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Das grosse Buch vom Schummeln [Thomas Brockmann, 1990]

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Published by NoSpam, 2018-01-18 10:05:55

Das grosse Buch vom Schummeln [Thomas Brockmann, 1990]

Das grosse Buch vom Schummeln [Thomas Brockmann, 1990]

Empfänger-Walkietalkie auch einen Druckknopf
installieren (Verlängerung der Ruftaste), der es
ermöglicht, der Kontaktperson klarzumachen, daß man
beim Diktat den Anschluß verloren hat. Hört die
sendende Person das Rufzeichen (Rückkopplung),
wiederholt sie den Satz und setzt das Diktat in ruhigem
Tempo fort.
Außer einem Raum in der Schule gibt es auch die
Möglichkeit, von einem Auto aus zu diktieren. Unter
diesen Umständen schließt man das Walkietalkie an die
Autobatterie (z. B. über den Zigarettenanzünder) an und
nutzt die Autoantenne für einen einwandfreien Empfang.
Bisher wurde der einseitige drahtlose Informationsfluß
beschrieben. Natürlich kann der Empfänger die
Aufgabenstellung per Funk durchgeben. Das ist riskant
und setzt voraus, daß man während der Klausur
unauffällig sprechen kann.
Der große Vorteil der drahtlosen Verständigung besteht
darin, daß man den Klassen- oder Klausurenraum nicht
zu verlassen braucht (bzw. höchstens einmal, um den
Aufgabenzettel hinauszubringen) und die
Aufsichtsperson nicht im Traum an das denken würde,
was sich gerade vor ihren Augen abspielt. Bei richtiger
Handhabung kann der Pauker sogar unmittelbar neben
einem stehen und wird dennoch nicht ein einziges Wort
des Diktates vernehmen können! Allerdings muß man
auch zugeben, daß schon einige Dreistigkeit dazugehört,
um diese Methode zu praktizieren. Es soll auch nicht
verschwiegen werden, daß die Konsequenzen
(Strafmaßnahmen) entsprechend hart ausfallen werden,
wenn man sich dabei erwischen läßt.

8.2. Jeder für sich, aber ein Rechner für
alle

Wer kennt sie nicht, die ätzenden Mathearbeiten mit
ihren ellenlangen Aufgabenstellungen. Sie scheinen
einem das ganze Leben lang zu folgen und an den Fersen
zu haften.
Nun gibt es für diese Durststrecke glücklicherweise auch
einige erfrischende Hilfen. Seit der Erfindung der
Mikroprozessoren sind die altbewährten Rechenschieber
aus den Schulmappen verschwunden und an ihre Stelle
die vielseitig nutzbaren Taschenrechner getreten. Mit
Ausnahme der Grundschulklassen werden sie in fast
jeder Klassenstufe als Hilfsmittel geduldet. Da diese
»mathematischen Zauberkünstler in Kleinformat« nicht
nur außerordentlich preiswert sind, sondern auch
wesentlich mehr leisten können, als in den meisten Fällen
von ihnen verlangt wird, lohnt es sich, auf einige
Nutzungsmöglichkeiten einzugehen.
1. Man setzt sich neben einen guten Zahlenjongleur der
Klasse und legt nur provisorisch seinen eigenen
Taschenrechner auf den Tisch. Verabredet ist aber, daß
der Nachbar seine Zwischen- und Endergebnisse erst aus
dem Taschenrechner löscht, wenn man sie zuvor
abgeschrieben hat. Der Mathecrack beantwortet kontinu-
ierlich die Fragen und gibt einem durch Fingerzeig zu
verstehen, wann das Zwischen- und wann das
Endergebnis der jeweiligen Aufgabe eingetippt ist. Man
braucht also nur die zumeist leichten Rechenansätze
selbst zu schreiben und notiert anschließend die
Ergebnisse. Diese Methode hat deshalb ihren Vorteil,
weil im Gegensatz zum auffälligen und antiquierten
Abgucken der Blickkontakt zum Taschenrechner des

Nachbarn leichter möglich ist.
2. Eine ähnliche Form gibt es in Physik- und
Chemiearbeiten. Hier werden meist nur zu einem
bestimmten Anteil Rechenaufgaben gestellt. So erzählt
man dem Pauker, daß man den eigenen Taschenrechner
vergessen habe und statt dessen den des Nachbarn
verwenden werde, wenn dieser ihn nicht mehr benötige.
Während der Lehrer nun annimmt, man würde sich jetzt
mit den Textaufgaben beschäftigen, pinnt man fleißig die
aufleuchtenden Zahlen des nachbarlichen Rechners ab.
3. Ähnlich der Methode des GOLDEN CIRCLE kann
man sich auch durch ständigen Taschenrechneraustausch
helfend unter die Arme greifen. Dabei wird
vorausgesetzt, daß der »Aktive« und der »Passive« beide
denselben Rechnertyp besitzen. Bei diesem Verfahren -
man könnte es auch GOLDEN MEMORY nennen - gibt
der Wissende die jeweiligen Ergebnisse in die einzelnen
Speicher ein, vertauscht die Rechner, und der Nachbar
braucht lediglich die entsprechenden Speicher Ml, M2,
M3... abzurufen. Macht man dies auch mit den folgenden
Nachbarn - häufig haben nämlich ganze Klassen
einheitliche Rechner - so kann sich eine fruchtbare
Taschenrechnerkette bilden, die eine ganze
Sitzreihe von Schülern in den glücklichen Besitz richtiger
Lösungen bringen kann. Für Studenten, die noch die
Klausuranforderungen des Statistik-Scheines zu erfüllen
haben, bietet sich eine besondere Spezialität an.
Meist kommen im Fach Statistik nur fünf bis sechs
verschiedene Aufgabentypen in Frage. Das ist nicht
falsch zu verstehen, es handelt sich dabei um
außerordentlich umfangreiche und langwierige Rechen-
gänge. Nun gibt es aber Taschenrechner bzw. Computer
in Rechnergröße, denen man sogar Formeln eingeben

kann und die zusätzlich über bis zu 99 Speicher verfügen.
Programmiert man jetzt die jeweiligen Rechenschritte der
in Frage kommenden Aufgabentypen, so braucht man nur
noch die Art der Frage zu erkennen, das Zahlenmaterial
einzugeben und kann in Windeseile sämtliche Ergebnisse
und Zwischengrößen abrufen.

8.3. Elektronisches Schummeln in
Perfektion

Der technische Fortschritt durch Mikrochips hat Schülern
und Studenten in den letzten Jahren entscheidende
Vorteile gebracht. Taschenrechner können mittlerweile
immer mehr Funktionen lösen und werden ständig
billiger. Kaum noch gibt es naturwissenschaftliche Prü-
fungen, zu denen elektronische Computer nicht offiziell
zugelassen sind; oft werden sie sogar wie
selbstverständlich erwartet. So läßt sich schon mit einem
gehobenen Taschenrechner-Standard ausgezeichnet
schummeln.
Gerade die Kombination aus »Programmierfähigkeit«
und »constant memory« (Dauerspeicher) ist ideal.
Formeln und Rechengänge (oder Kurztexte bei
Buchstabentastatur) werden programmiert. Bei Mathe
können das zum Beispiel Formeln für Aufgaben mit zwei
Unbekannten sein. Im Anschluß brauche ich nur noch die
Zahlenwerte einzutippen, und der Rechner wirft
blitzschnell die Ergebnisse raus. Wie jeder erfahrene
Trickser weiß, müssen aber auch die Rechenschritte und
Zwischenergebnisse notiert werden. Das ist jedoch kein
Problem.
Es werden zwei Arten von Speichern unterschieden.
Während im Programmspeicher (Arbeitsspeicher) die

einzelnen Rechenschritte (Formeln) eingegeben werden,
sammelt der Datenspeicher Zahlenmaterial, also die End-
und Zwischenergebnisse. Der Ablauf sieht jetzt
folgendermaßen aus:
1. Formel programmieren,
2. Aufgabenstellung notieren und Zahlen eingeben,
3. Endergebnisse abrufen; auf Klausurbogen mit viel
Freiraum dazwischen notieren und zweimal
unterstreichen (als Streicheleinheit für das Lehrerauge!),
4. Zwischenergebnisse aus dem Datenspeicher abfragen
und aufschreiben (über dem Endergebnis anordnen),
5. die einzelnen Rechenschritte über den
Programmspeicher abfordern und übertragen.
Entgegen dem üblichen Ablauf bei Mathearbeiten löst
man also die Aufgabe von hinten nach vorne.
Während normalerweise gespeicherte Daten beim
Ausschalten des Gerätes gelöscht werden, hält der
constant memory die Informationen auch nach dem
Abschalten fest. So sitzt ein gewiefter Schüler am
Vorabend der Klausur in seinem Kämmerlein und gibt in
den Taschenrechner eine ganze Formelsammlung ein.
Mit der Gewißheit, daß über Nacht nichts
verlorengegangen ist, erscheint er tags darauf in der Prü-
fung und zaubert per Knopfdruck das Geschummelte
hervor.
Nun hat die Sache natürlich einen kleinen Haken. Denn
clevere Lehrer - die zugegebenermaßen selten sind -
können bei verdächtigen Schülern die Speicher abrufen.
Das heißt, sie dackeln durch die Bankreihen und
überprüfen stichprobenweise die Speicherinhalte. Die
Wahrscheinlichkeit eines solchen »Lehrerattentates« ist
allerdings äußerst gering. Schließlich verlangt es vom
Pauker ein hohes Maß an Kenntnissen der jeweiligen

Rechnertypen. Dennoch soll im folgenden erläutert
werden, wie das Risiko, mit den geschummelten Formeln
erwischt zu werden, minimiert werden kann.
Manche Rechner können so programmiert werden, daß
nur nach Eingabe eines Codewortes die Daten abrufbar
sind. Da solche Taschencomputer aber recht teuer sind,
sollte man die Gefahr auf simplere Weise umgehen.
Da vereinzelt Lehrer um die Möglichkeit der constant
memories (Dauerspeichern) wissen, greifen sie gerne zu
folgender Abwehrmaßnahme: Sie öffnen den
Taschenrechner und entnehmen für 30 bis 45 Sekunden
die Batterien. Dadurch werden sämtliche Schummeldaten
gelöscht. Taschenrechner mit constant memory haben
nämlich eine Art Notstromaggregat (Kondensatoren), das
bei einem Batteriewechsel für den Datenerhalt sorgt.
Wird die Zeit von 30 bis 45 Sekunden überschritten, ist
der Reststrom verbraucht und der Speicher leer. Ein
solches Auslöschen der Schummelinformationen läßt
sich jedoch vermeiden.
In der Nähe des Batteriefaches findet man im Gehäuse
meist genügend Platz, um zwei kleine Knopfzellen
gleicher Stromstärke zu montieren. Mit einer einfachen
Reihenschaltung (1,5 V + 1,5 V) und vier Lötpunkten
werden die Minibatterien im Freiraum angebracht und an
die Stromquelle angeschlossen. - Es spielt dabei keine
Rolle, ob für den normalen Rechnerbetrieb Knopf- oder
Mignonzellen benutzt werden. Das Resultat ist das
gleiche: Obwohl der Pauker die »Hauptbatterien«
herausnimmt, wird der Speicher heimlich mit Strom
versorgt und das wertvolle Wissen erhalten. - Manchmal
muß man eben seinen eigenen Datenschutz aufbauen.

8.4. Geheimtür für Rechenspezies

Wer seinen Taschenrechner zu beherrschen weiß, braucht
von den Vorteilen programmierter Formelsammlungen
und Schummeltexte nicht erst überzeugt zu werden.
Doch bleibt irgendwie das ungute Gefühl, der Pauker
könnte einem zu Beginn der Klausur auf die Schliche
kommen. Nun gibt es außer der heimlichen Stromquelle
im Gehäuse noch eine weitere Vorbeugemaßnahme, die
zum Beispiel mit dem »Texas Instruments TI-66«
möglich ist.
Das Ziel ist, den fachkundigen Pauker in die Irre zu
führen. Er soll im Bewußtsein, nicht ausgetrickst werden
zu können, ruhig alle Speicher abrufen. Verdächtiges
wird er dabei nicht entdecken. Denn der Rechner zeigt
jedes Mal 0 (= leer) an. Tatsächlich ist jedoch ein Teil
der Datenbanken unsichtbar mit Schummelinfos belegt.
An die gelangt man aber nur auf einem ganz speziellen
Weg.
Um das System zu begreifen, muß kurz auf einige
Zusammenhänge eingegangen werden. Programmierbare
Taschenrechner verfügen über eine bestimmte Anzahl
von Programm- (Arbeits-) und Datenspeichern. Beim TI-
66 wird beispielsweise eine Kapazität von 512
Programmspeichern angegeben. Will ich jedoch einen
Datenspeicher einflechten, reduziert sich automatisch die
Anzahl der Programmspeicher auf acht. - Der Platzbedarf
von Daten- zu Programmspeichern entflicht also einem
Verhältnis von 1:8. Maximal wären somit 64
Datenspeicher möglich.
Der Clou wird an einem gedachten Modell mit 16
Speichern deutlich. Von den 16 Programmspeichern

bleiben die ersten 8 leer und die weiteren 8 werden mit
Schummelinfos belegt. Um den Pauker nun bei seinem
Kontrollakt auf Glatteis zu führen, wird zum Schein ein
Datenspeicher eingerichtet, der den Platz der letzten 8
(belegten) Programmspeicher benötigt. Die 8
Programmspeicher gehen aber nicht verloren, weil sie in
einen nicht zugänglichen Speicherteil des Rechners
geschoben wurden.
Jetzt passiert folgendes: Der Mathe-Kontrolletti ruft
nacheinander die Speicher (M) ab, Ml... 0, M3 ... 0. Beim
9. Drücken - eigentlich 9. Programmspeicher - leuchten
die Werte 8,1 auf. Damit weiß der fachkundige Pauker
Bescheid: 8 Programm- und l Datenspeicher wurden
eingerichtet. Weil es ja eine äußerst mißtrauische
Aufsichtsperson ist, kontrolliert er jetzt auch die
Datenspeicher. Taste gedrückt, aber Asche, das Sichtfeld
zeigt 0 an. Wieder keine Zahlen drin. Das Mißtrauen des
Lehrers schlägt in Wohlgefallen um, und anerkennend
wird dem Schüler oder Student auf die Schulter geklopft.
Denn wenn sowohl Programm- als auch Datenspeicher
Null anzeigen, muß der Junge einfach sauber sein.
Kaum hat der Aufsichtslöwe die Kurve gekratzt, sagt der
Schüler seinem Rechner per Knopfdruck: »Ich brauch'
deinen Datenspeicher nicht mehr!« In einem Film würde
jetzt eine geheime Trennwand beiseite geschoben und der
Weg in die hinteren Räume gezeigt. Sofort öffnet der
Computer die 8 vom Datenspeicher (zur Tarnung)
belegten Programmspeicher. Fazit: Die versteckten
Schummelinfos sind wieder verfügbar und einsatzbereit.
Anhand der 16 Speicher sollte das Prinzip der
Mogelaktion deutlich werden. Beim TI-66 stehen aber
weit mehr, nämlich insgesamt 512 Speicher zur
Verfügung. Würde man 160 Programmspeicher mit uner-

laubten Formeln belegen, ergäbe sich folgende
Aufteilung: 352 leere Programmspeicher + 20 leere
Datenspeicher, hinter denen sich die 160 bespickten
Programmspeicher befinden. Es gilt halt der alte
Schummelgrundsatz: Man muß dem Pauker immer einen
(Programm-) Schritt voraus sein.

IX. DER COMPUTER -
DEIN FREUND UND HELFER

9.1. Der Trick

Reif für das Guinessbuch der Rekorde ist der folgende
Schummeltrick, den sich zwei pfiffige Schüler in Bremen
ausgedacht haben. Zweifellos zählt diese Trapeznummer
des Mogelns zu den raffiniertesten Täuschungsmethoden
für Schule und Uni. Zwar will ich ausführlich darüber
berichten, aber gleichzeitig darauf hinweisen, daß der
Gebrauch gegen das derzeit gültige Fernmeldegesetz
verstößt.
Und so läuft die Sache ab: Während die Mitschüler oder
Kommilitonen über einer schwierigen Aufgabe brüten,
tippt man locker die Fragestellung in seinen
Taschenrechner... und erhält zwei Minuten später die
vollständige Antwort auf dem Bildschirm des kleinen
Rechners. Zugegeben, es klingt geradezu phantastisch,
funktioniert aber tatsächlich!
Über die Buchstabentastatur gibt man ein Stichwort in
seinen Taschenrechner ein...,
drückt auf einen entsprechenden Knopf...,
und die Information wird drahtlos zum eigenen
Homecomputer gesendet.

Hier sucht der Computer für das gesendete Schlagwort
die entsprechende Antwort aus dem Programm ...
und überträgt diese - wieder drahtlos - zum
Taschenrechner im Klassenzimmer.
In einem Speicherbaustein wird nun die Antwort
aufbewahrt und kann zu einem beliebigen Zeitpunkt
stückweise auf den kleinen Bildschirm des
Taschenrechners geholt werden.
Vom Klausurenstreß völlig losgelöst, bleibt einem nichts
anderes mehr zu tun, als den Text zu lesen und locker
abzuschreiben.

9.2. Ungeahnte Möglichkeiten

Das Phantastische an diesem Computer-Schummeln ist
die Möglichkeit, eine quasi unbegrenzte Stoffmenge
abzufragen. Theoretisch lassen sich ganze Schulbücher
im Computerprogramm speichern. Man ist also nicht
mehr auf das mühsame Anfertigen von Spickzetteln im
Klein- und Kleinstformat angewiesen. Wie bei einer
Schreibmaschine tippt man einfach den - nach
Stichworten sortierten – Unterrichts -beziehungsweise
Lernstoff in den Rechner und kann blitzschnell die
Lösungen abrufen. Das Ganze gilt sowohl für Text- als
auch für Rechenaufgaben. Ob Texte, Zahlen oder
Formeln - einfach alles läßt sich per Schummel-
Computer übertragen. Und gleichzeitig erweckt man
beim Pauker den Eindruck, daß man emsig arbeitet - und
nicht etwa schummelt.
Auch für die Handhabung des Schummel-Computers gibt
es verschiedene Varianten. Zum einen läßt sich der
Homecomputer direkt anzapfen. Das heißt, man gestaltet
das Speicherprogramm in der Weise, daß der Computer

seine Befehle direkt über den Taschenrechner erhält. Auf
das entsprechende Stichwort spuckt der Computer die
Antwort aus und sendet sie dann ins Klassenzimmer.
Zum anderen läßt sich der Schummel-Computer auch als
drahtloses Telefon verwenden. In diesem Fall schickt
man nicht nur ein Schlagwort, sondern die gesamte
Fragestellung zum Homecomputer. Hier wartet bereits
sehnsüchtig ein Freund, der die Frage auf dem
Bildschirm des privaten »Großrechners« liest. Anhand
der Schulunterlagen bastelt er sich die richtige Antwort
zurecht und sendet sie umgehend per Computer in den
Taschenrechner zurück. Diese System hat folgende
Vorzüge:
- Es braucht kein Stoff gespeichert zu werden, da ja nur
die Antworten durchtelefoniert werden. Damit entfällt
praktisch die Vorbereitungszeit. Somit läßt sich noch
schneller arbeiten.
- Man braucht sich keine Stichworte zu merken, da der
Freund zu Hause die vollständige Aufgabenstellung
erhält.
In jedem Fall eröffnet das Schummeln per Computer
völlig neue Dimensionen des Mogelns.

9.3. Der Schwierigkeitsgrad

Ziel dieses Kapitels ist, selbst technischen Laien den
Schummel-Computer zu erklären. Denn zu kaufen gibt es
das Gerät (noch) nicht.
So verzeihen mir hoffentlich die Computerfreaks unter
den Lesern, daß die einzelnen Schritte und Bauteile sehr
ausführlich - sozusagen schulbuchmäßig - beschrieben
werden. Denn am Ende soll jeder das Arbeitsprinzip des
Schummel-Telefons verstehen. Zum allgemeinen

Verständnis ist es wichtig zu begreifen, welche
technischen Probleme für das einwandfreie Funktionieren
des Schummel-Computers zu lösen waren.
- Ein großer Teil des normalen Computersystems muß
umgebaut werden, da zum Beispiel die Befehle nicht
mehr über eine Kabelverbindung gegeben werden.
- Computer- und Sendesprache unterscheiden sich
technisch. Sie müssen miteinander kombiniert werden.
- Einerseits soll eine möglichst große Entfernung
zwischen Taschenrechner und Homecomputer überbrückt
werden. Andererseits darf die Antenne nicht sichtbar sein
und Sender und Empfänger nicht zuviel Platz einnehmen.
- Vor allem für mathematisch-naturwissenschaftliche
Fächer muß eine 100 Prozent fehlerfreie Übertragung
gewährleistet sein. Wird in einer Formel nur eine Zahl
vertauscht, hat das schon ein völlig falsches Ergebnis zur
Folge.
- Sämtliche Bauteile sollen in einem Zusatzaggregat

(flacher Kasten) untergebracht werden. Denn die
Sende/Empfangsvorrichtung soll je nach Wunsch mit
einer Steckverbindung an den Taschenrechner
anschließbar sein. Bei Klausuren, in denen ich nicht
schummeln will, muß der Taschenrechner ganz
normal einzusetzen sein.

9.4. Die Grundbedingungen

Die Grundbedingungen, die zu erfüllen sind, bestehen a)
aus der technischen Grundausstattung und b) aus einem
Minimum an technischem Verständnis. Die
elektronischen Zusatzbausteine, die man für den Umbau
benötigt, werden später im einzelnen genannt. Folgende
Geräte sollten zur Verfügung stehen:

- Ein programmierbarer Taschenrechner im Wert von
200 bis 300 Mark, der mit der Computersprache BASIC
arbeitet. Natürlich eignen sich auch andere
Computersprachen. Nur das Beispiel läuft mit einem
SHARP-Rechner (1401/Preis DM 256-), der wie die
meisten Rechner mit BASIC arbeitet. Der Grund für
einen so teuren Taschenrechner besteht darin, daß wir die
Möglichkeit für einen Drucker- und einen Kassetten-
Interface-Anschluß brauchen.
Der Drucker-Anschluß erlaubt, Daten aus dem
Taschenrechner zu geben. Er ist quasi ein regulärer
Daten-Ausgang. Das Interface gibt einem dagegen die
Möglichkeit, Programme, die auf dem Rechner
geschrieben sind, auf einer Kassette abzuspeichern und
wieder in den Taschenrechner zu leiten. Damit hat man
einen externen Speicher, den wir als Daten-Eingang
benutzen. Außerdem haben nur Taschenrechner der
höheren Preisklasse neben der Zahlen- auch eine
Buchstaben-Tastatur, die wir für die Eingabe von Texten
benötigen.
- Der zweite Baustein ist der Homecomputer zu Hause.
Im Prinzip eignet sich für unseren Zweck jeder Typ. Hier
brauchen wir nur den Speicher des Computers sowie den
Daten-Ein- und -Ausgang (die Schnittstelle). Da aber fast
jeder Computer darüber verfügt, eignen sich vom
SINCLAIRE über den COMODORE bis zum APPLE
alle Homecomputer. Es spielt dabei keine Rolle, ob der
Rechner einen sogenannten seriellen oder parallelen
Ausgang (Schnittstelle) besitzt. Seriell bedeutet nichts
anderes, als daß die Daten hintereinander gesendet und
parallel, daß die Informationen gleichzeitig
nebeneinander (gebündelt) rausgeschickt werden. Im
Prinzip ist die Art der Schnittstelle egal und bedarf

technisch nur einer kleinen Umwandlung.
Wenn so teure Geräte als Grundausrüstung genannt
werden, bedeutet das nicht, daß ein Kleinkredit bei der
Bank nötig ist. Um dieses Schummelsystem zu nutzen,
kann man sich den Taschenrechner auch von einer Firma
für vier Wochen zur Ansicht schicken lassen (zur Not
über die Eltern) oder von einem Freund ausleihen.
Genauso verhält es sich mit dem Computer. Sicherlich
gibt es manchen Mitschüler, Freund oder Erwachsenen,
dessen Homecomputer man benutzen darf. Ansonsten
gibt es noch den Gipfel an Dreistigkeit: schlicht den
oder die Schulcomputer verwenden. Im Grunde
genommen reicht es aus, wenn man sich das Zusatzgerät
baut, mit dem allein die drahtlose Datenübertragung
ermöglicht wird.
Insgesamt brauchen wir an technischen Geräten also den
Taschenrechner, den Homecomputer sowie zwei
spezielle Sender und Empfänger.

9.5. Sendeleistung und Gerätegröße

Die Sendeleistung, also die maximale Entfernung
zwischen Taschenrechner und Homecomputer, hängt von
zwei Faktoren ab. 1) Wieviel Geld will ich in das Projekt
stecken? und 2) wie dick soll mein Zusatzgerät werden?
Wenn das Gerät zum Beispiel l cm dick sein soll,
erreiche ich nur eine Entfernung von circa 500 m. Bei
besonders kleinen, aber teuren Batterien komme ich
damit auf eine Reichweite von etwa l km (bei gleicher
Gerätegröße). Dies ist nur interessant für
Schüler/Studenten, die in der Nähe der Lehranstalt
wohnen beziehungsweise direkt den Schul-/Uni-
Computer anzapfen. Allgemein wird das Gerät um so

dicker, je höher die Sendeleistung sein soll. Denn bei
einer größeren Reichweite müssen die
Sendeeinrichtungen verstärkt werden; und damit brauche
ich stärkere Batterien. Bei einer Entfernung von 5 km ist
mit normalen Batterien eine Gerätedicke von 3 cm
erforderlich.
Ein weiterer Einflußfaktor für die Sendeleistung ist die
Frequenz, auf der man senden will. Um das Ganze
möglichst übersichtlich zu schildern, ist diesem Bereich
ein eigener Abschnitt gewidmet.

9.6. Antenne und Frequenz

Für das Computer-Schummeln eignen sich zwei
verschiedene Frequenzen: der 27 Megahertz-Bereich für
Walkie-Talkies, CB-Funk und Modellbau sowie die
UKW-Frequenz mit 140 Megahertz. Maßgebend für die
Wahl der richtigen Frequenz sind folgende Kriterien:
- Antennenlänge,
- Platz für Bauteile im Zusatzgerät,
- einfache Technik,
- zu überbrückende Entfernung zwischen
Taschenrechner und Homecomputer.
Der 27 Megahertz-Bereich ist ausgesprochen stark
besetzt, weil alle CB-Funker auf dieser Frequenz
arbeiten. Es wird jedoch überwiegend Sprache gesendet,
die bei unserer Übertragung nicht stört. Ein Problem
kann sich allerdings durch funkgesteuerte Modellflieger
ergeben, die meist im Bereich von 27 bis 40 Megahertz
liegen. Heute wird nämlich auch im Modellbau die
Fernsteuerung digital übertragen. Das heißt, wenn gerade
ein Modellflugzeug während der Schummelaktion in der
Luft ist, können Störungen während der

Datenübertragung auftreten. Andererseits sind
erfahrungsgemäß am Vormittag wen
Modellbauflugzeuge in der Luft als nachmittags oder
abends. Schließlich sind Hobbyflieger in der Regel selber
Schüler oder halt berufstätig.
Als Faustregel gilt: Unter CB-Funkbedingungen werden
Reichweiten bis zu l km überbrückt. Bei größeren
Entfernungen empfiehlt sich die UKW-Frequenz.
Bei 140 Megahertz treten kaum Störungen auf, weil diese
»Profi«-Frequenz weniger benutzt wird und
ausschließlich Sprache (Gespräche) sendet. Außerdem
lassen sich im Vergleich zum CB-Funk mit kurzen
Antennen extrem große Reichweiten erzielen. Nachteilig
ist allerdings, daß der Gebrauch der UKW-Frequenz
angemeldet und genehmigt werden muß.
Allgemein gilt die Regel: Je größer die Frequenz ist (140
Megahertz > 27 Megahertz), desto kürzer kann die
Antenne sein. Der CB-Funkbereich (27 Megahertz) heißt
auch 11-Meter-Band. Das bedeutet, die Welle ist 11 m
lang (bei 140 Megahertz beträgt die Wellenlänge 2 m). Je
mehr die Antennenlänge der tatsächlichen Wellenlänge
nahe kommt, desto besser sind Reichweitenleistung und
Übertragungsqualität. Das heißt vereinfacht, beim 11-
Meter-Band wäre eine 11 m lange, beim 2-Meter-Band
eine 2 m lange Antenne ideal. Aber natürlich lauf;
niemand mit einem CB-Funkgerät und einer 11 m langen
Antenne rum. Durch Spulen und Drosseln wird die
Antennenlänge technisch reduziert. Nur hat man dadurch
auch einen Qualitätsverlust und benötigt (wertvollen)
Platz im Zusatzgerät.
Um mit wenig Aufwand eine möglichst optimale
Übertragung zu erreichen, haben sich folgende
Erfahrungswerte ergeben.

CB-Funk-Frequenz (27 Megahertz/11-Meter-Band)

Antennenlänge ca. Reichweite Bemerkung

30 cm 500 m —

70 cm 1000 m —

UKW-Frequenz (140 Megahertz-2-Meter-Band)

Antennenlänge ca. Reichweite Bemerkung

»Stummel« bis 1000 m extrem kurzes

Antennenstück

im Kasten

20 cm ab 1000 m —

30 cm bis 5000 m —

70 cm ab 5000 m ohne Spule,

optimal

extreme Reichweiten

Es versteht sich, daß man für das Computer-Schummeln

keine Teleskopantenne am Taschenrechner anschließt.

Ein extrem dünnes Glasfaserkabel (kaum sichtbar) kann

genauso den Empfang verbessern. Trickreich läßt sich

auch das Netzgerät für den Taschenrechner

umfunktionieren. Dem Pauker wird einfach erklärt, man

habe keine Lust mehr, ständig Geld für Batterien

auszugeben. Deshalb will man sein Netzgerät während

der Klassenarbeit benutzen. Tatsächlich wurde aber

zuvor an der Umhüllung des 220-Volt-Kabels eine wir-

kungsvolle Antenne befestigt.

9.7. Gesetzgeber und Realität

Für die Frequenz von 140 Megahertz braucht man eine
sogenannte FTZ-Nummer. Das bedeutet, im Sinne des

Gesetzgebers muß jedes UKW-Funkgerät von der Post
zugelassen und beim Fernmeldeamt angemeldet werden.
Ohne die Zulassungs-(FTZ-)Nummer unter dem Gerät
darf man das 2-m-Band nicht benutzen. Das heißt, nach
Forderung des Gesetzgebers müßten folgende
Behördengänge absolviert werden.
- Taschenrechner (Sender) anmelden,
- für den stationären Homecomputer Lizenz beantragen,
- Genehmigung für die Benutzung der UKW-Frequenz
anfordern,
- monatlich ca. DM 50, - an Gebühren bezahlen.
Wer diese offiziellen Wege gehen will, sollte sich eine
plausible Erklärung für den Zweck der Sendeanlage
zurechtlegen. Schließlich empfiehlt es sich nicht, dem
Fernmeldeamt von einer geplanten Schummelaktion zu
berichten. Eine Begründung kann sein: »Mein Vater hat
häufig in der Stadt zu tun und hat so die Möglichkeit,
ganz schnell mal einige Informationen aus dem
Computer abzurufen. Außerdem können wir ihm auch
eilige Informationen rübersenden, wenn er gerade
telefonisch nicht erreichbar ist.«
Im CB-Funkbereich verhält es sich etwas anders. CB-
Funkgeräte, Walkie-Talkies und Modellflieger haben
schon beim Kauf eine FTZ-Plakette. Hier sind keine
zusätzlichen Genehmigungen nötig, obwohl ein
»Amtsschimmel« dies sicher anders sieht.
Bei einer realistischen Betrachtung - ohne die
fernmelderechtlichen Auflagen - sieht die Situation schon
ganz anders aus. Denn technisch ist es nahezu
unmöglich, den Schummel-Computer (weder
Taschenrechner noch Homecomputer) anzupeilen. Die
Post müßte zu diesem Zweck einen irrsinnigen Aufwand
betreiben. Entscheidend ist dabei, daß eine Anpeilung nur

während der Übermittlung möglich ist. Und die Daten
liegen ja nur für Sekunden in der Luft. Um unter diesen
Umständen erfolgreich den Sender orten zu können,
müßten die Jungs vom Fernmeldeamt mit circa zehn
Peilwagen um das richtige Haus fahren.
Dazu ein Beispiel: Wenn zehn DIN-A-4-Seiten
übertragen werden, sind die Signale insgesamt für 25
Sekunden(I) in der Luft. Dagegen braucht die Post
mindestens eine halbe Stunde, um irgendeinen Sender
anzupeilen.
Die Gefahr, beim Funken erwischt zu werden, ist folglich
ausgesprochen gering. Trotzdem muß es die
Entscheidung eines jedes einzelnen sein, wie er es macht.
Denn Tatsache bleibt: Der Gebrauch der UKW-Frequenz
ist anmelde- und genehmigungspflichtig.

9.8. Programmgestaltung und
Gebrauchshinweise

Es können sowohl Texte als auch Zahlen gesendet
werden. Damit eignet sich diese Methode - mit
Ausnahme von Sport und Kunst - für eigentlich jedes
Fach.
Die gesamte Programmgestaltung kann praktisch jeder
selbst durchführen. Dazu ein paar Beispiele.
Beispiel Mathe: Nehmen wir an, daß ich eine
komplizierte Rechnung zu lösen habe. Auf dem kleinen
Rechner gebe ich die Aufgabenstellung ein und schicke
sie über den Sender zum Homecomputer. In diesem
»Großrechner« zu Hause befindet sich ein Programm,
das diese Rechnung lösen kann. In Bruchteilen einer
Sekunde rechnet der Computer die Aufgabe aus und

meldet sich, sobald er fertig ist. Anschließend funkt er
automatisch das Ergebnis zurück und schickt es in den
Speicher des Taschenrechners. Jetzt bleibt es mir
freigestellt, die Lösung sofort oder später abzurufen.
Doch nicht nur das richtige Endergebnis hat der
Computer ausgeworfen. Auch die exakten Rechenschritte
und Zwischenergebnisse können abgerufen werden.
Beispiel Bio: In der Klassenarbeit sollen einige Begriffe
erklärt werden. Ich habe ein entsprechendes
Computerprogramm eingerichtet, das aus lauter
biologischen Definitionen besteht und nach Schlagwör-
tern geordnet ist. Jetzt brauche ich nur das richtige
Stichwort über die Buchstabentastatur in den
Taschenrechner einzugeben und zu senden. Sofort weiß
der Computer, was Sache ist, und blitzschnell erhalte ich
zum Beispiel auf das Schlagwort »Mendel« alle drei
Vererbungsgesetze.
Eine gute Programmgestaltung bestimmt ganz wesentlich
den Erfolg des Computerschummelns. Denn der
Computer verfügt über keine eigene Intelligenz. Er kann
nur Befehle und Befehlsfolgen ausführen. Vereinfacht:
Der Homecomputer speichert die Informationen wie ein
Buch und gibt sie auf Wunsch (Befehl)kapitel-, seiten -
oder zeilenweise wieder. Je straffer man das Stoffgebiet
also unterteilt (= Programm aufbaut), desto schneller und
leichter läßt sich arbeiten.
Selbst bei reinen Textaufgaben, die nicht mit zwei, drei
Sätzen zu beantworten sind, ist das Computer-
Schummeln ideal. Zum Beispiel gibt mir der Computer
auf das Stichwort »Bundesrat« eine Stoffmenge von zwei
maschinengeschriebenen DIN-A-4-Seiten (= 4000
Zeichen) in den Speicher. Nun muß ich mir die
wichtigsten Textstellen

- wie aus einem Buchkapitel - suchen. Deshalb hole ich
die Informationen jetzt per Knopfdruck Zeile für Zeile
auf meinen Minibildschirm. Das hört sich mühselig an,
geht aber wahnsinnig schnell. Über die Tastatur kann ich
das Suchen nämlich wesentlich beschleunigen:
- Wie bei einem Buch lassen sich die Seiten umblättern.
- Mit der Bedienung eines Kassettenrekorders
vergleichbar, ist Vor -und Zurückspulen möglich.
Dadurch fällt es nicht auf, daß im Sichtfeld nur 16
Zeichen abgebildet werden.
- Durch einen kleinen Programmschritt kann man
beispielsweise pro Impuls um jeweils fünf Zeichen
vorspringen.
Fazit: Wie bei einem richtigen Buch ist horizontales
(von links nach rechts) wie vertikales (von oben nach
unten) Lesen möglich. In Windeseile lassen sich die
wichtigsten Textpassagen raussuchen. Einzige
Voraussetzung bleibt ein gutes Stichwort /
Inhaltsverzeichnis. Denn der Computer braucht exakte
Befehle. Doch keine Sorge: Eine Formelsammlung oder
einen Text mit Schlagwortkartei in ein fertiges Programm
einzugeben, dauert nicht länger als etwa eine Stunde.

9.9. Anmerkung zum Computer-
Schummeln

Bevor man nun den Lötkolben anspitzt und in das

nächste Elektronik oder Funkerfachgeschäft stürmt, noch

mal die Liste der benötigten Bauteile (natürlich

systemabhängig):

Sender Empfänger

- Steckkontakt - Verstärker

- Stromquelle - Diode

- Speicher (Demodulator)
- Codierer - Flankenträger
- Taktgeber
- Trägerwellengenerator (Digitalbaustein)
(Schwingkreis) - Speicher
- Modulator - Kontrollbaustein
- Verstärker - Steckkontakt
- Plastik- oder Holzverschalung
- Antenne

Sender und Empfänger müssen zweimal angefertigt
werden - jeweils für den Taschenrechner und den
Homecomputer.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten zum Eigenbau des
Schummel-Computers: entweder die Einzelteile
preiswert selber basteln oder vorgefertigte Bauteile
kaufen und auf einer Printplatte verlöten. Außerdem sind
die Konstruktions-Details vom jeweiligen Taschen-
rechner -und Homecomputer-Typ abhängig.
In jedem Fall sollten nur Elektronik-Spezis ans Werk
gehen, die mit den empfindlichen Teilen erfahren sind.
Sie sollten zu einer neuen Dimension des Schummelns
angeregt werden. Aber auch technische Laien müssen
nicht abseits stehen. Wer auf den Geschmack an dieser
faustdicken Täuschungsmethode gekommen ist, wird
sicher einen bereitwilligen Computer-Freak für die
Herstellungsphase finden. Denn bei der Handhabung
selbst braucht man wirklich kein Spezialist zu sein.

X. »GUTE GEISTER« -AUCH
MÜNDLICHE PRÜFUNGEN
WOLLEN GEPLANT SEIN

Zu den größten Problemen für routinierte Schummler
gehören die mündlichen Prüfungen. Jahrelang hat man
sich mit Funk, Schummelzettel und vielfältigen
Hilfsmittel erfolgreich durch die Schul- und Uni-
Instanzen gemogelt. Doch plötzlich stößt man auf ganz
neue Bedingungen: Kein Gemeinschaftsverband mehr,
kein Vordermann, der einem Deckung gibt, und niemand
zum Abschreiben oder Vorsagen. - Statt dessen gähnende
Leere im Raum und ein scheinbar riesiges Aufgebot an
Prüfern, die wie Geier hockend auf die Nahrung warten.
Da sitzt man nun, verschüchtert und einsam mit seinem
Halbwissen, und glaubt schon den Strick am Hals zu
spüren. Wie bei einem zum Tode Verurteilten kreist nur
noch ein Gedanke durch den Kopf: »Laß es schnell
vorbei sein!«

10.1. Systematische Zeiteinteilung

Zugegeben, Schummeln im mündlichen Abi oder
Examen ist nicht vergleichbar mit anderen Mogeleien.
Zweifellos gehört es zur hohen Schule des Täuschens;
wird einem doch so manche Raffinesse abverlangt. Daß
auch im mündlichen Foltergang Tricksereien möglich
sind, soll im folgenden bewiesen werden. Zu diesem

Zweck empfiehlt es sich, systematisch vorzugehen und
sämtliche Möglichkeiten der Reihe nach zu beleuchten.
Kurz vorher: Ein bis zwei Wochen vor dem Examen
beginnt die eigentliche Arbeit. Nein, ich meine nicht das
Lernen! Vielmehr versucht man, alleine oder in
Absprache mit Leidensgefährten, den Pauker zu löchern.
Rhetorisch begabte Schüler laufen hier zu Höchstlei-
stungen auf. Entweder probiert man die kumpelhafte
Masche »Sie sollen und dürfen uns ja nichts verraten,
aber einen kleinen Tip könnten Sie uns doch vielleicht
geben...« oder schlägt eine Finte: »Ich finde es übrigens
ganz toll von Ihnen, daß Sie Genetik im Mündlichen
auslassen wollen...«
Wichtig ist, die Reaktion des Lehrers kritisch zu
betrachten. Allein von seinem Verhalten auf derartige
Fragen läßt sich vielerlei ableiten. Mit einer
werbemäßigen Penetranz versucht man - ähnlich einem
polizeilichen Kreuzverhör - dem Pauker die
Informationen aus dem Kreuz zu leiern. Entweder er
verplappert sich, oder er kreist freiwillig das
Aufgabengebiet ein.
Diese Aktivitäten müssen aber auf den jeweiligen Lehrer
persönlich zugeschnitten sein. Natürlich sind sie auch im
Zweiergespräch möglich. Der eine Pauker braucht halt
die plumpe Tour: »Für meinen Numerus Clausus hängt
alles von dieser einen Note ab .... ein anderer wiederum
die menschlich-sensible Masche: »... ich bin völlig durch
den Wind und werde die Prüfung nie schaffen. Mein
Freund hat sich von mir getrennt, und ich bin
wahrscheinlich schwanger...« Das Ziel dürfte klar sein:
sich bemühen, durch geschicktes Hinterfragen das
Stoffgebiet möglichst einzuengen. Denn um so geringer
ist der spätere Arbeitsaufwand.

Unmittelbar vorher: Nahezu aussichtslos ist es, an die
schriftlich fixierten Examensfragen heranzukommen.
Meist sind sie in einem Kuvert eingeschweißt und sicher
deponiert. Statt dessen erkundigt man sich auf andere
Weise, mit welchen Fragen die Prüflinge abgeklopft
werden. Als erstes wird dafür gesorgt, daß man einen
relativ späten Termin erhält, sowohl am Tag selbst als
auch innerhalb der Examenswoche. Technisch ist das
kein Problem. Hat jeder seine Prüfungszeiten zugewiesen
bekommen, geht man zum Lehrer oder Direx und erzählt
ihm eine glaubhafte Geschichte: »Bitte verlegen Sie
meinen Termin. Gerade an diesem Tag habe ich einen
Gerichtstermin... Sie würden mir meine Situation
erheblich erleichtern, wenn Sie ausnahmsweise darauf
Rücksicht nehmen könnten...« Je nach eigener
moralischer Grenze lassen sich Argumentationen wie
Arzttermin, Operation oder Trauerfeier finden. Durch das
bewußte Verschieben des Henkertermins gewinnt man
kostbare Zeit. Damit wird nicht auf die zusätzliche Lern-
möglichkeit angespielt, vielmehr werden so täglich eine
Reihe von Leidensgefährten vor einem selbst in die
Mangel genommen. Jetzt wird jeder, der das gleiche
Fachgebiet zu absolvieren hatte, intensiv interviewt über
gestellte Fragen, Verhalten der Prüfer, Reaktionen etc.
Somit erhält man nicht nur einen ungefähren Eindruck
von dem, was auf einen zukommt, sondern erfährt ganz
konkret, welche Standardfragen auftauchen, also
unbedingt zu lernen sind. Außerdem läßt sich daraus die
spätere Prüfungsstrategie ableiten.
Direkte Vorbereitung: Die Handhabung von
mündlichen Prüfungen ist recht unterschiedlich. Bei
meiner Gehilfenprüfung war es beispielsweise üblich,
daß jeder seine Frage wie ein Los aus dem Zetteltopf zog,

laut vorlas und wieder zurücklegte. Dabei konnte es
natürlich passieren, daß dieselbe Aufgabe zweimal
gezogen wurde. Aber die Pauker wollten allen Prüflingen
die gleiche Chance einräumen. Glücklicherweise! Einige
gerissene Lehrlinge nutzten die Methode nämlich
schamlos aus. Während sie noch warten mußten, ließen
sie sich von den frisch geprüften Kollegen die genauen
Wortlaute der jeweiligen Fragen wiedergeben. Auf diese
Weise erfuhr man auch die exakte Aufgabenstellung
seines Spezialgebietes. Einer der letzten Prüflinge
erschien nun im Raum, fischte sich einen Aufgabenzettel
aus dem Topf und zog selbstbewußt eine irrsinnige Show
vor den Lehrern ab. Ohne den echten Text wirklich zu
lesen, gab er überzeugend den Wortlaut seiner
gewünschten Frage wieder. Niemand aus der Prüfungs-
kommission kontrollierte die »vorgelesene«
Aufgabenstellung, und so konnte der Glückliche eine
glänzende Leistung präsentieren.
Beim Abitur und Examen erhält man meist vor der
mündlichen Prüfung schriftlich die Aufgaben und darf
sich zunächst für circa 10 bis 15 Minuten darauf
vorbereiten. Zu diesem Zweck wird man mit einer
Aufsichtsperson in einen separaten Raum gesteckt.
Handelt es sich um einen lockeren Pauker, der ruhig in
der Ecke liest oder aus dem Fenster guckt, läßt sich die
Zeit wirkungsvoll nutzen. Schnell holt man
Stichworte/Fachbegriffe vom Spicker und sichert sich
wichtige Punkte für den bevorstehenden Einzelkampf.
Wem dazu der Mut oder die Dreistigkeit fehlt, dem bietet
sich eine Alternative. Er sorgt für eine geeignete
Ablenkung. Da der Kontrollpauker den Raum nicht
verlassen darf, benötigt man Hilfe von außen. Wie vorher
vereinbart, erscheint ein guter Freund als rettender Engel.

Er entschuldigt sich für die Störung und verwickelt den
Pauker mit gesenkter Stimme in ein scheinbar
unumgängliches Gespräch: »Haben Sie nicht einen roten
Peugeot mit Hamburger Kennzeichen? Da ist jemand in
Ihren Wagen gefahren...« Während dieses
Ablenkungsmanövers pinnt man gelassen und
selbstsicher seine Informationen ab. Denn den an die
Unterhaltung gefesselten Lehrer quält jetzt nur noch eine
Frage: Was ist bloß mit meinem Auto geschehen? -
Später läßt sich der Vorfall leicht korrigieren. Man hat
sich eben im Fahrzeug geirrt und es mit dem eines
Mitschülers verwechselt.
Mittendrin: In der Prüfung selbst gibt es hauptsächlich
psychologische Kniffe, mit denen sich die Kommission
wirkungsvoll austricksen läßt. Wer diese Variante zu
beherrschen weiß, wird nicht nur die Examensklippen
umgehen, sondern sogar Spitzenleistungen erzielen. Im
Gegensatz zu schriftlichen Arbeiten haben mündliche
Prüfungen nämlich einen entscheidenden Vorteil, den es
auszunutzen gilt. Der Ablauf und die Fragen sind nicht
unumstößlich festgelegt, sondern gewisermaßen
verhandlungsfähig. Es kommt darauf an, als Prüfling
direkt oder unbemerkt die Regie zu übernehmen.

10.2. Strategie l

... könnte man die »Kunst der Ablenkung« nennen. Ein
rhetorisch begabter Schüler (Fachjargon: Verbal-
Akrobat) versucht durch gekonnte Formulierungen und
selbstbewußtes Auftreten sein Halbwissen aufzublasen.
Fachlich beherrscht er jedoch nur einen relativ geringen
Teil des Prüfungsstoffes. Um zu vermeiden, daß die
Pauker seine gesamte Kenntnisbreite abklopfen, muß er

die Prüfer immer wieder auf seinen vertrauten Pfad
zurückführen. Man nutzt dabei die Tatsache, daß in den
meisten Fächern fast alle Faktoren in irgendeiner
Beziehung zueinander stehen. Dazu ein simples Beispiel!
Stellen wir uns die Bioprüfung eines Sextaners vor.
Vorbereitet hat er sich allein auf die Biologie des
Regenwurms. Im Mündlichen soll aber die Lebensweise
des Elefanten beschrieben werden. Nach Strategie l gibt
der Schüler jetzt folgende Schilderung: »Der Elefant ist
ein Säugetier, das einen ausgeprägten Familiensinn
besitzt. Er lebt im Dschungel, und wenn eine Herde von
Elefanten aufgescheucht wird, bebt die ganze Erde. Über
große Entfernungen nehmen sogar Regenwürmer diese
Erschütterungen wahr. Dabei muß man wissen, daß
Regenwürmer ausgesprochen scheue Lebewesen sind,
die...« Und jetzt rollt der Sextaner die gesamte Spule
seines Regenwurm-Spezialwissens ab.

10.3. Strategie 2

... ist abhängig von der Fähigkeit, die
Prüfungskommission einzuschätzen. Auch in diesem Fall
verfügt man nur über bescheidene Fachkenntnisse, mit
denen man sich durch den Fragenslalom schlängeln muß.
Vor allem von den vorherigen Prüflingen hat man
erfahren, in welcher Weise das Stoffgebiet abgefragt
wird. Sind die Pauker einem wohlgesonnen, gibt es
wenig Probleme. Mehr oder weniger deutlich gibt man
den Herren zu verstehen, wo sich die eigenen
Wissensstärken befinden. Die gutmütigen Prüfer wollen
ihren Schützling ja nicht reinreiten und vermeiden
tunlichst, allzu schwere Frage zu stellen. Kann dann eine
Aufgabe mal nicht gelöst werden, gehen sie anschließend

schnell wieder in den sicheren Bereich des Schülers
zurück.
Ganz anders sieht es aus, wenn die Pauker zur Gattung
der Hackertypen gehören. Sie suchen nicht das Wissen
des Prüflings, sondern lechzen nach Schwachstellen.
Penetrant testen sie das gesamte Stoffgebiet. Im
Gegensatz zum angenehmen Prüfer darf der Schüler sich
auf keinen Fall mit seinem Wissen entfalten. Zeigen sich
Kenntnisse, wird mit anderen Fragen nach Lücken
gesucht. Wehe, wenn sich eine Unsicherheit zeigt. Jetzt
wird erbarmungslos nachgebohrt, um die Unfähigkeit
offenzulegen.
Doch diese Höllenqualen lassen sich vermeiden, wenn
man die Geier mit ihren eigenen Waffen schlägt. Dazu
wieder ein Beispiel: Im Examen hatten wir einen solchen
Hackertyp, der dafür bekannt war, die Studenten nach
dem beschriebenen Schema reinzulegen. Normalerweise
trumpften Prüflinge gleich zu Beginn der Beantwortung
mit ihrem Wissen auf, um sich daran festzuhalten. Ein
Student ging jedoch den entgegengesetzten Weg. Er
stellte zunächst sein geringes Allgemeinwissen in den
Vordergrund, präsentierte es dann aber mit perfektem
Selbstbewußtsein. Der Prüfungsvorsitzende nahm natür-
lich an, auf eine Stärke des Absolventen gestoßen zu
sein. Augenblicklich wechselte er das Fachgebiet, in der
Überzeugung, jetzt Wissenslücken bloßzulegen. Durch
eine geschickte Finte wurde der Dozent noch weiter aufs
Glatteis geführt: Als die Fragen das Spezialgebiet des
Prüflings streiften - und er eigentlich eine zügige
Antwort hätte geben können -, zögerte und stotterte er ein
wenig. Wie ein Geier im Sturzflug fiel der Dozent über
den angebotenen Fleischbrocken her und stellte sofort
Zusatzfragen. Doch zu seinem Erstaunen war der Student

weiterhin sattelfest. Irritiert ging er immer mehr in die
Tiefe des Themas. Aber der Prüfling befand sich ja
mitten in seinem persönlichen Fachgebiet und konnte
jede Frage ausgezeichnet beantworten. Verzweifelt
mußte der Prof eine gute Note rausrücken. Und bei
ehrlicher Beurteilung lag die Zensur höher, als es der
tatsächliche Kenntnisstand des Studenten erlaubt hätte.

10.4. Strategie 3

... ist die sogenannte Hinhalte-Taktik. Es kommt allein
darauf an, Zeit zu schinden. Denn die Prüfungszeit ist in
der Regel auf 20 Minuten beschränkt und wird meist
strikt eingehalten. Wurde man beispielsweise mit fünf
Aufgaben in die Vorbereitung geschickt, beherrscht aber
nur die ersten drei, ist die Strategie klar: sich unbedingt
an der Beantwortung der gekonnten Fragen festzuhalten.
Dafür gibt es eine Menge Hilfen: langsam, aber nicht
einschläfernd erklären, mit Formulierungen zögern,
geschickt Wiederholungen und Worthülsen einbauen.
Wenn die Pauker ungeduldig werden und auf eine zügige
Antwort drängen, läßt man sich Äußerungen einfallen
wie: » ... intensive Auseinandersetzung mit dem
Thema..., vielschichtige und komplexe Betrachtung
notwendig..., es ist unbedingt zu differenzieren..., für das
Verständnis wesentlich..., um die Zusammenhänge
deutlich zu machen..., Abhängigkeiten müssen
herausgearbeitet werden...«
Wenn die Fragen in einer ungünstigen Reihenfolge
liegen, weil man zum Beispiel Aufgabe 4 und 5
beherrscht, aber mit den Fragen l bis 3 wenig anfangen
kann, gilt der Angriff nach vorne. Bevor mit der
Beantwortung begonnen wird, bittet man höflich und

bescheiden die Prüfungskommission: »Wenn Sie nichts
dagegen haben, würde ich gerne für die Erklärung der
Aufgaben von einer chronologischen Darstellung
abweichen. Um meine Antworten in einem
verständlichen Zusammenhang zu referieren, erscheint es
mir sinnvoll, zunächst mit Frage 4 und 5 zu beginnen...«
In der Regel lassen sich die Pauker darauf ein, weil ja
gerade die selbständige Auseinandersetzung des
Prüflings mit dem Thema gefordert ist. Was sie natürlich
nicht ahnen, ist der Gedanke des Schülers, bloß nicht zu
Frage l zu kommen.

10.5. Strategie 4

... nennt man beim Pokern bluffen. Entscheidend ist der
Grundsatz, daß ein Bluff nie als solcher erkannt werden
darf. Die Methode steht und fällt mit einer gekonnten
Präsentation der Unwahrheit. Eine Variante ist dabei die
Statistik-Lüge. Die meisten Menschen sind nämlich
vollkommen statistikgläubig. Behaupte ich zum Beispiel,
daß bei einer Untersuchung 67,3 Prozent der
Bevölkerung zu einer bestimmten Aussage gekommen
sind, hat die eigene, laienhafte Meinung plötzlich ein
irrsinniges Gewicht erhalten. Obwohl nie eine Erhebung
stattgefunden hat, wird einem wie selbstverständlich
geglaubt. Denn an einer Prozentzahl gibt es ja nichts zu
rütteln.
Genauso lassen sich Pauker blenden. Merke ich an der
Reaktion des Prüfers, daß ich mit meiner Erklärung
falsch liege, rette ich mich mit einem gekonnten Bluff:
»... Obwohl die bisherige Lehrmeinung etwas anderes
aussagt, hat sich bei einer Forschungsarbeit des Max-
Planck-Institutes gezeigt, daß 81,4 Prozent unserer

Hauskatzen vom Aussterben bedroht sind...« Selbst wenn
der Pauker das Ergebnis bezweifelt. Er ist zwar in seiner
Überzeugung verunsichert, kann aber die Antwort nicht
als falsch hinstellen. Denn entkräften läßt sie sich im
Moment der Prüfung nicht mehr.
Natürlich gibt es auch andere Wege, seine eigentlich
falsche Antwort zu rechtfertigen: Zum Beispiel durch
Aussagen wie »In der letzten NATUR war zu lesen...«
Oder man zitiert eine sogenannte fachliche Kompetenz
»Prof. Grzimek berichtete in einem Vortrag...«. Ein
angenehmer Nebeneffekt ist dabei, daß die Prüfer
annehmen müssen, man würde sich über die Lehrbücher
hinaus mit dem Thema beschäftigen.
Ein Kommilitone, der Landwirtschaft studierte,
erbrachte eine wahre Höchstleistung im Prüfungs-
Bluffen. Mit der Aufforderung, unter anderem die
Technik einer Frostschutzberegnung zu erklären, wurde
er in die zehnminütige Examensvorbereitung geschickt.
Heiß und kalt lief es ihm den Rücken runter. Denn er
hatte keinen blassen Schimmer von einer solchen Anlage.
Nur allzu gern hätte er die Frage wie bei einem Ratequiz
zurückgegeben. Statt dessen half er sich auf raffinierte
Weise aus der Klemme. Nur mit dem Allgemeinwissen,
daß Pflanzen sich bei Wärme ausdehnen, bei Kälte
zusammenziehen und einigen anderen simplen
physikalischen Grundregeln erfand er kurz seine eigene
Frostschutzberegnung. Als er anschließend vor die Prü-
fungskommission gerufen wurde, präsentierte er eine
absolut einzigartige Anlage. Entscheidend war dabei, daß
er selbstbewußt auftrat und die kompliziert klingende
Technik seines Phantasieprodukts zügig erklärte.
Zunächst waren die Pauker ziemlich überrascht. Hatten
sie doch etwas völlig anderes erwartet. Nur ein Prüfer

blieb mißtrauisch und hielt die Antwort eher für einen
Schildbürgerstreich. Er wollte sich einfach nicht
überzeugen lassen. Und so setzte der Student noch eine
Frechheit oben drauf. Tolldreist behauptete er, während
seines einjährigen Auslandsaufenthaltes dieses neue
amerikanische Verfahren selber kennengelernt zu haben.
Welcher Pauker will da schon seinen Prüfling als Lügner
hinstellen? - Wie sagte doch mein Lehrchef so treffend:
Man kann ruhig dumm sein; man muß sich nur zu helfen
wissen.

10.6. Der todsichere Weg durch das
mündliche Abi

Vom ersten Augenblick an heißt es, Position zu
bekennen. Nach dem Motto »bangemachen gilt nicht«
wird schon beim Eintreten gezeigt, was hier Sache ist.
Mit selbstbewußtem Schritt nähert man sich der
mündlichen Folterkammer, öffnet mit einem kräftigen
Ruck die Tür und läßt ein fröhliches »moin, moin« (Grüß
Gott etc.) im Raum erklingen. Vom zaghaften »Bin ich
hier richtig?« ist genauso abzuraten wie von einem
übertriebenen »Da bin ich, meine Herren! Können Sie
sich bitte beeilen, meine Zeit ist knapp!«.
Als Überleitung hat sich ein »Darf ich mich setzen? Ich
bin so schrecklich nervös!« bewährt. »Ist das ein
Prachtwetter heute?« klingt recht hausbacken.
Fragen wie »In welchem Fach werden Sie denn geprüft?«
sollte man tunlichst unterlassen, weil sie die Autorität der
Prüfer empfindlich treffen.
Um anfängliche Berührungsängste auszuräumen, beginnt
man gleich mit einer lebhaften Diskussion, wo man denn
am besten sitzt. Falls Zuhörer an der Prüfung teilnehmen,

kann man sich auch wortlos zu ihnen gesellen. Das
Hinsetzen selbst ist jetzt wichtig. Wer beide Hände in
den Taschen behält und sich locker auf den Stuhl gleiten
läßt, erntet erste anerkennede Blicke. Denn
Körpersprache ist alles. Cool bleiben heißt die Parole.
Kippeln mit dem Stuhl reizt die Pauker, während ein
Yogasitz auf hohe (transzendentale) Intelligenz schließen
läßt. »Nun werden Sie auch noch um Ihren geliebten
Mittagsschlaf beraubt«, kann provozierend verstanden
werden. Dann schon lieber ein verständnisvolles »Wie
halten Sie das bloß aus in dieser stickigen Luft?«.
Vorsicht! Mit der Floskel »Also Sie haben sich mit der
Frage beschäftigt, wie...« will der Pauker die erste Runde
einläuten. Jetzt heißt es, Zeit gewinnen. Wie von der
Tarantel gestochen springt man auf, rennt zum
Prüfungsvorsitzenden und flüstert ihm ins Ohr: »Ich habe
meinen Stichwortzettel im Vorbereitungsraum vergessen.
Bin aber gleich wieder zurück!« Kaum wurde der Raum
verlassen, kehrt man auch schon wieder zurück. »Mann,
bin ich nervös. Hatte ihn ja doch bei mir«, erklärt
einleuchtend die Situation.
Die allmähliche Unruhe der Prüfer wird einfach ignoriert
und sofort die Initiative ergriffen: »Also Ihre Frage finde
ich außerordentlich ansprechend. Schon privat habe ich
mich durch Fachliteratur und Zeitschriften intensiv damit
auseinandergesetzt.«
Ein dankbarer Blick des Prüfers zeigt jetzt seine
Hoffnung, endlich die erste Frage stellen zu können.
Andachtsvoll und konzentriert lauscht man den Worten
des Prüfers. Bestätigendes Kopfnicken und gefaltete
Hände vermitteln dabei das Gefühl, besonders
aufmerksam zuzuhören. Zeigefinger an die Lippen legen
und Grübelfalten aufsetzen.

Mit einem zögernden »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob
ich Sie richtig verstanden habe; Sie wollen also von mir
wissen...« wird die Frage exakt wiederholt und
zurückgespielt. Im Anschluß folgt eine rhetorische Pause,
wobei man sich nachdenklich zurücklehnt. Ruckartig
wird zum Stift gegriffen, und einige Stichworte werden
auf dem Kladdezettel notiert. »Zweifellos ist dies ein
ausgesprochen interessanter Aspekt des Themas. Doch
wird es der Bedeutung des Themas eher gerecht, wenn
wir die Frage anders stellen würden...« Zu diesem
Zeitpunkt erfährt die Prüfung meist eine dramatische
Wende, weil die Pauker erbost auf ihre Kompetenz und
die bereits verstrichene Zeit hinweisen. Das ist die ideale
Gelegenheit, um ein paar kritische (natürlich vorbe-
reitete) Worte über diese autoritäre Prüfungsform zu
verlieren. Schließlich dürfte eine derartig diktatorische
Äußerung nicht den Grundsätzen der Reformierten
Oberstufe entsprechen. Nach seiner Attacke sollte der
Abiturient aber auf jeden Fall wieder fachlichen Ehrgeiz
ausstrahlen: »Nun lassen Sie uns aber endlich zur Sache
kommen!« In den restlichen paar Minuten der
Prüfungszeit rückt man mit einigen Fakten zum Thema
raus. Doch sollte nicht zu sehr ins Detail gegangen
werden. Schließlich könnte man ja etwas Falsches sagen.
Mit Formulierungen wie »Ohne vereinfachen zu wollen,
kann man global betrachtet sagen...« oder »Unter
besonderer Berücksichtigung der jeweiligen
Einflußfaktoren ist es sicherlich angebracht...« läßt sich
zusätzlich wertvolle Prüfungszeit einsparen.
Reißt einem Prüfer dann der Kragen, kontert man
treffsicher mit der Frage: »Das verstehe ich nicht! Davon
haben Sie mir ja gestern am Telefon gar nichts erzählt!«
Jetzt kann man getrost seine Unterlagen

zusammenkramen. Denn die Prüfer werden sich nun
wortgewaltig auf ihren Kollegen stürzen und ihn mit
Fragen bombardieren.

XI. NACH SCHULE UND UNI:
SCHON WIEDER PRÜFUNGEN

EINFALLSREICHE IDEEN FÜR DIE PERSÖNLICHE
KARRIERE

Schummeln beginnt zwar in der Schule, doch es hört
keineswegs nach dem Verlassen der Lehranstalt auf. Was
für Weisheiten pflegen einem unsere vielgeliebten Lehrer
mit dem Abschlußzeugnis noch auf den Weg zu geben?
»Ihr tretet jetzt hinaus ins harte Leben... Jetzt seid ihr auf
euch allein gestellt... Zeigt, daß ihr nicht für die Schule,
sondern für das Leben gelernt habt...« - Recht haben sie!
Nur mit dem kleinen Unterschied, daß nicht allein das
gelernte Wissen gefragt ist. Denn draußen befinden wir
uns in einem Wettbewerb, bei dem weit mehr als nur die
Mitschüler im Rennen sind. Das Gerangel beginnt bei
Lehrstellen, Studienplätzen, Volontariaten und setzt sich
fort bis zur Anstellung im gelernten Beruf. Das Angebot
an Ausbildungsplätzen und Planstellen steht in krassem
Gegensatz zur Nachfrage. So ist der konventionelle Weg
einer Bewerbung in der Regel erfolglos. Nur mit
psychologischen Tricks und einer gehörigen Portion
Kreativität wird man zum Spitzenkandidat. Und so ergibt
sich für diesen Lebensabschnitt folgende Definition:
»Schummeln heißt, in scheinbar aussichtslosen
Situationen mit Tricks und außergewöhnlichen
Aktivitäten zu gewinnen.«

Natürlich gibt es keine allgemeingültige Erfolgsformel.
Ein auf den Beruf und auf die eigene Person
zugeschnittener Weg ist nötig. Um seine ideale
Vorgehensweise herauszuarbeiten, empfiehlt es sich,
zunächst die folgenden Fragen zu beantworten.
1. Wie ist die Ausgangssituation in meinem Bereich?
2. Welche Erwartungen beziehungsweise welches
Anforderungsprofil wird an die Bewerber gestellt?
3. Wie läuft das Auswahlverfahren ab?
4. Welchen Weg geht die Masse oder die Mehrheit?
5. Welche Person ist entscheidungsbefugt?
6. Wie komme ich an die maßgebende Person heran?
Die angeführten Fallbeispiele sollen dabei als Anregung
und Beweis verstanden werden, daß auch scheinbar
aussichtslose Situationen zu meistern sind. Denn
Schummeln geht weiter!

11.1. Der Traum von einem Volontariat

Jeder, der die Arbeitsmarktsituation kennt, weiß, daß für
eine Anstellung keineswegs ein guter Notendurchschnitt
entscheidend ist. Vielmehr kommt es darauf an, mit
besonderen Kenntnissen und Erfahrungen in der Masse
der Bewerbungen aufzufallen. Aus diesem Grund sind
Volontariate oder Praktika bei renomierten Unternehmen
außerordentlich begehrt.
Sibylle, eine befreundete Germanistikstudentin, bemühte
sich, an eine Praktikantenstelle beim Norddeutschen
Rundfunk heranzukommen. Ein Anruf bei der
Personalabteilung brachte sie schnell auf den Boden der
Tatsachen. Aussichtslos! Über hundert Bewerber,
teilweise schon mit akademischen Titeln, Warteliste,
frühestens in zwei Jahren waren die Schlagworte.

Gemeinsam grübelten wir über das Problem und
entschieden uns für den folgenden absolut
unbürokratischen Weg:
- Nach einer Woche aufmerksamen Radiohörens wählte
sie sich ihre persönlichen drei Lieblingsmoderatoren aus,
deren aktuellen Sendungen sie natürlich gehört hatte.
- Anschließend ließ sich Sybille per Telefon mit den
jeweiligen Sekretärinnen verbinden und einen Termin
geben. Auf die Frage, was der Anlaß des Gespräches sei,
blockte sie charmant ab: »Es ist eine private
Angelegenheit... Ich bin gerade in Hamburg, und wir
wollten uns bei dieser Gelegenheit wiedersehen...«
Damit war die wesentliche Hürde über die gefürchtete
Vorzimmerdame genommen.
- Beim eigentlichen Treffen mußte die Wahrheit natürlich
ans Licht. Hier gab es zwei Möglichkeiten: Entweder
würde sie sofort rausgeschmissen werden oder
tatsächlich ein Volontariat erhalten. Doch was konnte sie
schließlich verlieren. Und so sagte Sybille ihren Vers auf:
»Bitte seien Sie mir nicht böse, daß ich mich mit diesem
dreisten Trick bei Ihnen eingeschlichen habe. Aber sonst
hätte ich nicht persönlich bei Ihnen vorsprechen können.
Ich studiere Germanistik und möchte wahnsinnig gerne
ein Praktikum bei Ihnen machen. Und da es
offensichtlich sowieso aussichtslos ist, habe ich alles auf
eine Karte gesetzt und mir gesagt: Probier das
Unmögliche, frage doch gleich den Moderator, dessen
Arbeit du am liebsten kennenlernen würdest. Ja, und da
bin ich ...
Ergebnis: Die Termine bei den anderen beiden
Moderatoren konnte sie getrost absagen. Denn das
dreimonate Volontariat wurde ihr prompt zugesichert.
Übrigens ist dies kein Einzelfall. Eine andere Freundin

ließ sich nach dem Abitur einen privaten Termin beim
Chef der Tagesschau geben und sagte frech: »Ich möchte
Redakteurin im Fernsehen werden. Und ich bin sicher,
daß Sie sich eher persönlich eine Meinung von mir bilden
können, als wenn Sie anonyme Unterlagen erhalten...«
Nach einer zweijährigen Ausbildung ist sie heute
Redakteurin bei der Tagesschau!

11.2.Ausbildung zur Krankengymnastin
-unmöglich?

Wer sich für den Beruf der Krankengymnastin
interessiert, dürfte die Schwierigkeiten kennen, einen
Ausbildungsplatz zu erhalten. Ein hervorragendes
Zeugnis zu haben und sämtliche Lehranstalten anzu-
schreiben, bewirkt so gut wie gar nichts. Eignungstests,
persönliche Gespräche und der Platz auf der Warteliste
entscheiden über den Erfolg. Daß es durchaus anders
geht, zeigte meine Freundin Sabine.
Für ihre ungewöhnliche Strategie suchte sie sich gleich
die bekannteste Lehranstalt Süddeutschlands aus. Da der
ausbildende Arzt selber noch praktiziert, ließ sie sich
einfach einen Behandlungstermin geben. Mit vorbildlich
zusammengestellten Bewerbungsunterlagen (beglaubig-
ten Zeugnissen und Praktika mit Inhaltsverzeichnis, Foto
und persönlichen Daten in Klarsichthüllen verpackt und
in eine stabile Mappe geheftet) sowie einem
Krankenschein ausgerüstet, erschien sie zur Untersu-
chung. Auf die Frage »Wo fehlt's denn?« antwortete
Sabine ein wenig unsicher: »Körperlich bin ich völlig
gesund. Der eigentliche Grund ist ein anderer...« Der
Arzt war von ihrem Mut beeindruckt, zumal er durchaus
merkte, daß der Schritt sie einige Überwindung gekostet

hatte.
Fazit: Ohne, wie alle anderen Bewerber, ausgelost zu
werden, wurde Sabine direkt zum Eignungstest
eingeladen. Daß der Ausbilder die kleine Episode nicht
vergaß, lag sicher auch an einem weiteren geschickten
Schachzug: Durch einen Anruf bei der Praxishelferin
erfuhr Sabine den Geburtstagstermin des Arztes. So war
der per Fleurop verschickte kleine Blumenstrauß mit
Sicherheit sein Geld wert. Und die Begleitzeilen »Ich
bedanke mich für Ihr gezeigtes Verständnis und
gratuliere Ihnen herzlich zum Geburtstag« waren
sicherlich nicht ohne angenehme Wirkung.
Doch damit nicht genug. Um sich auf die
Eignungsprüfung gezielt vorzubereiten, ließ Sabine sich
etwas Neues einfallen. Sowohl ausgebildete
Krankengymnastinnen als auch Kandidatinnen, die
gerade ihren Test absolviert hatten, interviewte sie nach
Prüfungsfragen, -bereichen und -Übungen. Optimal
präpariert, erfüllte sie unter 75 Bewerberinnen sämtliche
Anforderungen als eine der besten. So verwirklichte sich
einen Traum, dem niemand eine Chance gegeben hätte.

11.3. Medizinstudium - Chancenlos?

Vorsicht, die jetzt folgenden Beispiele haben sicher keine
Allgemeingültigkeit, sondern eher Ausnahmecharakter.
Dennoch zeigen sie, daß man nichts unversucht lassen
sollte.
Nach einer Flut an Prozessen hat sich die Meinung
verbreitet, es wäre mittlerweile aussichtslos, auf einen
freien Studienplatz zu klagen. Prinzip ist dabei, daß man
unterstellt, die tatsächlichen Kapazitäten an den
Universitäten seien ausgelastet. Durch die Klage wird die

Anzahl an verfügbaren Studienplätzen überprüft und dem
Kläger ein eventuell freier Platz zugewiesen. Daß dieses
Verfahren auch heute noch sinnvoll ist, beweist die
Tatsache, daß zwei ehemalige Mitschüler auf diese
Weise ihr Medizinstudium beginnen konnten.
Die extremste Form an Dreistigkeit erlaubte sich ein
Bekannter, der wegen seiner schlechten Abi-Note in
Holland Zahnmedizin studierte. Nun hatte er dort wegen
der äußerst hohen Anforderungen und der fremden
Sprache große Schwierigkeiten, mitzukommen. So
verwunderte es niemanden, daß er bei sieben von acht
Prüfungen mit Pauken und Trompeten durchrauschte.
Um so erstaunlicher war es, daß er plötzlich in Köln
weiterstudierte. Was war geschehen? Mit dem Todesmut
des Verlierers war Peter nach seiner Niederlage ins
Universitätssekretariat gestiefelt und hatte sich folgende
ungewöhnliche Bescheinigung ausstellen lassen: »Herr
Peter ... hat in der Zeit von... bis ... an der Universität...
studiert und wurde in folgenden Fächern geprüft...« Das
Formular unter den Arm geklemmt, bewarb er sich
einfach an der Kölner Fakultät als sogenannter
Quereinsteiger. Der zuständige Professor glaubte nun,
daß er die angeführten Fachgebiete erfolgreich absolviert
hatte. (Schließlich würde sich ja wohl niemand mit nicht
bestandenen Examina bewerben.) Das Unglaubliche
geschah: Ohne weitere Prüfung wurde Peter als Student
der Zahnmedizin übernommen.
Von einem Bekannten habe ich einen anderen Weg
erfahren, der gesetzlich allerdings verboten ist. Zwar bin
ich kein Jurist, aber nach meinem Rechtsempfinden
dürfte es in den Bereich Urkundenfälschung fallen. Vom
Nachahmen dieser Variante ist also dringend abzuraten,
weil es sich um eine Straftat handelt. Trotzdem will ich

von dem Wunder berichten, wie Jürgen mit seinem 3,5-
Abi einen Medizinplatz ergatterte. Schamlos nutzte er die
Tatsache aus, daß bei Bewerbungen beglaubigte
Zeugnisse genauso akzeptiert werden wie Originale.
Zunächst fertigte er sich eine Fotokopie seines
Abiturzeugnisses an. Auf der Kopie deckte Peter
anschließend mit Tipp-Ex das Feld ab, das seine
Gesamtnote auswies. Danach wurde mit einem
schwarzen Filzstift anstelle der ehemaligen 3,5-Note eine
1,5 hingeschrieben. Nach vollendeter »Korrektur«
kopierte er das fingierte Zeugnis und mischte es unter
circa 10 Fotokopien des Originals. Da kirchliche Insti-
tutionen im Gegensatz zu Behörden kostenlos
vervielfältigte Urkunden beglaubigen, lief Jürgen zum
nächsten Gemeindeamt. Unmittelbar vor Geschäftsschluß
legte er seinen Stapel Kopien und das Original auf den
Tisch und bat höflich um Beglaubigung. Durch die
Masse der Blätter verschreckt und die ersehnte
Mittagspause vor Augen, donnerte der Kirchenvorsteher
in Windeseile mit seinem Stempel über die Papiere und
zeichnete die Kopien ab. - Was jetzt folgte, dürfte klar
sein. Die Kopien des Originals flogen in den nächsten
Mülleimer und statt dessen reichte Jürgen die
»nachgebesserte«, aber beglaubigte Kopie bei der ZVS
(Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen) ein.
Heute steht Jürgen kurz vor seiner Doktorarbeit, und ich
bin überzeugt, daß er ein guter Arzt wird. - Aber, wie
gesagt, es war Betrug! Wer diesen Weg vollzieht, begeht
eine Straftat.

SCHLUSSWORT

Bevor ich mich nun auf eine eventuelle Einladung zur
Kultusminister- und Rektorenkonferenz vorbereite,
möchte ich noch eine abschließende Anekdote erzählen,
quasi als didaktische Hilfe, von der ich allerdings nicht
weiß, ob sie sich tatsächlich so begeben hat.
An einem als besonders autoritär verschrieenen
Hamburger Gymnasium soll es einen Lehrer gegeben
haben, der nur noch ein Auge besaß. Anstelle des zweiten
Auges trug er ein Glasauge, das er freundschaftlich
»Egon« nannte. Nun ergab es sich, daß wieder einmal
eine Griechisch-Arbeit in der Oberprima geschrieben
werden mußte. Nachdem Pauker die Klassenhefte und
den zu übersetzenden Text verteilt hatten, sprach er zu
den Primanern: »Ich muß jetzt noch mal kurz ins
Lehrerzimmer, aber ich werde in fünf Minuten zurück
sein.« Bevor er nun den Raum verließ, geschah das
Unglaubliche. Der sonst so humorlose Pauker nahm
plötzlich sein Glasauge heraus und legte es auf das
Katheder mit den mahnenden Worten: »Und daß ihr mir
nicht auf die Idee kommt zu schummeln; EGON sieht
alles!«


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