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Published by vancik.beg, 2024-01-17 01:40:54

Baumeister - Dezember 2023

Baumeister - Dezember 2023

Ideen 51


4 Nachverdichtung auf dem ehemaligen JacobsGelände gegenüber der Bremer Innenstadt 5 Nordostansicht der Weserhöfe. Blick entlang der Uferstraße „Am Deich“, direkt an der Kleinen Weser 5 4


Ideen 53 Die Bürger Bremens können sich glücklich schätzen, dass ihre Stadt dem herrschenden Immobilienhype noch nicht gänzlich zum Opfer gefallen ist, wie in vielen Großstädten der Bundesrepublik. Hier gibt es sie noch, die bis vor Kurzem genutzten Gewerbeflächen in bester Innenstadtlage. Das aufgegebene „Jacobs“-Gelände zwischen Kleiner Weser und Grünenstraße erwies sich als ein Filetstück für zentrumsnahes Wohnen. Der einst geschlossene Blockrand südöstlich der Stadtmitte, einer der Produktionsorte des berühmten Kaffees, wurde im Norden und Süden aufgebrochen, um begleitend zur neuen Wohnbebauung im Innenhof eine Verbindung zur alten Neustadt herzustellen. Mit Konzentration auf die Innenstadt verlor dieser Stadtteil an Bedeutung. So haben die nahe gelegene Universität und das Krankenhaus hier einen eigenen Kosmos entstehen lassen, der durch die jüngst erfolgte Umwidmung der Häschenstraße in eine reine Fahrradstraße noch unterstrichen wird. Dem neuen Eigentümer der einstigen Gewerbefläche, dem Projektentwickler Justus Grosse, war es wichtig, mit einer qualitätvollen Neubebauung eine städtebauliche Verzahnung herzustellen, die sich auch im Wohnungsschlüssel abbilden sollte – also keine Wohnungen ausschließlich für Besserverdienende. Weniger Ausgrenzung durch Gleichbehandlung Diese Maßgabe wurde den fünf, deutschlandweit eingeladenen Architekturbüros mit auf den Weg gegeben. Aus den 1970er-Jahren hat man inzwischen gelernt, dass die Ausgrenzung weniger privilegierter Gesellschaftsschichten viel Missmut erzeugte, der sich nicht selten im Vandalismus Ausdruck verschaffte. Es war ein großer Irrtum zu glauben, für sozial schwach gestellte Menschen sei das Nötigste gerade gut genug, bis hin zur Wahl der sichtbar verwendeten Materialien. Auch weniger gebildete Menschen nehmen sehr wohl wahr, ob ihnen mit Respekt begegnet wird. Mutwillige Zerstörungen treten so gut wie nicht mehr auf, wenn keine Unterschiede gemacht werden. Kürzlich realisierte Projekte stellen dies eindrücklich unter Beweis, wie beispielsweise in der JuliusVosseler-Straße im Westen Hamburgs. Das Berliner Büro Léonwohlhage konnte mit einem kleinen Trick den Wettbewerb für sich entscheiden: Sie verschoben den von ihnen geplanten Gebäuderiegel leicht aus der Achse, sodass die südliche Öffnung direkt auf den Lucie-Flechtmann-Platz führt, der jetzt die Funktion eines städtebaulichen Scharniers zur Neustadt übernimmt. Von den 266 Wohnungen sind 69 öffentlich gefördert, die hier den Blockrand schließen, ohne sich in der Fassadengestaltung abzusetzen. Das gilt auch für den Ausbau, wie Herr Hilmes vom ausführenden Bremer Büro Hilmes Lamprecht Architekten noch einmal betont. Dauerhaftigkeit und wenig Wartung Mit der rötlichen Vollstein-Ziegelfassade greifen die Planer die traditionelle Bremer Bauweise auf, die sich über Jahrzehnte in ihrer Dauerhaftigkeit und dem geringen Unterhaltungsaufwand bewährt hat. Auffallendes Merkmal in der Gestaltung ist der Wechsel aus Loggien und Balkonen, der als Vor- und Rücksprünge wahrgenommen wird und somit eine lebendige Abfolge erzeugt. Für die vielen kleinen Wohnungen bieten die Loggien als geschütztes, grünes Zimmer eine komfortable Raumerweiterung. Der Trend, auch im Geschosswohnungsbau Kochen, Essen und Wohnen in einem Raum anzuordnen, lässt, speziell auch in den Ein- bis Zweizimmerwohnungen, allerdings eine gewisse Großzügigkeit vermissen. Die hohen Grundstückspreise aber zwingen zu einer maximalen Ausnutzung, die die Qualität des Durchwohnens kaum noch zulässt. Infolge der einseitigen Belichtung sind die Wohnungen daher oft etwas dunkel, je nachdem, in welche Himmelsrichtung sie weisen. Genauer betrachtet, führt das wiederum zu erhöhten Energiekosten. Mit diesen Einschränkungen aber werden Städter künftig leben müssen, sollen Wohnungen in den Zentren bezahlbar bleiben. Der Platz ist schlicht nicht mehr da, jedem Bewohner – nach heutigen Ansprüchen sind es 40 Quadratmeter Wohnfläche – zur Verfügung zu stellen. Nachverdichtungen stoßen dort an ihre Grenzen, wo zunehmende Versiegelungen kaum noch Raum für Versickerungsflächen lassen. Zwar bietet der eingeschobene Riegel ruhiges Wohnen zu beiden Seiten, wirft aber gleichzeitig die Frage auf, warum die beiden neu entstandenen Höfe mit so wenig Grün ausgestattet sind. In diesem steinernen Umfeld wirkt der zwar hochwertig ausgestattete Spielplatz etwas verloren. Solange der Zuzug in die Städte weiter anhält, wird es keine besseren Lösungen geben, die in der Lage sind, zeitnah den steigenden Bedarf an Wohnraum zu decken. Bleibt nur zu hoffen, dass die fortschreitende Digitalisierung am Arbeitsplatz Wohnen in der Fläche unter weniger beengten Verhältnissen wieder attraktiver macht, zumindest so lange, bis zukunftsfähige Konzepte entwickelt wurden.


54 B A U H E R R : Justus Grosse Projektentwicklung GmbH A R C H I T E K T E N ( L P H 1 – 4 , T E I L E V O N 5 ) : Léonwohlhage, Berlin T R A G W E R K S P L A N U N G : OP Engineers GmbH, Buxtehude F R E I R A U M P L A N U N G : ASP Atelier Schreckenberg Planungsgesellschaft mbH, Bremen H A U S T E C H N I K : Bürogemeinschaft Hillebrand Seidel GmbH, Oyten Isometrie Nord / Weserseite B R A N D S C H U T Z : Schlüter + Thomsen Brandschutz GmbH & Co. KG, Hamburg Z I E G E L H E R S T E L L E R : Röben P L A N U N G S B E G I N N : 2018 F E R T I G S T E L L U N G : 2023 S T A N D O R T : „Weser-Höfe“, Am Deich, Grünenstraße, Häschenstraße, „Alte Neustadt“ Bremen Regeldetail Fassade Zweischalige Außenwand, ganz mit Wärmedämmung ausgefüllt: 160 mm WLS 035, ca. 15 mm Fingerspalt, Verblendmauerwerk: Halbe-Läuferverband, Format NF. Ziegelfertigteile als Abfangungen über Konsolanker


Ideen 55 Erdgeschoss Regelgeschoss Längsschnitt Haus 1 bis 5 M 1:800


57 Fink Restaurant & Suites Brixen Mitten in der Altstadt Brixens kann man seit letztem Sommer in jahrhundertealten Steinmauern, Gewölben und Erkern samt Deckenfresken übernachten. Die Familie Fink hatte das Stadthaus als Gastwirtschaft und Metzgerei 1896 übernommen, eine nachfolgende Generation hat es nun mit viel Sinn für Qualität und die Historie saniert. Als die Mystikerin Hildegard von Bingen 1179 starb, hatte sie nicht nur Schwaben, Franken, Lothringen und das Rheinland als Predigerin bereist, sie hatte Klöster gegründet und hinterließ theologische, natur- und heilkundliche Werke. Bis Brixen ist die mittelalterliche Universalgelehrte allerdings nicht gekommen, dabei hätte sie im Kloster Neustift bereits Herberge finden können. Dass man ihr hier besonders nah kommt, ist trotzdem kein Wunder: Die mit knapp 30.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Südtirols, 901 gegründet, hat noch heute vier Klöster mit riesigen Gärten voller Obst, Gemüse und Kräutern. Die Zeiten, in denen es an Platz für Ordensbrüder und -schwestern mangelte, sind allerdings vorbei, längst ist das schmucke Hausensemble in Brixens autofreiem Zentrum, das urkundlich bereits 1039 erstmals erwähnt wurde, nicht mehr Klosteraußenstelle, Postamt, Kupferschmiede oder Metzgerei, sondern Gaststätte. Und seit Sommer 2023 kann man im Fink nicht mehr nur wunderbar speisen – nach Erkenntnissen und Rezepten von Hildegard, also meist vegane oder vegetarische Gerichte aus frischen Zutaten, abgeschmeckt mit Kräutern wie Galgant oder Bertram –, sondern auch übernachten. Respekt vor dem Bestand ließ das junge Gastgeberpaar bei der Kernsanierung walten: Florian Fink, der das Gasthaus vor fünf Jahren von den Eltern übernahm, ist für die außergewöhnliche Küche zuständig, seine Frau Petra entstammt einer Südtiroler Hotelfamilie und brachte die Architekten ein, die die neun Suiten und das kleine Spa über dem öffentlichen Restaurant im Erdgeschoss und unterhalb des Wohngeschosses der sechsköpfigen Familie planten. Die Kleinen Lauben Nummer 4, die sich innenräumlich über zwei historische Bauten entwickeln, nach außen jedoch als Einzelbauten auftreten, sind somit eines der wenigen Häuser in der Altstadt, die von oben bis unten genutzt werden. Auch sonst haben das Brixener Büro Asaggio gemeinsam mit Stefan Gamper aus Klausen vorbildlich gearbeitet: Putz und Farben aus Kalk und Quarz tauchen Wände und Decken in warme Töne, in einigen Zimmern wurden Fresken freigelegt. Terrazzo im Erdgeschoss ist üblich in den Brixener Stadthäusern, Eichenholzdielen wurden in den Wohngeschossen verlegt. Eiche wurde zudem zu schlichtem Mobiliar verarbeitet, die schwarzen Lampen im Restaurant fertigte eine Eisenhandlung aus der Umgebung. Der Gang durch den Flur wird zum Museumsbesuch: Die dort als Kopien ausgestellten Exponate, etwa die Henkel-Schale aus der Melauner Kultur oder der Trinkbecher der Isarken, entdeckte Florians Großvater, ein Volkskundler. „Drei Pfade hat der Mensch in sich“, wusste Hildegard von Bingen, „die Seele, den Leib und die Sinne“. Im Fink können alle drei wunderbar gesunden. Fink Restaurant & Suites, Kleine Lauben 4, Brixen www.fink1896.it Text Katharina Matzig FOTOS: FINK RESTAURANT & SUITES Unterwegs im… PREISE pro Nacht inklusive Frühstück für zwei Personen ab 300 Euro


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Ideen 59 Die Hofbebauung Lavender Hill im Londoner Stadtteil Clapham bietet trotz großer Enge eine hohe Qualität an Innen- und Außenräumen. Die vorbildliche Nachverdichtung wurde inzwischen mit mehreren Preisen bedacht und zuletzt auch für den britischen Stirling-Preis nominiert. Architekten: Sergison Bates Text: Anna Schabel Fotos: David Grandorge, Johan Dehlin, Danko Stjepanovic 1 Das Hofhaus erhielt unter anderem einen der britischen RIBA-Preise. Die Jury war beeindruckt, wie die dichte, gelungene Wohnbebauung in dieser räumlichen Enge untergebracht werden konnte. Ziegelbau prämiert





Ideen 61 2 + 3 Abseits der belebten Lavender-Hill-Straße und hinter dieser typischen Reihenhauszeile links versteckt sich die graue, burgartige Hofbebauung. 2 3


4 + 5 Die Bewohner lieben die klösterliche Stille. Zu hören sind nur gedämpfte Unterhaltungen und Blätterrascheln. 4


Ideen 63 5


64 Ideen 6


65 6 Die Dachkanten schmückt ein Fries aus einer doppelten Reihe senkrechter Steine, die um 45 Grad gedreht wurden. 7 + 8 Alle Wohnungen verfügen über einen kleinen Lichthof oder eine Loggia. 7 8 Lavender Hill ist eine belebte Hauptstraße im Südwesten Londons, einen Katzensprung entfernt vom neuen Entwicklungsgebiet um die sanierte und umgenutzte „Battersea Powerstation“. Hinter den typischen Londoner Reihenhäusern versteckt sich ein Grundstück, auf dem früher eine Metallwarenfabrik gestanden hatte, in die später Büros eingezogen sind. An ihrer Stelle bauten die Architekten Sergison Bates 2021 für die Investoren Marston Properties neun Mietwohnungen um einen grünen Hof herum. Die Büropartner Stephen Bates und Mark Tuff führen uns zu diesem verborgenen Gelände auf verschlungenen Wegen: zunächst in eine Seitenstraße von Lavender Hill, durch ein Tor in eine Gasse, dann durch eine enge Passage in den zentralen Hof, der nur sechs mal zwölf Meter groß ist und von dem alle Eingangstüren abgehen. Grüner Burghof An diese nördliche Gasse grenzt das Hofhaus mit einem dreigeschossigen Bauteil und seiner Loggia, während die anderen drei Seiten zwei Geschosse aufweisen. Eigentlich kann man sich nur vom Tor aus gesehen ein Bild des gesamten Baus machen, denn ansonsten liegt er eingeschlossen von hohen Mauern, die entsprechend den Bauvorschriften den Einblick in die umliegenden Häuser und Gärten verhindern. So erinnert er durch seine kompakte Masse und vertikale Gliederung an eine Burg, die auch auf einem Stadtfelsen sitzen könnte. Hellgraue Ziegel und beigefarbene Holzdecks, Fenster und Türen dienen als ruhiger Hintergrund für die dichte Hofbepflanzung. Die Mietwohneinheiten sind zwischen 65 und 109 Quadratmetern groß. Die Schlafzimmer liegen im Erdgeschoss, wo die meisten der unteren Einheiten auch über einen kleinen Lichthof verfügen. Die Wohngeschosse wurden in den ersten Stock verlagert und haben dort ebenfalls ihre eigene Terrasse. Alle Grundrisse können in Zukunft auch andere Funktionen erfüllen, etwa als Büro oder Alterswohnsitz. Wenige farbliche Akzente geben dem Projekt nicht nur die blühenden Stauden im Hof, sondern auch die von den Architekten ausgewählten gelben und grünen Vorhänge, die auch zu den jeweiligen Badezimmerfliesen passen. Die Flachdächer sind begrünt. Backsteine mit Nahwirkung Für Lavender Hill wurde ein dänischer Backstein verwendet. Es ist ein Wasserschlagziegel, der vor dem Brennen mit einem hellgrau zu dunkelgrau changierenden Schlicker überzogen wird, was WEITER


66 eine subtile haptische Qualität mit sich bringt. Bates sagt, dass es ihnen hier nicht auf Fernwirkung ankomme, sondern dass bewusst ein Ziegel gewählt wurde, der in der Nähe seine Wirkung entfaltet. Die Wände wirken daher tatsächlich lebendig, in der Farbigkeit aber doch neutral. Wo die Unterseiten der Ziegel zu sehen sind, kommt noch ein wärmerer Sandton dazu. Die Mörtelfugen sind bündig, gebürstet, breiter als üblich und in einer hellen Mischung aus Zement, Kalk und Kiesel ausgeführt. Sie machen einen samtigen Eindruck und lassen an die überbreiten verwischten Fugen von Sigurd Lewerentz‘ berühmten Ziegelbauten denken. Über den Türen und als oberer Abschluss der Außenwände wurden die Ziegel vertikal aufgestellt und seitlich um 45 Grad gedreht, so dass ein krönendes Fries entsteht. Pilaster unterteilen die fensterlosen Wände. Auch die holzverkleideten Oberflächen auf den Terrassen sind gerahmt und unterteilt. Dadurch entstehen Symmetrien, dazu eine Tiefe in den Flächen und eine Hierarchie. Alles lebt davon, dass diese Elemente auf die Nähe wirken. Bates wünscht sich, dass das Gebäude an einen Industriebau erinnert und so auf die Geschichte des Orts Bezug nimmt. Wie auch die Battersea Powerstation und die Tate Modern waren die frühen englischen Werkstätten, Fabriken und Kraftwerke oft aufwendig detailliert, ornamentiert und entwickelten einen eigenen Stil – meist als Ziegelbauten. Vorliebe für Backstein Sergison Bates Architects sind in der Architekturszene angekommen. Von der Randzone hat sich das Büro langsam in den Mittelpunkt vorgearbeitet, so kam jetzt ihr Lavender-Hill-Projekt sogar auf die Shortlist des prestigeträchtigen Stirling-Preises, was die höchsten Weihen für britische Architektur bedeutet. Das Büro besteht seit 1996 und beschäftigt inzwischen 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in London, Zürich und temporär auch in Brüssel, wo es vor ein paar Jahren den Wettbewerb um den Kanal-Kunstkomplex im ehemaligen Citroën-Werk gewonnen hat. Ziegelbauten spielen schon lange eine wichtige Rolle in Sergison Bates‘ Werkverzeichnis – übrigens wie bei vielen britischen Architekten, bei denen eine zweischalige Außenhaut Standard ist. Der Kontext und die Geschichte eines Grundstücks waren für Bates und Tuff immer von großem Interesse. Dennoch habe sich die Verwendung von Ziegeln in ihren Projekten gewandelt, wie sie meinen. Anfangs seien sie von minimalistischer Kunst inspiriert gewesen und zeigten das Verblendmauerwerk durch offensichtliche Lüftungsschlitze und offene Kanten wie bei ihrem Wohnhaus in Shepherdess Walk in Islington (1998). Später seien die Projekte skulpturaler geworden: Tiefe entstand durch Balkone und eine unregelmäßige Bauform mit Betonstürzen: zum Beispiel bei ihren Wohnblocks in Finsbury Park von 2008. Hier in Lavender Hill schließlich werden Ziegel-Pilaster und Ornamente in einer freien Ordnung verwendet, die klassische Elemente aufnimmt und umfunktioniert. Tuff sagt, dass es zu Beginn ihrer Laufbahn wichtiger gewesen sei, die Aussage des Gebäudes zu vermitteln, während sie jetzt verschiedene Interpretationen zulassen und auch schätzen. Dieser im Grunde kleine Wohnbau im Hinterhof folgt einer Typologie, die in London angesichts des Bevölkerungsdrucks weit verbreitet ist. Er ist dennoch herausragend und ein Beispiel für die wachsende Bedeutung von qualitativ hochstehender Nachverdichtung, was sich nicht zuletzt durch die Nominierung zum Stirling-Preis ausdrückt. Und selbstverständlich auch, weil die Ziegel besonders klar differenziert und äußerst elegant vermauert sind. B A U H E R R : Marston Properties Ltd. A R C H I T E K T E N : Sergison Bates architects, London T E A M : Andrew Jackson (Projektarchitekt), Estelle Jakubowski, Marianne Meister, Daniel Waterstone T R A G W E R K S P L A N U N G : Symmetries Ltd. H L S : Mendick Waring Ltd. F R E I R A U M P L A N U N G : Miria Harris


Ideen 67 Erdgeschoss 1. Obergeschoss 2. Obergeschoss M 1:400 Vertikalschnitt Außenwand


68 W E T T B E W E R B : Juni 2016 F E R T I G S T E L L U N G : April 2021 Z I E G E L H E R S T E L L E R : „Sisteron“, Egernsund/ Wienerberger S T A N D O R T : Lavender-Hill-Hofhäuser, Clapham, London Ostwestschnitt Lageplan Nordsüdschnitt M CA 1:200 Ideen


Es überzeugt durch höchste architektonische Qualität, ist einzigartig und stimmig in Form, Raumgestaltung und Materialität, wurde individuell für seine Bewohner entworfen und setzt sich mit seinem städtischen oder ländlichen Umfeld angemessen auseinander: Gesucht wird das Haus des Jahres 2024 aus den 50 besten Einsendungen des Wettbewerbs. Die Bedingungen Teilnahmeberechtigt sind Architekten aus dem deutschsprachigen Raum, die Urheber der eingereichten Projekte sein müssen. Die Häuser sollen nach dem 1. Januar 2021 fertig gestellt und noch nicht in einer Buchpublikation veröffentlicht worden sein. Die Teilnahmegebühr beträgt 390,- Euro. Auf jede weitere Einreichung gilt ein Rabatt von 50 %. Die eingereichten Arbeiten werden von einer unabhängigen Jury beurteilt. Die Preise Die 50 besten Einfamilienhäuser aus dem Wettbewerb werden im Buch Häuser des Jahres 2024 sowie auf der Webseite www.haeuser-des-jahres.com veröffentlicht und erhalten ein exklusives Label. Die Medienpartner berichten ausführlich über die Sieger. Jetzt anmelden: award.haeuser-des-jahres.com HÄUSER DES JAHRES gesucht! 2024 Einsendeschluss 16.02.2024 AMUNT; Foto: Filip Dujardin


70 Online FOTOS: TJARK SPILLE 1897/98 zur Erprobung der Getreidelagerung errichtet, diente das Gebäude als Speisekammer für die wachsende Bevölkerung des ausgehenden 19. Jahrhunderts.


baumeister.de 71 Ein Stück Geschichte – der Kornversuchsspeicher in Berlin Zum Beispiel: ZIEGELARCHITEKTUR B A U M E I S T E R . D E / D E R J Ä G E R B A U V O J N E G Ä R B A U Von 2018 bis 2022 sanierte das Berliner Büro AFF Architekten das unter Denkmalschutz stehende Speichergebäude von 1897 auf dem ehemaligen Lehrter Güterbahnhofsareal in Berlin. Das Testen von Trichterspeicherdecken aus Stahlbeton macht den Kornspeicher aus denkmalpflegerischer Sicht zu einem der bedeutendsten Zeugen der Betonbautechnik in Deutschland. Der Kornversuchsspeicher liegt zwischen neuen Wohnungsbauten am Spandauer Schifffahrtskanal. 1915 wurde die Holzkonstruktion des Silospeichers durch ein Stahlbetonskelett ersetzt. Zur gleichen Zeit errichtete man einen Stahlbetonstockwerkrahmenbau, der unter anderem der vergleichenden Bewertung der Silo- und der Schüttbodenspeicherung sowie der Erprobung moderner Maschinentechnik diente. AFF hat den denkmalgeschützten Speicher in zeitgemäße Büro- und Arbeitsräume verwandelt. Vor allem definiert sich ihre Vorgehensweise über den Rückbau der Betontragkonstruktionen sowie die Aufstockung des Dachgeschosses. Mit dem Umbau tragen AFF zum Erhalt eines Stücks Berliner Geschichte bei. Sie schaffen ein den Berlinern zugängliches Denkmal und stiften Identität im eher gesichtslosen Neubauviertel „Europacity“ (siehe auch Seite 72 in dieser Ausgabe). Text Hannah Grimm


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Ideen 73 Architekten: Robertneun Text: Florian Heilmeyer Fotos: Annette Kisling Trutzburg des architek- tonischen Anspruchs 1 „Das multifunktionale Quartier Heidestraße Core ist das Herzstück der wiederbelebten Europacity Berlin. Das Verständnis moderner Urbanität greifen Details wie der Hofgarten als Rückzugsort oder die in die Fassade eingelassenen Sitzbänke auf.“ Jury-Statement Erich-Mendelsohn-Preis für Backstein-Architektur 2023 Seit 2012 entsteht die „Europacity“ nahe des Berliner Hauptbahnhofs. Die Bebauung begann im südlichen Teil des Areals, ist inzwischen fertiggestellt und erscheint wenig inspirierend. Nun folgen die Bauten Richtung Norden, wo offenbar ein Wandel einsetzt: Das Büro Robertneun etwa baute dort einen großen Stadtbaustein, ein Wohn- und Geschäftshaus von hoher urbaner Qualität. Es erhielt vor Kurzem einen der Erich-Mendelssohn-Preise in Gold. Ziegelbau prämiert


2 3 LAGEPLAN RECHTS OBEN: CA IMMO DEUTSCHLAND GMBH


Ideen 2 + 3 Großstadtarchitektur. Unten: Ansicht entlang der Heidestraße, der zentralen Achse der Europacity in Berlin 4 + 5 Lageplan Europacity und unten Lageplan Quartier Heidestraße „Core“ der Architekten Robertneun 4 5


76 6 Die städtebauliche Großform knüpft in Maßstab und Formensprache an die vormaligen Bahn- und Infrastrukturbauten an. Am dreieckigen Otto-WeidtPlatz schützt die Fußgänger ein langes Vordach. 7 Unter anderem gliedern tief eingeschnittene Loggien und speziell geformte Balkon- und Loggiaplatten die große Baumasse. 6 7


Ideen 77 Seit 2012 wird nördlich des Berliner Hauptbahnhofs ein neuer Stadtteil gebaut, die Europacity. Auf rund 40 Hektar entstehen 3.000 Wohnungen und 9.000 Arbeitsplätze. In der Mitte wird der neue Stadtteil von der vierspurigen Heidestraße in zwei schmale Hälften zerschnitten – seit der Autotunnel unter dem Tiergarten fertiggestellt wurde, ist die Heidestraße eine der wichtigsten innerstädtischen Nord-Süd-Verbindungen mit entsprechend dichtem Verkehrsaufkommen. Nun, da die meisten Gebäude in der Europacity bereits bezogen sind und auch die Plätze und Straßen langsam fertig werden, ist ein erster Gesamteindruck möglich. Das Fazit ist niederschmetternd. Architektonisch und städtebaulich bleiben weite Teile bislang hinter den ohnehin schon niedrigen Erwartungen zurück. Trotz einer Vielzahl an Architekturwettbewerben für die einzelnen Gebäude ist der Eindruck der Wohnstraßen, die hinter dem Hamburger Bahnhof anschließen und die als „Kunstcampus“ betitelt sind, so generisch und glatt wie der Name des neuen Viertels. Gerne würde man hier flanieren, etwa entlang des schmalen Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals, der die Europacity nach Osten begrenzt – aber es fehlen die Anreize. Offensichtlich sind die beteiligten Architekturbüros, darunter etliche renommierte Namen, reihenweise an den Vorgaben der Investoren gescheitert. Deutlich wird, wie eine Stadt aussieht, die alleine auf die maximale Ausnutzung des genehmigten Bauvolumens und dessen möglichst profitable Nutzung setzt. Die Gebäude wirken klobig, die Erdgeschosszonen interessieren sich nicht für irgendeine Art von städtischem Leben, die hochpreisigen Wohnungen sorgen dafür, dass hier tagsüber kaum jemand zu sehen ist – und abends gibt es kaum einen attraktiven Anziehungspunkt. Kaum noch vorstellbar, wie lebendig gegen diese provinziellen Sträßchen vor 20 Jahren die Brache wirkte, als sich in den alten Bahnbaracken die Kunst- und Clubszene temporär ausgebreitet hatte: der TapeClub, das Heideglühen, die Studios von Tacita Dean, Ólafur Elíasson und Thomas Demand, kurz bevor sie international bekannt wurden. Eignerwechsel Kritisch beäugt und kommentiert wurde die Entstehung dieses Stadtteils von Anfang an. Das Problem war der wirtschaftliche und politische Rahmen in den 2000er-Jahren, in denen die wichtigsten Entscheidungen zur Europacity getroffen wurden. Man muss sich das aus heutiger Sicht noch einmal drastisch vor Augen führen: Da standen 40 Hektar in feinster innerstädtischer Filetlage frei, die zuvor nur Grenzstreifen und Bahngelände gewesen waren. Zudem war der Löwenanteil des Geländes als Eigentum der Deutschen Bahn im Besitz des Bundes. Dieser hatte allerdings beschlossen, die Bahnliegenschaften, die für den Betrieb nicht mehr benötigt wurden, zu veräußern. Dafür war 2001 die Vivico Real Estate gegründet worden. In diese wurden die Immobilien übertragen und die Vivico dann 2007 komplett an das österreichische Immobilienunternehmen CA Immo verkauft. Diese kann ihr Glück wahrscheinlich bis heute nicht fassen. Über Nacht wurden die Österreicher damit zum wichtigsten Protagonisten bei der Entwicklung innerstädtischer Flächen in ganz Deutschland. Sie stecken unter anderem auch hinter dem Münchner Arnulfpark, dem Zollhafen in Mainz (siehe auch Seite 30), dem Marina Quartier in Regensburg und dem Europaviertel in Frankfurt am Main. In der Berliner Europacity gehören der CA Immo bis heute große Teile, in denen sie eigene Projekte entwickelt hat, hauptsächlich im Süden und Osten zwischen Heidestraße, Schifffahrtskanal und Hauptbahnhof. Nur neun Prozent mietpreisgebunden Auch Berlin hatte den Planungen der privaten Investoren in der Europacity nicht viel entgegenzusetzen. Die Stadtpolitik war mit der Aufarbeitung des Bankenskandals um die Landesimmobilienbank 2001 beschäftigt, in dessen Folge Dutzende Landesliegenschaften und über 100.000 Wohnungen verkauft wurden, um die Stadtkasse überhaupt über Wasser zu halten. Jeglicher städtische Wohnungsbau wurde eingestellt, ebenso die Förderung von sozialem Wohnungsbau. Und so wurde die Europacity – ein Gebiet neunmal so groß wie der Potsdamer Platz – de facto gänzlich den Investoreninteressen überlassen. Von 3.000 Wohnungen sind ganze 270 mietpreisgebunden, und auch das nur wegen eines Deals mit der CA Immo, die im Gegenzug 16.000 zusätzliche Quadratmeter bauen durfte. Ein Stadthafen, der nach dem Masterplan von Astoc aus Köln das Herz des städtebaulichen Entwurfs hätte werden sollen, wurde ersatzlos gestrichen. An seiner Stelle liegt heute der Otto-Weidt-Platz – immerhin mit einer neuen Fußgängerbrücke über den Kanal, Entwurf von ACME, die wie ein ironischer Kommentar zu all dem Betongold ringsumher in mattem Messing glänzt. Das „Quartier Heidestraße“ Immerhin: Dass in diesen südlichen Quartieren, die zuerst errichtet wurden, einiges zu verbessern blieb, ist in der weiteren Umsetzung erkannt worden. WEITER


78 Ideen So nimmt beispielsweise die Anzahl an Ladenund Geschäftseinheiten in den Erdgeschossen von Süden nach Norden deutlich zu. Damit steigt auch das Gefühl von lebendiger Urbanität. Und auch die Architektur verändert sich. Hat man im Süden noch das Gefühl, dass den Häusern ihre eigene Größe irgendwie unangenehm ist, sind im jüngsten Bauabschnitt, der derzeit im Nordwesten fertiggestellt wird, bereits einige Stadtblöcke zu sehen, die ihre großstädtischen Kubaturen selbstbewusst zu nutzen wissen. Hier entsteht das Quartier Heidestraße. Mit 8,5 Hektar nimmt es fast ein Viertel der Europacity ein, entwickelt wird es von der Taurecon Real Estate Consulting. Die ersten Blöcke im Süden sind bereits fertiggestellt, die im Norden sollen bis 2024 folgen. Sechs Stadtblöcke reihen sich entlang der Heidestraße als separate, geschlossene Volumen um jeweils einen grünen Innenhof. Zur Straße liegen Büro- und Gewerbeflächen, rückseitig die Wohnungen. Fünf dieser Blöcke sind von fast identischer Größe. Gestalterisch variieren die Architekturbüros ähnliche Themen: robuste Strukturen wie Stadtregale, deren Felder mal als großformatige Panoramafenster, mal mit Brüstungen oder als Loggien ausgelegt sind. Alle sind eindeutig städtische Großformen, die als verdichtete Lebensformen im Stadtzentrum den Auftrag an die eigene Großmaßstäblichkeit selbstbewusst erfüllen, wie Loftgebäude eine gewisse Nutzungsflexibilität im Inneren zulassen und nach außen mindestens andeuten. Die Grundrisse der Erdgeschosse bieten zumindest strukturell die Möglichkeit zur kleinteiligen Nutzung; und auch die städtebauliche Struktur ist mit drei unterschiedlichen Plätzen deutlich differenzierter als im Rest der Europacity. Ob sich deswegen die Hoffnung der Investoren erfüllt, dass im Quartier Heidestraße eine abwechslungsreiche Kiez-Struktur mit kleinen, inhabergeführten Läden, Galerien, Bars und Restaurants entsteht, muss fürs Erste offen bleiben. Aber aus der Struktur heraus lässt sich hier zumindest hoffen. Verspielte, beziehungsreiche, heitere Schwere vom Büro Robertneun Der sechste Block in der Reihe allerdings ist anders. Er liegt gegenüber des Otto-Weidt-Platzes und bildet dessen Hauptfassade. Er ist fast doppelt so groß wie die anderen Blöcke, 38.600 Quadratmeter Bruttogeschossfläche, darin 166 Wohnungen, rund 12.700 Quadratmeter Büros und 7.700 Quadratmeter für Handel und Gewerbe im Erdgeschoss. Ein mächtiges Stück Stadt, und die Architektur ist mutig genug, das auch zu zeigen. Dieses Gebäude darf einen Charakter entwickeln. Entworfen wurde „QH Core“ von Robertneun Architekten. Von Anfang an war klar, dass dieser Block aufgrund seiner Lage zwischen drei Stadtplätzen und aufgrund seiner Größe zum Zentrum der nördlichen Europacity werden sollte. Nils Buschmann, einer der zwei Partner von Robertneun Architekten, spricht von der „kommunikativen Mitte des Quartiers“, weswegen man dem Haus eine „öffentliche Materialität, ähnlich wie Schulen oder Rathäuser“ gegeben habe. Das ist hier eine abwechslungsreiche Mischung aus dunkelroten, manchmal fast violett-schwarz schimmernden Backsteinen. Damit bekommt der Baukörper auch ein spürbar größeres Gewicht als seine Nachbarn. „Wir verstehen die Stadtblöcke in der Europacity als Großformen, die alleine aufgrund ihres Maßstabs Großstadt wollen“, so Buschmann. Im Material sehen die Architekten zudem Verbindungen zur industriellen Vergangenheit des Areals, zum Schotter der Bahnstrecke, zum erhalten gebliebenen Kornversuchsspeicher schräg gegenüber (siehe Seite 70), der als Umbau zum Bürogebäude durch AFF Architekten ein weiteres architektonisch interessantes Projekt in der Europacity ist, oder bis zum Abspannwerk Scharnhorst am nahen Nordhafen, einem Entwurf von ähnlicher Backsteinschwere des Architekten Hans Heinrich Müller aus dem Jahr 1928. Die Idee ist, ein Netz an sichtbaren Verbindungen über das Gebiet zu legen und die Europacity somit weit über sich selbst hinaus zu vernetzen. Solch gestalterische Ambition kann man bei sonst kaum einem der Neubauten ringsum finden. „Backstein-Rohling“ Robertneun belassen es aber nicht bei einer selbstbewusst vorgetragenen Größe. Sie spielen auch auf skulpturale Weise damit. Den Baukörper bearbeiten sie wie einen Rohling aus Backstein, sie beschneiden und formen ihn auf allen vier Seiten immer neu. Zum dreieckigen Platz im Norden ist das Gebäude um drei Etagen höher, hier sind Laubengänge in die Fassade geschnitten, und über den Läden im Erdgeschoss hängt ein weit auskragendes Vordach aus rotem Stahl. Zur Bahnstrecke im Osten sind vier tiefe Furchen in die Fassade eingekerbt, die Loggien für die Wohnungen bieten. So entsteht in der Ansicht die Zeichnung von drei breiten Türmen mit je vier Fensterachsen, dazu links die schmalere Silhouette des drei Etagen höheren „Turms“ und im Süden noch einmal ein halber Turm, der sich kräftig um die Gebäudeecke zur Südfassade zieht. Auch in der Süd- und Westfassade zur Heidestraße finden sich diese tiefen Loggien-Furchen. WEITER


79 8 + 10 Details wie abgerundete Ecken markieren die Zugänge. Zurückversetzte Eingangshallen und öffentliche Sitznischen sorgen für Abwechslung in der Erdgeschosszone (siehe auch Seite 72). 9 Laubengangerschließung kleinerer Apartments zum Platz an der Nordwestseite 8 9 10


80 Ideen 0 1 3 5 10 Querschnitt Längsschnitt M 1:750 B A U H E R R : QH Development 1 GmbH & Co. KG, Berlin A R C H I T E K T E N : Robertneun, Berlin www.robertneun.de M I T A R B E I T E R I N N E N U N D M I T A R B E I T E R : Nils Buschmann, Tom Friedrich, Julia Lorenz, Helene Käschel, Claus Thiemann, Vanni Sacconi, Maximilian Pauen, Guillaume Chabenat, Morihide Seki, Clement Jacobzone, Corinna Fischer, Stephanie Schoemann, Piet Nieder, Martin Pohl, Maria Seidel, Jaro Böer, Sarah Humpert T R A G W E R K S P L A N U N G : WSK Ingenieure GmbH, Berlin


81 Die architektonische Geste wird noch verstärkt durch die kräftigen Fertigteile aus rot gefärbtem Beton, die als breite Balkone den unteren Abschluss jeder Furche bilden. Das wirkt insgesamt, als habe man eben diese Fertigteile von oben bis übers Erdgeschoss in eine weiche, schwere Masse aus rotem Backstein gedrückt und gewartet, bis durch die Aushärtung des Rohlings eben dieses Furchenbild entstanden ist. Dieser Eindruck einer bildhauerischen Bearbeitung wird außen wie innen im ganzen Gebäude durch etliche Details unterstützt wie etwa gerundete Ecken oder die immer wieder auftauchenden Sitzbänke. Die Schwere und das Gewicht des großen Stadtbausteins bekommen in diesen Details etwas Warmes, etwas fröhlich Verspieltes und den oft zitierten menschlichen Maßstab. Zudem sind die unterschiedlichen Gesichter der vier Fassaden eben keine formale Spielerei wie bei vielen anderen Neubauten, sondern leiten sich aus der heterogenen inneren Organisation des Gebäudes ab. Anders als im Bebauungsplan eigentlich vorgesehen, stellten Robertneun den Block auf einen gewaltigen Erdgeschoss-Sockel. In dessen Zentrum liegt der Supermarkt, der wenig Licht braucht. Dafür können ringsum im Erdgeschoss entlang der Straßen kleine Ladeneinheiten mit Schaufenstern angeboten werden. Einzig auf der Westseite in Richtung Bahnstrecke gibt es keine Schaufenster, hier liegen in zurückgesetzten Eingängen die schweren, dunklen Anlieferungstore sowie die Einfahrt zur Tiefgarage und dazwischen öffentliche Sitzgelegenheiten in geschwungenen Mauernischen. Auf allen vier Seiten liegen Eingänge zu den Treppenhäusern, die zu den Wohnungen in den Obergeschossen führen. Zur Bahnstrecke im Westen ist es eine Mischung aus großen Dreizimmer- mit Loggia und kleinen 1,5-Zimmerwohnungen mit Balkonen zum Innenhof. Nach Norden liegen alleine 1,5-Zimmerwohnungen an den Laubengängen, die sich aber vertikal und horizontal kombinieren lassen, sodass Maisonetten und Penthäuser möglich werden. Nach Süden liegen Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen an drei Treppenhäusern. Hinter der Ostfassade zur Heidestraße sind die Büros untergebracht – hier haben die Architekten die Tiefe des Flügels um satte fünf Meter erhöht, sodass Bürotiefen von 4,5 bis 6 Meter möglich sind. Dafür konnten sie einen im Bebauungsplan noch vorgesehenen Querflügel im Innenhof entfernen, so dass der Hof deutlich angenehmere Proportionen erhielt und die Wohnungen vom Hof besser belichtet werden. Niederländische Vorbilder Man spürt und sieht überall, dass sich Robertneun im Entwurf intensiv mit dem niederländischen Backsteinbau im frühen 20. Jahrhundert auseinandergesetzt haben, bekannt als „Amsterdamse School“, der einen verspielten Jugendstil oder Expressionismus nutzte, um großformatigen Wohnungsbauten eine hohe Qualität abzugewinnen. Nils Buschmann verrät, dass man sich auch noch einmal sehr genau mit dem „Piraeus Gebouw“ von 1994 in Amsterdam beschäftigt habe. Dort hatten Hans Kollhoff und Christian Rapp auf einer der neu bebauten Hafeninseln ein gewaltiges Wohngebäude ebenfalls in dunklem Backstein errichten lassen, dem immer andere Knicke, Passagen und Durchgänge, Fensterformate, Balkonund Loggienformen eine erstaunliche Heiterkeit verleihen. So reichen die Wahlverwandtschaften dieses klugen Stadtblocks in der Europacity letztlich bis nach Amsterdam und weit darüber hinaus. Und so wie „Piraeus“ damals rasch zum Referenzobjekt wurde, wie zeitgenössische Architektur gleichzeitig groß, geschichtsbewusst und gut gemacht sein kann, hat auch das QH Core von Robertneun das Zeug zum Prototyp, wie sich eine lebendige urbane Qualität in Neubaugebieten erzeugen lässt. Einzig ein besserer Name müsste für das Gebäude dann noch gefunden werden, damit es in die Geschichtsbücher eingetragen werden kann. T G A : Plan B – Beratende Ingenieure GmbH, Berlin F A S S A D E N P L A N U N G : Priedemann Fassadenberatung GmbH, Großbeeren/Berlin BAUPHYSIK/BAUA K U S T I K / S C H A L L S C H U T Z : Müller-BBM GmbH, Berlin B R A N D S C H U T Z : HHP West Beratende Ingenieure GmbH, Hannover LANDSCHAFTSA R C H I T E K T E N : Relais Landschaftsarchitekten, Berlin Z I E G E L H E R S T E L L E R : Wittmunder Klinker F E R T I G S T E L L U N G : März 2022 S T A N D O R T : Quartier Heidestraße Core, Heidestraße 42, Berlin


82 Ideen Erdgeschoss Regelgeschoss M 1:750


Unendliche Möglichkeiten ? Kleiner Überblick zu den Sichtmauerwerksverbänden SEITE 8 4


84 Fragen Unendliche Möglichkeiten ? Kleiner Überblick zu den Sichtmauerwerksverbänden Text: Dieter Figge Zum Charme der Backsteine gehört ihre nahezu unendliche Vielfalt an Formen, Farben und Möglichkeiten, sie zu schichten. Um diese Verbandvarianten im Sichtmauerwerk nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, folgt hier eine kurze Einführung.


85 Mauerwerksverbände dienen ganz schlicht dazu, die vertikalen Lasten einer Wand optimal im Mauerwerk aufzunehmen. Das schichtweise Überbinden der Steine ist erforderlich, um die auf die Wand wirkenden Vertikallasten über die Wandlänge zu verteilen und so die Tragfähigkeit sicherzustellen. So weit so gut. Allerdings können die Überbindungen dabei sehr unterschiedlich und insbesondere auch nach bestimmten überlieferten Regeln dekorativ vorgenommen werden. „Läufer“ und die Köpfe der „Binder“ erzeugen dabei das typische Fassadenbild. Bei Sichtmauerwerk finden sich in der Regel Zierverbände, wie zum Beispiel Läufer-, Block- und Kreuzverbände oder auch der Gotische und der Märkische Verband. Der Wilde Verband Der heute am meisten genutzte Mauerwerksverband ist der „Wilde Verband“. Die Beliebtheit dieses Zierverbands lässt sich dadurch erklären, dass er zu vielen Stilen und Klinkerformaten passt und somit vielseitig nutzbar ist. Gleichzeitig stellt er auch eine vergleichsweise einfache Art des Mauerns dar, dessen Kennzeichen seine regelmäßige Unregelmäßigkeit ist. Mauerwerk, das im Wilden Verband gemauert wird, lässt – im Unterschied etwa zum Blockverband – keine Gleichmäßigkeit oder feste Struktur erkennen. Die Mauerziegel sollen in einer wilden Anordnung aus Läufern und Bindern beziehungsweise Köpfen gesetzt werden. Gleichzeitig unterliegt auch der Wilde Verband festen Regeln und vorgegebenen Rahmenbedingungen, um die Unregelmäßigkeit in der Fassadenwirkung zu erzielen. Regel 1: Maximal fünf Läufer hintereinander Die erste Regel bei der Umsetzung des Wilden Verbands ist die maximale Anzahl an Läufern. Es dürfen nicht mehr als fünf Klinkersteine als Läufer hintereinander gesetzt werden, so dass nach maximal fünf Läufern wieder ein Binder gesetzt werden muss. Regel 2: Stoßfugen immer versetzt zueinander Während bei anderen Mauerwerksverbänden die Stoßfugen einer fest vorgegebenen Regelmäßigkeit unterliegen, gibt es beim Wilden Verband diesbezüglich nur die Vorgabe, dass ein minimaler Versatz eingehalten werden muss. Mindestens um ein Viertel der Läufer- beziehungsweise Klinkerlänge müssen die Stoßfugen beim Wilden Verband versetzt sein. Regel 3: Treppenbildung vermeiden. Höchstens drei bis vier Stufen Die dritte Regel bei der Erstellung eines Wilden Verbands in einer Klinker- FOTO RECHTS: WITTMUNDER ZIEGEL 1 Blockverband 2 Wilder Verband 2 WEITER 1


86 2 3 4 6 1 Beim Läuferverband bestehen alle Schichten aus Läufern, die von Schicht zu Schicht um einen halben Stein (= mittlerer Verband) oder um einen Viertelstein (= schleppender Verband) versetzt sind. 2 Beim Blockverband wechseln sich die Reihen mit Läufern und Köpfen regelmäßig ab. Die Stoßfugen der jeweiligen Schichten liegen hier senkrecht übereinander. 3 Ähnlich wie beim Blockverband wechseln beim Kreuzverband die Kopf- und Läuferschichten. Die Stoßfugen jeder zweiten Läuferschicht sind um eine halbe Steinlänge versetzt. Daraus ergibt sich das charakteristische „Kreuzbild“. 4 Bei dem Gotischen Verband wechseln Läufer und Köpfe innerhalb einer Schicht regelmäßig ab. Die Stoßfugen jeder zweiten Schicht liegen übereinander; dazwischen sind sie jeweils um eine halbe Kopfbreite versetzt. 5 Je zwei Läufer und ein Kopf wechseln beim Märkischen Verband Schicht für Schicht regelmäßig ab, wobei die Stoßfugen jeder zweiten Schicht übereinanderliegen. 6 Bei dem Wilden Verband wechseln Läufer und Köpfe unregelmäßig. Dieser Verband ist am wenigsten starr und bietet die Möglichkeit, kleine Abweichungen der Baurichtmaße oder Maßtoleranzen auszugleichen. Allerdings sind auch hier bestimmte Regeln einzuhalten. Läufer und Binder 1 5


Fragen 87 fassade bezieht sich auf die sogenannte Treppenbildung. Unter der Treppenbildung versteht man den regelmäßigen Versatz von Köpfen beziehungsweise Bindern um eine halbe Kopf- oder Binderbreite in der nächsten Klinkerreihe. Wenn dieser Versatz über mehr als drei bis vier Reihen vorgenommen wird, erweckt das den Eindruck einer „Treppe“ in der Fassade, was die Unregelmäßigkeit des Wilden Verbands aufheben würde. Ästhetische Funktion Für die Beurteilung der ästhetischen Funktion gemauerter Ziegelfassaden, ist die optische Wirkung der zusammenhängenden Wandflächen aus gebrauchsüblichen Entfernungen maßgebend. So ist die optische Funktion einer Ziegelfassade immer dann erfüllt, wenn zusammenwirkende Wandflächen einheitlich wirken und das Wechselspiel zwischen Ziegelsteinen und Mörtelfugen ein homogenes Bild vermittelt. Kontrast zwischen Fugen und Klinkersteinen Neben dem persönlichen Geschmack wird die Fugenbreite ebenso in Abhängigkeit vom Klinkerformat gewählt: Dünne und längliche Klinkerformate gehen häufig eher mit schmalen Lagerund Stoßfugen einher, während bei größeren Steinen mit breiteren Fugen gearbeitet wird. Je stärker der Kontrast zwischen Fuge und Klinkerstein gewählt wird, desto stärker wird das Fassadenraster und der Mauerwerksverband betont. Im Umkehrschluss wirkt die Natürlichkeit der Klinkersteine umso stärker, je geringer der Farbunterschied zwischen Fuge und Verblender ist. 3 Harmonisches Bild einer Fassade aus unterschiedlichen Verbänden 4 Gotisches Mauerwerk 5 Großflächiges Mauerwerk mit Versatz-Ornamentik und Formgesims 4 5 3 FOTO LINKS: ROEBEN; RECHTS: HAGEMEISTER


Schattierungen im Rosé-Violett-Spektrum wie hier die Farbe „amaranthus“: „Original Strangfuß Klinker“ der Ziegelei Hebrok


89 FOTO: HEBROK 19 Lösungen: Wandbaustoffe Türen und Tore + SEITE 102 SEITE 9 4 Branchenfeature: Wandbaustoffe Seite 90 Referenz: Bürgerhaus in Lübeck mit Formsteinen von Hebrok Seite 100


90 Branchenfeature Das Bauen mit Lehm liegt nicht umsonst im Trend. Denn Wohngesundheit und Nachhaltigkeit werden dem Baustoff nachgesagt. Allerdings wurden tragende Wände wegen der Druckfestigkeit bislang noch mit herkömmlichen Ziegeln gemauert. Das möchte Leipfinger-Bader mit seinem neuen Lehmziegel jetzt ändern. Es handelt sich dabei um einen stranggepressten Vollstein ohne Lochung im Format 2DF mit glatten Stirn- und Seitenflächen. Dank seiner Druckfestigkeit von 5 N/mm2 eignet sich dieser Lehmziegel auch für den Bau tragender Wände. Ist die Mauer konstruktiv gegen Witterungseinflüsse geschützt, können auch Außenwände mit dem Lehmziegel errichtet werden. Im Herstellungsprozess werden die Lehmziegel nicht energieintensiv gebrannt, sondern lediglich gepresst und getrocknet. Dadurch kann der Ziegel Feuchtigkeit aufnehmen und sorgt so für ein günstiges Wohnklima. Besonders nachhaltig macht den LehmZukunftsfähige Traditionsbaustoffe Was vor allem zählt, sind die inneren Werte der Wandbaustoffe für Statik, Schallund Wärmeschutz und natürlich die Kosten. Zunehmend sollte auch die jeweilige Ökobilanz in den Vordergrund rücken. Hinzu kommen die Vorlieben und Erfahrungswerte des Architekten und auch des Bauherrn. Und nicht zu vergessen: das Image. Nüchtern betrachtet, gibt es deshalb nicht den einen richtigen Baustoff, denn selbstverständlich hat jedes Material seine spezifischen Vor- und Nachteile. von Arian Schlichenmayer Sympathisch: Lehm WWW.LEIPFINGER-BADER.DE 1 Neu sind die tragenden Eigenschaften des Lehmziegels von LeipfingerBader. 2 + 3 Nahe der denkmalgeschützten Dubliner Mühlenanlage entstanden drei Hochhäuser mit Keramikfassaden von Moeding. ziegel von LeipfingerBader die Tatsache, dass er problemlos wiederverwendet oder recycelt werden kann. 1


Wandbaustoffe 91 Das Viertel „Grand Canal Dock“ im Osten von Dublin gehört zu den größten Entwicklungsgebieten der irischen Hauptstadt. So heterogen wie das Areal, so lebhaft geben sich auch die drei neuen Hochhäuser an den „Silicon Docks“. Zur Uferseite hin präsentiert sich ihre Fassade in Form verschieden breiter, asymmetrischer Trapeze. Sowohl an der Nordals auch an der Südseite ragen Gebäudeteile aus dem schlanken Grundkörper heraus, die sich farblich deutlich absetzen. Zusätzlich zeigen die Gebäude je nach Lage und Ausrichtung verschiedene Fassadenansichten. Von verglasten über mit Keramikplatten verkleideten bis hin zu mit vorgesetzten Lamellen versehenen Fassadenpartien reicht das Spektrum der äußerlichen Gestaltung des Gebäude-Ensembles. Dabei hat das Dubliner Büro BKD Architects Burke-Kennedy Doyle von Moeding eine Kombination aus vier verschiedenen Keramikplattentypen ausgewählt, die mit fünf unterschiedlichen, eigens für die Gebäude entwickelten Glasurfarben versehen sind. Unter anderem wurden Fassadenplatten des Systems „Longoton“ im Hochformat verwendet. FOTOS: MOEDING/ENDA CAVANAGH WEITER Lebhafte Keramikfassade WWW. MOEDING.DE 2 3


92 Branchenfeature 640 Wohneinheiten sollen künftig auf dem ehemaligen Gelände des Dortmunder Güterbahnhofs entstehen und so den angespannten Wohnungsmarkt in der größten Stadt des Ruhrgebiets entlasten. Bei der digitalisierten Planung hilft Porenbetonriese Xella mit dem hauseigenen Planungs- und Konfektionierungsservice „Blue.sprint“. Besonderer Clou beim System von Xella: Nach der Überprüfung des BIM-Modells plant und optimiert Blue. sprint die Steineauswahl und -anordnung so, dass möglichst wenig Anschnitt an der Baustelle entsteht – ein bislang einzigartiger Service in der Branche. Hergestellt und angeliefert wird das Steinmaterial anschließend just in time nach einem ausgeklügelten Ablaufplan. Dabei entsteht kein Verschnitt, es entlastet die Verkehrswege im Umfeld der Baustelle, Lagerzeiten und Lagervolumina schrumpfen auf ein MiniEffektiv planen und konfektionieren WWW.XELLA.COM mum. Neben der 3DPlanung ist mit Blue.sprint von Xella auch die Planung in 5D möglich, die die beiden Faktoren Zeit und Kosten zusätzlich berücksichtigt. 4 Kosten und Zeit sparen wird mit dem Xella-Konfektionierungsservice erleichtert. 5 Der weiß-beige Klinker von Hagemeister wird in Eimsbüttel in Form von TiefenOrnamentik verarbeitet. 4 5 FOTO OBEN RECHTS: HAGEMEISTER/FLORIAN SELIG


Wandbaustoffe 93 I’msbüttel ist ein neues Mehrfamilienhaus in der Eimsbütteler Sartoriusstraße, direkt am Beginn der Shopping- und Flaniermeile Osterstraße. Entworfen wurde es von den beiden Hamburger Büros blrm Architekt*innen und Planwerkeins. Das Gebäude sticht durch seine auffällige Mauerwerksbebänderung aus speziell vom Ziegelspezialisten Hagemeister hergestellten Klinkern mit 15, 90 und 130 mm Tiefenmaß hervor. Die hellbeigen Klinker entstammen der Handstrich-Sortierung „Marbach HS“ im Format DF 240 x 15/90/13 x 52 mm mit speziell dezimierter Ziegellochung. Insgesamt 31 Eigentumswohnungen, darunter zwei großzügige Penthouses, verteilen sich bei I‘msbüttel auf sechs Geschosse und etwa 3.500 m2 Bruttogeschossfläche. Jede der Einheiten hat zwischen einem und vier Zimmer und verfügt mit Balkon, Terrasse oder Loggia über einen Außenbereich. Ein Gemeinschaftsraum steht allen Anwohnern des Objekts zur Verfügung. I’msbüttel in Eimsbüttel WWW.HAGEMEISTER.DE CO2-Emissionen halbiert Ziegel sind aufgrund ihrer langen Lebensdauer bereits eine nachhaltige Materialwahl. Mit den Produkten aus unserer Linie GREENER reduziert sich zudem der CO2-Fußabdruck um 50 %, denn diese Ziegel werden ausschließlich mit grünem Strom und Biogas hergestellt. Für zeitgenössische, wertbeständige Architektur, die Ästhetik mit Nachhaltigkeit vereint. Sprechen Sie mit uns: [email protected] KOMPROMISSLOS NACHHALTIGE UND KREATIVE ZIEGELFASSADEN Erfahren Sie mehr: randerstegl.de/greener


94 Lösungen Wandbaustoffe Die Zukunft des Bauens wird durch nachhaltige und innovative Baustoffe geprägt sein. Wissenschaftler arbeiten mit Hochdruck an neuen Baumaterialien, Unternehmen an der Weiterentwicklung der bestehenden. Das Ziel: Baustoffe, die fester, leichter und langlebiger sind als die vorhandenen. Am meisten wird derzeit zu Beton und Holz geforscht, denn deren Einsatzmöglichkeiten sind noch nicht ausgereizt. Ein Klassiker ist und bleibt jedoch vor allem der Ziegel. von Gabriele Oldenburg Klinker im Farbspektrum Rosé-Violett Die „Original Strangfuß Klinker“ der Ziegelei Hebrok zeichnen sich durch ihre besondere Oberflächenstruktur und außergewöhnlichen Farben aus. Beispiele dafür sind die Klinker „vultur“, „myrica“, „amaranthus“ und „fuchsia“, deren Farben einen spannenden Kontrast zwischen Schönheit und einer gewissen Ruppigkeit zeigen. Zum Beispiel zeigt „amaranthus“ helle und dunkle Nuancen von Rosé-Orange. Das Zusammenspiel der Farben und die reichhaltigen Schattierungen ergeben eine feine Lebhaftigkeit und prächtige Farbtiefe. Aktuell nutzen LRW Architekten diese vier Klinker im Bremer Wohnbauprojekt „Kaffeequartier“, ein Mehrfamilienhaus mit 15 Maisonette- und Etagenwohnungen samt Tiefgarage. Alternative zum Klinker Die Traco Deutsche Travertin Werke GmbH wurde 1907 gegründet und hat ihren Standort im thüringischen Bad Langensalza, wo Kalk- und Sandstein, Travertin sowie Dolomit bearbeitet werden. Das Unternehmen verfügt über zwölf Natursteinbrüche in Deutschland und damit über kurze Transportwege. Seit 2021 ist die Produktion klimaneutral. Wie gemacht für außergewöhnliche Architekturprojekte ist zum Beispiel der „Cube Riegel“ von Traco. Er muss nicht erst gebrannt werden wie der klassische Tonziegel – er wird lediglich aus dem vollen Natursteinmaterial sechsseitig gesägt. Auf WWW.PRIVATZIEGELEI-HEBROK.DE Wunsch kann noch eine entsprechende Oberflächenbearbeitung erfolgen. Dabei werden dem Stein keinerlei Chemikalien hinzugefügt. Er ist produzierbar mit dem „Limes Dolomit“ sowie dem „Bauhaus-Travertin“. WWW.TRACO.DE


WWW.VANDERSANDEN.COM Behaglichkeit dank Verblendern Die Kindertagesstätte „Naturkita Kinderwelten“ im brandenburgischen Kolkwitz ist ein mehrteiliger eingeschossiger Baukörper, entworfen von Bauplanconcept Ingenieure aus Neukirch/ Lausitz. Ihrem Konzept nach sollte sich die Naturnähe der Kita auch in der Verwendung natürlicher Baumaterialien widerspiegeln. Zudem wünschte sich die Gemeinde möglichst niedrige Kosten für die Wartung und Pflege der Gebäude. Beim Fassadenmaterial fiel die Wahl deshalb auf den Klinker „Greifswald“ von Vandersanden im Format NF 240 x 115 x 71. Von der Grundfarbe her Rot, bietet die gesinterte Oberfläche der Verblender zusätzlich ein nuanciertes Farbspiel aus Violett, Grau und Schwarz, wodurch die Fassade ein wohlig-warmes Gefühl vermitteln soll. FOTO RECHTS: VANDERSANDEN Wandbaustoffe


Lösungen Gut gesicherte Wellenstruktur in Sichtbeton Die außergewöhnliche Wellenstruktur macht die Sichtbetonfassade des Bürogebäudes der Reckli GmbH in Herne, Spezialist für individuelle Fassadengestaltung, zum Blickfang. Die anthrazitfarbene Sandwichfassade hat eine komplexe Struktur mit Vor- und Rücksprüngen. Diese führen bei der Vorsatzschale zu Stärken von 6,5 bis 10 cm. Für eine thermisch trennende Befestigung mussten die Fassadenanker also unterschiedlich dicke Dämmschichten überbrücken und trafen zugleich auf teils schmale Querschnitte. Die Wahl fiel deshalb auf die Diagonalund Horizontalanker „Isolink“ (Typ C-SD und C-SH) von Schöck. Sie werden aus dem Glasfaserverbundwerkstoff „Combar“ hergestellt und sind trotz eines Durchmessers von lediglich 12 mm äußerst zugfest und tragfähig. WWW.SCHOECK.COM/DE/ ISOLINK-BETON


97 FOTO MITTE; SAINT-GOBAIN RIGIPS GMBH; RECHTS: JUNGFRAU.CH SchaumglasInnendämmung für Sichtbeton Bei massiven Sichtbeton-Bauwerken in monolithischer Bauweise ist eine raumseitige Wärmedämmung unumgänglich. Eine wirksame und nachhaltige Alternative zu üblichen Wärmedämmstoffen bietet die Deutsche Foamglas. Die Schaumglasdämmung ermöglicht einen dampfdichten Aufbau und verhindert dadurch Tauwasserfall. Des Weiteren erhöht das System Wand- und OberflächentemperaWitterungsschutz im Holzbau Die anorganische, vliesarmierte Gipsplatte „Glasroc X“ von Rigips ermöglicht eine temporäre, direkte Bewitterung, so dass Außenwände im Holzbau über mehrere turen und sorgt für eine schnelle Beheizbarkeit. Foamglas lässt sich unkompliziert sägen und fräsen, so dass es leicht an die örtlichen Rohbaugeometrien anzupassen ist. Raumseitig kann der Dämmstoff mit herkömmlichen Oberputzen oder Keramikplattenbelägen kombiniert werden. Weitere Vorteile: Foamglas ist nicht brennbar und setzt im Falle eines Feuers keine tödlichen Gase frei. Außerdem wird die Schall-Längsleitung deutlich reduziert. Monate hinweg vor Witterungseinflüssen geschützt bleiben. Gleichzeitig ist die Plattenoberfläche für die Aufnahme von Putzsystemen optimiert, welche die Funktion des permanenten Wetterschutzes übernehmen. Glasroc X punktet durch sein geringes Gewicht und mit dem Großformat der Platte (3.000 mm lang) kann geschosshoch beplankt werden. Die Platten weisen eine hohe Dimensionsstabilität auf und sind UVLicht-beständig. Schalldämmmaße von bis zu Rw 66 dB sind realisierbar. Rigips bietet die Platten in drei Systemvarianten an. WWW.FOAMGLAS.DE WWW.RIGIPS.DE/AUSSENWAND Wandbaustoffe


98 Lösungen Markant abgerundete Klinkerfassade Mit der weiß verklinkerten, viertelkreisförmigen Fassade des Wohn- und Geschäftshauses „Nagelmackers“ ist dem ortsansässigen Büro Olivier Fourneau Architectes eine deutliche Aufwertung der Gebäudesilhouette am Lütticher Maasufer gelungen. Bei der Materialwahl für die Fassade haben sich die Planer am Bestand orientiert und Klinker gewählt. Er schafft eine direkte Verbindung zu den in unterschiedlichen Farbtönen verMassives WandtafelSystem für serielle Vorfertigung Das Wandtafel-System „KLB-Ratiowall“ versetzt Projektentwickler und gewerbliche Bauträger in die Lage, geschosshohe Außenund Innenwandtafeln aus Leichtbeton in Eigenregie herzustellen. KLB produziert hierfür die erforderlichen Planblöcke und Planelemente nebst Ergänzungsprodukten. Die Herstellung der Wandtafeln sowie ihren zeitgenauen Transport übernimmt danach der Projektentwickler. Aufgrund der Vorfertigung lassen sich die Rohbauzeiten im Wohnungs-, Gewerbeund Industriebau von mehreren Monaten auf wenige Tage reduzieren. Zudem ist eine klinkerten Fassaden der denkmalgeschützten Altstadt und entspricht gleichzeitig der Funktion und der Maßstäblichkeit des Projekts. Die Wahl fiel auf den sehr hellen Keramik-Klinker „Oslo perlweiß, glatt“ von Röben. Durch einzelne eingestreute glasierte Klinker ergeben sich je nach Tageszeit und Lichteinfall subtile, kaum wahrnehmbare Reflexionen. hohe Terminsicherheit und Ausführungsqualität gewährleistet. Je nach Konfiguration der Tafeln sowie Auswahl der Bauprodukte bietet KLB-Ratiowall zudem ein hohes Maß an Erdbebensicherheit. WWW.ROEBEN.COM WWW.KLB-KLIMALEICHTBLOCK.DE


99 Wärmedämmender und recycelbarer Leichtbeton Das Mehrfamilienhaus „Campo Pallotti“ in Wiesbaden liegt zwischen denkmalgeschützten Villen der Gründerzeit. Trotz Sichtbetonoberflächen und goldfarbener Fensterrahmen fügt sich der vom Offenbacher Architekturbüro MMZ entworfene Neubau sehr verträglich in seine Umgebung ein. Für die Gebäudehülle kam ein Leichtbeton mit einer Druckfestigkeitsklasse LC12/13 von Heidelberg Materials Beton zum Einsatz. Die 55 cm dicken Außenmauern mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,45 W/mK funktionieren als Wärme-/Kältespeicher. Verantwortlich dafür sind die Beimengungen von Leichtsand und Blähton, beide von Liapor, in der Betonrezeptur. Das Baumaterial ist vollständig recycelbar; der einfache Wandaufbau erleichtert die Wiederverwendung. FOTO LINKS: SCHÖCK BAUTEILE GMBH; MITTE: © RÖBEN/OLIVIER FOURNEAU ARCHITECTES WWW.HEIDELBERGMATERIALS.DE/ LEICHTBETON Wandbaustoffe


Verbaute Klinker Wie ein Puzzle sind die Original Wasserstrich Backstein Klinker in der Farbgebung „Terra nebula“ von der Ziegelei Hebrok zu der gefalteten Fassade zusammengesetzt. Bei den Fensterlaibungen und am Stufengiebel sind abgeschrägte Formsteine im Winkel des geplanten Mauerwerks hergestellt. Sie halten sich an das Standardmaß eines NF-Verblendsteins mit einer Seitenlänge von 24 cm.


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