigen- oder Fremdgefährdung unter Einbeziehung der Polizei (vgl. S. 64)
- ggf. unklare Situationen, in denen die Entwicklung einer akuten vitalen Gefähr-
dung nicht ausgeschlossen werden kann, z.B. WS-Verletzung, pädiatr. Notfälle
Der Leitstellendisponent setzt den NA immer dann ein, wenn
- aus dem Notruf eine der o.g. Indikationen hervorgeht
- eine Anforderung durch einen Arzt oder Rettungsdienstpersonal vorliegt, wenn
hierfür in der Regel medizinische Gründe maßgeblich sind
- der Disponent nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen eine akute Gefahr für
Leben oder Gesundheit eines Menschen vermutet.
Ein bereits nachalarmierter NA kann nie ohne Begründung abbestellt werden;
nur der NA selbst entscheidet und verantwortet, ob er die Einsatzstelle anfährt. Mit
Alarmierung wurde - sofern ein behandlungsbedürftiger Patient vorhanden ist -
ein Arzt-Patienten-Vertrag geschlossen; dieser kann nur durch den Arzt, den
Patienten oder einen anderen geeigneten Arzt (der vor Ort die Behandlung des
Patienten übernimmt) gelöst oder ersetzt werden.
Einsatz, Technik, Taktik 6 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Führung im Einsatz
Zweck der Führung in Organisationen ist es,
koordinierte Leistung durch viele Andere zu bewirken.
Die Gesamtarbeit der Organisation kann bei aufeinander aufbauenden Teilleistun-
gen nur so gut sein wie die Arbeit jedes Beteiligten. Die im Rettungsdienst zu
erbringende Leistung hat mehrere Säulen; den Notarzt interessiert vor allem eine
optimale Notfalltherapie bei seinen Patienten und mit dieser Zielsetzung muss er
nichtärztliche Mitarbeiter führen.
Zur erfolgreichen Führung, die dem Notarzt also notwendiges Instrument ist,
seine Einsatzziele zu erreichen, gehören primär folgende Aspekte:
1. Delegation
In einer akuten Situation muss der NA dem Mitarbeiter klare Handlungsanweisungen
geben, die dieser ohne Rückfragen ausführen kann. Die Delegation setzt kompe-
tente Mitarbeiter voraus, die aber auch, wenn die Anweisung offensichtlich falsch
ist, den Weg der Remonstration gehen, also auf den Mangel hinweisen und - bei
Beharrlichkeit des NA - in der Akutsituation trotzdem handeln (sofern im Rahmen
der Legalität), damit die Gesamtsituation nicht eskaliert.
2. Beteiligung von Mitarbeitern
Der NA soll dem Mitarbeiter gewisse Freiheiten und Handlungsspielräume belas-
sen. Dies setzt auch hier wieder Kompetenz des Mitarbeiters voraus, die der NA
kennen muss. Bsp.: “Bereite doch im NAW alles Nötige für die Magenspülung vor!”
Die Beteiligung erhöht die Motivation des Mitarbeiters ungemein! Es muss trotz-
dem von beiden Seiten ein Über-/Unterordnungsverhältnis akzeptiert werden,
damit nicht langwierige (= im Notfall schädliche) Diskussionen entstehen.
3. Transparenz
Dem Mitarbeiter (wie natürlich auch dem betroffenen Patienten) werden die nun
folgenden Schritte aufgezeigt, damit der Mitarbeiter die Zielrichtung des Notarz-
tes begreift und hinnehmen kann. Bsp.: “Ich werde jetzt das Medikament XYZ
verabreichen, damit der Effekt ABC eintritt.” Transparenz dient auch der Selbst-
kontrolle.
Zu einem guten Teamklima im Rettungsdienst, das für erfolgreiche Arbeit unab-
dingbar ist, gehören seitens des NA auch viele menschliche und charakterliche
Eigenschaften wie Verantwortung, Ruhe, Kompetenz, Übersicht, Kritikfähigkeit
und Mitarbeiteranerkennung.
Der NA muss verstehen, dass die Mitarbeiter des Rettungsdienstes meist viele
Jahre Berufserfahrung haben und ihm damit - trotz fehlender Hochschulausbildung
- in vielen Einsätzen wertvolle Kollegen sind, auf deren Erfahrung er sich auch
einmal stützen kann. Weiterhin muss der NA zwischen den verschiedenen
Ausbildungs-, Wissens- und Reifestadien der Mitarbeiter zu differenzieren
wissen, da es ganz normal ist, dass z. B. ein Zivildienstleistender nicht den selben
Wissensstand haben kann wie ein RA mit 20 Jahren Einsatzpraxis.
1.2 · Einsatzablauf 71
Verhalten am Einsatzort, Gefahren I
1. Eigenschutz
• Ausreichende Sicherheitsabstände bei: Strom-, Strahlen- und Gefahrgut-
unfall sowie Feuer, Gasgeruch und Gewalttätigkeit (z. B. Schlägerei).
• Ggf. Nachalarmieren von Fachdiensten und auf diese warten, anstatt den
Eigenschutz zu vernachlässigen !
• Warnkleidung (Reflexstreifen !) tragen. Die im Handel befindliche
RD-Bekleidung ist größtenteils nach den UVV als Warnkleidung nicht
anerkannt; u. U. ist eine (zusätzliche) Warnweste vonnöten !
• Persönliche und andere Schutzausrüstung einsatzbereit halten / einsetzen,
z. B. Helm (Anlegen bei Brandeinsätzen, auf Baustellen usw.
obligatorisch!), Feuerlöscher.
2. Übersicht verschaffen
• Besonderheiten der Einsatzstelle?
• Wieviele Patienten? Vitalbedrohung?
• Weiteres Einsatzpersonal (Fachdienste) notwendig?
• Wie ist eine sinnvolle Aufgabenteilung möglich?
3. Sofortmaßnahmen
a) Absicherung der Einsatzstelle:
• Fahrzeug mit Blaulicht und Warnblinker vor der Unfallstelle parken
(Schutzbarriere)
• Warndreiecke u. Warnleuchten / Sicherungsposten aufstellen
• Ggf. Polizei nachfordern (zur Absperrung, Verkehrsregelung usw.)
b) Rettung von Lebenden aus Lebensgefahr unter Eigenschutz
Rettungsgriffe vgl. S. 15 f. Beim Einsatz von Rettungsgeräten (z. B.
Hacke, Klappspaten, Brecheisen) geeignete Schutzkleidung anlegen (z. B.
Helm mit Visier, Schutzhandschuhe). Nur, wenn gefahrlos und schnell mög-
lich; sonst erst Rückmeldung an die Leitstelle (s. S. 3 und S. 13) !
c) Passanten bitten, nachrückende Fahrzeuge einzuweisen
d) Beruhigung; für Ordnung sorgen; Schaulustige entfernen, Platz schaffen.
Abschirmung des / der Patienten von Zuschauern und Lärm. Bei allen
(faszinierenden) technischen Tätigkeiten den Patienten nicht vergessen.
e) Sinnvolle Kooperation im Team:
• Keine Diskussionen (insbes. nicht vor Patienten oder Angehörigen)
• Nur nötige Anweisungen geben, qualifizierte Delegation, Sachlichkeit,
Deutlichkeit; nichts unterstellen
• Kooperation mit anderen Einsatzkräften (z. B. Feuerwehr, Polizei)
• Ggf. Einordnen in vorgegebene Hierarchie (z. B. bei kombinierten
Einsätzen mit der Feuerwehr liegt die Gesamteinsatzleitung i. d. R. beim
Einsatzleiter der Feuerwehr, z. T. in den Landesbrand- und Katastro-
phenschutzgesetzen gesetzlich festgeschrieben)
8 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Einsatz, Technik, Taktik Verhalten am Einsatzort, Gefahren II
Brandschutz
Rettungsdienstpersonal sollte die akuten Bedrohungen durch Feuer einschätzen
können und in der Lage sein, kleine Brände angemessen zu kontrollieren oder zu
löschen. Fast jedes Feuer bezieht seine Nahrung aus dem Sauerstoff (O2)der Luft.
Mittel, um die Verbindung des brennenden Materials zum O2 zu unterbrechen:
• feuerbeständiges Material (z. B. Wolldecken bei kleinen Bränden; zum
Löschen von Personen: Die Person zu Boden werfen und rollen; Eigenschutz
beachten ! Mit Decken einwickeln. Zusätzlich Wasser und ggf. Löschmittel
anwenden, dabei Gesichtsbereich möglichst schonen; s. u. !)
• Wasser; Achtung: Nicht bei Stoffen, die mit Wasser heftig reagieren
(z. B. Alkalimetalle wie Natrium) und bei Fettbränden (➯ Siedeverzug !!)
• Löschmittel aus Feuerlöschern (verdrängt den Sauerstoff; z. B. CO2)
Weiterhin muss eine Kühlung der brennenden und gelöschten Stoffe min-
destens unter die Zündtemperatur erreicht werden.
Anwendung von Handfeuerlöschern (< 20 kg)
• Vor eigenen (unzureichenden) Löschangriffen hat die Nachforderung der
Feuerwehr Priorität! Menschenrettung vor Löschangriff!
• Anwendungsbereich / Bedienungsanleitung des eingesetzten Feuerlöschers
beachten:
1. Höchstspannung (bei Bränden an elektrischen Anlagen: Einsetzbarkeit und
ggf. Mindestabstände!)
2. Brandklassen (verkürzt nach DIN EN 2):
Klasse Brennendes Material Löschmittel
A Feste Stoffe Wasser, Pulver
B Flüssige / flüssig werdende Stoffe Schaum, Pulver, CO2
C Gasförmige Stoffe Pulver, CO2
D Metalle Pulver, ggf. auch Sand (trocken)
• Lastkraftwagen und Kraftomnibusse sind unter Umständen verpflichtet,
Feuerlöscher mitzuführen und diese ggf. herauszugeben (z. B. Kraftomnibusse:
6 kg ABC-Löscher gemäß § 35 g StVZO).
• Bedenke, dass die minimale Funktionsdauer zwischen 6 s (< 3 kg-Löscher)
und 15 s (> 10 kg-Löscher) liegt ➯ zügig und geplant vorgehen; in
bestimmten Situationen ggf. stoßweises Abgeben des Löschmittels. Merke:
- Feuer stets in Windrichtung angreifen
- Flächenbrände von vorne beginnend ablöschen
- Tropf- und Fließbrände von oben nach unten löschen
- Genügend Löscher auf einmal einsetzen - nicht nacheinander
- Vorsicht vor Wiederentzündung
• Feuerlöscher regelmäßig warten (Fristen vorgeschrieben, mindestens alle zwei
Jahre, ggf. öfter) und nach Einsatz befüllen lassen.
1.2 · Einsatzablauf 91
Verhalten am Einsatzort, Gefahren III
Airbag
Bei der Behandlung einer verletzten Person in einem verunfallten Pkw an einen
evtl. nicht ausgelösten Airbag denken ! Bei den Rettungsarbeiten kann es unter
Umständen zu einer Auslösung kommen (Verletzungsgefahr, lauter Knall). Der
Fahrer- / Beifahrer-Airbag zündet nicht bei isoliertem Seiten- oder Heckaufprall,
Überschlag sowie bei Frontalunfällen mit geringer Unfallschwere. Auf das Vor-
handensein eines Airbags wird sowohl auf der Fahrerseite als auch ggf. auf der
Beifahrerseite durch einen Schriftzug hingewiesen (meist “SRS”). In Zukunft
werden Airbag-Systeme auch für die Rücksitze zu finden sein. Beachte:
• Nie (z. B. mit dem Kopf) zwischen Airbag und Patient aufhalten.
• Die Auslösung des Airbags wird durch Abklemmen der Batterie /
Durchtrennen der Batteriekabel verhindert (Zündung reicht nicht). Aller-
dings kann nach Unterbrechung der Batterieverbindung noch für einige Zeit
die Gefahr der Auslösung bestehen (Kondensatorwirkung, z. T. etwa 20
min). Ggf. kann die Gefahr einer nachträglichen Airbagauslösung durch
Anbringen eines speziellen Rückhaltesystems am Lenkrad minimiert
werden (z. B. Octopus).
• Keine Schneid- / Bohrarbeiten / Erhitzung im Bereich des Airbagsystems !
• Keine Gegenstände über Airbagmodulen ablegen !
Bahnunfall I
Notfälle im Gleisbereich der Deutschen Bahn (DB) fordern die Helfer besonders im
Hinblick auf Gefahren an der Einsatzstelle:
1. Die Gefahren, die vom Unfallort selbst ausgehen (z. B. Gefahrgut, erschwerte
Rettung aus Zügen). Ggf. Fachdienste anfordern (Feuerwehr, THW, Bahn).
2. Die Gefahren, die von Zugfahrten im betroffenen Gleis oder im Nachbargleis
ausgehen. Vor Arbeiten im Gleisbereich ist daher grundsätzlich die Strecke
sperren zu lassen (d.h. nur, dass keine Züge mehr fahren; Oberleitung bleibt
eingeschaltet - kann telefonisch veranlasst werden; Bestätigung abwarten!!!).
3. Die Gefahr, die von der Oberleitung ausgeht, also der Strom (vgl. S. 12).
Beachte: Die Oberleitungen der DB führen 15.000 V Wechselspannung.
Kontakt oder dichte Annäherung führen obligatorisch zu schweren elektro-
thermischen und elektrophysiologischen Schäden bis zum Tod. Das Unter-
schreiten der erforderlichen Mindestabstände ist erst nach Ausschalten
und (!) Bahnerden durch Fachpersonal vor Ort möglich.
Die Einsatzleitung bei Bahnunfällen beinhaltet den sogenannten Notfallmanager
der DB Netz AG mit betrieblicher Weisungsbefugnis (s. nächste Seite unten).
Es ist möglich, auf „DB-Schienen“ „DB-fremde Züge“ anzutreffen, da (in Zukunft
verstärkt) Trassen an fremde Unternehmen verkauft werden. Polizeiliche Ermitt-
lungsbehörde kann je nach örtlicher Absprache und Fall die Bundespolizei oder
das LKA (= Landeskriminalamt) sein. Erstangriff ggf. durch Schutzpolizei.
10 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Verhalten am Einsatzort - Bahnunfall II
Einsatz, Technik, Taktik Hilfestellung bei jeglichen Einsätzen auf Gleisanlagen der DB gibt der Algorithmus
auf der folgenden Seite.
Abkürzungen: DB = Deutsche Bahn
NFLS = Notfallleitstelle der DB-Netz
Fdl = DB-Fahrdienstleiter/in
RLS = Rettungsleitstelle (Rettungsdienst/Feuerwehr)
Fußnoten zum Algorithmus Bahnunfall:
1 “Unfall” im Sinne dieses Algorithmus meint
• Erkennen eines gefährlichen Ereignisses im Bahnbetrieb (z. B. große Gegen-
stände im Gleis, Beschädigung von Oberleitungen),
• Unfall mit Zügen oder Fahrzeugen im Gleis,
• Gefährdung von im Gleis befindlichen Personen (z. B. Selbsttötungsversuch).
2 Unbedingt Namen und Funktion des Meldenden geben lassen! Wenn Melden-
der weder Fdl noch Notfallmanager fi Rückfrage bei NFLS der DB-Netz!
3 Die Telefonnummer der regional zuständigen Notfallleitstelle der DB-Netz liegt
im Regelfall der RLS vor. Alternativ kann mancherorts eine Alarmierung über
sogenannte 3-S-Zentralen der DB Station und Service AG erfolgen. Diese
Zentralen verständigen den zuständigen Fdl und veranlassen weitere Maß-
nahmen! Bei Rückmeldung und Information der NFLS ist anzugeben:
• Wo? (Nachbarbahnhöfe, Streckenkilometrierung auf weißen Tafeln mit
schwarzer Schrift an Strommasten, evtl. Signale mit Bezeichnung, Straßen-
angabe, Anfahrtswege)
• Was? (Z. B. beteiligte Fahrzeuge / Züge, Reisezug / Güterzug, Gefahrgut,
Entgleisung)
• Bauliche Besonderheiten? (Damm, Tunnel, Brücke)
4 Oberleitungsschäden sind u.a. erkennbar an
• Durchhängen / Riss der Oberleitung • Spannungsknistern
• umgeknickten / beschädigten Masten • Funkenbildung, Lichtbogen
5 Regionale Besonderheiten: Je nach Einsatzbezirk können Bundespolizei,
Feuerwehren u.a. im Bahnerden unterwiesen und hierfür alarmierbar sein.
Informieren Sie sich über die Regelung im eigenen Rettungsdienstbereich!
6 Selbst bei ausgeschalteter Oberleitung sind Stromüberschläge möglich (z. B.
über Streckentrenner); daher bringt nur Bahnerden durch eingewiesenes Fach-
personal bei Oberleitungsschäden die erforderliche Sicherheit.
7 Sobald RD-Personal die Räumung des Gleises bestätigt hat, darf das Gleis nicht
mehr ohne ausdrückliche Genehmigung des Notfallmanagers betreten
werden, da dann möglicherweise die Streckensperrung aufgehoben wurde.
1.2 · Einsatzablauf 111
Verhalten am Einsatzort - Bahnunfall III
Unfall/Notfall auf Eisenbahngleisen wird an RLS gemeldet 1
Alarmierung von Melder = DB-Mitarbeiter?
Einsatzkräften (i. d. R. Fdl)
Primäre Aufgaben vor Ort: JA
Erkundung und Rückmeldung Gleis gesperrt?
Einweisen (möglichst DB) (Bestätigung beidseitiger
ggf. Sofortmaßnahmen Sperrung an RLS erfolgt?) 2
(Nicht im Gleisbereich!
Mindestabstände einhalten!)*
JA NEIN
* Mindestabstände: RLS: NFLS der DB informieren3
• Normaler Mindestabstand zu intakter • NFLS informiert zuständigen
Oberleitung: 1,50 m (Menschenrettung). Fdl und Notfallmanager
• Mindestabstand bei Oberleitungsschäden: • Fdl sperrt entsprechenden
10 - 15 m zu allen potentiell spannungs- Streckenabschnitt
führenden Teilen.
Beachte: Spannungstrichter! • Fdl informiert NFLS
• NFLS bestätigt RLS die
• Nur nach ausdrücklicher Genehmigung
(nach Bahnerden) durch Fachkraft (Notfall- Sperrung
manager oder anderes autorisiertes DB- • RLS informiert Einsatzkräfte
Personal) Unterschreiten dieser Abstände!
vor Ort
• Nicht auf Wagen oder Masten klettern!
(Außer ausdrücklich durch Fachkraft der DB
genehmigt.)
Oberleitung oder zugehörige
Teile beschädigt? 4
JA NEIN Fußnoten auf der vorhergehenden Seite beachten!
JA
NEIN Hat der Notfallmanager Muss der
(oder u. U. die Bundespolizei, Mindestabstand
die Feuerwehr, ein autorisierter zur Oberleitung von 1,50 m
Techniker) bahngeerdet5 und unterschritten werden?
das Gleis freigegeben? (Z. B. Verletzter auf Wagen?)
• Gleisbereich nicht JA NEIN
betreten!
Einsatzkräfte dürfen den
• Bahnerdung abwarten! Gleisbereich betreten7.
• Sicherheitsabstand
einhalten!!!6 *
Der Notfallmanager der DB Netz AG ist ab seiner Verständigung der betriebliche Leiter an
der Unfallstelle (mit entspr. Weisungsbefugnis) und organisiert ggf. eisenbahnspezifische
Rettungsmittel. Er trifft in der Regel etwas später als die ersten Einsatzkräfte vor Ort ein, ist
aber jederzeit telefonisch erreichbar.
12 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Verhalten am Einsatzort, Gefahren VI
Stromunfall
Einsatz, Technik, Taktik • Zuerst Stromkreis unterbrechen (lassen)!
a) Niederspannung (unter 1.000 Volt Wechselspannung mit maximal
500 Hz / 1.500 V Gleichspannung), z. B. im Haushalt. Maßnahmen: Ggf.
• Betätigung von “NOT-AUS-Tastern” (wenn vorhanden)
• Sicherung entfernen; Netzstecker ziehen
• Sich selbst durch Isolierung schützen
• Im Zweifelsfall Elektrofachkraft / Feuerwehr hinzuziehen!
Sicherheitsabstand bei Erkundung / Rettung: 1 m.
b) Hochspannung (über 1.000 Volt Wechselspannung / 1.500 Volt Gleich-
spannung): Bis zur Feststellung der Spannungsfreiheit grundsätzlich keine
Annäherung unter 5 m (DIN VDE 0132), besser 10 m! Maßnahmen nur (!)
durch VDE-Fachpersonal (FW, THW, Stadtwerke, Deutsche Bahn)
1. Absperren, Gefahrenkennzeichnung (z. B. Schilder)
2. Freischalten 3. Vor Wiedereinschalten sichern
4. Spannungsfreiheit feststellen 5. Erden und Kurzschließen
6. Benachbarte unter Spannung stehende Teile abdecken und abschranken
Hinweise: Für Löscharbeiten an elektrischen Anlagen (Feuerwehr) sind
besondere Mindestabstände vorgeschrieben. Einsatzbereiche von Feuerlöschern
beachten (Rettungsdienst) ! Die DIN VDE sieht bei Hochspannungsanlagen je nach
Nennspannung differenzierte Mindestabstände vor (3 / 4 / 5 m); da diese Differen-
zierung im Einsatz problematisch ist, sollte als Mindestabstand immer 5 m einge-
halten werden. Die Annäherung an intakte (!) Oberleitungen der Deutschen
Bahn (15.000 V bei 16 2/3 Hz) ist ausnahmsweise bis auf 1,5 m möglich
(beschädigte Oberleitung: mindestens 10 - 15 m!) - vgl. S. 11 f. Wichtig: Die
genannten Abstände beziehen sich nicht nur auf die Spannungsquelle
selbst, sondern auch auf alle potentiell unter Spannung stehende Teile
(ggf. auch Patienten)!
Gefahrgutunfall / Gefahrguttransport
1. Erkennen: • Warnsymbole / orangefarbene Warntafel (s. S. 584 ff.)
• Bes. Sicherungsmaßnahmen (z. B. Feuerlöscher am Fahrzeug)
2. Eigenschutz ! Sicherheitsabstand halten ! Schutzausrüstung ! Ggf. das
zum Gefahrgut gehörende “Unfallmerkblatt Straße” aus der Fahrerkabine
sicherstellen (enthält Angaben zu Eigenschaften und Verhaltensweisen
gegenüber der Substanz).
3. Feuerwehr nachfordern. Dieser sind bei der Anforderung - wenn möglich -
bereits Verdachtsmomente auf Art (z. B. brennbar, ätzend, giftig, radioaktiv)
und Menge des Stoffes mitzuteilen. Im Idealfall die auf der orangefarbenen
Warntafel angegebenen Zahlen nennen (s. S. 584 ff.)
4. Polizei zur Absperrung des Unfallbereiches nachfordern
5. Eigene Maßnahmen im Gefahrenbereich erst nach Abstimmung mit der
Feuerwehr und Information über das Gefahrgut
1.2 · Einsatzablauf 113
Rückmeldung / Nachalarmierung
Rückmeldung
Möglichst frühzeitig sollte ein Fahrzeug im Notfalleinsatz der Rettungsleitstelle
eine (erste) Rückmeldung durchgeben. Diese beinhaltet
• knappe Schilderung der tatsächlichen Situation (Der Leitstelle liegen in der
Regel nur die oft spärlichen / fehlerhaften Informationen des Notrufes vor.)
• Anzahl der Verletzten bzw. Erkrankten - wieviele schwer?
• ggf. zuviel alarmierte, noch auf der Einsatzfahrt befindliche Kräfte
abbestellen oder noch zusätzlich erforderliche Hilfe nachfordern
• ggf. wichtige Hinweise zum Anfahrtsweg oder Gefahren der Einsatzstelle.
Inhalt einer ggf. notwendigen, präziseren Zweitrückmeldung:
• Schadensart
• Schadensort (sofern Alarmierungsinformationen ungenau / falsch)
• Zu- und Abfahrtswege
• Schadensausmaß und voraussichtliche Entwicklung der Gefahren und Schä-
den (Ereignis abgeschlossen?; bei länger dauernden Ereignissen ist auch
an Versorgung / Verpflegung von Personal / Betroffenen zu denken !)
• Anzahl der Betroffenen, ggf. Schätzung (Größenordnung)
• Anteile (in Prozent der Gesamtzahl)
Schwerverletzte / Leichtverletzte / Nichtverletzte / (Tote)
• Überwiegende Verletzungsart, z. B. Trauma, Verbrennung, Vergiftung
• Anzahl eingeklemmter / verschütteter / schwer zugänglicher Personen
• Zusatzgefahren, z. B. Brand, Explosion, chemische Stoffe, Strom
• Ggf. Möglichkeiten zur Ordnung des Schadensraumes, z. B. bereits vor-
handene Verletztenablagen
• Ggf. Zusatzanforderungen (technische Hilfe, Brandbekämpfung, Wasser- /
Höhenrettung, Ortung)
• Bereits selbst durchgeführte Maßnahmen, geplante Maßnahmen
Nachforderung weiterer Einsatzkräfte über die Rettungsleitstelle
• Weitere Rettungsmittel (RTW / KTW - s. S. 5), entsprechend der Anzahl
der Verletzten und den Verletzungsmustern
• Notarzt s. S. 5 / RTH s. S. 65 f. / OrgL und LNA s. S. 72 f.
• Polizei s. S. 64 / Feuerwehr s. S. 63
• DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft): Rettungsarbeiten in
Gewässerumgebung
• Stadtwerke: zum Abschalten und Wiedereinschalten von Strom, Gas,
Wasser und Fernwärme
• Firmeneigene Einsatzkräfte bei Betriebsunfällen (z. B. Werkfeuerwehr,
Deutsche Bahn - vgl. S. 9 f.)
• THW (Technisches Hilfswerk): Bergungsarbeiten, Sicherungsarbeiten,
Aufräumarbeiten und Instandsetzungsarbeiten (Katastrophenschutz)
Einsatz, Technik, Taktik 14 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Retten / Heben / Tragen
Richtiges Heben und Tragen
Die Wirbelsäule des Rettungsdienstpersonals ist im Rahmen des täglichen He-
bens und Tragens von Patienten schwer belastet. Richtiges Heben verringert diese
Belastung und senkt das Risiko chronischer u. akuter Wirbelsäulenschäden:
• Oberkörper aufrecht und Rücken gerade halten,
• die Kraft soll aus der Beinarbeit kommen,
• keine ruckartigen Bewegungen,
• keine Drehbewegungen der Wirbelsäule unter Last,
• sofern vorhanden, sollten Umlagerungshilfen genutzt werden, z. B. höhenver-
stellbare Betten auf Tragenhöhe einrichten (nicht Trage ablassen);
Umlagerungsrutsche (Rollboard, in den meisten Kliniken/Pflegeheimen vorh.).
Zur Prophylaxe empfiehlt es sich, eine Rückenschule durchzuführen, z. B. als
Fortbildung. Beachte: Der akute Bandscheibenvorfall, den sich ein Beschäftigter
beim Anheben eines Patienten zuzieht, ist ein Arbeitsunfall ➯ Durchgangsarzt.
Dies gilt nicht für chronische Rückenbeschwerden.
Spezielle Rettungsgriffe (Beispiele s. nächste Seite)
Beachte: Rettungsgriffe dienen bestimmungsgemäß der Rettung von Patienten
aus Gefahrensituationen, sind aber im Krankentransport zu vermeiden (scho-
nendere Alternativen). Zur Haftung bei Schädigung des Patienten durch Rautek-
Rettungsgriff vgl. AZ 1058/91, LG Duisburg, 09.02.1993.
Transporthandgriffe / Transporthilfsmittel
a) genormte Geräte (Auswahl sollte auf jedem Rettungsmittel verfügbar sein)
• z.B. Tragetuch, Schaufeltrage / Spineboard, Vakuummatratze
• Die Feuerwehr kann dieses Spektrum bei schwierigen Transportbedingungen
(z.B. Rettung aus Höhen/Tiefen, schwergewichtige Patienten) i.d.R. um
zusätzliche Geräte bereichern (z.B. Schleifkorbtrage).
b) improvisiert (wenn andere Mittel versagen / ausnahmsweise nicht verfügbar)
• Patient auf stabilen „Küchenstuhl“ setzen (1 o. 2 Helfer heben an den Vor-
derbeinen des Stuhls an; 1 o. 2 Helfer tragen an der Rückenlehne)
• Hakengriff: Zwei Helfer stehen sich zugewandt beidseits des Patienten. Sie
reichen sich hinter dem Rücken und unter dem Gesäß des Patienten die Hände
und verhaken sie fest. Der Patient legt seine Arme um den Nacken der Helfer. Der
Hakengriff unter dem Gesäß kann durch Fassen einen festen Trageringes (aus
Dreiecktuchkrawatte) ersetzt oder einen Tragesitz optimiert werden.
Achtung!
Vorsicht bei Verdacht auf (Hals-) Wirbelsäulenverletzungen (größte Schonung;
HWS-Stützkragen, Schaufeltrage und Vakuummatratze !). Generell Vital-
stabilisierung, Frakturruhigstellung und ausreichende Schmerzbekämpfung vor
Rettung oder Umlagerung (sofortige Rettung nur bei Lebensgefahr vor Ort, z. B.
Feuer, Einsturzgefahr - Eigenschutz beachten!).
1.2 · Einsatzablauf 15 1
Rettung aus dem GefahrenbereichI
Rautek-Rettungsgriff:
Zur Rettung Erkrankter und Verletzter aus akuter Gefahr; in der Ebene und aus
Kraftfahrzeugen.
Schulter-Tragegriff / Gemsenträger-Griff:
Zur Rettung Erkrankter und Verletzter aus akuter Gefahr; aus erhöht sitzender
Position.
Rückenschleif-Technik nach Rautek:
Zur Rettung Erkrankter und Verletzter aus akuter Gefahr; bei nied-
riger Deckenhöhe.
16 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Basischeck
Einsatz, Technik, Taktik Ziel
Der Basischeck wird mit dem Ziel durchgeführt, Störungen oder Bedrohungen
der Vitalfunktionen frühestmöglich zu erkennen. Dies ist Grundvoraussetzung
für eine adäquate Behandlung des Patienten:
➯ Lebensrettende Sofortmaßnahmen / Basismaßnahmen notwendig?
➯ Notärztliche Therapie notwendig / dringlich?
➯ Es empfiehlt sich das Vorgehen nach feststehenden Algorithmen.
Durchführung (Normwerte der Vitalfunktionen s. S. 572 f.)
1. Bewusstsein
Fragestellung: normal? / gestört? / Bewusstlosigkeit?
• Reaktion auf Ansprechen, Berühren, Schmerzreiz
(normal = Patient ist wach, gibt klare Antworten und ist zeitlich, örtlich, räumlich und zur
Person und Situation orientiert.) Vorsicht: Missdeutung von Taubheit u. ä. möglich !
• Glasgow-Coma-Scale (GCS s. S. 578)
2. Atmung
Fragestellung: normal? / gestört? / Atemstillstand?
• Sehen: Atembewegungen (Heben und Senken des Thorax)
• Hören: Atemgeräusche (Mund / Nase des Patienten)
• Fühlen: Atemstoß (Hauch vor Mund/Nase des Patienten an eigener Wange)
• Hautfarbe (Zyanose?)
• Pulsoxymetrie (s. S. 33)
3. Herz-Kreislauf
Fragestellung: normal? / gestört? / Herz-Kreislaufstillstand?
• Puls: Die arteriellen Blutwellen können an folgenden Stellen gut getastet
werden (ein oder zwei Finger - nicht Daumen wegen Eigenpuls):
a) Hals (A. carotis): beim Bewusstlosen, bei Zentralisation oder zur
Kontrolle der Thoraxkompressionen
b) Handgelenk (A. radialis): beim bewusstseinsklaren Patienten (> 1 Jahr)
c) Oberarm (A. brachialis): bei Säuglingen (< 1 Jahr)
d) Leiste (A. femoralis): wenn andere Lokalisationen nicht möglich sind
• Blutdruck (s. S. 32)
• Schockzeichen (Nagelbettprobe? / kalter Schweiß?)
• EKG (s. S. 117 ff.)
4. Verletzungen (äußere / innere)
Fragestellung: keine ? / möglich ? / offensichtlich ?
• Unfallmechanismus (s. S. Kapitel 9)
• Schmerzen, Wunde / Blutung, Frakturzeichen (s. S. Kapitel 9)
• ggf. (teilweises) Entkleiden, ggf. Bodycheck (“head to toe”)
5. Grobes schnelles, aber umsichtiges Erfassen von Zustand des Patienten,
der Leitsymptomatik und Hinweisen auf das zurückliegende Ereignis
(Notfallanamnese): Befragen (Hauptbeschwerden, Verlauf, Grund-
erkrankungen, Medikamente) - s. Kapitel 3
1.4 · Basismaßnahmen 117
Basismaßnahmen I - Übersicht
Ziel
Das primäre Ziel der Basismaßnahmen ist die Aufrechterhaltung der Vital-
funktionen des Patienten. Dazu muss jeder Helfer im Rettungsdienst in der Lage
sein, die vorliegende Situation schnell zu erfassen und adäquat zu reagieren.
Diese einfachen, aber lebensrettenden Maßnahmen werden von Rettungs-
assistenten und Rettungssanitätern selbstständig durchgeführt, um die Vital-
funktionen ohne Zeitverzug bis zum Eintreffen des Notarztes zu unterstützen
oder zu ersetzen und schwere Sekundärschäden zu verhindern. Die Aufgabe des
Notarztes besteht darin, diese Maßnahmen auf Erfolg zu überprüfen und sie kor-
rekt weiterzuführen, bis sie sich spontan oder aufgrund einer sachgerechten not-
ärztlichen Therapie erübrigt haben.
Merke:
Basischeck und Basismaßnahmen sind auch und gerade für die notärztliche Ver-
sorgung das A und O, da sie im Einzelfall den notwendigen Zeitgewinn verschaf-
fen, um eine suffiziente Notfalltherapie und ihre Wirkung - vor Ort oder manch-
mal auch erst in der Klinik - mit erweiterten Maßnahmen zu ermöglichen.
Zu den Basismaßnahmen zählen:
• Beruhigung und Aufklärung
• Sichern der Vitalfunktionen
- Blutstillung (S. 18, Kapitel 9)
- Helmabnahme, HWS-Ruhigstellung (S. 19)
- Lagerung (S. 22 ff.)
- Atemwegsmanagement: 1. Freimachen der Atemwege (S. 25)
2. Freihalten der Atemwege (S. 25)
3. Sauerstoffgabe (S. 26)
4. Beatmung (S. 27 ff. )
5. Algorithmus (S. 204 f.)
- Kardiopulmonale Reanimation (CPR) - s. Kapitel 5
- Wärmeerhalt; Wärmen und Kühlen (S. 31)
• Ggf. Nachforderung weiterer Rettungsmittel, organisatorischer oder
technischer Hilfe (S. 13)
• Kontinuierliche Überwachung der Vitalfunktionen
(Basismonitoring S. 32 ff.: Bewusstsein, Atmung, Puls, Blutdruck, EKG,
Pulsoxymetrie, ggf. Kapnometrie)
• Psychische erste Hilfe - s. Kapitel 15
• Dokumentation (S. 77), sie ermöglicht u. a. in der Klinik einen gezielten Zugriff
auf wesentliche Informationen zur optimalen weiteren Behandlung.
Reihenfolge entsprechend den Erfordernissen der individuellen Situation!
18 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Einsatz, Technik, Taktik Blutstillung
Blutstillung allgemein
Eine Blutung liegt vor, wenn Blutgefäße durch Verletzung oder spontane Zerreis-
sung eröffnet sind und auf diese Weise Blut das Kreislaufsystem verlässt. Die
Gefahr größerer Blutverluste ist der Volumenmangelschock (s. Kapitel 8). Weitere
Hinweise zu Wundversorgung und Blutstillung s. a. Kapitel 9 (konkrete Notfälle).
Mittel zur Blutstillung:
1. Hochlagern vermindert die Blutung an einer verletzten Extremität.
2. Abdrücken: Das zuführende Blutgefäß wird vor der Wunde an einem geeig-
neten Abdrückpunkt gegen einen Knochen gedrückt (z. B. Oberarm, Kniekeh-
le, s. nächste Seite). Es gelangt kein Blut mehr zur Wunde. Ggf. direkte
Wundkompression: Blutstillung durch direktes Aufpressen mit (sterilen)
Kompressen, zur Not auch mit den Fingern (Handschuhe!) auf die Wunde.
3. Druckverband
Mit einem Polster wird starker Druck auf die Wunde ausgeübt (Vorsicht:
keine Abbindung ! Stauung vermeiden !). Ist ein Druckverband unzureichend
(starkes Durchbluten), wird über dem ersten ein zweiter angelegt.
Mullbinde oder
Dreiecktuch
Druckpolster
Wunde Wundauflage
2. Umschlag
Knochen 1. Umschlag
Blutgefäße
Nerv
Druckverband
4. Zur Not Abbindung
Nur als letzte verzweifelte Maßnahme (Ultima Ratio) wird eine Extremität
mit einem weichen mindestens 4 cm breitem Material so fest umbunden, dass
kein Blut mehr hineinfließen kann. Äußerst schmerzhaft, schädigend und fast
nie nötig! Durchführung:
• Blutdruckmanschette oberhalb der Blutung anlegen (nicht über Gelenken).
• Deutlich über den systolischen Blutdruck des Patienten aufpumpen;
z. B. 300 mmHg. Beachte: Schmerzen.
• Genaue Uhrzeit dokumentieren.
• Cave: Wenn der arterielle Blutfluss nicht komplett unterbunden ist, kommt
es zu einer venösen Stauung mit Verstärkung der Blutung!
1.4 · Basismaßnahmen 119
Helmabnahme / HWS-Immobilisation
Helmabnahme und Anlegen eines HWS-Stützkragens
Der Schutzhelm bei Motorrad- und anderen Zweiradfahrern wird grundsätzlich -
aber vorsichtig - abgenommen (auch Ersthelfer !), wenn eine Bedrohung der
Vitalfunktionen (z. B. Bewusstlosigkeit) besteht oder zu befürchten ist. Aufkleber
wie z. B. „Helm nur vom Arzt abzunehmen“ haben weder medizinische noch juri-
stische Relevanz. Ist der Patient bei klarem Bewusstsein (Einsichtsfähigkeit), so
obliegt ihm die Entscheidung. Er muss jedoch ggf. darauf aufmerksam gemacht
werden, dass die Helmabnahme für seine Behandlung entscheidend, u. U. sogar
lebenswichtig ist. Der Helm wird immer von zwei Helfern abgenommen.
Achtung: Vor, während und nach Helmabnahme wird der Kopf solange durch
einen Helfer ruhiggestellt (immobilisiert), bis die Halswirbelsäule mittels HWS-
Stützkragen (z. B. Stifneck®, NecLoc®) immobilisiert ist! Für die sogenannte ma-
nuelle In-Line-Immobilisation kann ein Helfer auch dann abgestellt werden, wenn
keine Zeit zum Anlegen eines HWS-Stützkragens ist, ein solcher nicht vorhanden
ist oder Maßnahmen das Abnehmen des HWS-Stützkragens erfordern (z. B. Intu-
bation). Das Ausüben von (leichtem oder stärkerem) Zug während der In-Line-
Immobilisation wird z. Zt. nicht empfohlen; es gibt mehr Hinweise, die dagegen
sprechen als dafür. Das American College of Surgeons empfiehlt bei Verdacht
auf HWS-Beteiligung lediglich
1. Immobilisation (HWS-Stützkragen) und
2. Stabilisation (Ruhigstellung der gesamten Wirbelsäule durch kontinuierliche
Fixierung und Immobilisation des Patienten auf einer festen Unterlage).
Das Anlegen eines HWS-Stützkragens sollte so gut trainiert sein, dass es
ohne wesentlichen Zeitverlust vor anderen lebensrettenden Sofortmaßnah-
men durchgeführt werden kann.
Vorgehensweise bei der Helmabnahme:
1. Helfer 1 (kniet am Kopf des Patienten): Kopf durch Halten an Helm und Unter-
kiefer achsengerecht immobilisieren.
2. Helfer 2 (kniet an der Seite des Patienten): Visier öffnen; Brille, Schmuck
usw. abnehmen; Kinnriemen lösen; Kopf auf beiden Seiten an Kopf / Hals /
Nacken umfassen; achsengerechtes, ruhiges Halten.
3. Helfer 1: Helm vorsichtig abziehen (Vorsicht: Nase, Ohrschmuck !) ohne
Beugung der HWS; Übernahme der achsengerechten Immobilisierung (von
hinten Kopf, Nacken und Unterkiefer fixieren).
4. Helfer 2: Anlegen des HWS-Stützkragens.
Die Handgriffe werden laut abgesprochen, damit eine ständige Immobilisierung
gewährleistet ist. Jeder Rettungsdienstmitarbeiter sollte über gängige
Helmverschlussmechanismen informiert sein.
Einsatz, Technik, Taktik 20 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Lagerung I
Grundsätze
1. Besteht keine unbedingte Indikation für eine bestimmte Lagerung, so ist die
dem Patienten angenehmste zu wählen (z. B. Schonhaltung).
2. Vorsicht bei Verdacht auf Verletzung der (Hals-) Wirbelsäule!
Ruhigstellen (HWS-Stützkragen s. S. 19 f., Vakuummatratze), vorsichtiges
Umlagern (Schaufeltrage s. S. 36 ff.), schonender Transport!
Warnzeichen: • Sensibilitätsstörungen, Lähmungen (kontrollieren!)
• Schmerzen im Wirbelsäulenbereich
• entsprechender Unfallmechanismus
3. Notfallpatienten grundsätzlich nie im Stehen oder instabilen Sitzen (Stuhl)
versorgen (Gefahr des Sturzes bei Einsetzen von Bewusstseinsstörungen
oder Schwäche). Ausreichend Platz schaffen!
1. Lagerung in der vorgefundenen Position
• Indikation: Verdacht auf Wirbelsäulentrauma (bei erhaltenem Bewusstsein).
• Hinweise:
• Frühzeitige Immobilisation der HWS (In-Line-Immobilisation / Anlegen
eines HWS-Stützkragens (s. S. 19)!
• Umlagerung mit Schaufeltrage, Rettungskorsett (z. B. K.E.D.® = Kendrick
Extrication Device) oder zur Not synchronisiert mit vielen Helfern auf vorge-
formte Vakuummatratze. Dabei frakturierte Extremitäten unter Zug halten und
wie die HWS achsengerecht stabilisieren.
• Kopf nicht überstrecken.
• Ggf. den Patienten achsengerecht auf den Rücken drehen.
• Wirkungsweise: Vermeiden weiterer Schäden, geringste Schmerzen für den
Patienten, Ruhigstellung für den Transport.
2. Stabile Seitenlage
• Indikation: Bewusstlosigkeit bei ausreichender Spontanatmung.
• Kontraindikation: Patient mit sicherer oder hochwahrscheinlicher Halswir-
belsäulenverletzung. Dann:
1. ununterbrochene Mundraumkontrolle (Sehen / Hören)
2. kontinuierliches Freihalten der Atemwege mit Esmarch-Handgriff
3. ständige Absaugbereitschaft (großlumiger Katheter)
4. frühzeitige Lagerung und Fixierung auf Schaufeltrage, um bei Erbrechen /
Blutung den Patienten kippen zu können (Bei Erbrechen im Schwall ist
Absaugen nicht ausreichend schnell und effektiv, um eine Aspiration zu
verhindern !)
Bei Patienten mit dringendem V. a. HWS-Verletzung sollte die übliche stabile
Seitenlage mit Überstrecken des Kopfes vermieden werden. Die Lagerung die-
ser Patienten muss jedoch folgende Kriterien gewährleisten (ILCOR / ERC):
- Stabilität
1.4 · Basismaßnahmen 121
Lagerung II
- Freier Zugang zur Kontrolle und zum Freihalten / Freimachen der Atemwege
- Es muss jederzeit möglich sein, den Patienten einfach und sicher (achsen-
gerecht) auf die Seite zu drehen.
- Kein Druck auf den Thorax, durch den die Atmung behindert würde
• Wirkungsweise:
1. Freihalten der Atemwege (Mund ist geöffnet; der zurückgefallene Zungen-
grund wird durch die Lagerung des Kopfes angehoben: Reklination,
Vorziehen des Unterkiefers = Esmarch-Handgriff)
2. Aspirationsprophylaxe (Erbrochenes, Blut und Sekret können abfließen, weil
der Mund der tiefste Punkt des Körpers ist). Trotzdem: Absaugbereitschaft!
• Praxistipps:
• Eine Kombination der stabilen Seitenlage mit Oberkörperhochlagerung durch
Neigen der Trage verbietet sich, da dann der Kopf nicht mehr der tiefste
Punkt ist und somit kein Aspirationsschutz mehr besteht.
• Kombination mit Schocklagerung ist durch Neigen der Trage möglich, erschwert
jedoch die Atmung (Abdominalorgane drücken auf das Zwerchfell).
• Bei Thoraxtrauma: Lagerung auf der verletzten Seite zur Thoraxschienung.
• Durchführung:
Die dargestellte Variante der stabilen Seitenlage wird vom ERC seit 1992 empfoh-
len. Bei dieser Verfahrensweise sind evtl. Nervenschäden (Plexus brachialis), Durch-
blutungsstörungen und Schulterverletzungen seltener als bei anderen. In jedem
Falle sollten bei Übungen die „freiwilligen Patienten“ nicht länger als 5 Minuten in
der Seitenlage belassen werden. Der unten liegende Arm sollte (gerade beim tat-
sächlich Bewusstlosen) regelmäßig besonders im Hinblick auf periphere Durch-
blutung (Pulse) und mögliche Druckstellen kontrolliert werden.
Regelmäßige Kontrolle der Atmung nicht vergessen!!!
1. Ggf. Brille abnehmen ! Spitze Gegenstände aus den Taschen entfernen.
Seitlich neben dem Patienten knien. Die Beine des Patienten sind ausgestreckt.
2. Den zum Helfer nächstliegenden 3. Der vom Helfer entfernte Arm wird
Arm rechtwinklig auslagern. Der Ellen- so über den Brustkorb gelegt, dass der
bogen soll gebeugt sein und die Hand- Handrücken die Wange des Patienten
fläche nach oben zeigen. berührt. - Fortsetzung: nächste Seite.
22 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Lagerung III
Einsatz, Technik, Taktik 4. Mit der anderen Hand greift der 5. ... zieht der Helfer am Bein und rollt
Helfer das entfernte Bein oberhalb des den Patienten zu sich auf die Seite. Das
Knies und zieht es zu sich, wobei der oben liegende Bein wird gesichert, in-
Fuß auf dem Boden bleibt. Während dem die Hüfte und das Knie im rech-
die Hand des Patienten an die Wange ten Winkel gebeugt sind.
gedrückt wird, ... Der Kopf wird überstreckt und der
Mund geöffnet, um die Atemwege frei-
3. Oberkörperhochlagerung zuhalten. Wenn nötig, wird der Kopf
A. Oberkörper 45° - 90° erhöht durch die untergelegte Hand über-
streckt gehalten.
B. Oberkörper 45° - 90° erhöht
zusätzlich herabhängende Beine.
evtl. auch Einsatz der Atemhilfs- D. Oberkörper bis 30° erhöht.
muskulatur bei zurückgestützen
Armen.
C. Oberkörper 45° - 90° erhöht
Lagerung auf der verletzten Seite.
• Indikationen: Atemnot (A.), Lungenödem (B.), Thoraxtrauma (C.), Kardiogener
Schock (D.), Hypertensive Krise (D.), Schädel-Hirn-Trauma (D.).
• Kontraindikation: Bewusstlosigkeit (➯ stabile Seitenlage).
• Wirkungsweise:
Zu A.:Erleichterung der Atmung durch Einsatz der Atemhilfsmuskulatur und
verminderten Druck der Bauchorgane auf das Zwerchfell
Zu B.:Entlastung des Lungenkreislaufes
1.4 · Basismaßnahmen 123
Lagerung IV
Zu C.:Ruhigstellung, Schmerzlinderung, verbesserte Atmung auf der
unverletzten Seite
Zu D.:Venöser Rückfluss zum Herzen Ø (ZVD Ø; Herzentlastung); venöser Rück-
fluss aus der Gehirnregion ≠ (Hirndrucksenkung)
4. Schocklagerung
A. Schocklage B. Schocklage
Hochlagern der Beine (45°- 90° je nach Hochlagern der Beine (45° - 90° je
Schockstärke) durch Unterlegen eines nach Schockstärke) durch Hoch-
Gegenstandes klappen des Tragenfußteils
C. Ganzkörperschräglage
Flachlagerung oder Lagerung in vor-
gefundener Position auf der Trage, ggf.
Vakuummatratze, Kippen der Trage
(15°) - nur wenn Beinhochlagerung (A.
/ B.) nicht in Frage kommt
• Indikationen: Schock, vasovagale Synkope
• Kontraindikationen: [Atemnot], plötzliche Schmerzen im Brustkorb,
[kardiogener Schock], [Schädel-Hirn-Trauma], [Thoraxtrauma]
• Wirkungsweise: Verstärkung des venösen Blutrückflusses aus den Beinen
zum Herzen (Autotransfusion) zur Gewährleistung einer ausreichenden
Durchblutung lebenswichtiger Organe
• Nebenwirkungen: Hirndruckerhöhung und erschwerte Atmung; daher ist die
Schocklage bei Schädel-Hirn- und Thoraxtrauma zu vermeiden (stattdessen
Flach- oder Oberkörperhochlagerung unter gleichzeitiger Volumentherapie) -
allerdings müssen gerade beim Schädel-Hirn-Trauma Blutdruckabfälle
unbedingt verhindert werden ➯ individuelle Abwägung!
• Bei Wirbelsäulen-, Becken- und schweren Beinverletzungen ist die
Schocklage sinnvollerweise nur als Ganzkörperschräglage durchzuführen (bei
Wirbelsäulenverletzung ➯ Querschnittsgefahr; bei Becken- oder Beintrauma:
starke Schmerzen, evtl. weitere Schädigung, Instabilität). Beachte:
Behinderung der Atmung durch Druck der Bauchorgane auf das Zwerchfell!
• Kombinationsmöglichkeiten:
a) Stabile Seitenlage auf geneigter Trage bei Bewusstlosigkeit
b) Fritsch-Lagerung auf geneigter Trage
c) Knierolle auf geneigter Trage
24 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Lagerung V 6. Extremitätentieflagerung
Einsatz, Technik, Taktik 5. Extremitätenhoch-
lagerung
• Indikation: akuter peripherer • Indikation: akuter peripherer
Venenverschluss, periph. Blutung. Arterienverschluss.
• Wirkungsweise: • Wirkungsweise: arterielle Durch-
a) Akuter peripherer Venen- blutung über Kollateralen verstärkt
verschluss: arterieller Zufluss
vermindert (Verminderung der 9. Linksseitenlagerung
venösen Stauung), venöser Blut-
rückstrom über Kollateralen ver- • Indikation: Vena-cava-Kompres-
stärkt (besserer Abfluss). sionssyndrom (s. Kap. 10); auch
b) Periphere Blutung: Arterielle prophylaktisch bei Schwangeren im
Durchblutung vermindert letzten Schwangerschaftsdrittel.
(Verminderung der Blutung)
• Wirkungsweise: Beseitigung der
7. Knierolle Behinderung des Blutflusses in der
Vena cava, die auf dem Druck der
• Indikation: Akutes Abdomen / schwangeren Gebärmutter beruht
Abdominaltrauma
10. Lagerung nach Fritsch
• Wirkungsweise: Entspannung der
Bauchdecke (Verminderung der • Indikation: Nachgeburtsperiode,
Bauchfellreizung); Schmerz- Blutung aus der Scheide
linderung
• Durchführung:
8. Lagerung auf dem Bauch 1.Gesäßbacken herunterstreichen
2. Sterile Scheidenvorlage
• Indikation: Gesichtsschädeltrauma 3. Beine übereinanderschlagen
• Wirkungsweise: Schonung der
• Wirkungsweise: durch Aufstei-
verletzten Region, Schmerz- gen des Blutes in der Vorlage kön
vermeidung, freies Ablaufen von Blut nen stärkere Blutungen erkannt
und Sekret werden; evtl. Infektionsschutz
1.4 · Basismaßnahmen 125
Atemwege freimachen
1. Öffnen des Mundes (Zangengriff)
2. Entfernen von Fremdkörpern aus dem Mund-Rachenraum:
a) Manuelle Ausräumung mit Fingern (Handschuhe + Beißschutz!); dabei
Kopf zur Seite drehen (bei Verdacht auf HWS-Verletzung s. b) / c) !)
b) Absaugen
• Absauggerät vorbereiten (Hand- / Fuß- oder elektrische Pumpe)
• Kinder / Säuglinge: Sog < 0,2 bar / Orosauger verwenden
• Absaugkatheter ohne Sog einführen
• Einführtiefe - Mund: Abstand Mundwinkel-Ohrläppchen;
- Nase: Abstand Ohrläppchen-Nasenspitze
• Unter Sog mit kreisenden Bewegungen herausziehen
c) Mit Korn- / Magillzange, ggf. unter laryngoskopischer Sicht
3. Kopf überstrecken (Vorsicht bei Verdacht auf HWS-Verletzung !)
4. Esmarch-Handgriff: Unterkiefer rechts und links fassen (Daumen am Kinn;
Zeigefinger unter dem Kieferwinkel), nach oben vorne ziehen, sodass die un-
tere Zahnreihe vor die obere kommt (➯ Anheben der zurückgefallen Zunge).
5. Bei Fremdkörper in den Atemwegen, der durch o. g. Maßnahmen nicht zu
entfernen ist (Vgl. Algorithmus S. 204 f.):
• Schläge zwischen die Schulterblätter mit der flachen Hand
• Thoraxkompressionen (bewusstloser Patient)
• Heimlich Manöver (Oberbauchkompressionen - Gefahr ernsthafter Verletzun-
gen innerer Organe möglich!)
6. Rachentuben verhindern eine Atemwegsverlegung durch die zurückfallende
Zunge und erleichtern ggf. Sauerstoffinsufflation oder die Maskenbeatmung:
• Oropharyngealtubus (Guedel-Tubus, Life-way-Tubus):
Der Tubus wird mit der Öffnung zum Gaumen eingeführt, dann um 180°
gedreht und vorgeschoben, bis die Abschlussplatte an den Lippen anliegt.
Länge des Tubus: vom Mundwinkel bis zum Ohrläppchen
• Nasopharyngealtubus (Wendl-Tubus):
Vor Einlegen in die Nase mit Gleitgel bestreichen; im 90°-Winkel einführen.
Der Tubus wird in der Position belassen, in der das Atemgeräusch
am lautesten ist. Beim Einführen des Tubus darf keine Gewalt notwendig
sein! Bei SHT / Gesichtsschädeltrauma kontraindiziert!
• Gefahren der Pharyngealtuben:
- KEIN ASPIRATIONSSCHUTZ! Würge- / Brechreiz (besonders bei
Oropharyngealtuben)
- Auslösen von Nasenbluten bei Nasopharyngealtuben möglich!
- Zu tief vorgeschobene Nasopharyngealtuben können zu einer Magen-
blähung führen (erhöhtes Aspirationsrisiko).
- Bei Verwendung zu großer oder zu kleiner Tuben: Verlegung der Atemwege
Einsatz, Technik, Taktik 26 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Sauerstoff
Sauerstoff (O2) ist lebensnotwendig. O2-Mangel (Hypoxie) führt minutenschnell
zu Einschränkungen der Körperfunktion bis hin zum Tod. Fast alle notfall-
medizinischen Krankheitsbilder bedrohen in letzter Konsequenz die O2-Versor-
gung. Besonders gefährdet sind Gehirn und Herz. Die Sauerstoffgabe ist daher
eine grundsätzliche Basismaßnahme bei jedem Notfallpatienten (zu Einschrän-
kungen und Details vgl. S. 556).
An Insufflationsgeräten Einstellung der Sauerstoffflussrate (Flow) in l / min.
• Dem spontan atmenden Patienten wird mit O2 angereicherte Atemluft ange-
boten: Sauerstoffmaske, Sauerstoffbrille, Nasensonde.
• Beim beatmeten Patienten O2-Anschluss an den Beatmungsbeutel. Maximale
O2-Gabe mit Reservoir am Beatmungsbeutel und größtmöglichem Flow (alter-
nativ: Demand-Ventil ➯ direkte Beutelfüllung mit 100% O2).
• Intubierte Patienten können mit Beatmungsgerät mit 100% O2 beatmet werden.
• Sauerstoff ist ein Medikament. Höhere Konzentrationen können auch
gefährlich sein ➯ s. S. 556.
Berechnung: Inhalt einer O2-Flasche
Druck in bar (Manometeranzeige) x Flaschenvolumen = O2-Menge in Litern
Bsp.: 2-l-Flasche mit 60 bar Restdruck ➯ O2-Menge = 120 l
Bekäme der Patient 4 l/min verabreicht, so würde der Rest bei vollständiger
Entleerung (sollte vermieden werden, s. u.) für 30 min reichen.
Umgang mit Sauerstoff (O2)
Die Kennzeichnung von medizinischen Sauerstoffflaschen ist entweder (noch)
blau mit weißer Schulter oder nach der neuen DIN EN 1089-3 ganz weiß mit dem
Buchstaben N (für Neue Kennzeichnung) auf der Schulter. 10 Sicherheitsregeln:
1. Kein Fett, Öl, Feuer, Rauchen in der Nähe von O2-Flaschen; Explosionsgefahr!
2. Vor Flaschenwechsel die Hände waschen!
3. O2-Flaschen nie in geschlossenen Räumen entleeren!
4. Flowmeter und Druckminderer stets nach Gebrauch verschließen!
5. O2-Flaschen / -Gerät vor starker Erwärmung schützen!
6. TÜV-Frist und Verfalldatum beachten (erstere auf der Flasche eingeschlagen,
letztere als Etikett aufgeklebt)!
7. O2-Flaschen gegen Umfallen sichern. Lose O2-Flaschen dürfen nur mit Schutz-
kappe (10l / 11l) und in speziellen Behältnissen transportiert werden.
8. Es muss noch ein Restdruck auf der Flasche sein, damit diese nicht vor
Füllung gereinigt werden muss (Eindringen von Fremdstoffen; Korrosion)!
9. Ventile nicht mit Gewalt (Werkzeug) anziehen, nur per Hand! Stets langsam
öffnen, maximal eine Umdrehung! Nach Gebrauch stets schließen!
10. Wenn O2-Flaschen sich nur mit Gewalt öffnen lassen oder die Ventile
ausgeleiert sind, dürfen die Flaschen nicht mehr eingesetzt werden (➯ TÜV).
1.4 · Basismaßnahmen 127
Beatmung
Vor Beginn der Beatmung ➯ Atemwege freimachen (s. S. 25) !
• Ohne Hilfsmittel („Atemspende“): Luft besteht zu 21 % aus Sauerstoff.
Die Ausatemluft enthält noch 17 % Sauerstoff. Dieser “Rest” ist geeignet,
einen Patienten im Notfall durch Beatmung mit Sauerstoff zu versorgen:
- Erwachsene und Kinder: Mund-zu-Mund (Mund-zu-Nase-Beatmung = Alter-
native in speziellen Situationen: Trismus, mangelnde Abdichtung, Mund-
verletzungen oder bei der Beatmung von Personen im Wasser)
- Säuglinge: Mund-zu-Mund-und-Nase-Beatmung
• Mit Hilfsmitteln:
a) Manuelle Beatmung: Im Rettungsdienst hat sich die Beatmung mit
Beatmungsbeutel und -maske durchgesetzt. Die Maske wird mit dem
C-Griff (Daumen und Zeigefinger umschließen die Maske; die 3 restlichen
Finger halten den Unterkiefer) über Mund und Nase dichtgehalten und bei
überstrecktem Kopf die Luft aus dem Beutel in die Atemwege des Patienten
gedrückt. Ggf. kann das Zurückfallen der Zunge auch durch Einlegen eines
Guedeltubus verhindert werden (s. S. 25). Der Beatmungsbeutel kann mit
Sauerstoffreservoirbeutel und PEEP-Ventil (s. S. 29) ergänzt werden.
• Sofern ausreichend Helfer zur Verfügung stehen, sollte die Aspirations-
gefahr bei Maskenbeatmung durch Anwendung des Sellick-Handgriffes
vermindert werden: ein Helfer verschließt den Ösophagus durch Druck auf
den Ringknorpel; die freie Hand umfasst dabei den Nacken als Widerlager.
Das Risiko einer Magenblähung wird dadurch vermindert.
• Nach längerer Beatmung ohne Intubation sollte nach Intubation
der Magen mit einer Magensonde entlastet werden, um eine eventuelle
Magenblähung mit entsprechender Regurgitationsgefahr zu beheben.
b) Maschinelle Beatmung: Beatmungsgerät, Antrieb und/oder Steuerung
über Druck und/oder Elektronik (s. folgende Seiten).
Komplikationen: • Zu hoher Beatmungsdruck ➯ Magenblähung, Rück-
strom von Mageninhalt und Aspiration (s. Kap. 7)
• Pneumothorax (s. Kap. 9)
Beatmung bei Herz-Kreislauf-Stillstand (nach ERC):
• Beatmungsvolumen (AZV) für Erwachsene: 6-7 ml/kgKG (500 - 600 ml)
Ziel: deutlich sichtbares Heben des Thorax) - vgl. Bemerkung zum KG auf S. 29
• Atemhub über 1s abgeben
• maximale Sauerstoffzufuhr (Sauerstoffkonzentration möglichst 100%)
• Mit den derzeit verfügbaren Beatmungsbeuteln wird dieses Volumen durch
Kompression des Beutels zwischen Daumen und den übrigen Fingern einer
Hand. Dabei darf der Beutel keinesfalls gegen ein Widerlager ausgedrückt wer-
den (z.B. Oberschenkel)! Einstellung von Trainingspuppen beachten ! Größere
Volumina erhöhen das Aspirationsrisiko!
Einsatz, Technik, Taktik 28 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Beatmungsgeräte I
Grundsätzlich sollten die meisten Beatmungsgeräte aus Sicherheitsgründen nur
beim intubierten Patienten eingesetzt werden.
Steuerung (Umschalten von Inspiration auf Exspiration) - Prinzipien:
• Drucksteuerung:Umschalten nach Erreichen eines vorgewählten
Atemwegsdrucks. Beachte: vorzeitiger Abbruch des Atemzugs bei erhöhtem
Atemwegsdruck (z.B. bei Stenosen / Atemwegsverlegung. Diese Steuerungs-
form vermeidet zwar das Lungengewebe schädigende Spitzendrücke,
gleichzeitig besteht jedoch das Risiko der Hypoventilation, wenn durch hohe
Atemwegsdrücke kein ausreichendes Atemminutenvolumen gesichert ist.
• Volumensteuerung: Umschalten nach Erreichen des vorgewählten Volumens
(AZV). Ohne weitere Begrenzung besteht bei konstant verabreichtem Volumen
das Risiko, Lungengewebe durch exorbitante Druckspitzen zu schädigen.
• Zeitsteuerung: Umschalten nach Ablauf einer festgelegten Zeit.
Kontrolle
Zum Verabreichen eines Atemhubs wird eine der drei Variablen Druck, Fluss
und Volumen vom Gerät beeinflusst und kontrolliert. Die beiden anderen Varia-
blen verändern sich dann abhängig von der Kontrollvariable und dem Atem-
wegswiderstand. Man unterscheidet folgenden Beatmungsformen:
• flusskontrolliert • druckkontrolliert • volumenkontrolliert
Begrenzung
Zusätzlich kann die Gerätearbeit durch weitere Faktoren begrenzt werden, z.B.
bei vielen Beatmungsgeräten durch eine Druckobergrenze. Erreicht der
Atemwegsdruck diese Grenze, wird der Atemhub abgebrochen, um eine
Schädigung des Lungengewebes zu vermeiden (druckbegrenzte Geräte).
Trigger
Bei Beatmungsgeräten mit der Möglichkeit der assistierten Beatmung kann der
Patient das Gerät antriggern, d.h. mit eigenen minimalen Atemexkursionen
einen Atemhub des Gerätes auslösen. Den Grenzwert, ab dem das Gerät die
Aktion des Patienten erkennt, nennt man Triggerschwelle. Je nachdem, wie
diese Eigenaktion gemessen wird (als Druck-, Fluss- oder Volumenschwankung)
bezeichnet man den Trigger als Druck-, Fluss- oder Volumentrigger.
Beispiel
Ein Beatmungsgerät, welches den Atemhub verabreicht, indem es den Gasfluss
beeinflusst, nach Erreichen eines vorgewählten Volumens (AZV) von In-
spiration auf Exspiration schaltet, bei Erreichen schädlicher Atemwegsdrucke
(z.B. > 30 mbar) den Atemhub abbricht und im Falle einer assistierten
Beatmung den vom Patienten aufgebauten Unterdruck als Trigger misst, nennt
man: „volumengesteuert, flusskontrolliert, druckbegrenzt u. druckgetriggert“.
Geräteantrieb
• Geräteantrieb und Steuerung werden vom Flaschendruck angetrieben.
• Geräteantrieb durch Flaschendruck; Steuerung elektronisch (Akku)
(jeweils Sauerstoffverbrauch für Gerätefunktion - Mindestflaschendruck für
ordnungsgemäße Gerätefunktion erforderlich!)
1.4 · Basismaßnahmen 129
Beatmungsgeräte II
Beatmungsformen (sofern für den RD relevant)
• Kontrollierte Beatmung: Keine Eigenatmung des Patienten. Bsp.: IPPV
(Intermittent Positive Pressure Ventilation): Erzeugung eines Überdrucks in
der Einatemphase (Hinweis: Behinderung des Blutrückflusses zum Herzen
durch erhöhten intrathorakalen Druck ➯ Blutdruckabfall) mittels Beutel oder
Beatmungsgerät; Ausatmung passiv durch die Elastizität des Brustkorbes;
Standardbeatmungsmethode beim Notfallpatient ohne Spontanatmung.
• Assistierte Beatmung: Die unzureichende Eigenatmung des Patienten muss
unterstützt werden. Üblich: SIMV (Synchronized Intermittent Mandatory
Ventilation): Sobald der Patient ein wenig Luft zieht (Unterdruck = Trigger),
bekommt er einen vollen Atemzug verabreicht; der Schwellenwert für das
Antriggern ist bei Beatmung ohne PEEP (s.u.) -2 bis -5 mbar; bei PEEP muß er
2 bis 4 mbar unter dem eingestellten PEEP-Wert liegen; ist die vom Pat. vorge-
gebene Frequenz zu gering, so werden zusätzliche Atemzüge verabreicht.
• PEEP (Positive EndExspiratory Pressure): Mit Hilfe eines aufgesetzten PEEP-
Ventils am Exspirationsauslass von Beatmungsbeutel oder -gerät wird
zusätzlich zur kontrollierten oder assistierten Beatmung in der Pause nach der
Ausatmung ein über dem Atmosphärendruck liegender Druck aufrecht-
erhalten. Der Druck in den Atemwegen entspricht dann nicht dem
Umgebungsluftdruck, sondern es bleibt ein Überdruck (Wirkung: z.B.
verminderte Kollapsneigung der Lungenbläschen und vermehrte Diffusion
in Richtung der Kapillaren). Ein PEEP beim spontan atmenden Patienten
wird CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) genannt. PEEP ist vor
allem bei Lungenödem, Reizgas- und CO-Vergiftung, Thoraxtrauma sowie
Aspiration indiziert. Beachte jedoch die kardiozirkulatorischen Nebenwir-
kungen (z.B. verminderter venöser Rückstrom, erhöhter Druck im Lungen-
kreislauf, Gefahr des Baro-/Volumentraumas), weswegen in der präklinischen
Notfallmedizin nur selten PEEP-Werte über 5 cm Wassersäule (= (fast)
„sicherer PEEP“) angewendet werden. Vorsicht: Es existieren bis 10 und bis
20 mbar stufenlos regulierbare PEEP-Ventile (Verwechslungsgefahr).
Beatmungsgrößen (z.T. als Parameter am Gerät einzustellen)
• Atemzugvolumen (AZV) = Volumen pro Atemzug = 8-10 ml/kgKG (Idealge
wicht - „Fett wird nicht beatmet.“) Totraum = Volumen der oberen Atemwege
ohne Gasaustausch = 2 ml/kgKG (+ Tubus + Gänsegurgel)
• Atemfrequenz (AF) = Anzahl der Atemzüge pro Minute, Tabelle s. S. 573
• Atemminutenvolumen (AMV = AZV X AF, ca. 80 - 100 ml/kgKG)
• Inspiratorischer Sauerstoffgehalt (FiO2) - vgl. S. 556
Notfall-FiO2 100%, Langzeit-FiO2 < 60%, sicherheitshalber immer >/= 0,4
Manche Beatmungsgeräte bieten keine stufenlose Verstellung, sondern nur
feste Stufen wie 0,45 / 0,5 / 0,6 („air mix“) oder 1,0 („no air mix“).
• Inspirations- / Exspirationsverhältnis, zeitlich (I:E):
Physiologisch I:E etwa 1:1,7 (1:1,5 bis 1:2), bei COPD ggf. 1:2 bis 1:2,5.
Einsatz, Technik, Taktik 30 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Beatmungsgeräte III
• Spitzendruck (Pmax)
Möglichst < 30 mbar (Kinder < 25 mbar) einstellen. Ausnahme: Bei Intensivpat.
mit Atelektasenbildung kann ein sog. Recruitmentmanöver (Eröffnung der
Atelektasen) nach Lachmann indiziert sein: kontrolliertes Blähmanöver mit
erhöhtem Volumen und Druck bei verlängerter Plateauphase. Ursachen für
hohen Spitzendruck: Abgeknickter Beatmungsschlauch o. Tubus, Atem-
wegsverlegung, Bronchospasmus, Spannungspneumothorax, zu flache
Narkose (Husten, Pressen, Würgen), autoregulatorischer PEEP bei COPD- /
Asthmapatienten (bis hin zur „silent lung“). Ursachen für Spitzendruckab-
fall: Leckagen (z.B. Diskonnektion, Cuff-Defekt), Ausfall der Gasversorgung.
Beatmungsmonitoring / Ziele der Beatmung
1. Oxygenierung, messbar z.B. über SpO2 (bei normalem Hb) > 90%
Bei zu niedrigem SpO2: ggf. FiO2 erhöhen, ggf. PEEP einsetzen, ggf. Sedierung,
mgl. Fehlerquellen prüfen (z.B. SpO2, vgl. S. 33, Funktion Beatmungsgerät)
2. Ausreichende CO2-Eliminierung, meßbar z.B. über etCO2 (Ziel: 35 mmHg)
Erhöhung von AMV bzw. AZV und/oder AF bewirken etCO2-Abfall u. umgekehrt.
Permissive Hyperkapnie ggf. bei COPD und ARDS tolerieren, ggf. Hyperventilation
bei resp. Azidose. Cave: AZV-Erhöhung: Volumentrauma / AZV-Erniedrigung:
Zunahme der Totraumfraktion (u.U. mangelnde Oxygenierung).
Mindestanforderungen an Beatmungsgeräte im RD: Kontrollierte u. assistierte
Beatmung / AF u. AZV (o. AMV) getrennt einstellbar / Druckb e g r e n z u n g /
PEEP / Messung u. Anzeige des exspirator. Volumens / Alarme für AF, Volumen
u. Druck / Einstellung versch. FiO2. Die wenigsten Geräte im RD bieten alle diese
Merkmale - von den Herstellern oft mit geringerem Gewicht u. Volumen
begründet. Der Anwender muss sich im Klaren sein, dass die Beatmung ohne
Kontrolle des tatsächlich verabreichten Volumens o. ohne Druck-
begrenzung ein erhöhtes Risiko bedeutet! Einige Notfallbeatmungsgeräte
sind für die Beatmung von Säuglingen und/oder Kleinkindern ungeeignet.
Spezielle Techniken:
• Bei TRIO (Tracheale O2-Insufflation) handelt es sich um eine Variante der
apnoischen Oxygenierung. Unter Vernachlässigung der CO2-Abatmung wird
zum Erhalt der sauerstoffsensiblen Organe eine minimale O2-Zufuhr ohne
Beatmung angeboten. Tierexperimentell konnten damit Apnoezeiten von bis
zu 5 h erreicht werden. Normalerweise wird dazu über einen bis kurz vor die
Carina (Trachealbifurkation) eingelegten Katheter ein O2-Fluss von 2l/min ange-
legt. Übertragen auf die Notfallmedizin wäre diese Technik modifiziert bei
perkutaner transtrachealer Kanülierung als Ultima Ratio denkbar.
• Jet-Ventilation: Hochfrequenzjetbeatmung (HFJV) über Trachealkanüle (z.B.
Punktion des Lig. conicum). Ein zeitgesteuertes Ventil (I:E 1:2 - 1:4) führt in-
termittierend Atemgas mit hoher Frequenz (100-150/min) u. hohem Druck mit
resultierend kleinem Hubvolumen (z.B. 2-5ml/kgKG) zu. Technische Grundlage
ist das Venturiprinzip (Mitreißen des Umgebungsgases an der Kanülenspitze).
1.4 · Basismaßnahmen 131
Wärmen / Kühlen
Wärmen
Indikationen: z. B. Hypothermie, Schock, Angst (psychische Wirkung).
Möglichkeiten im Rettungsdienst:
- Fahrzeug aufheizen (Türen schließen)
- Nasse und kalte Kleidung entfernen, Patienten zudecken
- Unter strenger Berücksichtigung von Kontraindikationen (z. B. Bewusst-
seinsstörungen, bevorstehende OP) Gabe von warmen (gezuckerten)
Getränken - KEIN ALKOHOL
- Bei technischer Rettung auch Ausleuchtung der Feuerwehr
Möglichkeiten in der Klinik:
- Warme Atemgase, warme Magen-, Blasen- oder Dickdarmspülung
- Wärmematten, Wärmestrahler
- Extrakorporale Zirkulation
Cave: Beim Wiedererwärmen eines unterkühlten Patienten besteht die
Gefahr des Bergungstodes / Wiedererwärmungsschocks. Unterkühlte
Patienten sind i. d. R. zentralisiert; im Körperkern herrscht noch eine höhere
Temperatur als in den Extremitäten. Durch Erwärmung der Extremitäten
werden die dortigen Gefäße dilatiert und kaltes Blut aus den Extre-
mitäten gelangt in den zentralen Kreislauf - Gefahr des Kammerflimmerns /
Herz-Kreislaufstillstand! Manipulationen am Körper vermeiden. Bei den äu-
ßerlichen Wärmeverfahren immer nur den Rumpf wärmen und die Arme und
Beine aussparen.
Eine Wiedererwärmung bei manifester Hypothermie ist nicht durch Infusions-
therapie möglich.
Kühlen
Indikationen:
• Lokale Kühlung: z. B. Verbrennung (Laienhelfer), Sportverletzungen, In-
sektenstich, Sonnenstich, akutes Skrotum. Replantatkühlung s. Kap. 9
• Systemische Kühlung: z. B. Hyperthermie, Fieber, nach erfolgreicher CPR
Möglichkeiten:
• Anwendung von fließendem kalten Wasser (lokal), kalte Umschläge.
• Kältespray, Kältepackungen oder auch Desinfektionsspray zur lokalen
Kühlung von Sportverletzungen (NICHT auf Wunden und Schleimhäuten!
Vorsicht mit Eisspray - Hautschäden bei intensiver Anwendung möglich.
Kein direkter Hautkontakt mit Eis - Gefahr lokaler Erfrierungen!)
• Eiswürfel lutschen lassen (z. B. bei Insektenstich im Rachen).
• Nach CPR: Ziel: 32°-34° (Temp.-Kontrolle); Kühlpackungen Hals, Leiste, Ach-
selhöhlen; bis zu 30 ml/kgKG 4° kalte Infusionslösung (s. S. 182)
Bei ausgiebiger systemischer Kühlung die Gefahren einer Unterkühlung
bedenken!
32 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Monitoring - Übersicht
Einsatz, Technik, Taktik Definition
Ununterbrochene Überwachung der Vitalfunktionen bei kritisch Kranken.
Ziel
• Beurteilen des aktuellen Patientenzustands
• Therapiekontrolle (Wirksamkeit der Maßnahmen, Besserung)
• Frühzeitiges Erkennen einer Zustandsverschlechterung bzw. einer
Bedrohung der Vitalfunktionen
• Erkennen von Komplikationen und Nebenwirkungen
Anforderungen
• Simple Handhabung und gute • Hohe Aussagekraft (sicher, valide)
Anwendbarkeit (schnell und einfach) • Kontinuierliche Überwachung
• Möglichst nicht-invasiv • Nicht störungsanfällig
Basismonitoring im Notarztdienst
Neben den nicht zu vernachlässigenden Sinnen des Arztes (Inspektion, Palpa-
tion, Auskultation etc.) gehört die folgende apparative Ausstattung zum not-
ärztlichen Basismonitoring (vgl. DIN 75079 für NEF / DIN EN 1789 für RTW):
• kontinuierliches Drei-Pol-EKG (Rhythmusstörungen, Rhythmuseinteilung
des Herz-Kreislaufstillstandes)
• regelmäßige Blutdruckmessung (je nach Fall z. B. alle 3-10 min)
• kontinuierliche Pulsoxymetrie (Atmung)
Erweitertes Monitoring / Erweiterte Gerätediagnostik
Über das Basismonitoring hinaus gibt es noch zusätzliche Überwachungs- und
Diagnostikmöglichkeiten, die bei speziellen Indikationen eingesetzt werden:
• 12-Kanal-EKG: Infarktdiagnostik - das präklinische 12-Kanal-EKG ist in
den Leitlinien des ERC und der DKG (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie)
explizit empfohlen. Laut BAND (Bundesarbeitsgemeinschaft der Notärzte
in Deutschland) sollen alle notarztbesetzten Rettungsmittel mit einem 12-
Kanal-EKG ausgestattet sein.
• Kapnometrie (Tubuslagekontrolle, Beatmung nach Intubation) - s. S. 34
• Blutgasanalyse (noch nicht in der Präklinik verbreitet - bei Ateminsuffizienz
insbes. bei COPD-Patienten, metabolischer Entgleisung u.a.m.) - s. S. 36
• Körpertemperatur (Hypothermie, Hyperthermie, Hyperpyrexie) - s. S. 35
• Ultraschall (z.B. Nachweis intraabdomineller Blutungen) - s. S. 104 f.
Praxishinweise
• Neben der medizinischen Indikation für lückenloses Monitoring ist auch die
forensische Bedeutung nicht zu unterschätzen. Insbesondere ist - wegen
möglicher Beweislastumkehr im Prozessfalle - an ausreichende Dokumen-
tation zu denken (z.B. DIVI-Protokoll u. Ausdrucke diagnostischer Geräte).
• Werden therapeutisch invasive Geräte eingesetzt, so gehört die Über-
wachung der Gerätefunktion selbst mit zum Monitoring (z. B. Manometrie
bei maschineller Beatmung; Geräteeinstellung bei Schrittmacherstimulation).
1.5 · Monitoring 133
Pulsoxymetrie
Die Pulsoxymetrie dient der kontinuierlichen nicht-invasiven Messung der arte-
riellen Sauerstoffsättigung des Blutes (SaO2). Die SaO2 gibt den Anteil des
Hämoglobins (%) im arteriellen Blut an, das mit Sauerstoff (O2) beladen ist. Sie
ist damit ein Maß für den Gasaustausch in der Lunge. Dieser kann im Rahmen von
Gasaustauschstörungen (z. B. Lungenödem, ARDS, Pneumonie) an den Alveolen
oder durch verminderten O2-Gehalt der Alveolarluft (z. B. bei Atemstörungen -
Verlegung der Atemwege) beeinträchtigt sein. Richtwert: Die O2-Versorgung des
Gewebes wird durch einen ausreichenden O2-Partialdruck des Blutes (pO2) ge-
währleistet. Der pO2 ist abhängig von der SaO2. Bei einer SaO2 < 95 % kommt es
schon zu deutlichen Abfällen des pO2.
Empfehlungen:
• O2-Therapie bei einer SaO2 < 95 % (Hypoxie von Gehirn u. Herz möglich).
• Bei einer SaO2 < 75 % ist mit zerebraler und myokardialer Hypoxie
obligatorisch zu rechnen ➯ O2-Therapie, ggf. Beatmung.
Prinzip der SaO2-Messung: Spektralphotometrie; der spektrale Unterschied in
der Lichtabsorption zwischen sauerstoffbeladenem Blut (Hb-O2) und sauerstoff-
armem Blut (Hb) ist schon anhand der unterschiedlichen Färbung von arteriellem
und venösem Blut sichtbar. Die gängigen Pulsoxymeter messen die unterschied-
liche Absorption von Licht zweier Wellenlängen (rot und infrarot), mit dem pul-
sierendes Kapillarbett „durchleuchtet“ wird. Die Sensoren können an Finger, Zehe,
Nase und Ohrläppchen angebracht werden. Auch Reflexionsklebeelektroden für
die Stirn sind im Umlauf. (Bei Kindern entsprechend kleinere (Klebe-) Sensoren
verwenden.)
Gebrauchsanleitung der verschiedenen Geräte beachten!
Fehler- und Störquellen:
• Bewegungsartefakte: Störungen z. B. durch Patientenbewegung
• Mangelnde Durchblutung des Messgewebes, z. B. Zentralisation bei Kälte,
Schock oder Herz-Kreislauf-Stillstand
• Dysfunktionales Hämoglobin: Kohlenmonoxid-Hb (CO-Hb) und Met-Hb
können durch die im Rettungsdienst eingesetzten Pulsoxymeter nicht
erfasst werden. Bei Vorliegen entspr. Intoxikationen ist die Pulsoxymetrie
nicht verwertbar, da die SaO2 falsch - zu hoch - angezeigt wird.
• Störstrahlung: starker Lichteinfall, Höhenstrahlung in Flugzeug oder
Hubschrauber ➯ Sensor mit lichtundurchlässigem Material abdecken
• Anämie: Trotz hoher SaO2 Gefährdung, da O2-Minderversorgung wegen
verminderter Anzahl der O2-Träger möglich. Bei einem Hämoglobinanteil im
Blut unter 5 g / l liefert das Pulsoxymeter u. U. keinen SaO2-Wert mehr.
• Dunkler Nagellack
34 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Kapnometrie
Einsatz, Technik, Taktik Definition:
Messung des Kohlendioxidgehaltes in der Ausatemluft des Patienten
(endexspiratorisches CO2; endtidales CO2 = ETCO2)
Normalwert:
5 - 6 Vol% entspr. pCO2 35 - 45 mmHg (1 Vol% entspr. etwa 7 mmHg)
Bedeutung des ETCO2:
• Der ETCO2 entspricht im Wesentlichen dem CO2-Partialdruck im Blut (paCO2).
Ausnahmen bilden schwere Herz-Kreislauf-Störungen (Blutdruckabfall,
akuter Blutverlust, Lungenembolie, Herz-Kreislauf-Stillstand). Weitere Fehler-
quellen: Tubusfehllage im Ösophagus (ETCO2 = 0 oder initial z.B. durch koh-
lensäurehaltige Getränke falsch-hoch); großer Totraum; Leck im Beatmungs-
system; bei Kreisteil: CO2-Absorber verbraucht.
• Der ETCO2 ist abhängig von der Atmung und korreliert mit dem Atemminuten-
volumen (hoher ETCO2 = Hypoventilation ➯ AMV zu niedrig und umgekehrt).
• Der ETCO2 ist abhängig von der CO2-Produktion des Organismus
(Metabolismus).
• Der ETCO2 ist abhängig vom Herz-Zeit-Volumen (Transport zur Lunge).
• ETCO2 bei Intubation: Kontrolle der Tubuslage (nicht bei CPR). Der Nachweis
von CO2 in der Ausatemluft über mehrere Atemzüge zeigt, dass der Tubus
tracheal liegt. Bei Fehllage (Ösophagus) kann i.d.R. kein CO2 gemessen werden
(andere Ursachen ausschließen).
• ETCO2 bei Reanimation: Zum Zeitpunkt des Herz-Kreislauf-Stillstandes sinkt
der ETCO2 drastisch. Mit Beginn suffizienter CPR steigt der ETCO2 wieder.
Der ETCO2 ist ein Maß für die hämodynamische Effektivität der CPR.
• ETCO2 bei SHT: Der ETCO2 bietet die Möglichkeit, eine kontrollierte
Normoventilation des intubierten und beatmeten Patienten durchzuführen
(ETCO2 = 35 mmHg)
Ursachen für Veränderungen ETCO2-Anstieg ETCO2-Abfall
(Hypokapnie)
des ETCO2 (Hyperkapnie)
Stoffwechsel / Metabolismus Stoffwechselsteigerung herabgesetzter Stoffwechsel
(z. B. Fieber, Schmerzen, (z. B. Hypothermie, Sedierung,
Maligne Hyperthermie) Analgesie)
Atmung Hypoventilation Hyperventilation
(Atemminutenvolumen Ø;
z. B. Atemdepression)
Herz-Kreislauf — plötzlicher Abfall: schwere
Herz-Kreislauf-Störung:
Lungenembolie, Herzstillstand,
plötzlicher Blutdruckabfall,
plötzlicher Blutverlust
1.5 · Monitoring 135
Körpertemperatur
Ziel:
Neben dem Nachweis von Hyperthermie (ursächliches oder begleitendes ent-
zündliches Geschehen) liegt die Hauptbedeutung der Temperaturkontrolle in
der Notfallmedizin in der Erkennung von hypothermen Zuständen, ihrer Klas-
sifikation und resultierender Behandlungsstrategien (s. S. 392 f.) sowie der
Früherkennung hypothermer Komplikationen bei gefährdeten Patienten:
• Kinder (bes. Neugeborene), ältere Menschen mit Verlust der Mobilität
• Polytraumatisierte, Ertrinkungsunfall
• Patienten, die längere Zeit bei ungünstiger Witterung außerhalb eines
Rettungsmittels versorgt werden mussten
• Patienten mit ausgefallener Thermoregulation (Bewusstlosigkeit, Narkose;
ohne wärmeerhaltende Maßnahmen fällt bei allen narkotisierten Patienten
die KKT ab, wenn die Umgebungstemperatur 21°C unterschreitet!)
• Verbrennungspatienten (mit oder ohne externe Kaltwasseranwendung),
Patienten mit großflächigen Schürf- / Ablederungsverletzungen
Anforderungen an das präklinische Temperaturmonitoring:
Umgebungsunabhängige und genaue Messung der Körperkerntemperatur
(KKT), hygienisches Verfahren, einfache Handhabung, schnelles Ergebnis,
möglichst geringe Gefahren für den Patient (Verletzung). Eine kontinuierliche
Messung (und Anzeige) über eine entsprechend platzierte Sonde ist wünschens-
wert, man kommt aber präklinisch auch mit punktuellen Messungen aus. Her-
kömmliche Fieberthermometer erscheinen aufgrund ihrer langen Messzeit so-
wie des eingeschränkten Messbereiches für die Hypothermie-Diagnostik nicht
geeignet. In der DIN EN 1789 ist ein Fieberthermometer nach prEN 12470-1 mit
einem Messbereich von 28 - 42°C für RTW vorgeschrieben.
Mögliche Verfahren im Rettungsdienst:
Die Messung mit elektr. Thermosonde im unteren Ösophagusdrittel erfüllt weit-
gehend die genannten Anforderungen, ist jedoch technisch relativ aufwendig.
Nahezu einziger Störfaktor: Atemgase. Korrekte Lage durch kombiniertes
Ösophagusstethoskop verifizierbar. Nicht für wache Patienten geeignet.
Die Messung mit Ohrthermometern über Infrarotlicht am Trommelfell ist ein-
fach, schnell und zuverlässig, sofern professionelle Geräte eingesetzt werden
und die richtige Technik angewendet wird (an der Ohrmuschel nach hinten
oben ziehen, damit der Gehörgang begradigt wird; sonst Messung an der nicht
repräsentativen Gehörgangswand); Verfälschung durch Cerumen (Isolator)
möglich. Tympanische Sonden bergen die Gefahr einer Trommelfellperforation,
daher sollten Ohrthermometer bevorzugt werden).
Die rektale Messung entspricht erst bei einer Einführtiefe von mehr als10-15
cm und längerer Meßdauer der KKT; Verfälschung durch Kot (Isolator), vermin-
derte Schleimhautdurchblutung, wärmeproduzierende Darmflora u.a. möglich.
Bei Kindern kommt sie ggf. noch zur Anwendung.
Messungen an der Haut-/Schleimhautoberflächen (insbesondere axillär, fron-
tal, sublingual, nasopharyngeal) sind für die o. g. Zwecke nicht geeignet.
36 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Blutgasanalyse
Einsatz, Technik, Taktik Unter Blutgasanalyse versteht man die Feststellung der Partialdrücke von CO2
und O2 im arteriellen (weniger aussagekräftig im arterialisiert-kapillären oder ve-
nösen) Blut. Bislang war die Blutgasanalyse der klinischen Diagnostik vorbehal-
ten; mittlerweile sind jedoch für die präklinische Notfallmedizin und den Intensiv-
transport geeignete Geräte auf dem Markt (z. B. AVL OPTI, Chiron IRMA 2000).
Diese Geräte leisten ferner die Bestimmung von Elektrolyten und Hämoglobin.
Die arterielle Blutgasanalyse ist das Standardverfahren zur Überprüfung des
intrapulmonalen Gasaustausches (die Analyse gemischt-venösen Blutes liefert
eine Information über die mittlere Oxygenation der Körpergewebe).
Die Gewinnung der Blutprobe erfolgt im Regelfall durch Punktion der A. radialis.
Der Allen-Test vor Punktion sollte sicherstellen, dass die Perfusion der Hand über
die A. ulnaris und Anastomosen gewährleistet ist.
Beurteilung der Oxygenierung (paO2, SaO2): Die Grenzwerte sind individuell ver-
schieden, jedoch muss spätestens ein O2-Partialdruck von 60 mmHg als absolut
behandlungsbedürftig angesehen werden.
Beurteilung des Säure-Basen-Haushaltes (pH, pCO2, BE): Der pH-Wert entschei-
det über Alkalose o. Azidose. Mit dem pCO2kann festgestellt werden, ob es sich um
eine Normo-, Hyper- oder Hypoventilation handelt. Die Standard-Bikarbonat-Kon-
zentration bzw. der Base Excess zeigen den metabolischen Einfluss an.
•Der Blutgas-Status während einer Reanimation gibt i.d.R. nicht die wahren
Verhältnisse im Organismus wieder.
•Eine respiratorische Partial-Insuffizienz geht mit Hypoxämie einher. Diese
kann auf Diffusions- oder Ventilation-Perfusions-Verteilungsstörungen (z. B.
Lungenembolie, Lungenödem, Pneumonie, Emphysem) beruhen. Eine O2-Gabe
führt zu einer adäquaten Erhöhung des pO2. Besteht die Ursache der Partial-
Insuffizienz in anatomischen Shunt-Verbindungen (z. B. Vitien), so führt
O2-Gabe i.d.R. nicht zu einer wesentlichen Erhöhung des pO2.
•Eine respiratorische Global-Insuffizienz beruht auf Hypoxämie und Hyper-
kapnie, wobei der pCO2 ein direktes Maß für die alveoläre Ventilation darstellt.
Ursachen: Störungen des Atemantriebs (z. B. Apoplex, SHT, Intoxikation) oder
bei fortgeschrittenen Lungenerkrankungen bei Ermüdung der Atemmuskulatur.
•Beachte, dass bei COPD-Patienten (vgl. S. 212) ein Anstieg des paCO2 auf bis
zu 90 mmHg noch mit klarem Bewusstsein einhergehen kann.
Normwerte arteriell venös
pCO2 35 - 45 mmHg 38 - 54 mmHg
pO2 70 - 100 mmHg 36 - 44 mmHg
pH 7,35 - 7,45 7,26 - 7,46
aktuelles Bikarbonat 20 - 26 mval / l 22 - 28 mval / l
Standardbikarbonat 21 - 27 mval / l 19 - 24 mval / l
BE (Base excess,
Basenüberschuss) -3,4 - 2,3 mval / l -2 - 5 mval / l
O2-Sättigung
> 90 - 95 % 60 - 85 %
1.6 · Invasive Maßnahmen 37 1
Medikamente in der Notfallmedizin I (vgl. Kapitel 17)
Zugangswege
Zweifellos werden die meisten Medikamente - aufgrund schneller Wirksamkeit,
hoher Bioverfügbarkeit und guter Steuerbarkeit - in der Notfallmedizin i.v. verab-
reicht, weswegen die Sicherung eines venösen Zuganges einen hohen Stellen-
wert besitzt. Ausnahmen, die entweder auf der erschwerten Anlage eines venö-
sen Zuganges oder den Eigenschaften des Medikamentes beruhen, sind:
• intraossäre Applikation - vitale Indikation, v.a. bei Kindern - s. S. 41 f.
• endobronchiale Applikation - bronchialwirksame Sprays (z.B. Fenoterol,
Reproterol, Salbutamol, Beclometason), ggf. Adrenalin bei CPR, evtl. Naloxon
• per os - z.B. Medikamente bei oralen Vergiftungen (z.B. Kohle, Simethicon),
Nitrendipin, Acetylsalicylsäure bei Akutem Koronarsyndrom (vgl. S. 481)
• sublingual - z.B. Glyceroltrinitrat-Spray / -Kapseln
• rektal - v.a. bei Kindern (z.B. Diazepam, Chloralhydrat, Paracetamol, Prednison)
• subkutane Injektion - Terbutalin, Infiltrationsanästhesie, ggf. Kalzium (HF),
ggf. Adrenalin (Umspritzen eines Wespenstiches bei Allergikern)
• nasal - z.B. Midazolam bei Kindern
• intramuskuläre Injektion - Ketamin (z. B. schwere Verbrennung, eingeklemm-
ter Patient ohne Möglichkeit eines Venenzuganges)
Nicht-i.v.-Gabe über die o.g. Anwendungen hinaus i.d.R. kontraindiziert / obsolet!
Jeder Notarzt sollte mit den Medikamenten vertraut sein, die auf den Rettungs-
mitteln seines Rettungsdienstbereiches vorgehalten werden. Die Auswahl des
geeigneten Notfallmedikamentes sollte sich neben Indikation und Kontraindika-
tionen auch nach den Erfahrungen des NA richten. Gerade bei Kindern, älteren
Patienten und bei Problempatienten sollte der NA verstärkt zu Substanzen grei-
fen, mit deren Umgang er bereits bei seinen Standardpatienten im Klinikalltag (z.
B. Anästhesie) geübt ist (keine Experimente / Erstlingswerke im Notfall).
Inkompatibilitäten
• Auch vor dem Rettungsdiensteinsatz eingenommene Medikamente müssen
berücksichtigt (ggf. gezielt erfragt!) werden. Beispielsweise ist die Gabe von
Nitraten innerhalb von 24 Stunden (!) nach Einnahme von Phosphodiesterase-
5-Hemmern kontraindiziert (z.B. Sildenafil/Viagra - vgl. S. 517).
• Bei Mischung bestimmter Medikamente kommt es darüber hinaus zu Ausfällungs-
und Inaktivierungserscheinungen oder zu chemischen Reaktionen. Um nicht
alle speziellen Fälle berücksichtigen zu müssen, gilt daher der Grundsatz: In der
Notfallmedizin keine Mischspritzen oder Mischinfusionen verwenden ! Zwischen
zwei i.v.-Medikamentengaben ausreichend Infusion einspülen.
Schwangerschaft und Stillzeit
Während der Schwangerschaft passieren die meisten Wirkstoffe die Plazenta und
gehen in den kindlichen Kreislauf über. Dort werden sie z. T. anders verstoffwechselt
als beim Erwachsenen, können zu unerwünschten Reaktionen führen oder die
heranwachsende Frucht schädigen, z. B. embryotoxische / teratogene Schäden
Einsatz, Technik, Taktik 38 Kapitel 1 · Einsatz, Technik, Taktik
Medikamente in der Notfallmedizin II
(1. SSD), fetotoxische Schäden (2. und 3. SSD), mutagenes / karzinogenes Risiko
erhöht, Tod der Frucht, perinatale Komplikationen (z. B. Atemstillstand des Neu-
geborenen bei Opiatgabe (Mutter) vor der Geburt). Daher bei Schwangerschaft
immer strenge Indikationsstellung. Gerade in der Notfallmedizin hat dabei der
Erhalt der Vitalfunktionen der Mutter Priorität. Gefahren, die von den Wirkstoffen
ausgehen, sind vielfältig und oft nicht sicher geklärt.
Viele Substanzen gehen in die Muttermilch über und werden (sofern gestillt wird)
auf den Säugling übertragen. Lässt sich in Notfallsituationen die Gabe einer entspr.
Substanzen nicht vermeiden, muss die Mutter darauf hingewiesen und ggf. die
Indikation für eine Stillpause oder das Abstillen gestellt werden.
Sicherheitsregeln für die Vorbereitung von Medikamenten
Gerade aufgrund der Einsatzbedingungen im Rettungsdienst (Lautstärke, Schnel-
ligkeit, Aufgabenvielfalt etc.) muss der Notarzt auf qualifizierte Assistenz (RS/RA)
Wert legen und zur Sicherheit selbst - mindestens vor der Verabreichung, auch
bei Delegation - folgende Informationen überprüfen (Cave: Missverständnisse!):
• Richtiges Medikament? (Namensähnlichkeiten! Etikettlesbarkeit!)
• Richtiger Patient? (Indikationen und Kontraindikationen!)
• Richtige Dosierung? (Körpergewicht!)
• Richtige Konzentration und Menge? (Ampulleninhalt und Maßeinheit!)
• Richtige Vorbereitung? (Lösung und Mischung! Titration / Bolus?)
• Haltbarkeit? Beschädigungen? Klarheit / Farbe der Lösung? Ausflockungen?
Wichtige Notfallmedikationen: Analgesie und Sedierung
Die Schmerzbekämpfung gehört zu einer der häufigsten Einsatzindikationen für
Notfallmedikamente. Schmerz belastet den Patienten nicht nur als äußerst unan-
genehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, sondern verstärkt Ängste und physiolo-
gische Stressreaktionen (Sympathomimetik), die ihrerseits mit einer Erhöhung
des O2-Verbrauches und verstärkter Beanspruchung des Herz-Kreislauf-Systems
einhergehen. Der akute, starke Schmerz ist für sich schon eine Notarzt-
indikation. Zur Auswahl des geeigneten Medikaments s. S. 454 f. und S. 418 ff.
Bei der medikamentösen Beruhigung des Patienten soll sich dieser von seinen
(unangenehmen) Erlebnissen (z. B. Angst) distanzieren und sie so besser ertra-
gen. Auf diese Weise können z. B. auch medizinische Maßnahmen erleichtert
werden. Die Sedierung ist kein risikoloses Verfahren und muss sowohl durch
medizinische (z. B. Überwachung, ggf. Beatmungsmöglichkeit) wie auch durch
rechtliche Überlegungen (z. B. Wegfall der Einsichtsfähigkeit) abgesichert wer-
den. Gebräuchliche Sedativa sind auf S. 455 genannt und werden im Wirkstoffteil
ausführlich beschrieben. Bedenke, dass auch sicheres und kompetentes Auf-
treten sowie eine gute Gesprächsführung in erheblichem Maß zur Beruhigung
des Patienten beitragen und medikamentöse Maßnahmen u. U. unterstützen,
manchmal sogar ersetzen können.