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Forschungsmagazin der Leibniz Universität Hannover

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Published by alumni, 2021-06-09 03:59:16

Unimagazin 1/2_ 2021 Mission 2031

Forschungsmagazin der Leibniz Universität Hannover

Forschungsmagazin der Leibniz Universität Hannover
Ausgabe 01|02 • 2021

Mission 2031 Zukunft denken –
PerspektivennadcehrhFaolrtsigchhuanngdeln

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Unimagazin • Ausgabe 1|2–2021 Leibniz Universität Hannover

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

nachhaltiges Handeln gehört Sowohl in der Forschung sowie Nachhaltigkeit darf nicht auf Prof. Dr. Volker Epping
zu den großen globalen Heraus­ in der Lehre sind wir breit aufge­ Klimaschutz verengt werden, Präsident der
forderungen der Zukunft, die stellt, wie in dieser Ausgabe des aber die Begrenzung des Klima­ Leibniz Universität Hannover
über das Wohlergehen der Unimagazins schon daran deut­ wandels ist eine der größten Auf­
Menschheit und der Biosphäre lich wird, dass sich alle Fakul­ gaben unserer Zeit und Voraus­
auf unserem Planeten entschei­ täten an dieser Ausgabe beteiligt setzung für das Erreichen von
den werden. Die UN hat 2016 in haben. Bodenkunde, Meteoro­ vielen weiteren Nachhaltigkeits­
einem langen Diskussionspro­ logie, Umweltplanung und zielen. Die Leibniz Universität
zess 17 Nachhaltigkeitsziele Wasserwirtschaft versuchen die als eine große Organisation mit
definiert, die von „keine Armut“ Prozesse in Atmosphäre, Boden, 30.000 Studierenden und mehr
über „hochwertige Bildung“, „be­ Wasser und Umwelt zu verstehen als 5.000 Mitarbeitenden, ent­
zahlbare und saubere Energie“ und zu erklären, Bildungswis­ sprechenden Gebäuden und
bis hin zu „Frieden“ und „Klima­ senschaften vermitteln die ent­ Infrastruktur hat natürlich auch
schutz“ gehen. Der Schutz des sprechenden Kompetenzen, wäh­ einen CO2 Abdruck. Doch wir
Klimas nimmt hierbei eine ent­ rend Ingenieur*innen und haben als Universität auch eigene
scheidende Rolle ein, denn er ist Naturwissenschaftler*innen an Stellschrauben, zum Beispiel im
einerseits Ziel und andererseits Lösungsansätzen etwa in erneu­ Gebäudemanagement, die wir im
Voraussetzung für eine Errei­ erbaren Energien, Kreislaufwirt­ Rahmen unserer Möglichkeiten
chung der anderen Nachhaltig­ schaft und Regeneration von bereits angezogen haben und an
keitsziele. Gütern arbeiten. Jurist*innen und deren Optimierung wir weiter
Philosoph*innen ordnen die Zu­ arbeiten. Dies sind oft schwierige
Eine besondere Aufgabe kommt sammenhänge ein und zeigen und kostenintensive Prozesse,
hierbei den Universitäten zu. Sie die Handlungsmöglichkeiten auf. die nicht von heute auf morgen
können „Agenten des Wandels“ umgesetzt werden können. In
sein, denn sie legen mit evidenz­ Forschung an Lösungen, die einigen Bereichen, wie etwa bei
basiertem Wissen die Grundlage nachhaltig wirken können, gibt der Wärmeenergie, sind wir zu­
für Veränderungen. In dieser es weit über das Dargestellte hin­ dem auf externe Partner ange­
Rolle sieht sich auch die Leibniz aus. Doch dieses Heft soll nicht wiesen.
Universität schon von ihrem nur konkrete Lösungen in Teil­
Grundverständnis her, aber bereichen zeigen. Es soll Klima­ Im Jahre 2031 wird die Leibniz
auch und gerade im Bereich der und Nachhaltigkeitsforschung Universität 200 Jahre bestehen.
Nachhaltigkeit: darstellen und zeigen, wie die Zu diesem Jubiläum haben wir
Nachhaltigkeit als Querschnitts­ uns in der Leitlinie zum Klima­
thema Eingang in die Lehre und Umweltschutz zu einem
findet. Auch die Dynamik der Ziel bekannt: Klimaneutralität in
Nachhaltigkeitsdiskussion inner­ allen Handlungsfeldern.
halb der Universität wird aufge­
zeigt, ebenso wie die Visionen
und Möglichkeiten zur Umset­
zung, die die Leibniz Universität
selbst hat.

1

Unimagazin • Ausgabe 1|2–2021 Impressum • Inhaltsverzeichnis

Mission 2031

Zukunft denken – nachhaltig handeln

Unimagazin 1. Christina von Haaren | Hans-Peter Braun 4.3 Raimund Rolfes | Andreas Ehrmann |
Forschungsmagazin der Leibniz 6 .... Nachhaltigkeit Peter Schaumann
Universität Hannover • ISSN 1616-4075 32 .... Offshore-Windenergieanlagen der Zukunft
Von globalen Konzepten zu Strategien für 4.4 Friedrich Dinkelacker | Jörg Seume |
Herausgeber die Leibniz Universität Dajan Mimic | Roland Scharf
Das Präsidium der Leibniz Universität 34 .... Nachhaltige Kraftstoffe für die Luftfahrt
Hannover 2. Christiane Meyer | Bartlett Warren- 4.5 Christina von Haaren | Rolf Brendel
Kretzschmar 36 .... Das Energiesystem verstehen
Redaktion 12 .... Von der Vision zur Transformation
Monika Wegener (Leitung), Bildung für nachhaltige Entwicklung macht
Dr. Anette Schröder (Hoch-)Schule

Anschrift der Redaktion 3. Gunther Seckmeyer 5. Klima und Nachhaltigkeit
Leibniz Universität Hannover 18 .... Den Klimawandel verstehen in den Ingenieurwissenschaften:
Alumnibüro
Welfengarten 1 Meteorologie und Klimaforschung 5.1 Dirk Bohne
D–30167 Hannover in Hannover 38 .... Nachhaltige Gebäudetechnik

Anzeigenverwaltung / Herstellung 3.1 Tim Rieniets Gamechanger in der Energiewende
ALPHA Informationsgesellschaft mbH 20 .... Heißes Pflaster
Finkenstr. 10 5.2 Hans-Josef Endres | Sebastian Spierling
D–68623 Lampertheim Anpassung der Städte an den Klimawandel | Venkateshwaran Venkatachalam
Telefon: 06206 939-0 40 .... Kunststoffe und Nachhaltigkeit
Telefax: 06206 939-232 3.2 Siegfried Raasch | Björn Maronga Ein Widerspruch?
Internet: www.alphapublic.de 22 .... Stadtklima im Wandel
5.3 Philipp Gilge | Jörg Seume
Titelabbildung Stadtplanung mit hochauflösenden 42 .... Instandsetzen statt neu beschaffen
Materialien: Simulationsmodellen
https://17ziele.de/downloads.html Nachhaltigkeit im Lebenszyklus
3.3 Tim Wenzel technischer Produkte
Das Forschungsmagazin Unimagazin 23 .... Forschungsprojekt KommKlima
erscheint zweimal im Jahr. Nachdruck 5.4 Studiengang
einzelner Artikel, auch auszugsweise, Wie kann Biodiversität im Klimawandel 43 .... Nachhaltige Ingenieurwissenschaft
nur mit Genehmigung der Redaktion. geschützt werden?
Für den Inhalt der Beiträge sind die Neuer Studiengang
jeweiligen Autoren verantwortlich. 4. Richard Hanke-Rauschenbach | Volker für die nachwachsende Generation
Schöber
26 .... LIFE2050 – Klimaschutz treibt uns an! 6. Benjamin Burkhard | Birte Bredemeier |
Energieforschung am Beispiel Wasserstoff Daniela Kempa | Emily Poppenborg Martin
44 .... Biodiverse, multifunktionale
4.1 Rolf Brendel Landschaften als Ziel
28 .... Siliziumsolarzellen mit Rekord Zum Konzept der Ökosystemleistungen
für mehr Nachhaltigkeit
Wirkungsgraden

4.2 Richard Hanke-Rauschenbach
29 .... „Ich glaube, dass Wasser eines Tages als

Brennstoff genutzt wird…“

2

Unimagazin • Ausgabe 1|2–2021 Impressum • Inhaltsverzeichnis

7. Wasser und Klimawandel: 11. Der Klimawandel aus
philosophischer und juristischer Sicht:
7.1 Kerstin Kremer | Steven Gronau | 11.1 Mathias Frisch
Eva Starke 66 ���� „A perfect moral storm“
48 ���� Das Menschenrecht auf Wasser im Blick Klimakrise und Philosophie
Wissenstransfer zur globalen Ressource 11.2 Claas Friedrich Germelmann
Wasser 68 ���� Klimagerechtigkeit
Anmerkungen aus juristischer Sicht
7.2 Jörg Dietrich | Prajna Kasargodu
Anebagilu 12. Students for Future | LUH for Future
50 ���� Nachhaltige Wasserwirtschaft 70 ���� Kein Greenwashing
Optimierung der Interaktion zwischen
Menschen und natürlicher Ressource Engagement der for-Future-Gruppen für
eine echte Transformation von Hochschulen
8. Ulrike Grote | Hermann Waibel
52 ���� Eine Schlüsselrolle für den Klimaschutz 13. Hans-Peter Braun | Christina von
Haaren
Forderungen nach einem Wandel in Land- 74 ���� Mission 2031!
wirtschaft und Ernährung Ziele und Visionen im Bereich
Nachhaltigkeit
8.1 Trung Thanh Nguyen
54 ���� Klimaschocks in Südostasien 78 ���� Die Autorinnen und Autoren

Erkenntnisse aus Thailand und Vietnam 84 ���� Personalia und Preise

8.2 Andreas Hahn
56 ���� „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“

Was Nachhaltigkeit in der Ernährung mit
Bertold Brecht zu tun hat

9. Georg Guggenberger | Jürgen Böttcher
58 ���� Organische Bodensubstanz

Nachhaltige Speicherung von Kohlenstoff
und Stickstoff

10. Birgit Gehrke | Ulrich Schasse |
Stephan Thomsen
62 ���� Umweltschutz als Wirtschaftsfaktor
Technologien zum Schutz von Klima und
Umwelt haben großes Wachstumspotenzial

3

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Ringvorlesung

Mission 2031:
Zukunft denken – nachhaltig handeln

08.06.2021, 17 Uhr
Nachhaltigkeit:
Von globalen Konzepten zu Strategien für die Leibniz Universität

Prof. Dr. Christina von Haaren, Institut für Umweltplanung

15.06.2021, 17 Uhr
Den Klimawandel verstehen

Prof. Dr. Gunther Seckmeyer,
Institut für Meteorologie und Klimatologie

29.06.2021, 17 Uhr
Stadtklima im Wandel

Dr. Björn Maronga,
Institut für Meteorologie und Klimatologie

07.07.2021, 17 Uhr
Landnutzung und Ernährung neu gedacht

Prof. Dr. Ulrike Grote,
Institut für Umweltökonomie und Welthandel

13.07.2021, 17 Uhr
Bewertung von Nachhaltigkeit

Prof. Dr. Hans-Josef Endres, Institut für Kunststo - und Kreislauftechnik

20.07.2021, 17 Uhr
Die Rolle von Wassersto bei der Nutzung von erneuerbaren Energien

Prof. Dr. Richard Hanke-Rauschenbach, Institut für Elektrische Energiesysteme

Alle Termine finden als Online-Vorlesung statt. Die Ringvorlesung ist kostenfrei und ohne
Anmeldung frei zugänglich. Nähere Infos zu den Themen und Vortragenden unter:

www.uni-hannover.de/ringvorlesung-nachhaltigkeit

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Nachhaltigkeit

Von globalen Konzepten zu Strategien für die Leibniz Universität

Vizepräsidentin Prof. Dr. Mission 2031: Die Leibniz Universität soll klimaneutral werden
Christina von Haaren vom
Institut für Umweltplanung, 1
zuständig für Internationales
und Nachhaltigkeit sowie der Das Konzept der Nachhaltig­ so dass es notwendig ist, in je­ standen werden kann, welche
Vorsitzende der Senats AG keit ist im Laufe seiner Ent­ dem Anwendungsfall noch Zielkonflikte in dem Konzept
Nachhaltigkeit Prof. Dr. wicklung von unterschiedli­ einmal klarzustellen, welche schlummern können und wel­
Hans-Peter Braun vom Institut chen Seiten und Interessen­ Aspekte jeweils betont und che Legitimität die Nachhal­
für Pflanzengenetik stellen gruppen mit vielfältigen implementiert werden sollen. tigkeitsziele für uns entfalten.
mit diesem Beitrag das Thema Zielen und Gewichtungen Für die Entwicklung an der Damit bereiten wir den Hin­
ausgefüllt und interpretiert Leibniz Universität Hannover tergrund für die Einordnung
des Unimagazins vor. worden. Wir können keines­ wollen wir dazu im Folgenden der aktuell an der LUH durch­
Sie erläutern das Konzept wegs auf eine rigorose Be­ einen Vorschlag ableiten, der geführten Forschungsprojekte
Nachhaltigkeit und zeigen auf, schreibung im wissenschaft­ darauf zurückgreift, was un­ zu unterschiedlichen Nach­
was bestehende Forscherteams lichen Sinne zurückgreifen, ter Nachhaltigkeitszielen ver­ haltigkeitsthemen, die bei­
an der Leibniz Universität

Hannover leisten und
was in Planung ist.

Abbildung 1

Das Welfenschloss,
Hauptgebäude der LUH.
Foto: Hans-Peter Braun

6

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

spielhaft in diesem Heft dar­ Ökologische, ökonomische ungeschmälert an die künfti­
gestellt sind, aber auch für und soziale Ziele wurden als gen Generationen zu überge­
eine zukünftige Nachhaltig­ grundsätzlich vereinbar be­ ben sei. Das Drei­Säulen­Mo­
keitsstrategie der Universität, trachtet und sollten nicht ge­ dell wurde als Plattform ge­
welche über die Forschung geneinander ausgespielt wer­ sehen, die der Legitimierung
hinausreicht. den. Daraus entstand das und Verschleierung der globa­
Drei­Säulen­Modell der Nach­ lisierten neoliberalen Politik
Die Entwicklung globaler haltigkeit, das bereits früh kri­ diene. Dies ist nicht ganz von
Nachhaltigkeitskonzepte tisiert wurde, da es zwar die der Hand zu weisen, denn tat­
Priorität der Ökonomie in der sächlich geht der Ansatz der
Bereits im Jahre 1713 entwi­ globalen Entwicklung brechen UN von der Annahme aus,
ckelte der Förster Hans Carl wollte, aber davon ausging, dass Armut Umweltzerstö­
von Carlowitz die Idee, den dass die Ziele einer ökologi­ rung verursacht und diese
Wald langfristig und verant­ schen, sozialen und ökonomi­ deshalb zu bekämpfen sei, in­
wortungsbewusst zu bewirt­ schen Nachhaltigkeit grund­ dem Armut reduziert wird,
schaften („nachhaltende Nut­ sätzlich gleichgestellt und was wiederum wirtschaftli­
zung“) und die natürlichen harmonisierbar seien. Damit ches Wachstum und globale
Ressourcen nicht durch kurz­ wurde die zuvor vorherr­ Märkte erfordert.
fristig ausgerichtetes ökono­
misches Handeln zu übernut­ „Sustainable development meets the needs
zen. In der Folge und vor al­ of the present without compromising
lem seit der Mitte des 20. Jahr­
hunderts gab es eine Vielzahl the ability of future generations to meet
von Konzepten in diese Rich­ their own needs“
tung, die durch zunehmende
Umweltkrisen getrieben, den schende Auffassung einer In­ Im Jahre 2015 wurden durch
Umweltschutz in den Vorder­ kompatibilität dieser Ziele die Vereinten Nationen 17
grund rückten und vielfach durch ein neues Paradigma Nachhaltigkeitsziele (Sustai­
ein Ende des Wirtschafts­ ersetzt. In der ökonomischen nable Development Goals,
wachstums forderten, so zum Diskussion um das Konzept SDGs) festgelegt, die – thema­
Beispiel der Club of Rome wurde vielfach von einer weit­ tisch gegliedert und ergänzt
1972 mit den Grenzen des gehenden Substituierbarkeit durch Indikatoren – Maßstäbe
Wachstums. Eingang in die der Belange untereinander für die nachhaltige Entwick­
internationale Debatte über ausgegangen – eine Auffas­ lung in und zwischen den ein­
Entwicklungs­ und Umwelt­ sung, die später auch „Schwa­ zelnen Staaten aufzeigen.
politik und die breite gesell­ che Nachhaltigkeit“ genannt Auch in den dort formulierten
schaftliche Diskussion fand wurde. Demgegenüber wurde konkreteren Zielen, die über­
der Nachhaltigkeitsgedanke im Konzept der „Starken wiegend bis 2030 erreicht wer­
aber erst mit dem 1987 ver­ Nachhaltigkeit“ vorausge­ den sollen, wird davon ausge­
öffentlichten „Brundlandt­ setzt, dass der Bestand an Na­ gangen, dass Zielkonflikte
Report“ der Weltkommission turressourcen nicht monetär auflösbar sind, zum Beispiel
für Umwelt und Entwicklung. kompensierbar und materiell der zwischen Wirtschafts­

Die dort gefundene Definition
wurde zum Ausgangspunkt
aller folgenden Interpretatio­
nen von Nachhaltigkeit (siehe
Zitat).

7

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

wachstum einerseits (gefor­
dert werden mindestens 7 Pro­
zent in den gering entwickel­
ten Ländern) und dem Schutz
des Klimas und der Biodiver­
sität andererseits. In der Reali­
tät zeigte sich jedoch, dass in
den vergangenen Jahren, trotz
der von der großen Mehrheit
der Staaten getragenen Ziele,
die Entwicklung gegenläufig
zu der gewünschten Umkehr
der Trends in Verkehr, Res­
sourcenverbrauch, Treibhaus­
gasemissionen, Landnut­
zungsintensivierung, Urbani­
sierung, etc. verlief, mit den
entsprechenden irreversiblen
Verlusten an Naturressourcen,
Ökosystemleitungen für den
Menschen und Biodiversität.

Abbildung 2 In der Konsequenz erweist
sich auch für die SDGs, dass
Deutlich zu erkennen: Die Be- ein politisches und staatliches
schleunigung der sozio-ökonomi- Eingreifen vor allem zur Er­
schen und Erdsystem-Trends. haltung und Verbesserung der
Quelle: Ripple et al. 2020 Naturressourcen und sozialen
Bedingungen notwendig ist,
die offensichtlich nicht „von
selbst“ durch die „unsichtbare
Hand des Marktes“ geschützt
sind.

Zwar sind die SDGs nicht 2 auf der lokalen Ebene spezifi­
direkt für die Staaten verbind­ ziert einen Maßstab für eine
lich, aber gerade im Umwelt­ nicht quantifiziert oder kon­ lokale nachhaltige Entwick­
bereich werden viele von ih­ kret normiert. Doch selbst lung bilden. Dieses Prinzip
nen durch bestehendes inter­ wenn Staaten diese Normen findet seinen Ausdruck auch
nationales Recht mit einem nicht in nationale Gesetzge­ in dem populären Motto:
hohen Legitimitätsgrad abge­ bung überführt haben, kön­ „Think globally, act locally“.
bildet. Eigentlich sind die nen diese Normen aufgrund
Staaten zur nationalen Kon­ ihrer hohen Legitimität ubi­ Eine neue in der Zeitschrift
kretisierung dieses Rechts quitär als globale Mindestan­ Science erschienene Analyse
verpflichtet. Allerdings ist das forderungen für den Umwelt­
internationale Umweltrecht schutz angesehen werden, die
selten sanktionsbewehrt und
häufig von geringer Spezifität,
also vielfach generell und

8

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

gungen wie demographischer
Wandel, ökonomischer und
technischer Wandel, Instituti­
onen und Governance sowie
Konflikte und Epidemien, an­
setzen. Dabei würde eine Re­
gionalisierung von Wirtschaft
und Politik die Umsetzung
des Schutzes der Naturres­
sourcen und die Verkleine­
rung der Schere zwischen
Arm und Reich eher hemmen.
Die regionale Konkurrenz
führe voraussichtlich eher zu
einer Senkung von Umwelt­
und Sozialstandards als zum
Gegenteil. Erfolgreiche Pfade,
um die SDGs zu erreichen,
beinhalten zum Beispiel eine
sehr schnelle Einführung er­
neuerbarer Energien (ohne
Energiepflanzenanbau), Na­
turschutz, Restaurierung de­
gradierter Ökosysteme, Trans­
formation von Produktions­
und Lieferketten, Umstellung
von Ernährungsgewohnhei­
ten sowie Abfallrecycling.

verschiedener explorativer Schluss, dass die Ziele er­ Um für diese Veränderungen
und zielorientierter Szenarien reichbar, aber weitreichende aber Rahmenbedingungen zu
betont die Schlüsselrolle der transformative Maßnahmen schaffen, unter denen eine
Biosphäre für alle Funktionen notwendig sind. Diese müs­ reale Umsetzungschance be­
der Ökosysteme und die Not­ sen nicht nur auf die direkten steht, muss auch an indirek­
wendigkeit eines Nexus­An­ Treiber der Entwicklung (wie ten Treibern angesetzt und
satzes, der die Synergien aber Landnutzungswandel, Klima­ zum Beispiel Wissen und Bil­
auch Konflikte zwischen den wandel…) abzielen, sondern dung sowie nachhaltige Werte
Zielbereichen beleuchtet. Die auch an den indirekten Trieb­ und Vorstellungen eines gu­
Analyse kommt zu dem kräften, den Rahmenbedin­ ten Lebens ebenso gefördert
werden, wie die Internalisie­
rung externer Kosten, eine Re­
form des Finanzwesens, die
nachhaltige Investitionen be­
fördert, umweltfreundliche
Technologien und Innovatio­
nen sowie die Veränderung
von Rechtssetzung und An­
reizinstrumenten unter dem
Primat der Nachhaltigkeit.

9

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Nachhaltigkeit in Deutschland der letzte Zentner fossilen Brenn- zung verhindern et cetera.
stoffs verglüht ist». Diese, die gesellschaftlichen
In Deutschland spiegeln sich Bedingungen spiegelnden Re­
auf allen politischen Ebenen Zwischen den Leitspruch glo- striktionen deutlich aufzuzei­
die gleichen Probleme wie auf bal denken – lokal handeln schie­ gen, wird ein wichtiger Teil
der globalen Ebene. Der Sach­ ben sich, trotz der relativ gut der Nachhaltigkeitsarbeit ei­
verständigenrat für Umwelt­ ausgebildeten deutschen Sozi­ ner Universität sein.
fragen (SRU) konstatierte im al­ und Umweltgesetzgebung,
Jahre 2020, dass das doppelte häufig Umsetzungsbedingun­ Dennoch besteht durch die
Ziel der Einhaltung der plane­ gen, die eine Reduktion von spezifische Verfasstheit der
taren Belastungsgrenzen und CO2­ Emissionen noch immer Universität und die hohe in­
der Sicherung eines Lebens nicht ökonomisch attraktiv trinsische Motivation ihrer
in Würde für alle Menschen machen, sozial­ und umwelt­ Mitglieder die Chance, sie –
nicht erreicht wird. Die Wirk­ freundliche Technik verteu­ im Rahmen des Möglichen –
samkeit der Ziele zerrinnt „… ern, weil externe Kosten bei zu einem Leuchtturm der
in der alltäglichen politischen den konventionellen Techni­ Nachhaltigkeit zu machen,
Auseinandersetzung allzu oft ken nicht eingepreist werden, der in die Gesellschaft aus­
aufgrund verschiedener Res­ Arbeitsplatzabbau ökonomisch strahlen und innovative Lö­
sortzuständigkeiten, scheitert belohnen oder einen nachhal­ sungen exemplarisch für an­
an einem Mangel an Durch­ tigen Konsum den idealisti­ dere Bereiche entwickeln
setzung und Sanktionen so­ schen Begüterten vorbehalten. kann. Dabei wird es im We­
wie am fehlenden politischen sentlichen darum gehen, den
Willen. Viele Ziele sind nicht Nachhaltigkeit an der Nachhaltigkeitsgedanken
ambitioniert genug, werden Leibniz Universität Hannover querschnittsorientiert in allen
absehbar nicht erreicht und relevanten Bereichen zu ver­
sind zu wenig in der Gesamt­ Wenn eine Universität wie die ankern und darauf zu setzen,
architektur der Politik veran­ LUH sich auf den Weg macht, dass durch Informationen und
kert. Trotz einer Vielzahl an die Nachhaltigkeitsziele in Anreize Aufgaben und Lösun­
Einzelmaßnahmen und Erfol­ ihrer Institution zu verwirk­ gen neu reflektiert und anders
gen in Teilbereichen addiert lichen, muss sie diese Rah­ umgesetzt werden.
sich die Nachhaltigkeitsstrate­ menbedingungen bewusst
gie insgesamt nicht zu den einbeziehen. Vielfach entste­ Da an der LUH insgesamt
notwendigen Veränderungen hen zusätzliche Kosten, die bereits eine gute Situation be­
auf“. In pessimistischer Sicht bei einem begrenzten und so­ züglich der Vertretung von
könnte man meinen, dass gar sinkenden Budget schwer sozialen Belangen, Gleichstel­
noch immer gilt, was Max aufzubringen sind. Auch ist lungs­ und Diversitätsfragen
Weber zu Beginn des 20. Jahr­ Kommunikation notwendig, und Lebensqualität am Ar­
hunderts konstatierte, näm­ um alle relevanten Bereiche beitsplatz besteht, wird ein
lich, dass «der mächtige Kosmos auf die neuen Zielsetzungen Schwerpunkt der Entwick­
der modernen, an die technischen einzustimmen. Es muss aus­ lung eines nachhaltigen Cam­
und ökonomischen Vorausset- gelotet werden, wo Chancen pus in der Zukunft voraus­
zungen mechanisch-maschineller bestehen, Nachhaltigkeitsziele sichtlich auf dem Umweltbe­
Produktion gebundenen Wirt- unmittelbar mit einem mate­ reich liegen, der allerdings mit
schaftsordnung … [,der] heute riellen oder immateriellen Ge­ den sozialen und ökonomi­
den Lebensstil aller Einzelnen, winn für die Universität zu schen Belangen abzugleichen
die in dieses Triebwerk hineinge- verwirklichen, wo zusätzliche ist. Das beinhaltet auch die
boren werden … mit überwälti- Kosten entstehen, wo rechtli­ Herausarbeitung von nicht
gendem Zwange bestimmt und che Regelungen die Umset­ harmonisierbaren Zieldispa­
vielleicht bestimmen wird, bis riäten. In der Forschung wird

10

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

es selbstverständlich Bereiche werden kann (gegebenenfalls gebenenfalls möglich, Regeln Auf Literaturangaben musste in diesem Ar-
geben, die vom Nachhaltig­ werden spezielle Fördermittel und Anreize einzuführen, die tikel verzichtet werden. Interessierten Lese-
keitsthema nicht berührt sind. generiert werden müssen, um wünschenswert, aber in der rinnen und Lesern wird gerne eine Liste mit
So hat die „Astrophysik nichts längere Amortisationszeiten Gesellschaft noch nicht etab­ Hintergrundliteratur zur Verfügung gestellt.
mit Nachhaltigkeit zu tun, au­ für Investitionen auszuglei­ liert sind. Dabei könnte es sich Kontakt: [email protected]
ßer dass sie zeigt, dass es kei­ chen). In der Lehre wird der­ um ein breites Accounting des
nen Planeten B gibt“ (Joachim zeit ein Studiengang für nach­ Energie­, Natur­ und Ressour­
Escher). In vielen stärker an­ haltiges Ingenieurwesen bei­ cenverbrauchs handeln, in
gewandten Natur­ und Inge­ spielhaft konzipiert, der auf Kombination mit Steuerungs­
nieurswissenschaften könnten andere Studiengänge ausstrah­ elementen, die zum Beispiel
aber die Umwelt­ und Sozial­ len wird. Eine Umstellung der CO2 Emissionen für die Ak­
wirkungen schon bei der Ent­ Verpflegung der Studierenden teure der Universität durch
wicklung einer neuen Techno­ und des Personals unter Ein­ eine „Abgabe“ wirksam ver­
logie bedacht werden. Dies er­ beziehung der Lieferketten teuern – Finanzmittel, die von
fordert eine intensive interdis­ und die Entwicklung der Bio­ der LUH Leitung wieder ein­
ziplinäre Zusammenarbeit, diversität auf dem Campus er­ gesetzt werden könnten, um
für die in der LUH durch ihre scheinen ebenfalls als greifba­ die Institute beim Einsatz
breite Aufstellung und in den re Ziele. Dies gilt auch für die energiesparender Technik zu
Forschungszentren hervorra­ Weiterentwicklung und Ver­ unterstützen oder die bei den
gende Ausgangsbedingungen netzung der bereits bestehen­ Forschungsförderinstitutionen
geboten werden. Die Studie­ den breiten Forschung zu fast in Anschlag gebracht werden
renden können in allen Berei­ allen Nachhaltigkeitsthemen, können. Internationale Netz­
chen der Ausbildung mit den wie in diesem Heft exempla­ werke bieten die Möglichkeit,
Nachhaltigkeitsimplikationen risch dargestellt. Und schließ­ voneinander zu lernen und
vertraut gemacht werden, In­ lich kann zeitnah die Kommu­ Best Practices sowie innovati­
klusivität kann bei der Wel­ nikation der Ergebnisse in Po­ ve, internationale Forschung
come­Kultur, in der Lehre und litik und Gesellschaft mit neu­ auch für die Region Hannover
wissenschaftlichen Zusam­ en Wegen der Übersetzung zugänglich zu machen.
menarbeit gefördert und der wissenschaftlicher Erkenntnis­
Campus zu einem Ort des se für die breite Öffentlichkeit In diesem Heft wollen wir de­
Wissenstransfers und des Ler­ begonnen werden. monstrieren, wo Nachhaltig­
nens über nachhaltige Innova­ keitsforschung an der Leibniz
tionen entwickelt werden, der Solche Aktivitäten erfordern Universität Hannover, insbe­
in die Gesellschaft der Region gleichzeitig eine stärkere Inte­ sondere in Verknüpfung von
ausstrahlt. Netzwerke mit Un­ gration von Entscheidungs­ Nachhaltigkeitszielen, bereits
ternehmen, Bürgerschaftsor­ prozessen horizontal über die existiert. Die Zusammenarbeit
ganisationen, Verwaltung und Verwaltungssegmente hinweg an den Beiträgen dient dabei
Politik können genutzt wer­ und vertikal über die Ent­ dazu, bestehende interdiszip­
den, um gemeinsam innovati­ scheidungsebenen. Wie schon linäre Forscherteams vorzu­
ve Lösungen zu entwickeln. vielfach praktiziert kann den stellen, aber auch bisher nicht
unteren Ebenen, den Institu­ kooperierende Partner zusam­
Konkrete und aktuell umsetz­ ten, Spielraum für Innovation menzubringen.
bare Ansatzpunkte zur Ver­ und Kreativität bezüglich der
besserung bieten sich zum Bei­ Umsetzung eingeräumt wer­ Prof. Dr. Christina
spiel bei der Erzeugung erneu­ den, solange dies innerhalb von Haaren und Prof. Dr.
erbarer Energien auf dem der Leitplanken der universi­ Hans-Peter Braun
Campus, wo die innovative tätsweiten Ziele geschieht. ´ Infos und Kontaktdaten
Forschung an der LUH für die Im Mikrokosmos der Leibniz
Lösungsfindung eingesetzt Universität wäre es ferner ge­ ab Seite 78

11

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Von der Vision zur Transformation

Bildung für nachhaltige Entwicklung macht (Hoch-)Schule

Nur durch eine umfassende Hochwertige Bildung able Development: Towards stellt. Davon wird im Folgen-
Bildung ist gewährleistet, an (Hoch-)Schulen achieving the SDGs) gestartet den BNE als Querschnitts-
dass Lernende die notwendigen (Meyer und Eberth im unima- thema in Forschung, Lehre
Kenntnisse und Qualifikationen Der Nationale Aktionsplan gazin 03/04 2020). Die 17 SDGs und Transfer fokussiert. Als
Bildung für nachhaltige Entwick­ sind damit in diesem Jahr- prioritäre Handlungsfelder
zur Förderung einer lung (BNE) von 2017 stellt das zehnt die zentrale Orientie- von BNE werden damit die
nachhaltigen Entwicklung Sustainable Development Goal rung für BNE. ganzheitliche Transformation
erwerben, um diese dann (SDG) 4 einer hochwertigen von Lern- und Lehrumgebun-
Bildung in den Mittelpunkt. Hierauf möchte dieser Beitrag gen und die Kompetenzent-
auch umzusetzen. Hierbei geht es vor allem um eingehen und zugleich zwei wicklung bei Lehrenden und
das Unterziel 4.7, in dem BNE Beispiele für BNE in der Lehre Multiplikatoren beleuchtet.
Prof. Christiane Meyer als eigenständiges Hand- an der LUH aus der Perspek-
vom Institut für Didaktik der lungsfeld definiert wird (siehe tive von Studierenden präsen- Um Menschen zu zukunftsfä-
Naturwissenschaften erläutert Kasten). BNE ist damit in ver- tieren. higem Denken und Handeln
die Hintergründe und zeigt mit schiedenen Bildungsbereichen zu befähigen, einhergehend
Bartlett Warren-Kretzschmar durch entsprechende Maß- BNE an der Hochschule mit einer gesellschaftlichen
nahmen zu realisieren, unter Transformation, gibt es ver-
vom Institut für Umwelt- anderem in der Bildung an BNE ist ein ganzheitlicher An- schiedene Ansätze. Hierzu
planung zwei Beispiele Hochschulen und Schulen. satz, der die gesamte Instituti- gehört beispielsweise die so-
aus der Lehre an der Mit der Vision einer „Trans- on betrifft. Daher wird von genannte „Transformative
formation unserer Welt“, die einem „Whole Institution Ap- Literacy“ als Fähigkeit, Trans-
Leibniz Universität sowie die von den Vereinten Nationen proach“ gesprochen [NAP formationsprozesse zu verste-
Perspektive der Studierenden. in der Agenda 2030 verab- 2017, S. 100]. „Was eine Hoch- hen und sich selbst aktiv in
schiedet wurde (Resolution: schule zu einem Lernort für diese einzubringen. Sie knüpft
A/RES/70/1), ist dies gleicher- nachhaltige Entwicklung und an die Wissensformen Sys-
maßen eine Aufgabe und zukunftsfähiges Handeln tem-, Ziel- und Transformati-
große Herausforderung. macht“ [DUK 2018], zeigt Ab­ onswissen an, wie in Abbil­
bildung 1 exemplarisch mit Be- dung 2 dargestellt. Werte, die
Nach dem UNESCO-Welt- zug auf die Leibniz Universi- verinnerlicht wurden und das
aktionsprogramm für BNE tät Hannover auf. Es werden Handeln leiten, beziehungs-
(2015-2019) ist 2020 ein neues vier Bereiche einer „Nachhal- weise den Wandel gestalten,
UNESCO-Programm „BNE tigkeit 360°“ [ebd.] herausge- sind dabei eine zentrale Orien-
2030” (Education for Sustain- tierung.

Unterziel 4.7 der Ziele nachhaltiger Entwicklung
der Vereinten Nationen, 2015

„Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen
Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger
Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für
nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen,
Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des
Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die
Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kul-
tur zu nachhaltiger Entwicklung“. [NAP 2017, S. 7]

12

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Abbildung 1

Bildung für nachhaltige

Entwicklung an der LUH

1 (in Anlehnung an DUK 2018)
Entwurf: C. Meyer

Im Zusammenhang mit BNE zogen auf erlernte Denk-, (Mind Behaviour Gap). Für
ist es wichtig, Werte, Einstel- Fühl- und Handlungsmuster BNE und die Entwicklung von
lungen und Handlungsmuster sowie das Hinterfragen von Gestaltungskompetenz bedeu-
kritisch zu reflektieren. Hier- Selbst- und Weltbildern. tet dies, dass reaktives Lernen
auf zielt transformative Bil- nicht zielführend ist.
dung beziehungsweise trans- Zahlreiche Studien haben be-
formatives Lernen als weiterer legt, dass Wissen über eine Wie Abbildung 3 zeigt, bleibt
Ansatz von BNE ab. Transfor- nachhaltige Entwicklung es dann bei den gewohnten
mation bedeutet dann eine nicht mit einem entsprechen- Handlungsmustern. Es ist so-
zunehmende Reflexivität be- den Handeln einhergeht mit wichtig, dass in der Hoch-

2 Abbildung 2
Wissensformen einer Trans­

formative Literacy am Beispiel

von SDG 12: Nachhaltige/r

Produktion und Konsum.

Entwurf: C. Meyer

13

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Abbildung 3 3

Reaktives Lernen
Entwurf: C. Meyer

schullehre durch geeignete sere Gruppe entschied sich, den an der Uni zahlreiche Ein-
Methoden Lernprozesse ange- das SDG 12: „Verantwortungs- wegkaffeebecher verkauft und
stoßen werden, die ein tiefer- voller Konsum und Produk- anschließend weggeschmis-
gehendes Lernen mit sich tion“ und das SDG 13: „Maß- sen, Mülltrennung wird je-
bringen, wie es in Abbildung 4 nahmen zum Klimaschutz“ doch noch kaum betrieben.
dargestellt wird. Für die Lehre am Beispiel des Umgangs der Die Studierenden könnten
ist zudem zu berücksichtigen, LUH mit Nachhaltigkeit zu hier durch die Verwendung
dass Lehrende und Multipli- vertiefen. von Mehrwegbechern Ein-
katoren, aber auch Studieren- fluss nehmen und zumindest
de als „Change Agents“ zu ei- Um das SDG-Video authen- die Müllproduktion an der
ner gesellschaftlichen Trans- tisch zu gestalten, haben wir Uni verringern.
formation beitragen. an unsere alltäglichen Erfah-
rungen angeknüpft. Diese Um unsere Gedanken und
An zwei konkreten Beispielen Wahl war, denke ich, eine sehr Ideen an die Lebenswelten an-
wird dies im Folgenden aufge- geeignete, da wir uns sowohl derer Studierender anzuknüp-
zeigt. mit den Handlungen der Uni- fen, haben wir in dem Video
versität auf institutioneller einen fiktiven Uni-Tag einer
Beispiel 1: „Sustainable Ebene als auch auf Ebene der Studentin im IST-Zustand und
Development Goals umsetzen Studierenden auseinander- einen im von uns angestrebten
– Globale Herausforderungen setzten. SOLL-Zustand filmisch darge-
und Lösungsansätze in unserer stellt. Wir wollten damit errei-
Region“ Wir haben im Laufe des Ar- chen, dass auf Grundlage die-
beitsprozesses nicht nur mit- ses Videos Reflexionsprozesse
Seminar für Studierende im tels Interviews Daten gesam- angestoßen werden, welche
Fächerübergreifenden Bache- melt und analysiert, sondern alltäglichen Möglichkeiten es
lor im Sommersemester 2019 die Informationen verglichen, gibt, um nachhaltiger zu han-
Carla Hermanussen, Studentin ausgewertet und interpretiert. deln (das SDG-Video „Nach-
im Master Lehramt an Gym- Parallel dazu haben wir uns haltige LUH“ kann auf der
nasien (Geographie, Deutsch) Gedanken gemacht, wie die Website www.sdg-education.
LUH nachhaltiger werden net eingesehen werden).
Dass BNE in den Lehrveran- könnte.
staltungen der Didaktik der Beispiel 2: „Sustainable LUH
Geographie stets präsent ist, Wir haben aber nicht nur Campus 2050: Building a
lässt sich in den angebotenen Nachhaltigkeit an der LUH Consensus“
Seminaren erkennen, die alle hinterfragt, sondern auch un-
zumindest teilweise einen Fo- ser eigenes Handeln diesbe- Master-Projekt am Institut
kus auf BNE legen. Im Rah- züglich. Dadurch wurde uns für Umweltplanung, Winter-
men dieses Seminars, das bewusst, dass unser Handeln semester 2019-20
mich besonders geprägt hat, auch in Bezug auf die Nach- Dr. Bartlett Warren-Kretz-
wurden in selbst erstellten haltigkeit der Universität Aus- schmar, Imke Demitz, Jaclyn
Kurzvideos ausgewählte wirkungen hat und wir diese Huang, Mareen Schlätel
SDGs für Schüler*innen, Stu- bestimmen können. Beispiels-
dierende, Lehrkräfte oder an- weise spielt die Müllproduk- In diesem Projekt hatten
dere Interessierte erklärt. Un- tion und -trennung hierbei Studierende die Möglichkeit,
eine große Rolle. Täglich wer-

14

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

„Change Agents“ in ihrer 4
Community zu werden. Als
Teil der Internationalen Geo- „Peers“ über die nachhaltige Prof. Dr. Christiane Meyer Abbildung 4
design Collaboration (IGC) Transformation ihres Campus und Dr.-Ing. Bartlett Warren-
entwickelten die Studierenden angestoßen werden. Kretzschmar MLA Tiefergehendes Lernen
„Scenarios for Change“ für ´ Infos und Kontaktdaten Entwurf: C. Meyer
den LUH-Campus, welche die Aus der Sicht
Ziele der UN Sustainable De- der Studierenden... ab Seite 78
velopment Goals (SDG) adres-
sieren. Von der IGC werden Das Projekt hat unser eigenes Literatur
150 Universitäten koordiniert, Sichtfeld und Verständnis
um Antworten auf dringliche von Nachhaltigkeit erweitert, [1] DUK: Deutsche UNESCO-Kommissi-
lokale, regionale und globale das in unserem Studium vor on (2018). Nachhaltigkeit 360° – in der
Herausforderungen zu ent- allem durch ökologische As- Hochschule. https://www.bne-portal.
werfen. Die Studierenden erar- pekte geprägt wird. Der inter- de/files/BNE_Handreichungen%20Bil-
beiteten in einem interdiszipli- disziplinäre Diskurs mit Stu- dungsbereich%202018_Nachhaltig-
nären Workshop mit anderen dierenden aus anderen Fach- keit_Hochschule_web.pdf
LUH-Studierenden, Fakultäts- gebieten hat gezeigt, dass
mitgliedern und lokalen nicht nur wir als „Change [2] DUK: Deutsche UNESCO-Kommission
Vertretern*innen von Stadt Agents“ anderen Disziplinen (Hrsg.) (2014). UNESCO Roadmap zur
und Region Hannover Szena- unser Wissen über ökologi- Umsetzung des Weltaktionsprogramms
rien für einen nachhaltigen sche Nachhaltigkeit vermit- „Bildung für nachhaltige Entwicklung“.
Campus – anhand bestehen- teln müssen. Ebenso wichtig https://www.bmbf.de/files/2015_
der und geplanter Nachhaltig- war es für uns, Wissen und Roadmap_deutsch.pdf
keitsprojekte aus der Universi- Zielvorstellungen für nach-
tät, der Stadt Hannover und haltige Entwicklung aus öko- [3] NAP: Nationale Plattform Bildung für
der Region. Die Projekte be- nomischer und sozialer Sicht nachhaltige Entwicklung c/o Bun-
fassten sich zum Beispiel mit zu berücksichtigen. desministerium für Bildung und For-
der Förderung von Erneuerba- schung (Hrsg.) (2017). https://www.
rer Energie, Biodiversität, Mo- Darüber hinaus hat das Pro- bmbf.de/files/Nationaler_Aktionsplan_
bilität, Wasserinfrastruktur, jekt unser Wirkungsfeld deut- Bildung_für_nachhaltige_Entwick-
Wohnraum und nachhaltiger lich vergrößern. Grundlegend lung.pdf
Landwirtschaft. Eine zentrale (dafür) war aktives Engage-
Frage bei der Entwicklung ment für mehr Nachhaltigkeit.
eines nachhaltigen Campus So konnten wir viele Men-
war, wie die Standorte Garb- schen an der Universität er-
sen und Herrenhausen ver- mutigen, sich mit diesem The-
bunden werden können. ma auseinanderzusetzten. Die
Ergebnisse unseres Handelns
Mit Hilfe einer Entschei- als „Change Agents“ hat auch
dungsunterstützungssoftware uns bestärkt und motiviert.
– Geodesignhub (www.geode-
signhub.org) – diskutierten
die Workshop-Teilnehmenden
ihre Vorschläge und verhan-
delten einen Konsens für die
Vision eines nachhaltigeren
LUH-Campus bis 2050. Im
Anschluss an den Workshop
wendeten sich die Studieren-
den mit einer Umfrage an die
LUH-Gemeinschaft, um die
Akzeptanz ihrer Vision in der
Studentenschaft zu erkunden.
Die Studierenden erwarben
Wissen über Nachhaltigkeit,
indem sie vorgeschlagene Pro-
jekte recherchierten und loka-
le Expert*innen interviewten.
Durch die Organisation und
Durchführung des Workshops
konnten die Gedanken ihrer

15

©Teak Sato/www.sxc.hu Wir danken unseren
Förderinnen und Förderern:

BERDING BETON GmbH | BRANDI Bielefeld GbR | Bundesdruckerei GmbH | Cray-Stiftung | d-fine GmbH
| Dipl.-Ing. Jürgen Rehmer | Dirk Rossmann GmbH | Dr. Edelgard Bulmahn | DR. JOHANNES HEIDEN-
HAIN GmbH | Dr. Monika Spiller | Dr.-Ing. Daniel Beckmann | Ed. Züblin AG | enercity AG | ExxonMobil
Production Deutschland GmbH | FIH Fürst Immobilien Hannover GmbH | Fördergesellschaft des Lions
Club Hannover-Leinetal e.V. | Förderverein Soroptimist Club Hannover e.V. | Freunde der Herrenhäuser
Gärten e.V. | Hannoversche Volksbank eG | Hans Dederding GmbH | HARTING Stiftung & Co. KG | HDI
Group | HHE Consulting GbR | htm.a Hartmann Architektur GmbH | Ingeborg und Wolfgang Walther
Stiftung | Jörg Duensing und Dr. Silke Wißmann | Kanzlei am Döhrener Turm – Tönjes & Behn GbR |
Kjellberg-Stiftung | klasing karaçay klasing gbr | Leibniz Universitätsgesellschaft Hannover e.V. | Lenze
SE | LPKF Laser & Electronics AG | Magrathea Informatik GmbH | Mecklenburgische Versicherungs-
Gesellschaft a.G. | MKP GmbH | MTU Maintenance Hannover GmbH | Nil und Torhan Berke | NORD/LB
Norddeutsche Landesbank | Phoenix Contact GmbH & Co. KG | Prof. Dr. Michael Breitner | Prof. Dr.
Rainer Parchmann | Prof. Rolf Wernstedt | Rheinmetall AG | Rudolf Petzold Stiftung | Sartorius
Corporate Administration GmbH | Schweerbau GmbH & Co. KG | Silke Pauling | Sparkasse Hannover |
T+A elekroakustik GmbH & Co. KG | TÜV NORD GROUP | Verein Haus Schleswig-Holstein e.V. | VGH
Versicherungen – Landschaftliche Brandkasse Hannover | VHV Stiftung | Wilhelm Lindenberg

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17

M i s s i o n 2 0 3 1 Z u k u n f t d e n k e n , –n an ca hc h ah latlitgi gh ah na dn ed lenl n

Den Klimawandel verstehen

Meteorologie und Klimaforschung in Hannover

Die Zusammenhänge zwischen
Klimawandel, Ozonabbau und

UV-Strahlung werden von
Meteorologen, Atmosphären-

physikern, Atmosphären-
chemikern, Biologen und

Medizinern erforscht.

Prof. Seckmeyer vom 1 Im Pariser Klimaabkommen den zehn Jahren wirksame
Institut für Meteorologie und von 2015 hat die Weltgemein­ Anstrengungen begrenzt wer­
Der Zusammenhang von schaft vereinbart, die vom den können. Ansonsten wer­
Klimatologie erläutert, Klimawandel und Ozonabbau Menschen verursachte globale den große Regionen der Erde
warum die internationalen wird vor allem in der Meteo­ Erwärmung auf deutlich we­ nicht mehr bewohnbar sein,
Anstrengungen zur Begrenzung rologie beziehungsweise Phy­ niger als 2°C zu beschränken, selbst wenn sich einzelne Re­
des Ausstoßes klimawirksamer sik der Atmosphäre erforscht. um die daraus entstehenden gionen als „Klimagewinner“
Gase wesentlich verstärkt Prof. Seckmeyer vom Institut Schäden für Menschheit und verstehen. Bei uns und welt­
für Meteorologie und Klima­ Natur abzumildern. Die Leo­ weit wächst zudem der Gene­
werden müssen. tologie erläutert, warum die poldina, die Nationale Aka­ rationenkonflikt darüber, dass
internationalen Anstrengun­ demie der Wissenschaften, wir heute die Lebensgrund­
Die drei anschließenden gen zur Begrenzung des Aus­ schreibt, dass die Schäden lagen unserer Kinder und
Kurzbeiträge beschäftigen sich stoßes klimawirksamer Gase durch Abschmelzen von Kindeskinder aufbrauchen.
wesentlich verstärkt werden Schnee und Eis, Anstieg des Nicht zuletzt werden die Kos­
mit den Auswirkungen des müssen. Meeresspiegels, Ausweitung ten des Klimawandels weiter
Klimawandels auf den Städte- von Trockenzonen, Extrem­ dramatisch ansteigen. Es gibt
bau, das Stadtklima sowie die Die drei anschließenden wetter und steigender Verlust inzwischen einen breiten ge­
Kurzbeiträge beschäftigen von Artenvielfalt und Lebens­ sellschaftlichen Konsens dar­
Biodiversität in der Natur. sich mit den Auswirkungen räumen an Land und im Meer über, den Ausstoß von CO2
des Klimawandels auf den nur noch durch erhebliche möglichst umfassend und
Abbildung 1 Städtebau, das Stadtklima so­ und bereits in den kommen­ schnell zu reduzieren. Weni­
Messung der extremsten UV- wie die Biodiversität in der
Bestrahlung der Welt auf dem Natur.
Chajnantor Plateau (5100 m
Meereshöhe, 23°00’S, 67°45’W)
aufgebaut nach dem Vorbild der
UV-Messungen in Hannover.
Foto: Raul Cordero

18

M i s s i o n 2 0 3 1 Z u k u n f t d e n k e n , –n an ca hc h ah latlitgi gh ah na dn ed lenl n

ger bekannt ist die Wirkung schwere Schädigung der strengungen zur Begrenzung 2
anderer Spurenstoffe in der Ozonschicht vermieden wer­ des Ausstoßes klimawirksa­
Atmosphäre und deren kom­ den, so dass der damit ver­ mer Gase wesentlich verstärkt Abbildung 2
plexes Wechselspiel. bundene Anstieg der UV­Be­ werden müssen. Drittens, dass Das weltweit einmalige schnelle
strahlung keine katastropha­ es zur Bewältigung der Klima­ Strahlungsmessgerät AMUDIS
Der seit 1991 bestehende len Ausmaße angenommen krise – stabiler Rahmenbedin­ auf der Dachplattform des Insti-
und von der NASA initiierte hat. In der Wahrnehmung der gungen in der Wissenschaft tuts für Meteorologie. In der
Forschungsverbund „Network Öffentlichkeit sowie der Poli­ bedarf und dass es nicht klug schwarzen Kuppel befindet sich
for the Detection of Atmos­ tik entstand dadurch der Ein­ ist, nur auf der Basis relativ die Eingangsoptik mit 500 Licht-
pheric Composition Change druck, dass das Problem er­ kurzfristig zugesagter Finan­ wellenleitern, mit der die UV,
(NDACC)” ist ein globaler Zu­ folgreich gelöst wurde und zierung wie zum Beispiel den infrarote und sichtbare Strahlung
sammenschluß von mehr als man sich mit der Problematik Mitteln für die Exzellenzclus­ aus etwa 150 Himmelsrichtungen
90 Meßstationen, die qualitativ nicht mehr länger beschäfti­ ter zu planen. Meteorologie be­ hochaufgelöst und gleichzeitig
hochwertige Messungen der gen müsse. Dieser Eindruck ziehungsweise Physik der At­ erfasst werden kann.
atmosphärischen Zusammen­ könnte verkehrter nicht sein! Foto: Holger Schilke
setzung durchführen. Die ge­ Wir wissen inzwischen um mosphäre ist diejenige Diszip­
niale Idee ist, mit einer be­ Wechselwirkungen zwischen lin, die sich am engsten mit
grenzten Anzahl bodenge­ Ozonabbau und Klimawan­ dem Wissen über und den
stützter Messstationen, aber del. Im Jahr 2020 trat sowohl Wechselwirkungen zwischen
dafür qualitativ sehr hochwer­ über der Arktis als auch der Klima, Erde, Mensch und Wet­
tigen Instrumenten die Verän­ Antartktis jeweils ein Ozon­ ter beschäftigt. In Niedersach­
derungen der Atmosphäre zu loch von Rekordgröße auf. Bei sen werden Meteorolog*innen
erfassen und aus den Mess­ uns äußerte sich das Ozonloch und Klimaforscher*innen nur
daten Trends abzuleiten. Aus­ in Kombination mit den gerin­ in Hannover ausgebildet. Die­
sagen darüber, wie sich diese geren Staubkonzentrationen se Studiengänge zu schließen,
Veränderungen regional aus­ durch den Corona­Lockdown wäre angesichts der aktuellen
wirken, liefern dann umfang­ ebenfalls in erhöhten UV­ Herausforderungen schwer
reiche Datensätze, die aus Strahlungswerten. nachvollziehbar. Im Gegenteil
Satellitendaten abgeleitet wer­ müssten Forschung und Lehre
den, welche wiederum mit den NDACC unterstützt zudem gestärkt und ausgebaut wer­
Messwerten aus den Boden­ die Entwicklung neuer Mess­ den, da die Meteorologie auch
daten überprüft werden. techniken. Die Messung der in Zukunft die Grundlage für
spektralen Himmelstrahldich­ das Verständnis der globalen
NDACC ist anhand der Tech­ te, also der Spektren aus ver­ Prozesse in der Atmosphäre
niken bodengestützter Beob­ schiedenen Himmelsrichtun­ sein wird und im Hinblick auf
achtungsinstrumenten orga­ gen, ist von großer Bedeutung die Vermittlung von fundier­
nisiert. Der Autor ist seit 1995 für das Verständnis der Strah­ tem Wissen in anderen Fach­
Mitglied des Leitungsteams lung in der Atmosphäre. Bis­ disziplinen der Leibniz Uni­
und führt die UV­Gruppe, lang dauerte die komplette versität unverzichtbar zu einer
anfangs zusammen mit einem Messung einige Tage. Ein Ge­ nachhaltigen wissenschaftli­
neuseeländischen Kollegen rät, welches es ermöglicht den chen Zukunftsplanung gehört.
und später zusammen mit sei­ gesamten Himmel innerhalb
nen Schülern wie einem ehe­ einer Sekunde zu messen, ist Prof. Dr. Gunther Seckmeyer
maligen Doktoranden (siehe das multidirektionale Spekt­ ´ Infos und Kontaktdaten
Abb. 1), der heute als Professor roradiometer AMUDIS, siehe
in Santiago de Chile lehrt. Ein Abb. 2. Mit dieser neuen Mess­ ab Seite 78
wesentlicher Treiber für die möglichkeit ist Hannover der­
Etablierung des NDACC war zeit weltweit führend. Die
die Entdeckung des Ozon­ Messungen dienen außerdem
lochs im Jahr 1985. Praktisch der optimierten Ausrichtung
alle Staaten der Erde haben von Solaranlagen, womit ein
die Vereinbarungen zum Ver­ weiteres für die Nachhaltig­
bot der Flourchlorkohlenwas­ keit wichtiges Gebiet ange­
serstoffe (FCKW) unterzeich­ sprochen wird.
net. NDACC konnte seither
wie erhofft auch einen leich­ Was können wir daraus ler­
ten Rückgang der FCKW fest­ nen? Erstens, dass die mensch­
stellen, die außerdem auch lichen Aktivitäten in der At­
noch als sehr effektive Treib­ mosphäre immer wieder zu
hausgase Schaden anrichten. überraschenden Entwicklun­
Nur durch das Verbot der gen führen können. Zweitens,
FCKW konnte eine weitere dass die internationalen An­

19

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Heißes Pflaster

Anpassung der Städte an den Klimawandel

Selbst wenn es noch gelingen sollte, die Voraussetzungen wohnern an heißen Tagen als „Klimakomfortzonen“. Da­
zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens zu schaffen, rüber hinaus können Belüftungsschneisen, die in der städ­
muss in den kommenden Jahrzehnten mit erheblichen tischen Bebauung vorgesehen werden, die Zufuhr von Kalt­
Klimaveränderungen gerechnet werden. Negative Folgen luft aus dem Umland begünstigen.
sind vor allem in den Städten zu erwarten.
Für die Umsetzung dieser Maßnahmen bedarf es aber Flä­
Städte sind aufgrund ihrer hohen Dichte an Menschen, Bau­ chen, die auch für andere Nutzungen, insbesondere für den
werken und Infrastrukturen besonders anfällig für die Fol­ gegenwärtig priorisierten Wohnungsbau beansprucht wer­
gen extremer Temperaturen und Wetterereignisse. Zu nen­ den. Um diesen Zielkonflikt zu lösen sind von der Politik
nen ist zum einen die zu erwartende Zunahme von Hitze­ intelligente und weitsichtige Ansätze gefragt. Gleiches gilt
perioden, die sich gesundheitsschädigend auf Menschen für die baulichen Anpassungen an zukünftige Starkrege­
und Tiere auswirken kann
(bis hin zum vorzeitigen nereignisse, denn die gro­
Tod) sowie Flora und Was­ ßen Wassermengen müssen
serhaushalt belasten. Zum kurzfristig zurückgehalten
anderen können Stürme werden, damit sie kontrol­
und Starkregenereignisse liert der Kanalisation bezie­
Schäden an Gebäuden und hungsweise der Versicke­
technischen Infrastruktu­ rung zugeführt werden
ren verursachen und das können. Dafür bedarf es
Unfallrisiko im öffentlichen entsprechender Flächen in
Raum erhöhen. Die Beschä­ der Stadt. Außerdem sollte,
digung kritischer Infra­ wo immer möglich, städti­
strukturen (zum Beispiel scher Boden entsiegelt wer­
Krankenhäuser, Bahnhöfe, den, damit das Oberflä­
Kraftwerke etc.) kann weit chenwasser auf direktem
über die Stadtgrenzen hi­ Wege versickern kann.
naus zu Beeinträchtigungen
führen. Auch wenn Politik und Ver­

Die räumlichen und bauli­ waltung noch längst nicht
chen Eigenschaften unserer
Städte wurden nicht für alle Voraussetzungen für
diese extremen Bedingun­
gen ausgelegt und erschwe­ die genannten Anpassun­
ren sogar teilweise deren
Bewältigung. Das betrifft gen geschaffen haben, be­
zum Beispiel die dichte, vorwiegend aus mineralischen Ma­
terialien bestehenden Bebauung und die dunklen Asphalt­ steht in der Fachwelt Einig­
oberflächen der Straßen, die sich leicht aufheizen und die
Wärme speichern. Hinzu kommt die hohe Dichte an Wär­ Foto: Erik-Jan Ouwerkerk keit über deren Notwendig­
mequellen (wie zum Beispiel Verbrennungsmotoren, elekt­
rische Geräte, Klimaanlagen etc.) die das Stadtklima zu­ keit. Weniger Klarheit
sätzlich aufheizen.
besteht hingegen über die
Um Hitzeperioden zukünftig besser bewältigen zu können,
müssen die technischen und baulichen Eigenschaften der sozialen Folgen des Klima­
Städte angepasst werden. Beispielsweise kann durch helle
Farbgebung, Begrünung und Verschattung die Erhitzung wandels in den Städten. Werden die Risiken und die Kosten
mineralischer Oberflächen verringert werden. Grünräume
wirken ebenfalls temperatursenkend und dienen den An­ des Klimawandels sozial gerecht verteilt, oder führen sie zu

einer Vertiefung bereits bestehender Disparitäten? Wird der

Klimawandel neue Migrationsbewegungen auslösen und

wie werden sich diese auf unsere Städte auswirken? Hier

besteht auf Seiten der Wissenschaft noch erheblicher For­

schungsbedarf. Und auf Seiten von Politik und Planung

müssen entsprechende Maßnahmen und Instrumente ent­

wickelt werden, um auch die sozialen Folgen des Klima­

wandels in den Städten auffangen zu können.

Prof. Dipl.-Ing. Tim Rieniets
´ Infos und Kontaktdaten ab Seite 78

20

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Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Stadtklima im Wandel

Stadtplanung mit hochauflösenden Simulationsmodellen

Insbesondere in Großstädten leiden Menschen unter lokalen klimatischen Bedingungen in einzelnen Straßen
schlechter Luftqualität und den im Vergleich zum Umland entscheidend sein können. Auch die Wärmedämmungs-
höheren Temperaturen. Dieser sogenannte städtische eigenschaften der Gebäudewände werden berücksichtigt.
Wärmeinseleffekt wird durch den menschengemachten So zeigen die beiden Abbildungen die simulierten Tempera-
Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten noch erheblich turänderungen auf Fußgängerniveau, wenn sämtliche Ge-
zunehmen. bäude nach der EnEV 2014 (Energiesparverordnung) ge-
dämmt würden. Wegen der dann geringeren Wärmeauf-
Wie werden städtische Wärmeinseln in 10, 20 oder 30 Jah- nahme der Wände tagsüber sinken die Temperaturen in der
ren aussehen? Und wie kann die Stadtplanung auf die sich Nacht um bis zu 1 K. Am Tag steigen sie dagegen deutlich
daraus ergebenden Herausforderungen reagieren? Zur Be- an. Da die eingehende solare Strahlung dann weniger von
antwortung unter anderem dieser Fragen hat das IMUK den Gebäuden gespeichert wird, erhöhen sich die Wand-
(Institut für Meteorologie und Klimatologie) innerhalb des oberflächentemperaturen und heizen die Luft entsprechend
BMBF-Rahmenprogramms „Forschung für nachhaltige Ent- stärker auf. Diesem Effekt könnte wiederum durch Ände-
wicklung“ (FONA) ein neuartiges Stadtklimamodell entwi- rung der Gebäudealbedo (weiße Wände) oder durch Wand-
ckelt. Das Modell trägt den Namen PALM und ist dazu in begrünungsmaßnahmen begegnet werden. Auch diese
der Lage, Größen wie Wind, Temperatur und Schadstoff- Effekte können simuliert werden.

Temperaturänderung im Fußgängerniveau durch verbesserte Gebäudedämmung (links: Tag, rechts: Nacht). Simulation mit PALM für
den Ernst-Reuter-Platz (Berlin).

konzentration erstmals für komplette Großstädte bei gleich- Wegen seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten beginnen
zeitig extrem hoher räumlicher Auflösung im Meterbereich Behörden und Kommunen das Modell für stadtplanerische
vorherzusagen. Durch die sehr hohe Auflösung werden Fragestellungen einzusetzen. Darüber hinaus wird PALM
wichtige Einflüsse der Turbulenz der Luftbewegung kor- weltweit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
rekt berücksichtigt, die in früheren Modellen nur grob ab- zur Untersuchung von atmosphärischen Prozessen im ur-
geschätzt werden konnten. Das Modell beinhaltet zudem banen Bereich eingesetzt.
eine Vielzahl weiterer Prozesse und Effekte, wie zum Bei-
spiel den Schattenwurf von Gebäuden oder auch den Ein- Apl. Prof. Siegfried Raasch und Dr. Björn Maronga
fluss von Fassadenbegrünungen, die für die Bewertung der ´ Infos und Kontaktdaten ab Seite 78

22

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Forschungsprojekt KommKlima:

Wie kann Biodiversität im Klimawandel geschützt werden?

Der Klimawandel bedroht insbesondere Arten und Biotope Die Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen wird durch

der Feuchtlebensräume. In den heißen Sommern der ver­ ökologische Begleitforschungen durch das Institut für Um­

gangenen Jahre konnte dieser Effekt bereits deutlich beob­ weltplanung der Leibniz Universität Hannover unter der

achtet werden. Pflanzen, die auf feuchte Böden angewiesen Leitung von Herrn Prof. Dr. Michael Reich überprüft. Un­

sind verschwinden, Amphibien verlieren durch das Aus­ tersucht werden unter anderem das Vorkommen ausge­

trocknen von Kleingewässern ihren Lebensraum und in wählter Arten sowie Standortfaktoren, die für verschiedene

den trockenen Böden können Vogelarten wie der Kiebitz Artengruppen von Bedeutung sind. Für Wiesenvögel wird

oder die Uferschnepfe nicht mehr nach Nahrung stochern. beispielsweise die Stocherfähigkeit der Böden und das

Tieren und Pflanzen Nahrungsangebot

ist es zwar prinzipiell (anhand der Regen­

möglich, sich in kli­ wurmdichte) auf den

matisch besser geeig­ Maßnahmenflächen

neten Zonen neue untersucht.

Lebensräume zu er­

schließen; für die In der sogenannten

Wanderung benöti­ „Eingriffsregelung“

gen die meisten Arten (§§ 13ff. BNatSchG) ist

aber Zeit, die sie rechtlich festgelegt,

durch die hohe Ge­ wie Eingriffe in den

schwindigkeit des an­ Naturhaushalt kom­

thropogen beschleu­ pensiert werden müs­

nigten Klimawandels sen. Da die Kompen­

nicht haben. Zudem sation in der Regel

wird die Wanderung über mehrere Jahr­

durch menschliche zehnte wirksam sein

und natürliche Hin­ soll, muss der Klima­

dernisse, wie Straßen wandel bei ihrer Kon­

oder Bergketten, er­ zeption berücksich­

schwert. Um den Ver­ tigt werden. Unter

lust der Biodiversität der Leitung von Frau

zu verhindern, müs­ Kleingewässer im Bremer Feuchtgrünland mit Sumpf- und Röhrichtvege- Prof. Dr. Christina

sen ausgleichende tation, Foto: Christina Weiß von Haaren wird er­

Maßnahmen ergriffen forscht, welche me­

werden, welche die thodischen Anpas­

heutigen Lebensräume resilient gegenüber dem Klima­ sungen dazu notwendig sind. Es werden Tools zur Ab­

wandel machen. schätzung der klimawandelbedingten Risiken für die

Lebensräume entwickelt. Unter Nutzung von Daten zu

Das 6­jährige Verbundvorhaben „Kompensationsflächen­ Klima, Hydrologie und Böden werden Veränderungen der

management im Klimawandel“ erforscht seit April 2016 am Biotope projiziert und auf dieser Basis die Notwendigkeit

Beispiel des Bremer Grünlandringes unter anderem mit von Anpassungsmaßnahmen abgeleitet. Außerdem werden

welchen Maßnahmen die Lebensräume „fit“ für den Klima­ Konzepte zur Finanzierung des klimawandelbedingten

wandel gemacht werden können. Das Vorhaben wird im Mehraufwands bei der Kompensation von Eingriffen er­

Bundesprogramm Biologische Vielfalt vom BMBF und vom arbeitet.

BfN mit Mitteln des BMU gefördert.

Von der Hanseatischen Naturentwicklung GmbH (haneg) Weitere Informationen zu dem Forschungsprojekt
als Praxispartnerin werden seit 2016 entsprechende Maß­ können unter www.kommklima.de oder www.nbs-forschung-
umsetzung.de/299.php abgerufen werden.

nahmen umgesetzt. Beispielsweise wurden ein windbetrie­

benes Schöpfwerk gebaut, das Wasser in ein Grabensystem Tim Wenzel, M. Sc.

pumpt und so die Wasserversorgung der angrenzenden

Grünlandfläche verbessert. ´ Infos und Kontaktdaten ab Seite 78

23

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Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

LiFE2050 – Klimaschutz treibt uns an!

Energieforschung am Beispiel Wasserstoff

Die Leibniz Universität 1 LUH. Überall dort, wo Tech- teme, Energiesystemanalyse
bündelt ihre Energieforschung nologieentwicklungen in star- und eben auch Wasserstoff.
Wasserstoff – ein Molekül kem Maße im Gesamtsystem-
fakultätsübergreifend unter macht Karriere! Im Moment kontext gesehen werden müs- Die folgenden fünf Artikel
dem gemeinsamen Dach des ist das farb- und geruchlose sen, ist Zusammenarbeit oft zeigen ausgewählte Beiträge
Leibniz-Forschungszentrums Gas in nahezu jeder energie- auch über die Disziplin-Gren- der LUH-Energieforschung
Energie 2050 (LiFE 2050). politischen Debatte präsent. zen hinweg gefordert. An der unter dem Dach von LiFE2050,
Forscherinnen und Forscher Sein Beitrag zum Klimaschutz LUH erfolgt diese Zusammen- die mit dem Thema Wasser-
arbeiten dort disziplinüber- hängt dabei in großem Maße arbeit fakultätsübergreifend stoff Berührungspunkte haben
greifend zusammen, um die von seinem Ursprung ab – unter dem Dach des Leibniz- – beginnend bei der Bereitstel-
mittels Elektroenergie aus Forschungszentrums Energie lung von erneuerbarem Strom
Transformation unseres erneuerbaren Quellen soll der 2050 (LiFE 2050). (Photovoltaik und Windener-
Energiesystems voranzubringen. Wasserstoff möglichst erzeugt gie), über die Wasserstoff-Er-
werden. Ebenso ist das kon- Übergeordnetes Ziel der zeugung (Wasserelektrolyse)
Am Beispiel Wasserstoff und krete Anwendungsfeld (siehe LiFE2050-Forscherinnen und und die Wasserstoff-Anwen-
dessen künftiger Rolle im Infokasten) von großer Bedeu- Forscher ist es, die Transfor- dung (H2 im Flugverkehr) bis
tung – kann Wasserstoff in mation des Energiesystems hin zu Untersuchungen zur
Energiesystem zeigen sie, wie der Schwerindustrie oder im hin zu mehr Nachhaltigkeit Rolle von Wasserstoff im Ge-
das geht. Fünf weitere Beiträge Schwer- und Flugverkehr kli- und Umweltverträglichkeit zu samtenergiesystem (Energie-
mawirksam zum Einsatz begleiten. Forschungsschwer- systemanalyse und Umwelt-
zeigen die Fortschritte bei kommen, hat er im Wärme- punkte liegen dabei in den verträglichkeit).
Photovoltaik, Offshore Wind- sektor zumindest im Moment Bereichen Photovoltaik, Wind-
energieanlagen, synthetischen eher nichts zu suchen. energie, elektrische Energie- Prof. Dr. Richard
Kraftstoffen, Brennstoffzellen technik, Elektroprozesstech- Hanke-Rauschenbach und
Diese spannende Entwicklung nik, Dynamik der Energie- Dr. Volker Schöber
und bei der Bewertung von wissenschaftlich zu begleiten wandlung, Energiewandlung ´ Infos und Kontaktdaten
Flächenpotenzialen für die und anzutreiben ist eines von für nachhaltige Antriebssys-
mehreren Betätigungsfeldern ab Seite 78
Energieerzeugung. der Energieforschung an der

Abbildung 1
Beispiel für eine Wasserstoff-
basierte Energiewandlungs-
kette ausgehend von Erneuer-
baren Energien über die Er-
zeugung von Electro-Fuels als
Option für eine nachhaltige
Luftfahrt.
Quelle: A. Goldmann, ITV Hannover

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Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Wasserstoff aus regenerativen Quellen
spielt für den Klimaschutz eine bedeutende Rolle

1. Wasserstoff als Energieträger bzw. Intermediat für die stoffe durch Wasserstoff diskutiert. Ein Beispiel hierfür
Mobilität: Im Bereich der Personenkraftwagen entfalten ist der Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsmittel für
batterieelektrische Antriebe gegenwärtig eine große Be- die Stahlerzeugung.
deutung. Anders verhält es sich im Bereich der Nutzfahr-
zeuge (Personen- und Lastenbeförderung), im Schienen- 3. Großskalige Zwischenspeicherung von Energie: Für die
verkehr, in der Luftfahrt und auch im Schiffsverkehr. Erreichung sehr hoher erneuerbarer Deckungsgrade
Dort sind batterieelektrische Antriebskonzepte nur ein- (> 80 Prozent) in unserem Energiesystem ist eine Über-
geschränkt nutzbar. Stattdessen kommen hier wasser- brückung von 10- bis 20-tägigen Dargebotsausfällen
stoffbasierte Antriebe in Frage beziehungsweise der Ein- erneuerbarer Energiequellen notwendig (sogenannte
satz von synthetischen gasförmigen oder flüssigen Kraft- Dunkel-Flauten). Die hierfür nötigen Energiemengen lie-
stoffen, für deren Erzeugung regenerativ erzeugter gen im Bereich von 10 bis 20 Terrawattstunden. Für die
Wasserstoff einen wichtigen Ausgangspunkt darstellt längerfristige Speicherung derartig großer Energiemen-
(Abbildung 1). gen stellen vor allem aus Kosten- und auch Kapazitäts-
gründen die Untergrundspeicherung von regenerativ er-
2. Ersatz von fossilstämmigem Wasserstoff und anderen zeugtem Wasserstoff beziehungsweise Methan, oder die
fossilstämmigen Ausgangsstoffen in der Grundstoff- Speicherung synthetischer flüssiger Kraftstoffe oder auch
industrie und der chemischen Industrie: Wasserstoff Ammoniak wichtige Lösungsoptionen dar.
wird gegenwärtig hauptsächlich in der chemischen
Industrie für die Ammoniak-Synthese, die Methanol- Die genannten Maßnahmen werden dabei mit Fortschreiten
Synthese und für Raffinerieprozesse verwendet. Der der Energiewende gemeinsam mit weiteren anderen Maß-
eingesetzte Wasserstoff ist dabei momentan zu 95 Pro- nahmen zum Beispiel im Wärmebereich schrittweise und in
zent fossilen Ursprungs. Die alternative Deckung der einer bestimmten Reihenfolge realisiert. Diese Reihenfolge
Wasserstoff-Bedarfe aus regenerativen Quellen stellt eine ergibt sich unter anderem aus der spezifischen CO2-Erspar-
wichtige Möglichkeit zur Defossilisierung der chemi- nis der jeweiligen Maßnahme (gemessen in Tonnen einge-
schen Industrie dar. Ergänzend wird gegenwärtig auch spartes CO2 pro eingesetzte erneuerbare MWh) und den
die Substitution anderer kohlenstoffhaltiger Ausgangs- zugehörigen CO2-Vermeidungskosten.

Der weltweit erste Kavernenspeicher für grünen Wasserstoff wird als Forschungsbetrieb der VNG Gasspeicher GmbH in
Lauchstädt entstehen. Die Wasserstoffkaverne liegt in 895 bis 1.080 Metern Tiefe. Quelle: VNG Gasspeicher GmbH

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Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Siliziumsolarzellen mit Rekord Wirkungsgraden

Eine mit erneuerbarer Energie versorgte Welt wird Elek- ordnungen verbessern werden. Dabei entstehen nanometer-
trizität aus Photovoltaik als wichtigste Energiequelle haben. kleine Löcher in der SiO2-Schicht, die durch ein neues
Forscher des Instituts für Solarenergieforschung (ISFH) und Ätzverfahren sichtbar gemacht werden konnten. Durch
des Instituts für Materialien und Bauelemente der Elektro- diese nanometer-kleinen Kontakte fließt der Solarstrom.
nik (MBE, Fakultät für Elektrotechnik) entwickeln zusam-
men mit dem Laboratorium für Nano- und Quanten- Die kürzlich vom ISFH veröffentliche Entwicklungs-Road-
engineering (LNQE) und Maschinenbaufirmen eine neue map (siehe Abbildung) zeigt auf, wie POLO-Kontakte die

heutige PERC-Solarzel-
len schrittweise revoluti-
onieren können, bis hin
zu Tandemsolarzellen
mit Wirkungsgraden
über 32 Prozent. Unsere
bisher beste im Labor
hergestellte POLO-Solar-
zelle wandelt immerhin
schon 26,1 Prozent der
Solarstrahlungsleistung
in elektrische Leistung
[1]: Das ist Weltrekord
für p-Typ Silizium!
Hoch-selektive poly-Si-
Kontakte sind heute ein
international stark be-
achtetes Forschungs-
thema.

In mehreren großen vom

2 BMWi geförderten Ver-
bundforschungsvorha-

ben entwickeln die

Die Abbildung zeigt die Roadmap des ISFH für die notwendigen Prozessschritte einer PERC-Zelle, LiFE2050 Partner mit

ausgehend von heutigen Industriestandards (links unten) bis hin zu einer Silizium-Tandem-Solarzelle deutschen Maschinen-

mit zwei POLO-Kontakten (rechts oben). Hierdurch kann man eine Steigerung von 23.7 Prozent auf baufirmen neue Prozess-

bis zu 33 Prozent Wirkungsgrad erreichen. sequenzen und Produk-

tionsanlagen, welche die

Nutzung von POLO-

Produktionstechnologie für effizientere Siliziumsolarzellen. Kontakten in der Massenfertigung möglich machen. Das

Die Gesamtleistung aller weltweit im Jahr 2019 hergestell- ist auf jeden Fall ein lohnendes Ziel, denn der kommende

ten Photovoltaikmodule betrug 130 GW. Etwa 90% davon Photovoltaik-Weltmarkt ist riesig: Die weltweite Jahrespro-

enthielten Solarzellen aus kristallinem p-Typ Silizium. Die duktion muss in einer erneuerbaren Welt bis 2050 einen

Analyse von heutigen industriegefertigten 21 Prozent effi- Faktor 8 auf etwa 1 TW/a anwachsen. Das gibt der Photo-

zienten PERC-Siliziumsolarzellen (Passivated Emitter and voltaik-Produktionstechnologie eine wachsende energie-

Rear Cell) zeigte hohe Leistungsverluste an den Kontakten und geopolitische Bedeutung – gerade auch für die Erzeu-

auf der Vorderseite. Eine 0,3 µm-dünne phosphordotierte gung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen.

Schicht unter den Vorderseitenkontakten fungiert als Mem-

bran, welche die Elektronen zum Metallkontakt durch- Prof. Dr.-Ing. Rolf Brendel
lassen und die Löcher blockieren. Das Verhältnis von ge-

wollten Elektronen- und ungewollten Löcherstrom in dieser ´ Infos und Kontaktdaten ab Seite 78

Membran definierten wir als Selektivität der Kontakte. Kon-

takte mit höherer Selektivität ermöglichen bei optimierter Literatur
Kontaktgeometrie höhere Wirkungsgrade. Mit hochdotier-

ten 100 nm-dicken Polysiliziumschichten auf 1 bis 2 nm

dünnem SiO2, sogenannten „poly-silicon on oxide“ (POLO)- [1] Haase, F., et al. (2018). „Laser contact openings for local poly-Si-metal contacts

Kontakten, die im LNQE-Labor der LUH hergestellt wur- enabling 26.1%-efficient POLO-IBC solar cells.“ Solar Energy Materials And

den, konnte die Selektivität der Kontakte um Größen- Solar Cells 186: 184-193.

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Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

„Ich glaube, dass Wasser eines Tages als Brennstoff benutzt wird …“

Ganz wörtlich darf man das Jules Verne zugesprochene eine sehr kompakte Bauweise und eine hohe Flexibilität
Zitat nicht nehmen. Es ist nicht das Wasser, das den Brenn- auszeichnet und anderseits die Festoxid-Elektrolyse (engl.
stoff darstellt, sondern einer der beiden Bestandteile des SOE = Solid Oxide Water Electrolysis). Diese wird bei Tem-
Wassermoleküls, nämlich der Wasserstoff. Den kann man peraturen um die 800°C betrieben, zeichnet sich durch
durch die elektrochemische Spaltung von Wasser unter einen besonders guten elektrischen Wirkungsgrad aus und
Einsatz von Elektroenergie gewinnen. Dieser Prozess wird eignet sich besonders für Wandlungsrouten in denen Was-
als Wasserelektrolyse bezeichnet und ist ein wichtiger For- serstoff nur ein Zwischenprodukt darstellt, wie zum Bei-
schungsgegenstand innerhalb der Energieforschung an spiel bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen.
der Leibniz Universität.

Für die Erzeugung von

Wasserstoff aus erneuer-

baren Quellen kommt der

Wasserelektrolyse eine

Schlüsselrolle zu. Sie er-

laubt die effektive Wand-

lung von erneuerbarer

elektrischer Energie und

Wasser in Wasserstoff und

Sauerstoff. Bisher stellte

die Wasserstoffherstel-

lung mittels Wasserelek-

trolyse dabei eher eine Ni-

schenanwendung dar und

wurde überall dort einge-

setzt, wo entweder kein

Zugang zu einer Erdgas-

infrastruktur bestand,

Elektroenergie extrem bil- 3
lig zur Verfügung stand

oder sehr hohe Reinheits-

anforderungen an die Testinfrastruktur zur experimentellen Charakterisierung von Wasserelektrolyseuren auf Zell-Level.

Produktgase bestanden.

Die Forschungs- und Ent-

wicklungsarbeiten ruhten deshalb seit den 1960er/1970er Die Arbeiten an den drei Instituten fokussieren dabei so-

Jahren. Künftig wird nun aber eine starke Kapazitätssteige- wohl auf die Optimierung des Herzstücks der jeweiligen

rung notwendig: Allein der heutige Wasserstoffbedarf be- Technologie, die sogenannte Membran-Elektroden-Einheit

läuft sich in Deutschland auf 1,8 Megatonnen jährlich (Welt: und weitere wichtige Zellkomponenten als auch auf den

54 Megatonnen/Jahr) und wird sich im Laufe der nächsten Gesamtsystemkontext mit Fragestellungen zur Systemge-

Jahre verdoppeln. Zur elektrolytischen Bereitstellung dieser staltung und Betriebsführung. Methodisch verbindendes

Mengen bedarf es einer Steigerung der Elektrolyseleistung Element sämtlicher Arbeiten ist der kombinierte Einsatz

allein in Deutschland von heute im unteren zweistelligen von Modellierungs-/Simulationswerkzeugen und der expe-

Megawatt-Bereich auf mindestens 30 Gigawatt. Dies führt rimentellen Charakterisierung und Validierung.

seit etwa 10 Jahren zu einem zunehmenden Interesse im Be-

reich der Elektrolysehersteller und einem wachsenden For- In den kommenden Jahren wird sich die LUH einerseits an

schungs- und Entwicklungsbedarf. den Forschungsprogrammen des Bundes zur Umsetzung

der Nationalen Wasserstoffstrategie beteiligen – die ersten

An der Leibniz Universität tragen das Institut für Thermo- Förderbescheide im Umfang von mehreren Millionen lie-

dynamik (IfT), das Institut für Elektrische Energiesysteme gen seit kurzem vor. Andererseits wird die LUH auch wei-

(IfES) und das Institut für Solarenergieforschung Hameln terhin als Begleiter auf Landesebene und auf kommunaler

(ISFH) maßgeblich zu dieser Entwicklung bei und konzent- Ebene wirken, um beim Ausbau der Wasserstoffwirtschaft

rieren sich dabei auf zwei von insgesamt drei technisch vor der „eigenen Haustür“ behilflich zu sein.

relevanten Elektrolysetechnologien. Einerseits ist dies die

sogenannte saure Membran-Elektrolyse (engl. PEMWE = Prof. Dr. Richard Hanke-Rauschenbach
Polymer Exchange Membrane Water Electrolysis), die bei

Temperaturen um die 80°C betrieben wird und sich durch ´ Infos und Kontaktdaten ab Seite 78

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Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Offshore-Windenergieanlagen der Zukunft

4

Abbildung 4 Die klimaneutrale Energiever- Leistung, 180 Meter Turmhö- Die Auslegung der sehr gro-
sorgung Europas bis zum Jahr he und 220 Meter Rotordurch- ßen Anlagen kann immer we-
Offshore-Messkampagne im 2050 kann nur durch großflä- messer gestiegen. Führende niger nach Bauteilen getrennt
Projekt MultiMonitorRB zur chige Offshore-Windparks in Hersteller haben bereits grö- erfolgen, da kritische struk-
Strukturüberwachung und der Nordsee mit neuen größe- ßere Anlagen angekündigt. turdynamische Interaktionen
Schadensfrüherkennung bei Ro- ren Windturbinen erreicht auszuschließen sind. Sie erfor-
torblättern von Windenergieanla- werden. Den damit verbunde- Bei fest gegründeten Offshore- dert gekoppelte nichtlineare,
gen. Links: Lage des Offshore- nen Herausforderungen stellt Anlagen ist die Tragstruktur transiente aero-servo-hydro-
Windparks Meerwind Süd/Ost. sich ForWind – das Zentrum weit aufwendiger als an Land elastische Analysen. Auf-
Mitte: 3,6 MW-Turbine im für Windenergieforschung in – zum Turm kommen Grün- grund der schweren Zugäng-
Windpark. Rechts: Applikation zahlreichen laufenden Ver- dungsstruktur sowie Veranke- lichkeit von Offshore-Anlagen
von Sensorik durch Mitarbeiter bundprojekten des Bundes rung im Meeresboden hinzu. besteht zudem ein hoher Be-
des Instituts für Statik und (BMBF und BMWi), des Lan- Bei weiterem Größenwachs- darf an weitgehend automati-
Dynamik. Bildgestaltung vom des Niedersachsen sowie der tum der Anlagen werden neue sierten Schadensfrüherken-
Institut für Statik und Dynamik. EU. Bauweisen, Materialien, Ferti- nungssystemen für Tragstruk-
Fotos: mit freundlicher Genehmigung gungs- und Gründungskon- tur und Blätter, beispielsweise
von WindMW, Fraunhofer IWES Regenerative Energien haben zepte sowie Entwurfssystema- basierend auf Methoden des
und ISD in Deutschland schon heute tiken für Offshore-Parks erfor- maschinellen Lernens. Die
eine große Bedeutung für die derlich sein. Dabei ist es ein Verbesserung der Leistungs-
Stromversorgung. Im Jahr übergeordnetes Ziel, die me- elektronik und die Entwick-
2020 wurden bereits 47 Pro- chanischen und elektrischen lung intelligenter Regelungs-
zent der Nettostromerzeu- Komponenten der Offshore- systeme für das einzelne Ro-
gung durch erneuerbare Ener- Anlagen hinsichtlich ihrer torblatt, die Turbine und den
gien geleistet, wovon die Extrem- und Ermüdungsbean- vernetzten Windpark zur An-
Windenergie mehr als die spruchung zu optimieren und passung an die aktuelle Wind-
Hälfte beiträgt (Statistisches gleichzeitig ihre Zuverlässig- situation, ist ein weiteres Ziel.
Bundesamt). Dieser Beitrag keit zu erhöhen. Die Weiter- Mit Hilfe von Big Data Ana-
wäre ohne das rasante Grö- entwicklung der Tragstruk- lytics und künstlicher Intelli-
ßenwachstum der Anlagen turkomponenten spielt hierbei genz können nicht nur einzel-
nicht möglich gewesen. Lagen ebenso eine wichtige Rolle ne Offshore-Windparks wirt-
noch vor dreißig Jahren typi- wie auch der mechanischen schaftlicher geplant werden,
sche Turbinenleistungen von Komponenten der Turbine wie sondern es lässt sich das ge-
Onshore-Anlagen bei 0,5 MW, Triebstrang oder Wälzlager. samte Energiesystem samt
Turmhöhen bei 40 Meter und Auch die Rotorblätter, die Netzanbindung modellieren
Rotordurchmesser bei 30 Me- heute überwiegend aus glas- und effizient ausgestalten.
ter, so sind diese Werte bei faserverstärktem Kunststoff
den heute größten Offshore- (GFK) bestehen, haben einen Im Verbundvorhaben „Multi-
Anlagen auf bis zu 14 MW großen Innovationsbedarf. variates Schadensmonitoring

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Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

von Rotorblättern (MultiMo- Zum Januar 2021 wurde der Offshore-Windenergie eine
nitorRB)“, gefördert durch das Sonderforschungsbereich SFB zentrale Bedeutung zu. Nur
Bundesministerium für Wirt- 1463 Offshore Megastrukturen durch den Einsatz großflächi-
schaft und Energie (BMWi), durch die Deutsche For- ger Windparks mit größeren
entwickeln die Forschungs- schungsgemeinschaft (DFG) Turbinen können die Ziele er-
partner der LUH, sowie von bewilligt. Unter der Leitung reicht werden. Europäische
zwei Instituten der Fraunho- von Prof. Rolfes erforschen die Übertragungsnetzbetreiber
fer-Gesellschaft und der Un- wissenschaftlichen Projekt- planen gemeinsam die Errich-
ternehmen Wölfel Enginee- partner aus Hannover, Olden- tung eines Windenergie-Ver-
ring und WindMW messda- burg, Dresden, München und teilkreuzes zur Versorgung
ten- und modellbasierte Braunschweig große Offshore- der Nordsee-Anrainerstaaten.
Methoden zur Strukturüber- Windenergieanlagen der Zu- Neben der Stromgewinnung
wachung und Schadensfrüh- kunft. Ein besonderer Fokus kann dabei durch Wasserstoff-
erkennung bei Rotorblättern liegt dabei auf der Entwick- Elektrolyse direkt an der
von Windenergieanlagen. lung eines „digitalen Zwil- Windkraftanlage auch ohne
Dabei kommen struktur- lings“, eines komplexen Com- Netzanbindung Grüner Was-
mechanische und akustische putermodells, das den ge- serstoff zur Energieversor-
Verfahren zum Einsatz, die samten Lebenszyklus einer gung gewonnen werden.
an numerischen Modellen wie Offshore-Windturbine von
auch an einer großskaligen den ersten Planungsschritten Prof. Dr.-Ing. habil. Raimund
Struktur (30m-Rotorblatt auf- bis hin zum späteren Rückbau Rolfes, Prof. Dr.-Ing. Peter
gebaut beim Fraunhofer IWES) abbilden soll. Simulations- Schaumann und Dipl-Ing.
erprobt werden. Außerdem und Messdaten werden dabei Andreas Ehrmann
beinhaltet das Projekt als genutzt, um das Modell ge- ´ Infos und Kontaktdaten
wesentlichen Bestandteil die genüber einer generischen
Offshore-Messkampagne an Referenz-Windturbine an- ab Seite 78
einer 3,6 MW Windturbine in zulernen.
der Nordsee. Hier werden die
Blätter mit Sensorik instru- Im Hinblick auf das von der
mentiert, um das Struktur- EU-Kommission im Jahr 2019
verhalten im Betrieb mittels vorgestellte Konzept zur Re-
automatischer Fernüberwa- duktion der Treibhausgase auf
chung zu erfassen und aus- null bis zum Jahr 2050 (Euro-
zuwerten. pean Green Deal), kommt der

ForWind – das Zentrum für Windenergieforschung

ForWind – das Zentrum für Windenergieforschung vereint die Forschungsvorhaben im Bereich der Windenergie an den Univer-
sitäten Oldenburg, Hannover und Bremen. In Kooperation arbeiten derzeit 30 Gruppen in der Grundlagenforschung und
der anwendungsnahen Forschung.

ForWind ist in das Energieforschungszentrum Niedersachsen (EFZN) eingebunden und arbeitet eng mit dem Fraunhofer-
Institut für Windenergiesysteme (IWES) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Forschungsver-
bund Windenergie (FVWE) zusammen. Für großskalige statische und dynamische Untersuchungen steht an der LUH seit
2014 das Testzentrum Tragstrukturen Hannover (TTH) zur Verfügung, hydrodynamische Versuche erlauben der Große
Wellenkanal und das Wellen-Strömungs-Becken in Hannover, aerodynamische Versuche im Windkanal das WindLab an
der Universität Oldenburg. Erfolgreiche Beispiele für die standortübergreifende Zusammenarbeit in den letzten Jahren sind
die Projekte GIGAWIND, LENAH, HANNAH und Ventus Efficiens.

Die Forschungsschwerpunkte von ForWind-Hannover (15 Forschungsgruppen an 5 Fakultäten) liegen auf den Gebieten:

■ Strukturkomponenten (Tragstruktur, Rotorblatt) und Ermüdung
■ Gesamtsimulation, Struktur-Fluid-Interaktion und Strukturüberwachung (Monitoring)
■ Antriebsstrang und Netzanbindung
■ Interaktion mit der Umwelt und sozioökonomische Aspekte

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Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Nachhaltige Kraftstoffe für die Luftfahrt

Wie sehen die Lösungen aus?

Denkbare Lösungen sind so
vielfältig wie die Herausfor-
derungen. So werden im Ex-
zellenz-Cluster Sustainable and
Energie-Efficient Aviation (SE²A)
Wege erforscht, die Leistungs-
dichte und Effizienz von
Brennstoffzellen zu steigern.

5 Immer wieder ist von Wasser- Was sind die Dabei spielt auch die Versor-
stoff die Rede, wenn es um Herausforderungen? gung der Brennstoffzelle mit
Abbildung 5 Nachhaltigkeit in der Luft- Luft und Wasserstoff eine zen-
Denkbare Triebwerksarchitek- fahrt geht. Doch ist Wasser- Wasserstoff ist ein vielver- trale Rolle und wird am Insti-
turen zur hybriden Integration stoff der Treibstoff der Zu- sprechender Kandidat – denn tut für Turbomaschinen und
von Brennstoffzellen (FC) und kunft? Den Vorteilen, wie wo kein Kohlenstoff vorliegt, Fluid-Dynamik (TFD) der
direkter Wasserstoff-Verbrennung etwa CO2-freies Fliegen, ste- entsteht auch kein CO2. Ande- LUH erforscht: Da der Ano-
in einer Brennkammer (BK) hen massive Herausforderun- rerseits führt die Verbrennung den-seitig zugeführte Wasser-
(links: Hochtemperatur-Brenn- gen gegenüber. Dieser Artikel von Wasserstoff durch höhere stoff in Brennstoffzellen nicht
stoffzelle, SOFC, rechts: Niedrig- gibt einen Einblick in die Vor- Temperaturen zu höheren ganz verbraucht wird, soll er
temperatur-Brennstoffzelle, und Nachteile der wasser- NOx-Emissionen. über ein Rezirkulationsge-
PEMFC). Verdichter V, Turbine stoffbasierten Luftfahrt und bläse erneut eingespeist wer-
T, Elektromotor EM, Elektr. zeigt, wie LUH-Forscher*in- Brennstoffzellenantriebe den. Auch soll Abwärme der
Generator EG. nen die Herausforderungen könnten Abhilfe schaffen, da Brennstoffzellen über eine
Quelle: TFD annehmen – oder Alternati- sie kein NOx produzieren. Turbine zum Betrieb der Ka-
ven zum Wasserstoff ent- Diese sind aber wesentlich thoden-seitigen Luftversor-
wickeln. schwerer als konventionelle gung genutzt werden. Die
Triebwerke gleicher Leistung. Forscher sind zuversichtlich,
Die Luftfahrt verursachte 2018 Auch die Tanks sind heraus- dass diese Ansätze, die sie ge-
nur 2,5 Prozent der globalen fordernd: Gasförmiger Was- rade für den Automobil-Be-
anthropogenen CO2-Emissio- serstoff weist unter Norm- reich verfolgen, gute Aussich-
nen. Doch zusammen mit bedingungen nur 0,03 Prozent ten in der Luftfahrt haben.
einem seit den 1970ern nahe- der volumetrischen Energie-
zu stetigen Anstieg des Flug- speicherdichte von Kerosin Zur Luftversorgung der
gastaufkommens – absehbar auf. Im Umkehrschluss wer- Brennstoffzellen werden Ver-
auch nach COVID-19 – bedeu- den große Tanks benötigt. dichter benötigt, die über
tet dies dringenden Entwick- Alternativ kann Wasserstoff einen weiten Betriebsbereich
lungsbedarf für saubere An- stark gekühlt in flüssiger effizient laufen und ein kons-
triebstechnologien. So fordert Form mitgeführt werden. tantes Druckniveau bereitstel-
das Advisory Council for Avi- Allerdings erfordert die not- len. Dies zu ermöglichen, dar-
ation Research and Innovation wendige Kühlung der Tanks an arbeiten TFD-Forscher in
in Europe bis 2050 für die die Integration in ein intelli- SE²A, indem sie durch geziel-
Luftfahrt eine Senkung der gentes Flugzeug-Wärme- tes Absaugen und Einblasen
CO2-Emissionen um 75 Pro- Management. von Luft im Verdichter effizi-
zent und der Stickstoffoxid- enzmindernden Strömungs-
Emissionen (NOx) um 90 Pro- Es wird deutlich: Wasserstoff ablösungen vorbeugen.
zent. Diese ambitionierten birgt ein großes Potenzial für
Ziele erfordern ein Umdenken die Luftfahrt. Zur Realisie- Ein anderer Ansatz ist die
in Sachen Antriebstechnolo- rung sind aber innovative Verbrennung von Wasserstoff.
gien und Kraftstoffe. Lösungsansätze gefragt. Forscher der Sustainable Fuel
Combustion Labs vom Institut
für Technische Verbrennung
(ITV) wollen das Problem der
NOx-Emissionen zum Beispiel
durch Wassereinspritzung ab-
mildern. Auch hybride Ansät-
ze, beispielsweise Brennstoff-

34

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

zellen für den Reiseflug Am ITV werden deshalb in Dynamik der Energiewand-
kombiniert mit leichten SE²A sogenannte Advanced lung (DEW) stehen bald auch
Brennkammern zur Spitzen- eFuels erforscht. Ziel ist, so- die experimentellen Möglich-
lastdeckung, sind realistische wohl Treibhausgase als auch keiten zur Verfügung, um die-
Optionen. Mut zu neuartigen Schadstoffe zu vermeiden. Ein sen aufregenden Wandel in
Triebwerksarchitekturen ist neuartiges Brennverfahren im der Luftfahrt aktiv mitzuge-
gefordert. Flugtriebwerk soll dies ermög- stalten.
lichen: Gesucht werden syn-
Den genannten Lösungen ist thetisch erzeugte eFuels, deren Prof. Dr. Friedrich Dinkel-
gemein: Das Tank-Problem be- Verbrennungseigenschaften acker, Prof. Dr.-Ing. Jörg
steht weiterhin. Gibt es auch eine Vormischung mit der Seume und Dr.-Ing. Dajan
hier Lösungsansätze? Flüssig- Luft ermöglichen. So entste- Mimic
Kraftstoffe bieten höhere Ener- hen keine Rußpartikel- und ´ Infos und Kontaktdaten
giespeicherdichten als Wasser- nur geringe NOx-Emissionen.
stoff und sind einfacher zu Und auch die Tankproblema- ab Seite 78
handhaben. Experten sehen tik wäre vermieden.
sie daher als Alternative an.
Sogenannte Electrofuels (eFuels) Fazit
können nachhaltig erzeugt
werden, zum Beispiel über die Wasserstoff in der Luftfahrt
Fischer-Tropsch-Synthese mit ist ein brandaktuelles Thema,
grünem Strom (Abbildung 1). aber es gibt auch Alternativen.
In Form von Drop-In Fuels ist Gleich, ob nun Flugzeuge in
ein Einsatz bereits jetzt für be- Zukunft mit Wasserstoff oder
stehende Triebwerke möglich. eFuels fliegen werden – die
Es entstehen keine neue Treib- LUH forscht an den erforder-
hausgase, aber andere Schad- lichen Technologien. Durch
stoffe bleiben als Nachteile be- den neuen Forschungsbau
stehen.

Innovationslabor Nachhaltige Wasserstoff-Verbrennungskonzepte

Die Sektorenkopplung zwischen regenerativer Stromerzeugung, Mobilität und industrieller Nutzung aufgrund der Power-
to-Gas-Wandlung mit großer chemischer Speichermöglichkeit bietet eine weitere Möglichkeit, Wasserstoff als Energieträger
zu nutzen. Unter dem Dach des Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN) geht der Forschungsverbund „Wissen-
schaftsallianz Wasserstofftechnologie“ mit rund 20 niedersächsische Forscherteams dem Forschungs- und Entwicklungsbe-
darf aus sechs verschiedenen Forschungsschwerpunkten nach.

Im vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) als „Innovationslabor für Wasserstofftechno-
logien“ geförderten Verbundprojekt „Nachhaltige Wasserstoff-Verbrennungskonzepte“ wird die wasserstoffbasierte Bereit-
stellung von flexibler Primärregelleistung untersucht. Ziel dieses Projektes ist es, zu zeigen, dass die im Stromnetz extrem
wichtige Primärregelleistung durch nachhaltige H2-O2-Verbrennung bereitgestellt werden kann und zur Versorgungssi-
cherheit beträgt. Des Weiteren ist durch den regenerativ erzeugten Wasserstoff die CO2-Neutralität gegeben und ein weite-
rer, wichtiger Schritt zur Energiewende bewältigt. An der LUH sind das Institut für Kraftwerkstechnik und Wärmeübertra-
gung und das Institut für Technische Verbrennung in den Sustainable Fuel Combustion Labs im Forschungsbau Dynamik der
Energiewandlung beteiligt. Enercity Hannover unterstützt dieses Vorhaben.

In einem weiteren Projekt wird hier verfolgt, wie Wasserstoff absolut sauber in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden
kann. Ziel ist, den einzigen Schadstoff der ansonsten vollständig sauberen Wasserstoffmotoren, die Stickoxide, massiv zu
senken. Dies wird vom ITV und TFD ebenfalls im Forschungsbau Dynamik der Energiewandlung im Verbund mit Partnern
der PTB Braunschweig und der TU Braunschweig angegangen. Insbesondere für Langstrecken-Nutzfahrzeuge wird dies
eine ernstzunehmende Alternative zu den derzeit im Fokus stehenden Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieben, weil sie ge-
nauso nachhaltig aber viel kostengünstiger ist.

Prof. Dr. Roland Scharf und Prof. Dr. Friedrich Dinkelacker
´ Infos und Kontaktdaten ab Seite 78

35

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Das Energiesystem verstehen

Im Jahr 2050 wollen EU und Deutschland die Netto- Für das Land Niedersachsen ergibt sich aus unseren Simu-

Emissionen auf Null gesenkt haben. Aber was bedeutet lationen für das Jahr 2050 folgendes Szenario als kosten-

das konkret – zum Beispiel für das Land Niedersachsen? günstigste Option: Wir haben 85 Prozent elektrischen bo-

den-gebundenen Verkehr (Vergleich 2018: 7,4 Prozent), eine

Die Energiewende ist mit einem enormen Ausbau der Deckung von 30 GW an Niedertemperaturwärmebedarf

Energieinfrastrukturen verbunden, der sich auf die Um- mit Wärmepumpen (2018: 0,5 GW), 10 bis 21 GW an nieder-

welt, aber auch die Gesellschaft auswirkt. Der Transfor- sächsischer Wasserstoffproduktion aus der Elektrolyse

mationsprozess sollte (2018: 0 GW), 30 GW

so gestaltet werden, Stromerzeugung

dass unerwünschte durch Onshore-Wind-

ökologische, kulturel- energie (2018: 11 GW)

le und soziale Folgen und 21 bis 60 GW

vermieden und ab- Photovoltaik auf Nie-

gesehen vom Klima- dersachsens Dächern

schutz möglichst (2018: 3,1 GW). Die

viele Synergien mit vorgenannten Para-

anderen Nachhaltig- meterbereiche erge-

keitszielen verwirk- ben sich aus der

licht werden. LiFE Bandbreite der ange-

2050 Mitglieder nommenen Import-

aus den Fakultäten preise für grünen

Architektur und Wasserstoff von 2,5 €/

Landschaft, Physik, kg bis 5 €/kg in 2050.

Elektrotechnik und Daraus ergeben sich

Informatik, sowie für 2050 130 bis 100

Wirtschaftswissen- TWh importierten

schaften suchen in grünen Wasserstoffs.

gemeinsamen Ver- Diese Zahlen illust-

bundprojekten öko- rieren die Notwen-

nomisch und ökolo- digkeit planvollen

gisch günstige Ener- und gut koordinier-

giesystemtransforma- ten schnellen Han-

tionspfade mit hoher 6 delns, das Konflikte
Akzeptanz. zwischen unter-

schiedlichen Nach-

Gemeinsam entwi- Nachhaltig nutzbares Flächenpotenzial für PV-Freiflächenanlagen in haltigkeitszielen und

ckelte Energiesystem- Niedersachsen (grün) unter der Voraussetzung technischer Anpassungen dem Anspruch nach

Transformations- und Einsatz von Agrarphotovoltaik (gelb). Agrar-PV Anlagen lassen auf der ökonomischer Effizi-

Simulatoren bilan- gleichen Fläche eine landwirtschaftliche Nutzung zu, z.B. durch eine hohe enz identifiziert, und

zieren unter Aufständerung. Optimierungen sucht.

Verwendung histori- Mit dieser Vorgehens-

scher Wetterdaten weise können außer-

alle Energieströme in jeder Stunde bis 2050. Für jedes Jahr dem Flächen zum Ausbau von Erneuerbaren Energien ab-

wird in ein hochdimensionales Optimierungsproblem ge- geleitet werden, die Energiemix und Allokation der Anla-

löst: Es wird ermittelt, mit welchen Investitionen in welche gen berücksichtigen (siehe Abbildung für Niedersachsen).

Komponenten die für das nächste Jahr erforderliche CO2- Diese können für die Unterstützung von lokalen Planungs-

Emissionsreduktion möglichst kostengünstig geleistet wer- verfahren eingesetzt werden, auch zusammen mit Bürger-

den kann. Dabei werden zuvor bestimmte Potenzialgren- beteiligungen. Diese Methode hilft die quantitativen Ziele

zen, die sich zum Beispiel durch Raumwiderstände limi- von der Bundesebene auf die lokale Ebene herunter zu bre-

tierte Flächenpotenzialen ergeben berücksichtigt. Für die chen und ermöglicht somit Akteuren lokal Verantwortung

deutsche Landfläche wurden zu diesem Zweck auf Grund- für das Gelingen der Energiewende zu übernehmen.

lage von raumkonkreten Umweltdaten, die durch Wind-

und Solarenergieanlagen mensch- und naturschutzkon- Prof. Dr. Christina von Haaren
form nutzbare Fläche identifiziert. Abbildung 6 zeigt als und Prof. Dr.-Ing. Rolf Brendel
Beispiel die Eignungsflächen für Freiflächen-Photovoltaik

(PV) für Niedersachsen. ´ Infos und Kontaktdaten ab Seite 78

36

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Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Nachhaltige Gebäudetechnik

Gamechanger in der Energiewende

Der Gebäudesektor in Einleitung sche Methoden und Instru- Leibniz Universität Hannover.
Deutschland ist derzeit mentarien zu konzipieren, Bei diesem Gebäude wurden
Spitzenreiter in puncto Allein im Jahr 2018 waren der mithilfe derer eine sichere zu Versuchszwecken eine Pho-
Energieverbrauch und damit private und öffentliche Gebäu- Integration, Speicherung und tovoltaik-Anlage kombiniert
zugleich einer der Haupt­ debestand für rund 35 Prozent bedarfsgerechte Verteilung mit Lithium-Ionen-Speichern
verursacher beim Ausstoß des deutschen Endenergiever- von Erneuerbaren Energien installiert. Die Regelung der
klima­ und umweltschädlicher brauchs verantwortlich (Bun- gewährleistet werden kann. marktüblichen Wechselrichter
desministerium für Wirtschaft Auf lange Sicht sind integrier- wurde durch eine Software er-
Treibhausgase. und Energie 2020). Zudem ha- te Energiekonzepte unerläss- setzt, die unterschiedliche La-
ben Wohn- und Nicht-Wohn- lich, die alle Verfahrensschrit- destrategien ermöglichte. Ziel
Die Abteilung Gebäudetechnik gebäude 122 Millionen Tonnen te entlang einer nachhaltigen der Untersuchungen war es,
am Institut für Entwerfen CO2 verursacht (Die Bundes- Energieversorgung mitdenken geeignete Planungsempfeh-
und Konstruieren (IEK) regierung o.J.). Um sich dies und Faktoren ihrer Umgebung lungen für die Größe von elek-
der Fakultät Architektur einmal bildlich vorstellen zu kontinuierlich berücksichti- trochemischen Batteriespei-
und Landschaft der Leibniz können: 122 Millionen Tonnen gen. Zukunftsfähige Gebäude chern zu erarbeiten. Ergebnis
Universität Hannover stellt CO2 entsprechen in etwa dem müssen energieoptimiert sein, war, dass durch eine Tempe-
ökologischen Fußabdruck Energie aus der Umwelt nut- rierung und damit Speiche-
integrierte Energiekonzepte aus eines Paares, welches 61 Milli- zen und netzreaktiv sein, das rung von Energie über Beton
unterschiedlichen Forschungs­ onen Mal von Frankfurt am heißt sie können auf das fluk- 14 Prozent des Verbrauchs ein-
Main nach Lissabon hin und tuierende Angebot an regene- gespart werden können. Eine
vorhaben vor. wieder zurückfliegt. Ursache rativer Energie reagieren. Optimierung von RLT-Anla-
für diese traurige Bilanz sind gen kann um bis zu 40 Prozent
unter anderem schlecht wär- Netzreaktive Gebäude – den Energieverbrauch reduzie-
megedämmte Gebäudehüllen, Projekt EltStore ren. Viele weitere wertvolle
der anhaltende Einsatz fossiler Erkenntnisse aus dem Projekt
Brennstoffe sowie veraltete Das Forschungsvorhaben Elt- sind in einem Planungsleit-
Anlagen zur Lüftung und Store hat mithilfe unterschied- faden zusammengefasst und
Klimatisierung von Räumen. licher Betriebsszenarien den veröffentlicht.
Energiebedarf und damit das
Der Gebäudebereich ist dem- technische Anlagekonzept von Modulare effiziente Energie­
nach eine wichtige Stell- vier Nichtwohngebäuden auf systeme für Shoppingcenter
schraube in der Energiewende den Prüfstand gestellt. Unter- – Projekte EffShop/EnModus
mit ihren komplexen Anforde- sucht wurden ein Hotel, eine
rungen. Bis 2050 plant die Feuer- und Rettungswache, Seit den 80er Jahren ist die
Bundesregierung daher eine ein Bürogebäude und ein Anzahl an Shopping-Cen-
weitestgehend klimaneutrale Sportzentrum. Jedes der Ge- tern mit einer Mietfläche ab
Immobilienlandschaft zu er- bäude ist nach neuestem Stand 10.000 m2 in Deutschland ste-
reichen. Auf dem Weg dahin mit unterschiedlichen nach- tig gestiegen und damit zu-
sind jedoch noch einige Hür- haltigen Gebäudesystemen gleich der Endenergiever-
den zu überwinden. So sind ausgestattet. Der Einsatz als brauch solcher Handelsimmo-
regenerative Energien wie „netzreaktives Gebäude“ wur- bilien (EHI Retail Institute e.V
Sonne oder Wind an die je- de durch unterschiedliche Sze- 2016). Einen erheblichen An-
weiligen Wetterbedingungen narien simuliert. Eines der un- teil am Endenergiebedarf hat
vor Ort gekoppelt und damit tersuchten Gebäude war der der Wärme- und Kältebedarf
in ihrer Verfügbarkeit unbe- Erweiterungsbau des Zent- sowie der Strombedarf der
ständig. Deshalb ist es umso rums für Hochschulsport der Verkaufsstätten. Umso wichti-
wichtiger, geeignete techni-

38

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

ger ist es daher, den hohen Heizen und Kühlen von Nicht- digen Behörden. Aus den über
Energiebedarfswerten durch Wohngebäuden wie Büros vier Jahre ausgewerteten Da-
einen effizienten Betrieb je- oder Shopping-Centern auf ten ist ein Leitfaden für die
weiliger Anlagen zu begegnen das Erdreich als Energiequel- Auslegung von Systemen mit
und so Einsparpotenziale zu le, sogenannte oberflächen- der Nutzung oberflächen-
erzielen. Ein erster Schritt be- nahe Geothermie, zurückge- naher Geothermie entstanden.
steht darin, die Daten des griffen. Es gibt dabei vier ver-
Energieverbrauchs, der An- schiedene Herangehenswei- Ausblick
lagentechnik und der Behag- sen, wie dieser erneuerbare
lichkeit kontinuierlich zu er- Energieträger nutzbar ge- Gebäude, die die Energiewen-
fassen und auszuwerten. Die macht werden kann: über Erd- de befördern können, müssen
Auswertung des übergroßen sonden, Energiepfähle, einen digital vernetzt sein, über un-
Datenkonvoluts über mehrere Bodenabsorber oder die direk- terschiedliche Energiespei-
Jahre hat gezeigt, dass derar- te Grundwassernutzung. chermöglichkeiten verfügen
tig komplexe Systeme an vie- Grundsätzlich bietet das Erd- und aufeinander abgestimmte
len Stellen verbessert werden reich den Vorteil, dass es über Techniksysteme unter Nut-
können und ein hohes Ener- eine hohe Wärmespeicherfä- zung eigener Stromerzeu-
gieeinsparpotenzial vorhan- higkeit und im Regelfall über gungssysteme aufweisen.
den ist. Vor allem haben syste- ein beständiges Temperaturni- Bei der Gebäudeplanung ist
matische Luftqualitätsunter- veau verfügt. Problematisch also Hightech und nicht etwa
suchungen des Projektpart- ist jedoch, dass bereits leichte

1

ners ERC an der RWTH Temperaturunterschiede zwi- Lowtech angezeigt, um die Abbildung 1
Aachen offengelegt, dass die schen dem Erdreich und der Klimawende voranzutreiben.
großen Lufttransportströme jeweiligen Anlage im Gebäude Für die dazu notwendigen Die Photovoltaikanlage auf dem
raumlufttechnischer Anlagen selbst zu technischen Kompli- Planungsgrundlagen sind Dach des Sportzentrums Moritz-
in Handelsimmobilien ohne kationen führen und damit umfangreiche weitere For- winkel der Leibniz Universität.
Beeinträchtigung der empfun- die Effizienz des Energiesys- schungsarbeiten notwendig. Foto: Volker Schöber
denen Luftqualität um bis zu tems beeinträchtigt werden
50 Prozent reduziert werden können. Im Projekt Thermo Prof. Dr.-Ing. Dirk Bohne
können. Damit ist die Ur- hat das IEK die Nutzung von ´ Infos und Kontaktdaten
sprungsidee der Projekte be- Geothermie mittels Brunnen-/
stätig worden, dass Luft als Erdsondenanlagen von bun- ab Seite 78
Energieträger in Handels- desweit neun Nichtwohnge-
immobilien durch deutlich bäuden erfasst. Trotz ähnli-
effizientere Wassersysteme zu cher Gebäudenutzung fiel der
einem wesentlichen Teil er- Gesamtenergieverbrauch der
setzt werden können. Gebäude sehr unterschiedlich
aus. Grund dafür waren fal-
Nutzung oberflächennaher sche Regelstrategien bei der
Geothermie – Projekt Thermo Technik und fehlende regel-
mäßige Überprüfungen von
Immer häufiger wird mit ent- vorgeschriebenen Monitoring-
sprechenden Anlagen für das konzepten für die Grundwas-
sernutzung durch die zustän-

39

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Kunststoffe und Nachhaltigkeit

Ein Widerspruch?

Kunststoffe bieten ein umfang­
reiches und einzigartiges

Spektrum an Eigenschaften
wie etwa thermoplastische
Verarbeitbarkeit, geringes
Gewicht, optische Vielfalt,
niedriger Preis sowie thermi­
sche und elektrische Isolierung.
Kunststoffe sind daher sehr
gefragt, geraten aber gleich­
zeitig aus Nachhaltigkeits­

aspekten zunehmend
in die Kritik.

Wissenschaftler vom Institut 1
für Kunstoff­ und Kreislauf­
technik (IKK) erläutern die Kunststoffe finden sich in kritischen Fokus von Wissen­ nierung, schlechtes Abfallma­
aktuellen Nachhaltigkeits­ einer Vielzahl von Produkt­ schaft, Politik und Gesell­ nagement oder schlicht eine
strategien zur Lösung dieses gruppen, angefangen bei den schaft. Insbesondere drei As­ lineare Wirtschaftsform und
allgegenwärtigen Verpackun­ pekte sind dabei für eine ste­ Wegwerfmentalität. Diese
Zielkonflikts. gen über die medizinische tig wachsende Diskussion zur drei Aspekte prägen die häu­
Versorgung bis hin zum Bau­, Nachhaltigkeit von Kunst­ fig emotional geführten
Abbildung 1 Sport­, Freizeit­ oder Automo­ stoffen verantwortlich. i) Nachhaltigkeitsdiskussionen.
Plastikmüll findet sich bilbereich. Auch zukünftige Kunststoffe werden größten­ Darüber hinaus bestimmen
überall auf der Welt. Megatrends, wie Digitalisie­ teils auf Basis von fossilen noch weitere materialspezifi­
Foto: Antoine Giret/unsplash rung, Leichtbau, E­Mobilität Rohstoffen (zum Beispiel Erd­ sche Aspekte, wie Material­
oder additive Fertigung sind öl) hergestellt, ii) Kunststoffe effizienz, Haltbarkeit oder
ohne Kunststoffe undenkbar. werden meist deponiert oder Reparaturfreundlichkeit so­
Daher wächst der Markt der verbrannt und nur zu kleinem wie auch die verwendeten
Kunststoffe seit ihrer Entde­ Anteil recycelt (iii) ihre viel­ Additive die Auswirkungen
ckung kontinuierlich. Aber fältige Verwendung kombi­ hinsichtlich der Nachhaltig­
während Kunststoffe über niert mit ihrer Beständigkeit keit von Kunststoffprodukten.
Jahrzehnte aus technischen führt zu einer Akkumulation In der folgenden Abbildung
und ökonomischen Gründen in der Umwelt. Ursachen und sind die wichtigsten Einfluss­
zu immer stärker nachgefrag­ Beispiele dafür sind Mikro­ faktoren für die Nachhaltig­
ten Werkstoffen wurden, ge­ plastikerzeugung durch keit von Kunststoffprodukten
raten sie aus ökologischen Reifenabrieb, Textilabrieb bei über ihren Lebensweg aufge­
Aspekten zunehmend in den Waschprozessen, wilde Depo­ zeigt.

40

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Zusammengefasst sind Die beste Möglichkeit die wie sozio­ökonomische Aspe­
Kunststoffe auf der einen Sei­ Umweltauswirkungen von kte und neue wissenschaftli­
te die „Enabler“ für unsere Kunststoffen in diesem Kon­ che Erkenntnisse in all diesen
heutige Lebensqualität, auf text möglichst objektiv zu Bereichen berücksichtigen.
der anderen Seite ist ihre ubi­ quantifizieren, bietet derzeit Am IKK – Institut für Kunst­
quitäre Verwendung aber die Ökobilanzierung. Diese stoff­ und Kreislauftechnik
auch zunehmend mit ökolo­ Methodik ermöglicht es für leisten wir durch unsere For­
gischen Herausforderungen unterschiedliche Wirkungs­ schung einen Beitrag hierzu.
verknüpft. Daher ist ein nach­ kategorien (zum Beispiel Aktuelle Forschungsthemen
haltigerer Umgang mit Kunst­ Klimawandel oder Ressour­ sind unter anderem das Recy­
stoffen folgerichtig und zwin­ cenverbrauch) eine ökologi­ cling von Textilien, die Ent­
gend notwendig. Die Kreis­ sche Bewertung durchzufüh­ wicklung marin abbaubarer
laufwirtschaft (Vermeidung ren. Entsprechend können Kunststoffstrukturen sowie
von Abfällen und die Wieder­ ökologische Hotspots identifi­ die Nachhaltigkeitsbewertung
verwendung der Ressourcen ziert, Vor­ und Nachteile über von Kunststoffverarbeitungs­
und Produkte so lange wie den gesamten Lebenszyklus anlagen, Bereitstellungs­ und
möglich) ist der Schlüssel erfasst, verschiedene End­ Recyclingprozessen.
dazu. Neben den Verbrau­
chern sind dazu auch die Her­
steller in der Verantwortung.
Die Industrie muss ihre ge­
samten, bisher überwiegend
linearen Wirtschaftsmodelle
und Lieferketten nicht nur bis
zum Endkunden hin optimie­
ren, sondern ihre Material­
und Abfallströme auch in um­
gekehrter Richtung neu den­
ken und sicherstellen.

Es gibt dazu bereits verschie­ of­Life Szenarien bewertet, Weitere Informationen unter 2
dene Forschungsansätze, die­ mögliche Zielkonflikte gegen­ www.ikk.uni­hannover.de
se umfassen zum Beispiel die einander abgewogen und kon­ Abbildung 2
Entwicklung von bio­basier­ tinuierlich verbesserte Nach­ Prof. Dr.-Ing. Hans-Josef Übersicht zum Produktkreislauf.
ten und bioabbaubaren haltigkeitsstrategien entwi­ Endres, Sebastian Spierling, Quelle: IKK – Institut für Kunststoff-
Kunststoffen sowie die Ent­ ckelt werden. M.Eng., und Venkateshwa- und Kreislauftechnik
wicklung und den Ausbau ran Venkatachalam, M.Sc.
von Verfahren zu einem hö­ Kunststoffe befinden sich zu­ ´ Infos und Kontaktdaten
herwertigen mechanischen, künftig immer mehr im Span­
physikalischen oder chemi­ nungsfeld zwischen techni­ ab Seite 78
schen Kunststoffrecycling. schen Eigenschaften, Wirt­
Genauso wie die Branche die schaftlichkeit und Nachhal­
technische Performance ihrer tigkeit. Für die Entwicklung
Produkte über viele Jahrzehn­ und den Ausbau einer nach­
te stetig innoviert und konti­ haltigen Kreislaufwirtschaft
nuierlich vorangetrieben hat, bedarf es interdisziplinärer
wird dies auch für die Nach­ Ansätze, welche neben der
haltigkeitsperformance ge­ bisher dominierenden tech­
lingen, wenn sich die Kunst­ nischen und ökonomischen
stoffindustrie und ­forschung Materialperformance gleich­
konsequent darauf fokussiert. wertig auch ökologische so­
Außerdem ist am Ende auch
eine sachbasierte, nicht mar­
ketinggetriebene und trans­
parente Kommunikation so­
wie geregelte Verwendung
der Begrifflichkeiten, wie
„umweltfreundlich“, „grüner
Kunststoff“, „Rezyklat“ oder
„100 % recycelbar“, erforder­
lich, um keinen Spielraum für
Greenwashing zu bieten.

41

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Instandsetzen statt neu beschaffen

Nachhaltigkeit im Lebenszyklus technischer Produkte

Das Prinzip „Reduce, Reuse, Recycle“ ist eine der Grundide- und diesen Kunden optimale Regeneration ausgewählt
en der Nachhaltigkeit: Produkte, die man nicht braucht, gar (Abb.). Optimal bedeutet, dass alle Anforderungen der Um-
nicht erst anschaffen, verfügbare möglichst lange nutzen welt und des Kunden berücksichtigt werden und der Ver-
und schließlich, am Ende der Lebensdauer, Rohstoffe wie- brauch vorhandener Ressourcen (Kapital, Arbeit, Material,
derverwerten. Eine lange Nutzungsdauer lässt sich unter Energie) minimiert wird, wobei als gemeinsame Bewer-
anderem erreichen, indem ältere Maschinen und Anlagen tungsbasis deren Kosten verwendet werden. Dadurch wer-
repariert werden, statt sie wegzuwerfen. Das klingt wie eine den die Aspekte der möglichst langen Nutzung von bereits
Selbstverständlichkeit, kann aber schon beim defekten investierten Ressourcen mit einer möglichst effizienten In-
Smartphone zuhause schwierig sein. Eine echte Herausfor- standhaltung kombiniert und ein hohes Maß an Nachhaltig-
derung ist es bei komplizierten und teuren Maschinen und keit geschaffen.
Anlagen, die auch als komplexe Investitionsgüter bezeichnet
werden. Die hohen Investitionen in Kosten und Zeit, um die- Die in den mittlerweile drei Förderperioden (2010 bis 2021)
se Güter zu beschaffen und zu betreiben, erhöht die Motiva- entwickelten theoretischen Grundlagen und Modellen wer-
tion, eine möglichst lange Wertschöpfung aus ihnen zu zie- den aktuell in einem Systemdemonstrator exemplarisch ge-
hen. Wie das gelingen kann, erforscht der Sonderforschungs- zeigt (www.sfb871.uni-hannover.de). Er fasst die erforschten
bereich 871 „Regeneration komplexer Investitionsgüter“ (SFB Technologien in einer real aufgebauten Prozesskette zusam-
871) am Institut für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik. men und demonstriert die Umsetzbarkeit einer zustandsba-
Am Beispiel des Flugzeugtriebwerks entwickeln die For- sierten Regeneration am Beispiel von Schaufeln aus einem

Prozess zur Auswahl der Regeneration individueller Bauteile am Beispiel einer Triebwerkschaufel. Alle Bauteile werden einzeln in

einen digitalen Zwilling überführt und die Effekte aller möglicher Regenerationspfade simuliert und bewertet. Auf Grundlage dieser
Daten wird ein optimalerer Regenerationspfad ausgewählt und durchgeführt. Quelle: SFB 871

schenden wissenschaftliche Grundlagen dafür, wie Investi- Flugzeugtriebwerk. Die Erkenntnisse und Abläufe aus dem
tionsgüter nicht neu beschafft, sondern regeneriert, also re- SFB 871 sind aber nicht nur auf Flugzeugtriebwerke be-
pariert oder durch eine Überholung sogar noch verbessert grenzt, sondern wurden zum Teil auch bereits auf andere
werden können. Die neu entwickelten Prozesse nutzen inno- komplexe Investitionsgüter wie Windenergieanlagen über-
vative Methoden, die in der Produktion und der Vorsage von tragen. Die entwickelten Ansätze können überall Anwen-
Leistung und Lebensdauer Anwendung finden. Eine Innova- dung finden, wo komplexe Investitionsgüter eingesetzt wer-
tion ist die Erstellung von digitalen Zwillingen sowohl ein- den und leisten einen direkten Beitrag zur Nachhaltigkeit
zelner Bauteile als auch der Produktionsprozesse zur Rege- und schonenden Umgang mit den Ressourcen.
neration, die wiederum erlauben, gezielt für ein Bauteil eines
Kunden, alle möglichen Regenerationsmaßnahmen virtuell Dipl.-Ing. Philipp Gilge und Prof. Dr.-Ing. Jörg Seume
durchzuführen und deren Effekt auf das Gesamtsystem vor- ´ Infos und Kontaktdaten ab Seite 78
herzusagen. Dadurch wird die individuell für dieses Bauteil

42

N aMcihs hs iaol tni g2k0e3i1t ZL eu ikbunni fzt Udneinvkeer ns i t–ä nt aHcahnhnaol tviegr h a n d e l n

Nachhaltige Ingenieurwissenschaft

Neuer Studiengang für die nachwachsende Generation von Ingenieur*innen

Quelle: massgestaltet.de

Im Kampf gegen den Klimawandel und zum Schutz der schen Technikphilosophie, der Klimawissenschaften, der
Umwelt ist es nötig, tiefgreifende gesellschaftliche Verände­ nachhaltigen Produktion, des innovativen Produktdesigns,
rungen herbeizuführen. Dabei spielt der Einsatz von Tech­ der Kreislauftechnik, des Umweltrechts sowie Sustainabi­
nik oftmals eine entscheidende Rolle, weshalb das Poten­ lity Economics. Besonderes Merkmal zu Beginn des Studi­
zial der Ingenieurwissenschaften riesig ist, einen zukunfts­ ums ist das praxisnahe Bachelorprojekt, bei dem eine inge­
optimistischen Wandel zu bewirken. nieurwissenschaftliche Lösung zu einem aktuellen For­
schungs­ oder Praxisproblem erarbeitet wird. Neben
Dieser Wandel ist aber nur möglich, wenn es Köpfe mit Pflichtmodulen besteht ab dem vierten Semester die Mög­
einem soliden Wissen über ingenieurwissenschaftliche lichkeit, aus unterschiedlichen Wahlpflichtmodulen zu
Grundlagen und einem essenziellen Verständnis von sozia­ wählen.
ler, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit gibt.
Besonderheit des Studiengangs ist weiterhin, dass es ge­
Um ein solches interdisziplinäres Verständnis auszubilden lungen ist, beinahe alle Fakultäten der Leibniz Universtität
und um die drängenden Fragen unserer Zeit zu beantwor­ Hannover am neuen Studiengang zu beteiligen, wobei den
ten, hat die Fakultät für Maschinenbau den Studiengang Großteil der Ausbildung die Fakultäten Maschinenbau so­
Nachhaltige Ingenieurwissenschaft ins Leben gerufen, der das wie Elektrotechnik und Informatik stellen.
Ziel verfolgt, eine neue Generation von Ingenieurinnen und
Ingenieuren auszubilden. So sollen Herausforderungen wie Für Studieninteressierte bietet das Studiendekanat
Ressourcenverschwendung, die Entwicklung intelligenter Maschinenbau eine Infoveranstaltung via Zoom an.
Materialien, das Ablösen veralteter Produktions­ und Wirt­ Für Fragen steht Frau Lisa Lotte Schneider,
schaftsweisen oder auch Innovationen in der Kreislauftech­ Tel.: +49 511 762 17519, E­Mail: nachhaltigkeit@
nologie generationsübergreifend und strategisch angegan­ maschinenbau.uni­hannover.de gerne zur Verfügung.
gen werden können.

Im Fokus des Studiengangs stehen neben ingenieurwissen­ Mehr Infos unter:
schaftlichen Grundlagenmodulen wie Mathematik, Tech­ http://go.lu-h.de/nachhaltige-ingenieurwissenschaft
nische Mechanik oder Werkstoffkunde Elemente der kriti­

43

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

Biodiverse, multifunktionale
Landschaften als Ziel

Zum Konzept der Ökosystemleistungen für mehr Nachhaltigkeit

Ökosystemleistungen (ÖSL)
sind von hoher Bedeutung für

die Gesellschaft, da sie die
Grundlage für das menschliche

und wirtschaftliche
Wohlergehen bilden.

Wissenschaftler*innen vom 1 und Prozessen, die wir in un­ wirtschaftung erforderlich ist,
Institut für Physische Geogra­ seren Landschaften finden muss diese nachhaltig und
phie & Landschaftsökologie, In einer „vollen Welt“ mit be­ und die im Zusammenspiel standortgerecht erfolgen. Da­
grenztem Raum und endli­ mit einer entsprechenden Bio­ für braucht es wissenschaft­
vom Institut für Umwelt­ chen Ressourcen ist es von diversität in der Lage sind, lich begründete Entschei­
planung sowie vom Institut enormer Bedeutung, sich um vielfältige Funktionen auszu­ dungen, die die langfristige
für Geobotanik beschreiben die vielfältigen und äußerst führen. Biodiversität umfasst Verfügbarkeit natürlicher Res­
das Konzept der ÖSL, welches wertvollen Leistungen zu in diesem Zusammenhang sourcen sicherstellen. Diese
geobiophysikalische Grundlagen kümmern, die Biodiversität, nicht nur das Vorkommen von dauerhafte Bereitstellung von
der Multifunktionalität von Ökosysteme und multifunkti­ Arten, sondern auch weitere Ressourcen ist zwingend er­
Landschaften mit der Wert­ onale Landschaften erbringen. Aspekte wie funktionale Bio­ forderlich, um die Lebensqua­
schätzung der Natur und Ökosystemleistungen (ÖSL) diversität, genetische Vielfalt lität heutiger und zukünftiger
Nachhaltigkeit verbindet. beinhalten alle Leistungen und das Vorhandensein ver­ Generationen innerhalb unse­
und Güter, die den Menschen schiedener Habitate. Jeder rer planetarischen Grenzen zu
Abbildung 1 zur Nutzung durch die Natur Mensch auf der Erde profitiert gewährleisten.
Agrarlandschaften können bei bereitgestellt werden. Hierzu von diversen ÖSL, die unser
entsprechender Bewirtschaftung gehören beispielsweise Nah­ Leben erhalten und angenehm ÖSL sind somit ein Konzept,
eine hohe Biodiversität und Mul- rung, sauberes Wasser, frische machen. Deshalb müssen wir das geobiophysikalische
tifunktionalität aufweisen. Luft, der Schutz vor Fluten, unser Naturkapital und unse­ Grundlagen der Multifunktio­
Quelle: Benjamin Burkhard (2018) naturbasierte Erholung und re Ökosysteme schützen und nalität von Landschaften mit
Umweltbildung. Die Bereit­ in Räumen, in denen eine Be­ der Wertschätzung der Natur
stellung der verschiedenen
ÖSL basiert auf Strukturen

44

Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

und Nachhaltigkeit verbindet. The Economics of Ecosystems and Bedeutung im Zusammen­
Es wirkt darüber hinaus inte­ Biodiversity TEEB (2007 – 2009) hang mit nachhaltigem Mana­
grierend, indem es die ge­ sowie national TEEB­DE Na­ gement komplexer Mensch­
nannten Aspekte mit transdis­ turkapital Deutschland initi­ Umweltsysteme werden
ziplinären Interaktionen zwi­ iert. Im Jahr 2012 wurde die intensiv an verschiedenen
schen Wissenschaft, Politik Intergovernmental Science-Policy Instituten erforscht und ge­
und Gesellschaft sowie des Platform on Biodiversity and lehrt. Hierbei spielen sowohl
lebenslangen Lernens ver­ Ecosystem Services (IPBES), methodische Aspekte der Er­
knüpft. Für die Verknüpfung vergleichbar mit dem IPCC für fassung und Bewertungen
bieten ÖSL einen operativen Fragen des Klimawandels, ge­ eine Rolle als auch konzeptio­
Ansatz, der systematische in­ gründet und berichtet regel­ nelle und konkrete Modellbil­
tegrative Bewertungen der mäßig über den globalen Sta­ dungen und Anwendungen
ökologischen, soziokulturel­ tus von Biodiversität und ÖSL. im Sinne einer nachhaltigen
len und wirtschaftlichen Wer­ Die Europäische Kommission Politik­ und Entscheidungsfin­
te von Natur erlaubt. Entspre­ ist mit ihren Biodiversitäts­ dung. In diesem Rahmen wird
chende Methoden, Daten und strategien 2020 und 2030 sowie an der Leibniz Universität der
Informationen stellen eine so­ dem Green Deal ambitioniert, gesamte Prozess der ÖSL­Be­
lide Grundlage bereit für das was die Anerkennung der Ab­ reitstellung abgedeckt. Hierzu
Management unserer Umwelt hängigkeiten der Menschheit zählen die Analysen von zu­
unter Berücksichtigung der von Biodiversität, intakter grunde liegender Biodiversi­
vielfältigen Wertesysteme
(einschließlich intrinsischer
Werte), verschiedener sozio­
kultureller Kontexte, Traditio­
nen und Trends.

Politische und
wissenschaftliche Aktualität

ÖSL finden derzeit Eingang 2 Abbildung 2
in die Politik­ und Entschei­
dungsfindung auf verschie­ tät, Landschaftsstrukturen Biodiversität, Landschaftsstruk-
denen Ebenen. Dies umfasst und ­prozessen unter Einfluss turen und -prozesse unter den
lokale (zum Beispiel ökosys­ von Landnutzung und Klima­ Einflüssen von Landnutzungen
tembasierte Stadtplanung), wandel bis zur Erfassung und und Klimawandel als Basis für
regionale (zum Beispiel ÖSL­ Bewertung der gesamten Brei­ die Bereitstellung verschiedener
basiertes Flussgebietsmanage­ te von ÖSL. Dies umfasst ver­ an der LUH erforschter Öko-
ment), nationale (zum Beispiel schiedene Regulierungs­ und systemleistungen und deren
nationale Ecosystem Assess- Erhaltungs­, Versorgungs­ Anwendungen.
ments), kontinentale (zum Bei­ und kulturelle ÖSL. Quelle: eigene Darstellung
spiel EU­Biodiversitätsstrategi­
en) und globale (zum Beispiel Natur und den damit verbun­ In der Lehre bilden beispiels­
UN­Ziele für nachhaltige Ent­ denen ÖSL betrifft. Aufbau­ weise die Erfassung und Mo­
wicklung) Initiativen. So sind end auf diesen Strategien wer­ dellierung von Regulierungs­
fast alle 17 UN­Ziele für nach­ den verschiedene Politiken und Erhaltungsleistungen
haltige Entwicklung direkt und konkrete Richtlinien zum wichtige Schwerpunkte, die
oder indirekt mit ÖSL ver­ Schutz, der Wiederherstellung sich verstärkt auch Erfassun­
knüpft. Derartige, für das oder der nachhaltigen Nut­ gen von Landschaftsstruktu­
Überleben der Menschheit zung von Biodiversität, Öko­ ren und ­prozessen und den
wichtige Aspekte werden im systemen und ihren Leistun­ verschiedenen Aspekten der
Kontext der Bildung für Nach­ gen erarbeitet, die in den ein­ Biodiversität widmen.
haltige Entwicklung (BNE) zelnen EU Mitgliedsstaaten
bereits generationenübergrei­ umzusetzen sind.
fend vermittelt (siehe Beitrag 2,
Meyer). In der Wissenschaft Forschungen und Lehre an der
wurden vor allem in den letz­ Leibniz Universität Hannover
ten 20 Jahren entsprechende
transdisziplinäre Forschungs­ Biodiversität, ÖSL, die zu­
vorhaben und Initiativen wie grunde liegenden Strukturen
das globale Millennium Ecosys- und Prozesse multifunktiona­
tem Assessment (2001 – 2005), ler Landschaften sowie deren

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Mission 2031 Zukunft denken – nachhaltig handeln

In zahlreichen Forschungs­ Kontext der EU Biodiversitäts­ Konzepte, Methoden und An­
projekten und ­verbünden strategien, wie beispielsweise wendungen aus Wissenschaft
sowie in den Leibniz For­ das EU Horizont 2020 Ver­ und Praxis zu den Themenfel­
schungszentren TRUST und bundprojekt ESMERALDA dern Nachhaltigkeit, Biodiver­
FZ:GEO wird unter anderem (2015 ­ 2018) oder Projekte in sität und ÖSL multifunktiona­
zu diesen Themen auch in Zu­ den EU Überseegebieten ler Landschaften miteinander
sammenarbeit verschiedener MOVE und MOVE­ON. In an­ verbinden. An der Leibniz
Institute der Leibniz Univer­ deren EU­Projekten werden Universität sind die entspre­
sität und externen Partnern landwirtschaftliche Fallstudi­ chenden Kompetenzen in ho­
erfolgreich geforscht. en untersucht, zum Beispiel her Qualität vorhanden, von
die Möglichkeiten der Push­ der Erforschung von Arten
Hierzu gehören nationale Pro­ Pull­Technologie als Strategie und deren Vorkommen in ver­
jekte wie die vom Landesamt zur naturbasierten Bekämp­ schiedenen Ökosystemen, der
für Bergbau, Energie und Geo­ fung landwirtschaftlicher Analyse und Modellierung

3

Abbildung 3 logie Niedersachsen (LBEG) Schädlinge in Afrika (UPSCA­ von Landschaftsstrukturen
seit über 20 Jahren geförderte LE) oder die Möglichkeiten und ­prozessen auf verschie­
Verschiedene Methoden zur Bodenerosionsdauerbeobach­ der Bereitstellung von öffentli­ denen raumzeitlichen Maß­
Erfassung der ÖSL Erosions- tung (ÖSL Erosionskontrolle) chen Umweltgütern und ÖSL stabsebenen, Erfassungen und
kontrolle: manuell, aus der Luft Niedersachsen, Erfassungen im Rahmen von vertragsba­ Bewertungen diverser ÖSL bis
mittels Drohne, mit terrestri- und Modellierungen von Be­ sierten Ansätzen in der Land­ hin zu Anwendungen in der
schem Laserscanner und mittels stäubungs­ÖSL (DBU Projekt wirtschaft (CONTRACTS2.0). politischen Entscheidungsfin­
Modellierung im Geographischen ModBien) oder die Erfassung Zu ähnlichen Entscheidungs­ dung, der Planung und dem
Informationssystem (v.l.n.r.). und Bewertung von Meeres­ unterstützungen wird auch Umweltmanagement. Diese
Quelle: Institut für Physische Geo­ ökosystemleistungen sowie im Bereich Erneuerbarer Ener­ Kompetenzen gilt es in Zu­
graphie & Landschaftsökologie ökosystemstärkender Lösun­ gien und ihrer potenziellen kunft unter Einbeziehung
gen im Küstenschutz an der Zielkonflikte mit anderen ÖSL weiterer Bereiche verstärkt zu
deutschen Nord­ und Ostsee geforscht (IRENES). vernetzen.
(Projekte EBEmÖS und Gute
Küste Niedersachsen). Ein Perspektiven für weitere Prof. Dr. Benjamin Burkhard,
weiterer Schwerpunkt liegt Forschung und Lehre an der Dipl.-Umweltwiss. Birte Bre-
auf der Erfassung und Bewer­ Leibniz Universität Hannover demeier, M.Sc., Dr. Daniela
tung kultureller ÖSL, zum Kempa und Prof. Dr. Emily
Beispiel im Projekt KÖSL, so­ Der Schutz und die nachhalti­ Poppenborg Martin
wie der Kommunikation von ge Nutzung natürlicher Res­ ´ Infos und Kontaktdaten
Ökosystemleistungen natur­ sourcen sind vor dem Hinter­
naher Flüsse und Auen (Pro­ grund von Klimawandel, Be­ ab Seite 78
jekt Wilde Mulde). völkerungsentwicklung,
Landnutzungswandel, Globa­
Die internationalen Projekte lisierung und Umweltgerech­
umfassen zahlreiche Aktivitä­ tigkeit von hoher aktueller ge­
ten im Zusammenhang mit sellschaftlicher Relevanz. For­
der Umsetzung des Mapping schung und Lehre greifen dies
and Assessment of Ecosystems auf, indem sie Perspektiven,
and their Services (MAES) im

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Das Menschenrecht auf Wasser im Blick

Wissenstransfer zur globalen Ressource Wasser

Sauberes Wasser ist
Grundlage für Gesundheit,
Produktionsprozesse, intakte
Ökosysteme und Sicherheit

– und dennoch für viele
Menschen nicht erreichbar.

An der Leibniz Universität 1
Hannover werden Wissens-
bestände zur Sicherung von
sauberem Wasser und nach-
haltiger Sanitärversorgung in
vielen Studienbereichen für

künftige Fachkräfte und
Entscheidungsträger*innen
einbezogen. Dieser Beitrag er-
möglicht einen exemplarischen
Einblick in diese Lehrvielfalt.

Abbildung 1 Der Zugang zu sauberem globale Lösungsansätze müs- Umweltökonomik und Um-
Trinkwasser wird heute von sen technische, kulturelle, weltplanung) interdisziplinär
Studierende im den Vereinten Nationen (UN) ökonomische und naturwis- ausgerichtet. Die Studierenden
WATENV Studiengang. als grundlegendes Menschen- senschaftliche Kenntnisse in- können sich ziel- und interes-
Quelle: Christian Bierwagen/FBG recht anerkannt. Die Sicher- tegrieren. sensgerecht spezialisieren.
stellung dieses Rechts stellt je-
doch eine Herausforderung WATENV – Ein internationaler Ziel ist die Förderung von
dar. Nach Schätzungen der Master-Studiengang selbstständigem und lösungs-
Weltgesundheitsorganisation orientiertem Denken und
(WHO) hat global jeder dritte Der internationale Masterstu- Handeln hinsichtlich globaler
Mensch keinen Zugang zu diengang „Water Resources Problematiken des nachhal-
sauberem Trinkwasser. Dieser and Environmental Manage- tigen Wasser- und Umwelt-
Ressourcenmangel kann nur ment“ (WATENV) ist durch managements. Als künftige
durch ein interdisziplinäres die Kooperation mehrerer Ins- Entscheidungsträger *innen
Zusammenspiel zahlreicher titute mit dem Schwerpunkt erlangen sie mit wissenschaft-
fachlicher Perspektiven er- „Wasser und Umwelt“ der Fa- lichen sowie Soft Skill-Veran-
kannt und behoben werden. kultät für Bauingenieurwesen staltungen die notwendige
Bildung in Schule, Universität und Geodäsie sowie der Ein- Expertise.
und Gesellschaft stellt dabei bindung von Lehreinheiten an-
die Grundlage der Wissens- derer Fakultäten (zum Beispiel „Sauberes Wasser und sani-
vermittlung dar. Lokale bis täre Einrichtungen für alle“ –

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