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Katalog zur Ausstellung "Am Puls der Zeit" - Malerei, Grafik von Hans Stein in der RealismusGalerie des Künstlersonderbund in Deutschland - Realismus der Gegenwart 1990 e.V. vom 30.09. - 04.11.2023

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Hans Stein - Am Puls der Zeit - Malerei Grafik

Katalog zur Ausstellung "Am Puls der Zeit" - Malerei, Grafik von Hans Stein in der RealismusGalerie des Künstlersonderbund in Deutschland - Realismus der Gegenwart 1990 e.V. vom 30.09. - 04.11.2023

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Malerei Grafik Am Puls der Zeit Hans Stein


RealismusGalerie Künstlersonderbund in Deutschland 1990 - Realismus der Gegenwart e.V.


Hans Stein Malerei Grafik Am Puls der Zeit


Nina Koch Grauer Alltag, leuchtende Farben 5 Vorsitzende Künstlersonderbund Exponate / Texte 12 Martin Sperlich Text I 18 Text II 60 Michael Nungesser Synthese 72 Vita Hans Stein 112 Filme zu den bisherigen Ausstellungen 118 Mitgliedschaft Künstlersonderbund 120 Impressum 123


6 Baustelle mit Betonmischer 1958 - Öl auf Pappe - 44,5 x 64


7 Grauer Alltag: Leuchtende Farben Mit seinen farbenkräftigen Bildern und großformatigen Kohlezeichnungen, mit seinem dynamischen und eigenwilligen Pinselduktus und Strich gehört er zu den expressivsten Realisten im Künstlersonderbund. Hans Stein malt, was ihm unterwegs begegnet und ihn beeindruckt, zum Beispiel Landschaften auf Sylt, an der Elbe und rund um Dessau - seinem Geburtsort. Doch auch wenn er am Fluss malt und zeichnet, tauchen Gebäude in seinen Bildern auf. So ist im Bild Elblandschaft mit Schädelfund (1981) im Hintergrund eine Industriearchitektur mit rauchenden Schornsteinen - eingetaucht im schmalen grellen Lichtstreifen des Abendrots am Horizont - zu sehen. Die Stadt lässt ihn nicht los, hauptsächlich malt er Berlin, seine Wahlheimat. In der Metropole, die im permanenten Umbruch ist, mit ihren zahlreichen Baustellen, die wie Pilze aus der Erde schießen. Hans Stein wird zu ihrem Beobachter. Die zentrale Baustelle der Wende ist der „Potsdamer Platz“, ihn malt er gleich mehrfach. Auch den Abbruch des „Palastes der Republik“, dem ehemaligen Sitz der Volkskammer und Kulturhaus der DDR, zeichnet er mehrmals. Aus mehreren Perspektiven malt und zeichnet er die monumentale Skulptur „Ecbatana – Der Mensch baut seine Stadt“ - des französischen Bildhauers Jean Ipoustéguy. Viele Jahre stand sie vor dem ICC. Seit


9 (UdK), zu studieren begann. Die geistige Prägung der Hochschule in der ersten Nachkriegszeit durch den Direktor, Karl Hofer, und seinen Kolleg*innen, wie Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff, Renée Sintenis, Richard Scheibe u.a. war spürbar. An Karl Schmidt-Rottluff schätzt er die mit sparsamen Worten, aber zutreffende Korrektur: „Unvergessen bleibt eine persönliche Begegnung mit Herrn Professor Schmidt-Rottluff in seinem Hochschulatelier. Wir Meisterschüler der ErnstSchumacher-Klasse waren krankheitsbedingt derzeit ohne Lehrmeister. Prof. Schmidt-Rottluff öffnete mir freundlich die Tür, ich hatte zwei mittelgroße Bilder unter dem Arm und bat um eine Korrektur. Es ging um ein Stillleben mit einer Messingkanne. Zu lange und zu intensiv hatte ich mich um Farbe und Form bemüht. Der ins Oliv tendierende Schattenton verdrängte den metallischen Glanz. SchmidtRottluff fragte: "Messing?" Stein: "Ja" Schmidt-Rottluff: "Ja, gelb!" Stein: "War drin." Schmidt-Rottluff: "Wieder reinmachen." Das war alles zu dem Bild.Solch eine verbindlich-knappe, klare Korrektur ohne Umschweife, ohne schmückende Umwege hatte ich bisher nie aus dem Munde anderer kompetenter Lehrmeister gehört. Mit Dank zog ich beglückt ab, aufgebaut und nicht ruiniert. Erst viele Jahre später entdeckte ich in einem Stillleben Schmidt-Rottluffs eine Messingkanne.“ (H.Stein) Akt zeichnet er im großen Zeichensaal, in dem schon Käthe Kollwitz gezeichnet hat. Parallel dazu später bei Hermann Bachmann. Er lehrte ihn, Akte im Raum zu zeichnen, eine Studie gleichsam bildnerisch anzulegen. Auch die Bildkompositionen von Werner Heldt dürften ihm schon damals gefallen haben. Mit letzterem teilt er das Sujet Berlin, wie vor ihnen auch schon Ludwig Meidner, Max Beckmannn und Ernst Ludwig Kirchner. Das hemmt Hans Stein nicht - im Gegenteil, die Kraft ihrer Bilder beflügelt ihn am Puls der Zeit zu bleiben. Auch sie malten ihre Stadt mit dem Blick auf die Gegenwart: zur Zeit des deutschen Faschismus und des zweiten Weltkrieges; ein apokalyptisches Berlin.


10 Neben den Expressionisten beflügeln ihn die alten Meister. So sagte er über Matthias Grünewalds "Isenheimer Altar: „Ich kenne nichts Stärkeres, was diese Expressivität, diesen Ausdruck des Leidens und des Schmerzes besser vermittelt.“ Auch die Malerei von Hans Stein ist eine emotionale. Sein Blick auf Mensch und Natur, die im Kontrast zu ihrer unwirtlichen Umgebung stehen, zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk. Gegensätze spornen ihn an, sind eine künstlerische Herausforderung. Das erst vor kurzem entstandene Bild Bedrängt 2020/23 zeigt auf geradezu beängstigende Weise, wie fragil sich eine Radfahrerin zwischen den LKWs hindurchschlängeln muss. Alltag in der Großstadt. Beim Anblick des Bildes drängt sich auch die Frage nach der Notwendigkeit einer globalen Verkehrsberuhigung auf, zum Schutz des Menschenlebens. Es ist nicht die Vielfalt der Farben, mit denen sich seine Bilder nachhaltig ins Gedächtnis graben. Er setzt sie eher sparsam ein - es ist ihr gezielter, gekonnter und oft auch kontrastierender Einsatz. Die Farben seiner Palette mit den Primärfarben rot, gelb und blau dürfen sich ungedämpft zeigen. Hans Stein verliert sich nicht im Kleinteiligen, sein Maltrieb ist dafür zu rastlos, um sich mit den Details zu beschäftigen: Malt er die eine Fläche, drängt schon die nächste ins Blickfeld. Manchmal explodieren die Farben schon auf der Palette. Seine Lieblingsfarbe ist das Rot, es leuchtet in vielen seiner Bilder, auch in den Winterlandschaften. Zuweilen setzt er Rottöne beißend nebeneinander: das warme Orangerot neben dem kühlen Magenta. Rot ist das Blut, ist das Leben, ist eine laute, sich in den Vordergrund schiebende Farbe. Sie steht für Vitalität, und diese ist gewissermaßen auch das


11 Markenzeichen seiner Persönlichkeit. Doch er wäre kein guter Maler, wenn er sich allein den puren Farben und seinem Maldrang hingeben würde. Am Bild interessiert ihn vor allem der Ausdruck und die Ordnung in der Bildkomposition. Bei beiden Aspekten sind die alten Meister wegweisend, sind Leitfaden und Korrektiv. Komplementärfarben betonen mit Nachdruck, was ihm wichtig ist. Sie bringen die Farben zum Leuchten und zuweilen zum Glühen. Eine orange-weiß gestreifte Schutzweste setzt sich von der blauen Straße und Umgebung ab. Sie ist im Bild nicht nur die Schutzkleidung des Fahrradfahrers, sondern zugleich ein farblich hoch wirkungsvoll eingesetztes Bildelement. Oslo - Das Telefonat (2004). Grüne Linien rhythmisieren die in rosa-rot-orange gemalte Großbaustelle am Mendelssohn-Bartholdy-Park (2011) und Potsdamer Platz (1997). Es entspricht seiner Persönlichkeit, dass er Bewegung als Motiv sucht - einstürzende Bauten (Kongresshalle), Fahrzeuge auf Straßen, sich fortbewegende, arbeitende Menschen kontrastieren zu der starren Architektur. Helikopter hinterlassen Spuren am Himmel, Baumaschinen werden zu bewegten Monstern, Architekturen schieben sich monumental in das Blattformat. Baustellen erobern die leeren Flächen der Stadt - Berliner Alltag. Mit ausladendem Pinselschwung zieht er die Straßenspuren über das Format, malt das noch unbebaute verwaiste Land am Potsdamer Platz. Es erinnert in seiner Farbigkeit und Malweise


12 erstaunlicherweise an Monets Wasserbilder, Große Brache am Potsdamer Platz (2008). Auch da, wo es still und öde wird, tobt zuweilen die Farbe und bildet einen Kontrast zur Industrielandschaft, zu vertrockneten Pflanzen oder skelettierten Tierresten. Das Gelb kontrastiert neben dem Schwarz, Stelenfeld im Winterlicht (2008) und neben dem Violett, z.B. auf einer weiteren Arbeit zu Brache am Potsdamer Platz (1997/2008) oder den Sonnenblumen im Bild Mittagspause im Sommergarten (1992). Häufig wird das Format in große Flächen aufgeteilt. Strukturiert von kleinteiligen Bereichen, die den Anlass geben, Farben in geringer Menge, aber in nicht weniger ausdrucksstarker Weise, mit bewegtem Pinselduktus in Schwingungen zu versetzen. Mit ihrer zurückhaltenden Anwendung setzt er brillant Akzente: Sei es als Rosa auf den Lippen im schmutzdunklen Gesicht des Bauarbeiters, sei es als rote Flecken auf einer Litfaßsäule Straßenszene um Ecbatana (1985/86) und auf dem Bild


13 Mauerspringer (1990) oder als ultramarinblaue Pinselstriche, die wie kleine Schmucksteine neben den sich im Wind bewegenden Stängeln der dominantroten Klatschmohnblüten im Farbteppich aufleuchten: Klatschmohnblüte (1992) - und auch die Lichter im Bild Sonycenter am Potsdamer Platz geben Anlass für ein leuchtendes Farbspiel. Hans Stein kennt die Gefahren der harmonischen Farbenwelt, er bricht sie absichtsvoll, setzt etwas dagegen, braucht den Kontrast, so auch in seinen Bildthemen. Er hat etwas zu sagen. So entstehen nicht nur schöne, sondern auch ausdrucksvolle Bilder - dokumentierte Gegenwart. Hans Stein zeichnet. Den ersten, frischen Eindruck der Landschaft möchte er festhalten, zeichnet schnell, fast hastig, hält zwischendurch kurz inne, fokussiert Details. Er zeichnet, wie es ein Maler macht: denkt in Flächenaufteilung. Schwarz und grau werden zuweilen farbig eingesetzt. Doch vor allem setzt er schwarz gegen weiß. Mit dem Schwarz der Kohle und zügigem Strich fängt er kongenial die Hektik der Großstadt mit ihren mächtigen Architekturen ein und zieht mit tiefem Rußschwarz weitere kräftige Spuren über das große Blatt. Nina Koch


14 Kongreßhalle Berlin - Einsturz der Hängedachkonstruktion II 1980 - Kohle - 77 x 119


15 Kongreßhalle Berlin - Einsturz der Hängedachkonstruktion I 1980 - Kohle - 82 x 135


16 Kongreßhalle Berlin - Einsturz der Hängedachkonstruktion III 1980 - Kohle auf Papier - 96 x 107


17 Kongreßhalle Berlin - Einsturz der Hängedachkonstruktion IV 1982 - Kohle auf Papier - 91 x 100


18 Kongresshalle Berlin - Einsturz der Hängedachkonstruktion V 1984 - Kohle - 72 x 104


19


20 Die Städtebilder von Hans Stein sind für mich eminent politische Bilder und sind es in diesem Jahr der kindischen Stadtverschönerung (750 Jahre Berlin - Stadtjubiläum), der hausfraulichen Frühjahrsputzorgien und postmoderner Schaufensterdekorationen in besonderem Maße, weil sie von der Wirklichkeit fasziniert sind. Nicht zuletzt ist das der Fall, indem vergleichsweise seltenen Menschenbild Hans Steins. Die beiden Zeichnungen „Mann in der Großstadt“ von 1985 sind Porträts eines Anonymen, sind Typus des Großstadtbewohners, sind Geschichtslandschaft der Epoche in einem Gesicht, in diesem Kopf ist alles ablesbar, was siebzig Jahre dem Menschen angetan haben. „Das Gesicht“ sagt Lichtenberg „der interessanteste Teil der Erdoberfläche“. Martin Sperlich Textauszug aus Katalog: Hans Stein, Retrospektive Malerei - Grafik Berlin, Kirche Am Hohenzollernplatz 1995 / Kommunale Galerie 1996


21 Mann in der Großstadt II 1985 - Kohle und farbige Kreiden auf Packpapier - 75 x 100


22 Willy Brandt beantwortet Fragen 1988 - Mischtechnik auf Papier - 77,5 x 86


23 Bild fehlt


24 Mauerspringer 1990 - Öl auf Leinwand - 165 x 150


25


26 Kind zwischen Mauerresten 1992 - Öl auf Leinwand - 150 x 140


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28 Besuch bei Bert Brecht 2012 - Öl auf Leinwand - 190 x 100


29


30 Geteilte Stadt 1971 - Kohle - 52 x 67


31


32 Potsdamer Platz Sony-Center 2014 - Öl auf Leinwand - 200 x 140


33


34 Funkturm und ICC 2014 - Öl auf Leinwand - 200 x 150


35


36 Berlin Palast — Rückbau (Eisenteile) 2007 - Kohle auf Papier - 120 x 90


37


38 Berlin Palast — Rückbau I 2009 - Lithografie 2-farbig - 13,5 x 23,3


39


40 Berlin Palast — Rückbau II 2009 - Lithografie 2-farbig - 13 x 24


Berlin Palast — Rückbau III 2009 - Lithografie 2-farbig - 23 x 37,5 41


42 Oslo Das Telefonat 2004 - Öl auf Leinwand - 180 x 95


43


Großer Asphaltarbeiter 2015 - Öl auf Leinwand - 100 x 190


46 Baustelle Berlin I 1985 - Öl auf Leinwand - 170 x 125 das Ölgemälde als ausgewähltes DIN A0 Plakat für 750 Jahre Berlin 1987 aus der Wettbewerbsreihe (Beides im Besitz der Stiftung Stadtmuseum Berlin)


47


48 Baustellenlandschaft mit ICC 1977 - Öl auf Leinwand - 100 x 80


49


50 Ecbatana 1985 - Öl auf Leinwand - 85 x 105


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