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Forschungsmagazin der Leibniz Universität Hannover

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Published by alumni, 2020-12-03 09:01:33

Unimagazin 3/4_2016 Robotik

Forschungsmagazin der Leibniz Universität Hannover

Winkelmessmodule – Die perfekte Kombination von
hochgenauen Messgeräten und Präzisionslagern

Die neuen Winkelmessmodule verbinden die bewährte Messtechnik von HEIDENHAIN mit einer hochpräzisen
HEIDENHAIN-Lagerung. Die Komponenten sind optimal aufeinander abgestimmt und bilden eine hochintegrierte
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unimagazin • ausgabe 3|4–2016 leibniz universität hannover

Editorial

liebe leserin, lieber leser,

Robotik – ein Wort, viele As­ Das Feld der Robotik umfasst Viel Freude beim Lesen
soziationen: Vom humanoiden die Entwicklung von Maschi- wünscht Ihnen
Roboter, der Tee an das Bett nen, die mit ihrer Umgebung
bringt über staubsaugende interagieren und durch ihre Prof. Dr. Volker Epping
kleine, selbstfahrende Maschi- der Natur nachempfundenen Präsident der
nen bis hin zu menschlich an- Art der Bewegung immer fein- Leibniz Universität Hannover
mutenden Roboterarmen oder fühliger und flexibler werden.
der voll automatisch funktio- Dadurch entstehen eine ganze
nierenden Produktionsstraße. Reihe neuer Einsatzmöglich-
Auf welchem Stand die Robo- keiten.
tik derzeit ist und welche
­Teilbereiche an der Leibniz So gibt es neue Endoskope,
Universität erforscht und ent­ die flexibel und starr zugleich
wickelt werden, zeigt das neue sind und in Medizin und In-
Unimagazin. Faszinierend ist dustrie eingesetzt werden kön-
dabei die ungeheure Vielfalt nen. Oder kleine Kontinuums-
dieser Forschungsrichtung, roboter, deren Aufbau sich am
die sich auch in der Anzahl Elefantenrüssel orientiert.
der beteiligten Institute wider- ­Weitere Projekte befassen sich
spiegelt. Wissenschaftlerinnen mit mobilen Einsatzrobotern,
und Wissenschaftler aus 14 In- die in Gefahrensituationen an
stituten der Fakultät für Ma- Stelle des Menschen tätig wer-
schinenbau sowie der Fakultät den können, mit autonomen
für Elektrotechnik und Infor- Fahrsystemen, die ihre eige-
matik präsentieren in 14 Bei- nen Karten erstellen sowie mit
trägen ihre Projekte. Dabei der Kommunikation zwischen
liegen Reiz und Herausforde- Mensch und Maschine. Der
rung der Robotik und Auto- intelligente Roboter der Zu-
mation gerade in dem inter­ kunft soll hören, fühlen und
disziplinären Zusammenspiel sehen können, damit sich die
verschiedenster technischer Interaktion von Mensch und
Bereiche wie Mechanik, Elek­ Maschine verbessert. Welche
tronik, Informatik, Mess- und Implikationen das auf die
Sensortechnik, Bildverarbei- so genannte Mensch-Roboter-
tung sowie Antriebs-, Steuer- Kollaboration hat, beschreibt
und Regelungstechnik. schließlich eine Juristin, die
sich damit beschäftigt, vor
welchen Herausforderungen
das Recht in Bezug auf die
Entwicklung der Robotik
steht.

1

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unimagazin • ausgabe 3|4–2016 impressum • inhaltsverzeichnis

Robotik Von Mensch zu Maschine

Unimagazin 4 ���� Roboterteam LUHbots der Claus Brenner | Alexander Schlichting |
Forschungsmagazin der Leibniz Leibniz Universit­ät wieder erfolgreich Fabian Bock
Universität Hann­ over • ISSN 1616-4075 Weltmeistertitel beim Robocup verteidigt Institut für Kartographie und Geoinformatik
34 ���� Dynamische Karten
Herausgeber Viktor Hofmann | Andreas Tarnowsky | Gedächtnis mobiler Roboter
Das Präsidium der Leibniz Universität Mathias Rechel
Hannover Institut für Dynamik und Schwingungen, Sami Haddadin | Torsten Lilge
Institut für Mensch-Maschine-Komm­ unika­ Institut für Regelungstechnik
Redaktion tion, Institut für Mikroproduktionstechnik 38 ���� Sicherheit und Hilfe
Monika Wegener (Leitung), 6 ���� At the Fingertip Vom interaktiven Roboterassistenten
Dr. Anette Schröder Wie Maschinen fühlen zur intelligenten Prothese

Anschrift der Redaktion Jörn Ostermann | Thomas Krause Gundula Runge | Pinar Boyraz |
Leibniz Universität Hannover Institut für Informationsverarbeitung Annika Raatz
Alumnibüro 10 ���� Dem Geräusch auf der Spur Institut für Montagetechnik, Mechatronik-
Welfengarten 1 Wie Roboter hören, wo etwas passiert Zentrum Hannover
D–30167 Hannover 42 ���� Soft Robotics
Stella Graßhof | Jörn Ostermann | Die »Weichen« für die Zukunft
Anzeigenverwaltung / Herstellung Felix Kuhnke
ALPHA Informationsgesellschaft mbH Institut für Informationsverarbeitung Lars Bindszus | Ludger Overmeyer
Finkenstr. 10 14 ���� Das Gesicht als Interface Institut für Transport- und Automatisierungs­
D–68623 Lampertheim zwischen Mensch und Maschine technik
Telefon: 06206 939-0 Wie wir zukünftig 46 ���� Schnell und präzise erkennen und bewegen
Telefax: 06206 939-232 mit Robotern kommunizieren Handhabungsroboter für kognitive
Internet: www.alphapublic.de ­Materialflusssysteme
Christopher Schindlbeck | Christian Pape |
Verkaufsleitung Eduard Reithmeier 51 ���� Die Roboterfabrik
Peter Asel Institut für Mess- und Regelungstechnik Zielgerechte Ausbildung für die
Telefon: 06206 939-0 18 ���� Groß und dennoch hochpräzise Generation »Robotic Natives«
Telefax: 06206 939-221 Die Fertigung mikrooptischer Komponen-
E-Mail: [email protected] ten mittels Makro-Mikro-Manipulation Jessica Burgner-Kahrs |
Josephine Granna | Vincent Modes |
Titelabbildung Lüder Alexander Kahrs | Dennis Kundrat | Ernar Amanov | Carolin Fellmann
Lehrstuhl für Kontinuumsrobotik Jan-Hinnerk Borchard | Tobias Ortmaier Lehrstuhl für Kontinuumsrobotik
Institut für Mechatronische Systeme 52 ���� Die Natur als Vorbild
Das Forschungsmagazin Unimagazin 22 ���� Der Roboter als Vom Elefantenrüssel
erscheint zweimal im Jahr. Nachdruck Assistent am Operationstisch zum kleinsten Kontinuumsroboter
einzelner Artikel, auch auszugsweise, Robotische Instrumente für die trans­
nur mit Genehmigung der Redaktion. luminale und laparoskopische Chirurgie Christian Wieghardt | Paul Fritsche |
Für den Inhalt der Beiträge sind die Sebastian Kleinschmidt | Björn Zeise |
jewei­ligen Autoren verantwortlich. Svenja Tappe | Jens Kotlarski | Bernardo Wagner
Tobias Ortmaier | Bernd Ponick Institut für Systems Engineering
Institut für Mechatronische Systeme, Institut 58 ���� Roboter im Einsatz
für Antriebssysteme und Leistungselektronik Wenn es für den Menschen zu gefährlich
26 ���� Flexibel und starr zugleich wird
Eine elektromagnetisch bewegte Schlange
für die Endoskopie 62 ���� Systematische Unterstützung für
junge Gründungswillige
Kai Eggers | Jens Kotlarski | Neues Tutorium am Mechatronik-Zentrum
Tobias Ortmaier
Institut für Mechatronische Systeme Susanne Beck
30 ���� Roboter auf Stromsparkurs Kriminalwissenschaftliches Institut
Energieeffiziente Bewegungsplanung 64 ���� Recht und Robotik
für Produktionsanlagen Zur Fahrlässigkeitshaftung im Kontext
der Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK)

68 ���� Personalia und Preise

3

R O B O T I K leibNiZ uNiversitÄt HANNover

Roboterteam LUHbots
der Leibniz Universität wieder erfolgreich

Weltmeistertitel beim roboCup verteidigt

die luHbots, das roboCup-team der teamleiter torben Carstensen

der leibniz universität Hannover Studentisches Team der Leibniz Universität Hannover freut sich »über die hervorragen-

hat den 1. platz in der @Work- nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft in der RoboCUP@ de leistung des gesamten teams«.

liga beim internationalen robo- Work-Liga in Leipzig 2016 Jan Friederichs vom mechatronik-

Cup 2016 in leipzig belegt. Zentrum sieht die gründe für die

erneute leistung des teams auch

Am diesjährigen roboterwett- in »der interdisziplinären Koope-

bewerb roboCup nahmen über ration und der hohen motivation

3.500 teilnehmerinnen und teil- der studierenden neben dem stu-

nehmer aus insgesamt 45 ländern dium Wettkampferfahrungen zu

in unterschiedlichen ligen teil. elf sammeln«. prof. ortmaier, leiter

studierende des interdisziplinären des instituts für mechatronische

teams der leibniz universität systeme der leibniz universität,

Hannover konnten den Weltmeis- gratuliert zum erneuten Welt-

tertitel in der industrie-liga meistertitel und hebt hervor, dass

(@Work) im eigenen land erfolg- es den studierenden gelungen ist,

reich verteidigen. gegen die luH- sich dauerhaft in der spitzen-

bots traten acht Wettkampfgrup- gruppe zu etablieren.

pen aus deutschland, singapur,

england, italien und slowenien an. der roboCup ist eine internatio-

nale initiative der roboCup Fede-

in vorbereitung auf den Wettbe- ration mit dem Ziel, die Weiter-

werb in leipzig programmierten entwicklung intelligenter roboter

die luHbots eine autonome roboterplattform mit roboterarm und durch Wettbewerbe zu fördern. die öffentlichen veranstaltungen

greifer für industrielle und logistische Anwendungen. Zu den Zielen dienen Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und studierenden

gehörten das kollisionsfreie Navigieren innerhalb einer Wettkampf- zugleich als publikumswirksames testfeld, um die Fähigkeiten heuti-

umgebung, das greifen und Ablegen industrieller Werkstücke (pro- ger roboter zu präsentieren.

file, schrauben und muttern) in passgenaue Aussparungen, mani-

pulation von bauteilen von einem bewegten Förderband und einem das ursprüngliche Ziel der 1997 etablierten roboCup Federation

rotierenden tisch sowie die montage von reifen auf ein Automobil- war es, mit humanoiden Fußballrobotern bis zum Jahr 2050 gegen

modell. viele Änderungen zum vorjahr, wie beispielsweise unter- den dann amtierenden menschlichen Weltmeister gewinnen zu

schiedliche Auf- und Ablagehöhen, das greifen bewegter objekte können. inzwischen sind weitere Wettbewerbe hinzugekommen,

und das reagieren auf abgesperrte bereiche, erschwerten allen in denen der Nutzen von robotern unmittelbarer deutlich wird,

teams das lösen der Aufgaben. die Herausforderung liegt in der beispielsweise als serviceroboter im Haushalt, als rettungsroboter

verbindung von autonomer Navigation, digitaler bildverarbeitung, in gefährlichen umgebungen oder als unterstützende roboter in

objekterkennung und manipulation in einem globalen plan zur lö- der industriellen Fertigung, wie der @Work-liga.

sungsfindung.

der startschuss für das team war die praxisorientierte vorlesung Weitere informationen unter www.robocup.org
robotChallenge am institut für mechatronische systeme an der und www.luhbots.de, www.mzh.uni-hannover.de.
leibniz universität Hannover im Jahr 2011. in der Challenge treten
zwei studentische teams gegeneinander an und müssen mit dem Dr. J. Kotlarski, Institut für Mechatronische Systeme
mobilen roboter youbot der Firma KuKA verschiedene Aufgaben Torben Carstensen, Teamleader LUHBots
im bereich der robotik lösen. im begleitenden tutorium/labor für Dipl.-Ing. J. Friederichs, Mechatronik-Zentrum Hannover
mobile robotik werden theoretische Ausbildung und Anwendung
praxisnah verknüpft.

4

TAKTGEBER
Es ist soweit. Die neue MOTOMAN GP-Serie kommt. Sie ist präzise wie ein Taktgeber und gibt ab jetzt auch den Takt in
Sachen Geschwindigkeit vor. Beschleunigung, Achsgeschwindigkeit und Taktzeit wurden noch einmal gesteigert, während NEU
die Inbetriebnahmezeit reduziert wurde. Damit könnte der MOTOMAN GP7 und MOTOMAN GP8 jetzt beim „Grand-Prix“
der Roboter ins Rennen gehen oder einfach ganz schnell zu Ihnen. Dort wird er in Sachen Effizienz und Wirtschaftlichkeit
ganz sicher auch den Takt angeben.

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R o b o t i k leibniz universität hannover

At the Fingertip

Wie MasChinen FÜhlen

Nicht nur schauen und klicken, »können Roboter der virtuellen Prototypen- 1
sondern auch fühlen: eigentlich fühlen?« entwicklung und beim virtu-
ellen Training völlig neue taktile Wahrnehmung
Mit der Entwicklung immer Diese Frage lässt sich zumin- Einsatzgebiete für taktile Dis- Die menschliche Haut ist be-
leistungsfähigerer so genannter dest für die sensorische Wahr- plays. züglich einer Vielzahl von
taktiler Displays soll eine Viel- nehmung beantworten. Mo- Eindrücken empfindlich. So
zahl neuer Anwendungsgebiete derne Roboter verfügen mitt- Insbesondere im Bereich der sind innerhalb der einzelnen
lerweile über eine Vielzahl robotergestützten Medizin- Hautschichten verschiedene
erschlossen werden. verschiedener Sensoren. Weit technik (»Telechirurgie«) er- Rezeptoren eingebettet, die
Wissenschaftler vom verbreitet sind Kraftsensoren, geben sich damit Vorteile. Ein beispielsweise auf Druck,
institut für Mensch-Maschine- akustische Sensoren sowie Chirurg oder eine Chirurgin Temperatur, Vibration oder
kommunikation, vom visuelle Systeme, zu denen ist nicht nur auf ein gutes Schmerz reagieren und deren
institut für Dynamik und unter anderem optische Sen- Auge sondern auch auf feines Signale einen wesentlichen
Schwingungen (iDS) sowie vom soren und Wärmebildkameras Fingerspitzengefühl angewie- Teil unserer Wahrnehmung
institut für Mikroproduktions- gehören. Die Daten dieser sen. Unterstützende taktile bestimmen.
technik (iMPt) berichten Sensoren können in vielfälti- Komponenten würden dem Im Kontext taktiler Displays
aus ihrer Arbeitsgruppe über ger Weise, zum Beispiel mit Arzt oder der Ärztin erlauben, sind insbesondere die druck-
das Forschungsprojekt Hilfe eines Monitors und mit intuitiver zu agieren und bei- und vibrationsempfindlichen
»taktile Displays für Virtual Lautsprechern direkt ausgege- spielsweise schneller zwi- Rezeptoren von Interesse, von
Reality-Applikationen«. ben werden. Neuere Entwick- schen tumorösem und gesun- denen drei der Form- und Tex-
lungen erlauben sogar die dem Gewebe zu differenzie- turwahrnehmung zugeschrie-
Kraftübertragung in Form ren. Auch eine mögliche ben werden. Diese Rezeptoren
eines »Force-Feedback« bei der Verstärkung kaum wahr- weisen Empfindlichkeiten
Maschinensteuerung. nehmbarer Strukturunter- bezüglich unterschiedlicher
schiede könnte für den Be- Frequenzbereiche auf. Wäh-
Für die Darstellung feiner handlungserfolg ausschlag- rend die Merkel-Zellen ins-
Oberflächenstrukturen, wie gebend sein. besondere statische Reize ko-
wir sie tagtäglich mit unseren
Fingern wahrnehmen können,
fehlt derzeit jedoch ein ad-
äquates Ausgabegerät. So
genannte »taktile Displays«
könnten dieses Defizit in der
Schnittstelle zwischen Mensch
und Maschine beseitigen.
Durch die Einbindung dieses
zusätzlichen Wahrnehmungs-
kanals eröffnet sich eine Viel-
zahl von Anwendungsmög-
lichkeiten. Ein Einsatz in der
Medizintechnik oder bei der
Maschinensteuerung ist eben-
so vorstellbar wie die Unter-
stützung von Blinden. Darü-
ber hinaus entwickeln sich in
der Unterhaltungsindustrie,
im E-Commerce sowie bei

6

R o b o t i k leibniz universität hannover

dieren und somit die grobe Ein bimodales taktiles kombinierten Flächendisplays
Textur einer Oberfläche er- Display ist Inhalt der aktuellen, unter
fassen können, sind die Meiss- anderem von der Deutschen
ner- und Pacini-Körperchen Neben der Frequenzabhängig- Forschungsgemeinschaft ge-
bezüglich der beim Überfah- keit sind bei der taktilen förderten, Forschungsaktivitä-
ren der Oberfläche erzeugten Wahrnehmung auch Rich- ten. Die für den Betrieb des
Schwingungen empfindlich tungsabhängigkeiten bezüg- Displays notwendigen Span-
und tragen so zur Wahrneh- lich der Anregung feststellbar. nungen werden dabei durch
mung feinerer Strukturen bei. Um diesen Aspekt zu berück- eine programmierbare An-
sichtigen und Oberflächenein- steuerungselektronik erzeugt,
So genannte taktile Displays drücke gezielt nachbilden zu welche aus mehreren Mikro-
werden verwendet, um diese können, streben wir eine bi- prozessoren besteht und
Eindrücke künstlich nach- modale Anregung des Fingers verstärkte analoge Ausgangs-
zubilden. Häufig werden die an. Das heißt, jeder Pin kann signale generieren kann.

2 abbildung 1
Prototyp eines taktilen Displays
scherkraft-
aktor scherkraft-
aktorik

normalkraft- Koppel-
aktor element

halterung normalkraft- abbildung 2
mit Feder- aktorik Taktiles Display mit bimodaler
elementen Aktorik zur tangentialen und
normalen Anregung der Haut

erforderlichen Vibrationen in zwei unabhängige Richtun- 3 abbildung 3
mechanisch erzeugt, indem gen ausgelenkt werden, wo- Aktueller Prototyp einer »takti-
mehrere Pins zum Beispiel auf durch sowohl Normal- als Bereits jetzt steht ein voll len Maus« im Einsatz; Die vi-
die Fingerkuppe einwirken. auch Scherkräfte an der Haut funktionsfähiger Prototyp für suelle Unterstützung über einen
Wir verfolgen ebenfalls solch erzeugen werden können. Bei die Evaluierung des Konzepts Monitor ermöglicht es dem An-
einen vibrotaktilen Ansatz. diesem neuartigen bimodalen zur Verfügung. Dieser besteht wender taktile Oberflächen noch
Zwar ist es auch möglich, Ansatz wird ein Reluktanz- neben dem taktilen Display natürlicher zu erkunden.
durch elektrische Impulse die aktor für die Normalkraft- aus der Ansteuerungselektro-
Rezeptoren direkt zu reizen, anregung im niedrigen Fre- nik und einer speziell entwi-
die fehlende Selektivität eines quenzbereich (bis 220Hz) ckelten »taktilen Maus«. Mit
elektrischen Signals macht ein mit einem piezoelektrischen dem System kann der Benut-
gezieltes Ansprechen einzel- Biegeaktor für hohe Frequen-
ner Rezeptoren jedoch sehr zen (bis 1000Hz) gekoppelt.
viel schwieriger. Damit ein Für die Auslenkungen in Nor-
mechanisches taktiles Display malrichtung wurden mehre-
sämtliche Rezeptortypen an- ren 100µm angestrebt. Bei der
sprechen kann, muss dieses lateralen Stimulation müssen
über eine hohe Frequenzband- Auslenkungen von mindes-
breite verfügen. Auch an die tens 5µm erreicht werden.
erforderlichen Auslenkungen
der Pins und die zu erreichen- Aktuell wurden bereits ein
den Kräften werden hohe An- kombinierter Einzelaktor, ein
forderungen gestellt. Ein-Zeilen-Display mit kombi-
nierter Aktorik und ein 5 x 5-
Flächendisplay zu rein tan-
gentialen Anregungen auf-
gebaut. Die Realisierung eines

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R o b o t i k leibniz universität hannover

4 zer verschiedene Oberflächen direkte Darstellung mittels tretenden Frequenzen werden
virtuell erkunden. eines Displays durch mecha- dann gemäß den unterschied-
abbildung 4 nische und fertigungstechni- lichen Sensitivitäten der
Übersicht über den verfolgten Darstellung realer sche Gegebenheiten begrenzt. Rezeptoren gewichtet und
Modellansatz oberflächen Die aus unserer Sicht wesent- auf das taktile Display über-
Neben dem Aufbau des takti- liche Fragestellung besteht tragen. Es konnte gezeigt
abbildung 5 len Displays bildet die eigent- nunmehr darin, ein Vibrati- werden, dass diese Heran-
Simulation des Kontakts zwi- liche Ansteuerung der ein- onsmuster zu finden, welches gehensweise bereits die Unter-
schen Finger und Oberfläche zelnen Aktoren einen wesent- den Gefühlseindruck beim scheidung verschiedener Rau-
Überfahren der Oberfläche heitseindrücke ermöglicht [1].
lichen Bestandteil unserer mit dem Finger auf dem ge-
Forschung. Der zunächst na- Die bisher verfügbaren Ansät-
heliegende Gedanke, das ur- gebenen taktilen Display best- ze zur Ansteuerung taktiler
sprüngliche Höhenprofil der möglich wiedergibt. Displays sind jedoch zumeist
darzustellenden Oberfläche Eine mögliche Herangehens- auf relativ feine und periodi-
geometrisch nachzubilden, weise zur Erzeugung derarti- sche Oberflächenstrukturen
erweist sich bei genauerer ger Vibrationen wurde im vor- beschränkt. Gerade im Hin-
Betrachtung jedoch als kaum angegangenen HAPTEX-Pro- blick auf medizinische An-
durchführbar. Während reale jekt entwickelt. Das Profil der wendungen ist es jedoch
Oberflächen feine Details bis darzustellenden Oberfläche wünschenswert, auch spontan
in den Bereich weniger Mikro- wird hier zunächst analysiert, auftretende »Defekte« in der
meter aufweisen, wird die indem es in den Frequenzbe- Oberfläche korrekt darstellen
5 reich überführt wird. Die auf- zu können. Ein weiterer As-
pekt, der bislang nicht berück-
sichtigt wurde, ist die Inter-
aktion des Fingers mit der
Oberfläche. Beim Ertasten
einer Oberfläche entstehen
viele lokale und mit der Zeit
variierende Deformationen
der Haut, die einen Einfluss
auf die Wahrnehmung haben
können. So wurde bereits
experimentell nachgewiesen,
dass die Fingerrillen auf der
Hautoberfläche die Entste-
hung bestimmter Frequenzen
begünstigen [2] – dieser As-
pekt wird in unserem Ansatz
berücksichtigt.

Das von uns verfolgte Prinzip
wird in Abbildung 4 dar-
gestellt: Ziel ist es, die beim
Überfahren einer realen Ober-
fläche auftretenden neuralen
Reize mit Hilfe eines taktilen
Displays bestmöglich nach-
zubilden, um eine im Idealfall
äquivalente Wahrnehmung zu
erreichen. Mit Hilfe Finiter
Elemente Simulationen, die
den Kontakt zwischen Finger
und Oberfläche beziehungs-
weise Finger und einem vir-
tuellen taktilen Display nach-
bilden, können wir eine kom-
primierte Darstellung einer
Oberfläche gewinnen. Diese
so genannte taktile Karte ent-
hält eine diskretisierte und

8

R o b o t i k leibniz universität hannover

stark reduzierte Beschreibung Dipl.-Ing. Viktor Hofmann Dipl.-Math. Andreas Tarnowsky Dipl.-Ing. Mathias Rechel
der beim Überfahren der Jahrgang 1984, ist seit 2016 Jahrgang 1986, ist seit 2013 Jahrgang 1986, ist seit 2014
Oberfläche auftretenden Fre- Leiter der Arbeitsgruppe Wissenschaftlicher Mitarbeiter Leiter der Arbeitsgruppe Bio-
quenz- und Amplitudenmus- ­Vibro-Impact & Interfaces im am Institut für Mensch- medizinische Applikationen
ter. Diese kann zu einem spä- Forschungsbereich Piezo- und Maschine-Kommunikation und Aufbau und Verbindungs-
teren Zeitpunkt mittels einer Ultraschalltechnik am Institut Fachgebiet Graphische Daten- technik und seit 2013 wissen-
Transferfunktion in eine für das für Dynamik und Schwingun- verarbeitung (Welfenlab) im schaftlicher Mitarbeiter am
taktile Display optimale An- gen (IDS). Seine Arbeits- Forschungsbereich Taktile Institut für Mikroproduktions-
steuerung überführt und vom schwerpunkte sind unter an- ­Displays & VR-Entwicklung. technik (IMPT). Seine Arbeits-
Benutzer interaktiv erkundet derem Design und Aufbau Seine Arbeitsschwerpunkte im schwerpunkte sind unter an-
werden. Unser verwendetes piezoelektrischer Systeme Kontext des vorgestellten Pro- derem Design und Aufbau
zweidimensionales Modell der ­sowie die Ansteuerung und jekts sind die Modellbildung elektromagnetischer Miniatur-
Fingerkuppe bildet auch feine Regelung piezoelektrischer und Simulation sowie die antriebe. Kontakt: rechel@
anatomische Details ab, wie Systeme. Kontakt: hofmann@ ­Benutzerschnittstellen und impt.uni-hannover.de
die verschiedenen Hautschich- ids.uni-hannover.de elektronische Ansteuerung.
ten und die Fingerrillen, und Kontakt: [email protected] Beteiligte Wissenschaftler
erlaubt eine genaue Analyse Grund­lagenforschung gefun- hannover.de Die Autoren sind Teil der Ar-
der an den Rezeptorpositionen den. Lediglich die bereits beitsgruppe, die an dem durch
auftretenden Schwingungs- seit vielen Jahren verfügbaren schem Feedback« beworben – die DFG geförderten Projekt
mustern. Anhand bekannter Braille-Displays ermöglichen wobei sich dieses Feedback »Taktile Displays für Virtual-
experimenteller Daten wurde es blinden beziehungsweise bislang lediglich auf einfache Reality Applikationen« arbei-
zudem sichergestellt, dass das sehbehinderten Menschen »Rütteleffekte« beschränkt. tet. Weitere Mitglieder dieser
Deformationsverhalten dieses mit einem Computer zu inter- Die Einbindung subtiler takti- interdisziplinären Arbeitsgrup-
Modells mit dem einer realen agieren. ler Eindrücke in eine virtuelle pe sind Wissenschaftlerinnen
Fingerkuppe vergleichbar ist. Welt ist der nächste logische und Wissenschaftler sowie
Mit der Entwicklung immer Schritt, von der ernsthafte Studierende des Instituts für
Mit diesem Ansatz verfolgen leistungsfähigerer taktiler Dis- VR-Anwendungen profitieren Mensch-Maschine-Kommuni-
wir das Ziel, grundlegende plays eröffnet sich nun eine können. kation FG Graphische Daten-
­Erkenntnisse im Bezug auf Vielzahl neuer Anwendungs- verarbeitung (Welfenlab), dem
die taktile Wahrnehmung zu gebiete. Nicht nur in der Ro­ Literatur Institut für Mikroproduktions-
erlangen, sowie bestehende botik können taktile Displays technik (IMPT) und dem Insti-
Annahmen zu verifizieren. zukünftig einem Arzt bei der [1] Allerkamp, D., Böttcher, G., Wolter, tut für Dynamik und Schwin-
Durch die Berücksichtigung Telechirurgie wichtige Ein- F. E., Brady, A. C., Qu, J., & Summers, gungen (IDS). Die Autoren
strukturmechanischer und drücke über den Zustand des I. R. (2007). A vibrotactile approach to danken insbesondere den
neurophysiologischer Zusam- Patienten vermitteln. Auch in tactile rendering. Visual Computer, ­folgenden Personen: Prof. Dr.
menhänge ermöglichen wir der momentan aufstrebenden 23(2), 97–108. http://doi.org/10.1007/ Franz-Erich Wolter (Welfen-
es, auch mit prinzipiell be- Virtual Reality (VR)- und s00371-006-0031-5 lab), Prof. Dr.-Ing. Jörg Walla-
grenzten Mitteln zur Generie- Spiele­industrie hat unsere schek (IDS), Dr.-Ing. Marc
rung mechanischer Reize eine F­ orschung das Potenzial, die [2] Scheibert, J., Leurent, S., Prevost, A., Christopher Wurz (IMPT),
große Vielfalt an taktilen Ein- Immersion, das heißt das & Debregeas, G. (2009). The role of D­ r.-Ing. Jens Twiefel (IDS),
drücken zu erzeugen. »Mittendrin«-Gefühl, zu ver- fingerprints in the coding of tactile Dipl.-Math. Daniel Brandes
bessern: Bereits jetzt werden information probed with a biomimetic (Welfenlab).
Ausblick Gamecontroller mit »hapti- sensor. Science, 323(5920), 1503–
1506. http://doi.org/10.1126/science.
Taktile Displays – im Sinne 1166467
der vibrotaktilen Reizerzeu-
gung – haben bislang kaum
Anwendung abseits der

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R o b o t i k leibniz universität hannover

Dem Geräusch auf der Spur

Wie Roboter hören, wo etwas passiert

Das menschliche Gehör ist Das Ziel bei der Entwicklung Lokalisation und Ortung
ein Meisterwerk an Präzision. von Robotern ist es, dass diese
Diese Fähigkeiten auf einen in irgendeiner Weise mit der Lokalisation und Ortung sind zwei Begriffe, die fälschlicherweise
Umwelt interagieren. Hierzu oft synonym verwendet werden. Beide Begriffe beschreiben, wie
Roboter zu übertragen, braucht der Roboter so etwas die Position eines Objektes bestimmt wird. Der Unterschied liegt in
ist eine wissenschaftliche wie Sinneseindrücke. Das dem Verfahren der Ortsbestimmung sowie darin, von welchen Ob-
heißt, der Roboter soll bei­ jekten der Ort bestimmt werden kann.
­Herausforderung. spielsweise sehen oder hören
Forscher vom Institut für können. Um Robotern Sinnes­ Der Begriff Ortung wird verwendet, wenn der Beobachter oder die
­Informationsverarbeitung eindrücke zu verleihen, wer­ Beobachterin für das Ermitteln des Ortes eines Objekts aktiv Wel-
s­tellen drei Methoden vor, mit den Sensoren benötigt, die len sendet und gleichzeitig Wellen empfängt. Die ausgesendeten
denen der Roboter Geräusche Messwerte liefern. Mikrofone Wellen müssen dabei von dem Objekt reflektiert werden. Anhand
lokalisieren können soll, sind solche Sensoren und ein dieser zurückkommenden Wellen wird die Position des Objekts
um dem Sinneseindruck erster Baustein, damit Roboter ermittelt. Die Ortung funktioniert also nur, wenn das Objekt in
»­ Hören« näher zu kommen. hören können. Die Messwerte geeigneter Weise die ausgesendeten Wellen reflektiert.
der Mikrofone sind allerdings
ohne eine Interpretation nutz­ Der Begriff Lokalisation wird verwendet, wenn für das Ermitteln
los. Durch die digitale Auf­ des Ortes eines Objekts der Beobachter oder die Beobachterin an-
nahme eines Geräusches ent­ kommende Wellen empfängt, aber zuvor keine Wellen aktiv gesen-
stehen zwar mehrere zehntau­ det hat. Wenn das Objekt selbst Wellen abstrahlt, werden diese
send Werte pro Sekunde an vom Beobachter empfangen und mit diesen Informationen wird
Daten zum Schalldruck – sie der Ort des Objekts bestimmt. Bei der Lokalisation kann also nur
sind aber für den »hörenden« der Ort eines Objekts bestimmt werden, wenn von diesem Wellen
Roboter zunächst nicht zu ausgehen. Menschen lokalisieren mit ihren Augen und Ohren.
gebrauchen. Eine nützliche
Information müsste zum Bei­ Dieser Artikel behandelt die Lokalisation mittels Schallwelle. Der
spiel darüber Auskunft geben, gesonderte Themenkomplex der Ortung wird hier nicht betrachtet.
welches Geräusch aufgetreten
oder an welchem Ort das kann, ist das automatische gieanlagen mittels Luftschall.
G­ eräusch entstanden ist – erst Er­kennen des Geräusches. Dies geschieht im Rahmen
dann können Entscheidungen Danach kann bestimmt wer­ eines Projekts zur Schadens­
getroffen oder sinnvolle den, woher das Geräusch früherkennung zusammen
Handl­ungen eingeleitet wer­ kommt. Dies ist für viele Auf­ mit dem Institut für Statik
den. Diese erwünschten Infor­ gaben wichtig, zum Beispiel und Dynamik und Prof. Dr.-
mationen sind in den Zahlen­ bei der Überwachung von Ob­ Ing. habil. Raimund Rolfes,
kolonnen der Messwerte be­ jekten auf Schäden. Hier ist welcher das Projekt leitet. Ein
reits vorhanden, allerdings die Lokalisation entscheidend, Mensch mit zwei gesunden
versteckt. Mit einer Verarbei­ um den Schaden richtig ein­ Ohren lokalisiert ständig Ge­
tung der Signale können sie zuordnen. Das Institut für räusche, beispielsweise ein
zum Vorschein gebracht wer­ Informationsverarbeitung ent­ hupendes Auto oder ein klin­
den. Eine solche Signalverar­ wickelt erste Ansätze für die gelndes Mobiltelefon. Roboter
beitung ist damit sehr wichtig, Lokalisation von Schäden an werden immer häufiger in
um einem Roboter das Hören Rotorblättern von Windener­ einer für den Menschen ge­
beizubringen.

Der erste Schritt, bevor ein
­Geräusch lokalisiert werden

10

R O B O T I K LeibniZ UniVeRsitÄt hannoVeR

schaffenen Umgebung ein­ die Lokalisation im dreidi­ Mit dem Konzept Beamforming abbildung 1–6
gesetzt, sollen mit Menschen mensionalen Raum werden wird der Schall aus jeder Rich­
interagieren und sich wie ein mindestens vier Mikrofone tung einzeln betrachtet. Dazu Lokalisation mittels Laufzeit-
Mensch verhalten. Ein Robo­ benötigt, um den Ort der wird ein Aufbau von vielen unterschieden: Die Lokalisation
ter, der sich im Straßenverkehr Quelle zu bestimmen. Sind Mikrofonen verwendet, wel­ ist in der Realität eine Aufgabe,
autonom bewegt, sollte daher weniger Mikrofone vorhan­ cher Mikrofonarray genannt welche im dreidimensionalen
erkennen, woher Geräusche den, kann der Entstehungsort wird. Das Konzept der Signal­ Raum gelöst werden muss. Zur
kommen. Auch ein humano­ lediglich eingegrenzt werden. verarbeitung ist hier, alle besseren Anschauung ist hier die
ider, also menschenähnlicher In dem Kasten »Lokalisation Mikrofonsignale in bestimm­ Lokalisation in einer zweidimen-
Serviceroboter benötigt die mittels Laufzeitunterschie­ ter Weise zu verzögern und zu sionalen Ebene gezeigt.
Fähigkeit, zu lokalisieren. den« ist das Konzept veran­ überlagern. Beamforming
Wenn dem Roboter beispiels­ schaulicht. Das Lokalisations­ wird häufig für so genannte
weise eine Frage aus einer konzept funktioniert sehr gut, akustische Kameras verwen­
Menschengruppe heraus ge­ wenn es keine Nebengeräu­ det. Hier wird Schall in einem

123 abbildung 1

Die Welle, welche von der Quelle
Q ausgesendet wurde, kommt
zum Zeitpunkt Z1 an dem Mi-
krofon M1 an.

abbildung 2
Zum Zeitpunkt Z2 erreicht die
Welle das Mikrofon M2.

456 abbildung 3
An dem Mikrofon M3 kommt die
Welle zum Zeitpunkt Z3 an.

abbildung 4
Aus den Ankommenszeitpunkten
Z2 und Z3 berechnet man die
Streckendifferenz ∆S23. Mit die-
ser Differenz lässt sich ein Hy-
perbelzweig (blau) berechnen, auf
welchem die Quelle liegen muss.

stellt wird, sollte der Roboter sche und keine Reflexionen Bildausschnitt zusammen mit abbildung 5
sich der richtigen Person zu­ der Schallwellen gibt. Reflexi­ dem optischen Bild dargestellt. Mit den Ankommenszeitpunkten
wenden. onen und Nebengeräusche So kann beispielsweise er­ Z1 und Z3 lässt sich die Stre-
sind aber bei allen realen Ein­ kannt werden, an welcher Stel­ ckendifferenz ∆S13 berechnen und
Es gibt drei wichtige Metho­ satzbedingungen vorhanden le ein Motor Lärm erzeugt. Im damit ein zweiter Hyperbelzweig
den, mit denen Geräusche und erschweren bei allen Ver­ Gegensatz zu der Lokalisation (rot) bestimmen. Auch auf dieser
lokalisiert werden können: fahren die Lokalisation. Des mittels Laufzeitunterschieden Kurve muss die Quelle liegen.
Lokalisation mittels Laufzeit­ Weiteren kann sich sowohl können mit Hilfe des Beam­
unterschieden, Beamforming das Objekt als auch der Robo­ formings nur die Richtung abbildung 6
sowie Lokalisation durch ter bewegen. Auch dies muss beziehungsweise die Richtun­ Der Schnittpunkt der beiden Hy-
Pegelunterschiede. Für alle beachtet werden und führt zu gen, aus welchen der Schall perbelzweige ist das Ergebnis des
Verfahren werden mehrere komplexeren Verfahren. Eine auf das Mikrofonarray getrof­ Lokalisationsverfahrens. Anhand
Mikrofone benötigt. Das wich­ noch größere Herausforde­ fen ist, bestimmt werden. Die der Grafik ist zu sehen, dass die
tigste Konzept ist die Lokali- rung entsteht, wenn keine Entfernung der Quelle ist so Position der Quelle richtig be-
sation mittels Laufzeitunter- Sichtlinie zwischen dem Ge­ nicht zu ermitteln. Dafür ist stimmt wurde.
schieden. Ein Laufzeitunter­ räusch und dem Mikrofon der Vorteil des Beamformings
schied entsteht dadurch, dass besteht. Am Institut für Infor­ das Handhaben von mehreren
die Schallwelle eine unter­ mationsverarbeitung wird Quellen aus unterschiedlichen
schiedliche Strecke zu den unter anderem an Lösungen Richtungen, die zur gleichen
Mikrofonen zurücklegt. Für für diesen Fall geforscht. Zeit Schall abstrahlen.

11

R O B O T I K LeibniZ UniVeRsitÄt hannoVeR

Prof. Dr.-Ing. Jörn Ostermann Thomas Krause hierbei die Eigenschaften der Mensch eine beeindruckende
Jahrgang 1962, ist seit 2003 Jahrgang 1985, ist seit 2013 Ausbreitung von Schallwellen räumliche Lokalisationsschär­
Leiter des instituts für infor- Wissenschaftlicher Mitarbeiter beachtet werden, um richtige fe auf. Ein wichtiger Effekt,
mationsverarbeitung. seine am institut für informations- Schlüsse zu ziehen. Dieser den Menschen hierfür ausnut­
Forschungsinteressen sind verarbeitung. seine For- Mechanismus ist zum Beispiel zen, basiert darauf, dass sehr
audio- und Videosignal- schungsinteressen sind die für das Lokalisieren einer viele Geräusche gleichzeitig
verarbeitung, Computer audio-signalverarbeitung, Schallquelle im Nahbereich unterschiedliche Tonhöhen
Vision, 3D Modellierung, Mustererkennung und Loka- nützlich, da etwa unterhalb enthalten. Durch die Form
Gesichtsanimation und lisation und die automatisierte eines Meters oft relevante Pe­ und Anordnung der beiden
Mensch-Maschine-interak- Zustandsüberwachung. gelunterschiede auftreten. Ohren werden Geräusche, die
tion. Kontakt: ostermann@ Kontakt: [email protected] von oben, von vorne oder je­
tnt.uni-hannover.de hannover.de Ein Teilbereich der Robotik der anderen Richtung kom­
verfolgt das Ziel, Roboter zu men, verändert und zwar in
7 erschaffen, welche so men­ Abhängigkeit der Tonhöhe.
schenähnlich wie möglich Bei einer festen Richtung ist
sind. Die menschliche Fähig­ die Veränderung immer
keit Geräusche zu lokalisieren, gleich. Diese Information wird
ist äußerst komplex – daher ist für die Lokalisation verwen­
die menschliche Signalverar­ det. Die Auswertung allein
beitung sehr schwer zu imitie­ dieses einen Effekts ist schon
ren. Ein Mensch verfügt über sehr komplex und zeigt beein­
lediglich zwei Trommelfelle, druckend, wie gut der Mensch
welche den Schall ähnlich wie Signale verarbeitet. Eine ähnli­
zwei Mikrofone aufnehmen. che Lokalisationsgenauigkeit
Damit ist es mit nur einem mit zwei Ohrsignalen künst­
Lokalisationskonzept nicht lich zu erreichen ist noch in
weiter Ferne und umfasst
zahlreiche Herausforderungen
für die Signalverarbeitung.

abbildung 7 Ein weiteres Verfahren ist die möglich, Geräusche räumlich Zusammenfassend kann fest­
Roboterplattform mit drei Mikro- Lokalisation mittels Pegel- zu lokalisieren. Dies kann an­ gehalten werden, dass die Lo­
fonkapseln an der Front und unterschieden. Hier werden schaulich in dem Kasten »Lo­ kalisation von Geräuschen für
einer Kapsel auf dem Dach Schalldrücke, die von mehre­ kalisation mittels Laufzeitun­ Roboter ein wichtiger Teil des
ren Mikrofonen aufgefangen terschieden« nachvollzogen »Sinneseindrucks« Hören dar­
werden, verglichen. Anhand werden. Der Mensch verwen­ stellt. Es gibt schon ausgereifte
dieser Daten wird der Ort der det daher viele unterschiedli­ Lokalisationsverfahren, wel­
Schallquelle ermittelt. Dabei che Lokalisationskonzepte che in bestimmten, meist ein­
ist ein höherer Pegel ein Indiz gleichzeitig, um Geräusche fachen oder klar beschränkten
für einen geringeren Abstand räumlich zu lokalisieren. Für Einsatzbereichen sehr gut
zur Quelle. Allerdings müssen nur zwei Ohren weist der funktionieren. Für sehr viele
Roboteranwendungen ist die
Vielfalt der auftretenden Be­
dingungen aber riesig und es
ergeben sich häufig Bedingun­
gen, welche schwierig zu
handhaben sind. Zudem kön­
nen sich die Bedingungen bei
mobilen Robotern auch noch
schnell ändern. Die Lokalisati­
on muss aber idealerweise in
allen Szenarien robust funkti­
onieren. Mit der Forschungs­
arbeit der Audiolokalisation
werden Lösungen erdacht,
welche die bisherigen Hürden
überwinden. Diese Lösungen
tragen dazu bei, zukünftige
Robotergenerationen zu er­
schaffen, die besser hören und
deshalb neue Aufgaben über­
nehmen können.

12

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13

R O B O T I K LEIBNIZ UNIVERSITÄT HANNOVER

Das Gesicht als Interface zwischen
Mensch und Maschine

WIE WIR ZUKÜNFTIG MIT ROBOTERN KOMMUNIZIEREN

Die natürlichste Form der zieren sollen. 1
menschlichen Kommunika- Zurzeit wer-
Der Roboter soll menschlicher tion erfolgt nicht nur über die
werden: Dadurch soll einerseits Sprache, sondern auch durch den Roboter
die Akzeptanz der Maschinen nonverbale Kommunikation,
basierend auf Körpergesten bereits als
verbessert, andererseits die und Gesichtsmimik. Trotzdem
Kommunikationsmöglichkeiten besteht die heutige Mensch- einfache
zwischen Mensch und Maschine Maschine-Kommunikation
auf menschlicher Seite haupt- Haushaltshil-
gesteigert werden. sächlich aus Interaktion via
Wissenschaftlerinnen und Texteingaben, Mausinter- fe in unmit-
Wissenschaftler vom Institut aktion und Fingergesten.
für Informationsverarbeitung Aktuelle Fortschritte sind telbarer Nähe
an der Fakultät für Elektro- Technologien zur Interaktion
via Spracherkennung und zum Men-
technik und Informatik Sprachausgabe, zum Beispiel
forschen daher an der auto- Apples Siri, oder Interaktion schen einge-
matischen Erstellung eines via Körperbewegungen, die
hochaufgelösten, vielseitig ein- beispielsweise durch 3D-Sen- setzt, bei-
setzbaren 3D-Gesichtsmodells. soren wie Microsoft Kinect
aufgezeichnet werden können. spielsweise

Während Sprache und Kör- zum Staub-
pergesten bereits in einigen
Bereichen als Eingabe verwen- saugen, Wi-
det werden, hat sich bisher
keine Technologie etabliert, schen oder
die das menschliche Gesicht
als Ein- oder Ausgabe verwen- Rasenmähen.
det. Dabei wäre das Gesicht,
als Gesamtkonzept aus Mimik In Zukunft
und Sprache, eine Möglich-
keit, um künstlich erdachte werden Ser-
Bedienkonzepte abzuschaffen
und die Kommunikation zwi- viceroboter
schen Mensch und Maschine
der zwischen Mensch und auch in Berei-
Mensch anzunähern.
chen einge-
Eine solche Form der Inter-
aktion ist besonders wichtig setzt werden,
für die zukünftige Generation
an Robotern, die direkt im die eine di-
menschlichen Umfeld ein-
gesetzt werden und autonom rekte soziale
mit dem Menschen kommuni-
Interaktion mit dem Men- treuungspersonal zu entlas-
ten, zum Beispiel in der Alten-
schen und somit auch soziale pflege.

Intelligenz des Roboters vor- Ein wichtiger Schritt zu einer
emotionalen und sozialen
aussetzen. Intelligenz ist es, Robotern zu
ermöglichen, die mensch-
So genannte Personal Robots lichen Emotionen aus Sprache
oder auch Social Robots wer- und Mimik zu verstehen und
den bald Einzug in den mo- darauf in sinnvoller Weise zu
dernen Haushalt finden, Auf- reagieren. Ein synthetisches
gaben erledigen, überwachen Gesicht, welches zum Aus-
und Prozesse nach den Wün- druck verschiedener Emotio-
schen ihrer Nutzer steuern. nen fähig ist, kann Roboter ein
Bereits jetzt sind erste Formen weiteres Stück menschlicher
solcher Roboter erhältlich oder erscheinen lassen. Neben
vorbestellbar, beispielsweise einer erweiterten Kommuni-
Jibo und Personal Robot. kationsmöglichkeit steigert
Darüber hinaus ist der Einsatz dies möglicherweise auch die
sozialer Roboter in Bereichen Akzeptanz im menschlichen
der Pflege und Betreuung Umfeld sowie die Freude an
denkbar, um Personen mit der Nutzung solcher Roboter.
Behinderung bei Aktivitäten
des täglichen Lebens zu unter-
stützen und gleichzeitig Be-

14

R O B O T I K LEIBNIZ UNIVERSITÄT HANNOVER

Das virtuelle Gesicht eine realistische Gesichtsani- Gesichtsmuskeln die Gesichts- Abbildung 1
als Schnittstelle mation. Der große Vorteil sol- mimik anhand von kleinsten Unser Talking Head Rebecca ist
cher Systeme ist, dass jedes Bewegungseinheiten (Action als Demo-Download auf unserer
An der Erstellung, Darstel- Einzelbild eine echte Aufnah- Units) zu beschreiben. Der Webseite verfügbar und wird
lung und Animation virtuel- me des Sprechers zeigt, so zweite Teil der Parameter ent- im Eingangsbereich unseres
ler, also computergenerierter dass neue Sequenzen effizient stammt den Facial Animation Instituts auf einem Touchscreen
Gesichter wird bereits seit lan- und realistisch zusammen- Parametern (FAP) des MPEG-4 verwendet.
gem geforscht. Am Institut für gesetzt werden können. Standards.
Informationsverarbeitung Abbildung 2
beschäftigen wir uns mit vir- Das vorgestellte System hat Ein Problem des Modells be- Von links nach rechts: Candide-3-
tuellen menschlichen Gesich- den Nachteil, dass nur Bild- steht darin, dass verschiedene Modell (von Ahlberg und ande-
tern, auch »Talking Heads« sequenzen aus Bildern erzeugt Parameter Einfluss auf diesel- ren), Eingabebild einer Person mit
genannt. Unser Ziel ist es, eine werden können, die bereits ben Punkte nehmen und ähn- adaptierten Modell, 3D-Modell
personalisierte, realistische Teil der Datenbank sind. Aus liche Veränderungen herbei- mit einem geänderten Gesichts-
Gesichtsanimation vollkom- diesem Grund bestimmen die führen können. Werden diese ausdruck.
men automatisch aus mög- Größe der Mundbild-Daten- Parameter zur selben Zeit
lichst wenigen Eingangsdaten bank und die enthaltenen Lau- geschätzt, ergeben sich un-
zu erzeugen. te und Emotionen die Qualität sinnige Werte und teilweise
und Diversität der Synthese. entstellte Gesichter.
Unser Talking Head Prototyp
»Rebecca« wird als virtuelle Als Alternative werden Ge- Wir haben einen Algorithmus
Empfangsdame auf dem Bild- sichtsmodelle eingesetzt, die entwickelt, der korrelierte
schirm im Eingangsbereich ein Gesicht durch kontinuier- Gesichts-Parameter schätzen
des Instituts eingesetzt. Eine liche Parameter beschreiben kann, dabei die Form eines
Demo-Version steht als Down- und eine Synthese ermög- Gesichts bewahrt und gleich-
load auf unserer Website zur lichen, die nicht auf eine
Verfügung. Rebecca kann be- feste Anzahl von Bildern be- 2
liebige Texte in audiovisueller schränkt ist. Durch die Ver-
Form präsentieren und hilft änderung der Parameter kann zeitig zu einer deutlich höhe-
dem Benutzer durch die Me- ein neues Gesicht erzeugt wer- ren Genauigkeit führt. Ab-
nüs des Touchscreens zu navi- den. Gesichtsmodelle bieten bildung 2 zeigt, wie das Modell
gieren. auch die Möglichkeit für ein an ein vorhandenes Bild an-
vorhandenes Gesicht die Para- gepasst wird und durch eine
Bei Rebecca handelt es sich meter zu schätzen, die es be- Veränderung der Parameter
um ein System, das auf einer schreiben und zur Identifika- ein neuer Gesichtsausdruck
Bilddatenbank basiert, wobei tion sowie zur Erkennung entstehen kann.
die Ausgabe durch eine Kom- von Emotionen und Mimik
position von Bildern realisiert verwendet werden können. Mit 113 Punkten bietet das
wird. Eine Übersicht zur Tech- Candide-3 nur eine grobe Ver-
nik hinter dem System ist in Ein Beispiel für ein kontinu- einfachung eines Gesichts und
Abbildung 1 dargestellt. Der zu ierliches Modell ist Candide-3, eignet sich deshalb eher zur
sprechende Text wird an einen wie in Abbildung 2 dargestellt. Analyse als zu einer realis-
Text-to-Speech (TTS) Server Es besteht aus individuellen tisch wirkenden Synthese von
gesendet, der ein Tonsignal Shape-Parametern (zum Bei- Gesichtern.
sowie zugehörige Lautein- spiel Augenabstand) und
heiten (Phoneme) und deren mimikbasierten Action-Para- Deutlich detailliertere, hoch-
Dauer zur Verfügung stellt. metern (zum Beispiel Augen- aufgelöste Modelle sind die in
Anschließend wird ein inver- braue heben). Das Modell der 3D-Computergrafik häu-
ses Lippenlese-Problem gelöst, besteht aus 3D-Punkten, die fig verwendeten Blendshape-
das heißt zu den jeweiligen durch Dreiecke verbunden Modelle. Diese modellieren
Phonemen werden anhand sind und kann mit 14 Shape ein Gesicht aus einer Linear-
eines Gütekriteriums plausible sowie 65 Action-Parametern
Mundbilder (Viseme) aus individuell variiert werden.
einer Mund-Datenbank aus-
gewählt und zu einer Mund- Die Action-Parameter entspre-
bildsequenz zusammen- chen dabei weitestgehend de-
gesetzt. Diese wird dann auf nen des Facial Action Coding
das Gesicht der Hintergrund- System (FACS). Das FACS
sequenz übertragen. Werden wurde 1978 von den Psycho-
die Bild- und Tonsequenz syn- logen Ekman und Friesen de-
chron abgespielt, ergibt sich finiert, um basierend auf den

15

R o b o t i k leibniz universität hannover

Felix Kuhnke, M.Sc. Stella Graßhof, M.Sc. Prof. Dr.-Ing. Jörn Ostermann hof, Sprache besser zu verste-
Jahrgang 1987, arbeitet seit Jahrgang 1985, ist seit 2012 Jahrgang 1962, ist seit 2003 hen. In diesen Bereichen
2015 als wissenschaftlicher wissenschaftliche Mitarbeite­ Leiter des Instituts für kann eine zusätzliche visuelle
Mitarbeiter am Institut für rin am Institut für Informa­ ­Informationsverarbeitung. Sprachausgabe die Sprach­
Informationsverarbeitung. tionsverarbeitung. Ihre For­ Seine Forschungsinteressen verständlichkeit auch für Nor-
Sein Forschungsschwerpunkt schungsschwerpunkte sind sind Audio- und Videosignal­ malhörende erhöhen.
ist die Synthese visueller Spra­ 2D/3D-Gesichtsmodelle, verarbeitung, Computer
che. Kontakt: kuhnke@tnt. Schätzung von Gesichtspara­ ­Vision, 3D-Modellierung, Ge­ Für den Bereich E-Care kön-
uni-hannover.de metern und Registrierung. sichtsanimation und Mensch- nen personalisierte sprechen-
Kontakt: [email protected] Maschine-Inter­aktion. de Köpfe eingesetzt werden,
hannover.de ­Kontakt: ostermann@tnt. um die Kommunikation mit
uni-hannover.de Menschen, die an Demenz
kombination von Basisposen erkrankt sind, zu verein­
und bieten Anwenderinnen fältig, zum Beispiel in Filmpro- fachen. Vertraute Gesichter,
und Anwendern intui­tive In- duktionen und Video­spielen. zum Beispiel eines Angehöri-
teraktionen durch semantische Im Folgenden werden zwei gen, können sie daran erin-
Parameter. Die Modelle sind in spezifische Anwendungsmög- nern, genug zu trinken oder
der Regel kostenpflichtig und lichkeiten beschrieben. ihre Medikamente zu neh-
entstehen mit hohem manuel- men, und so die Pflegekräfte
len Aufwand. Zudem besitzen Eine mögliche Anwendung unterstützen. In solchen Fällen
diese Modelle nur Action- für künstliche, sprechende Ge- könnten entsprechende Perso-
Parameter und sind somit auf sichter ist das visuelle Sprach- nal Robots auch die Zeit ver-
eine Person festgelegt. verstehen. Schwerhörige und längern, bevor pflegebedürfti-
taube Personen kommunizie- ge Menschen in einem Pflege-
Die aktuelle Forschung be- ren oft durch Lippenlesen mit oder Altersheim untergebracht
schäftigt sich daher mit der ihren Mitmenschen. Während werden müssen oder Angehö-
automatischen Erstellung ein traditionelles Telefonat für rige bei der Pflege unterstüt-
­eines hochaufgelösten, vielsei- diese Menschen unmöglich zen. Daher ist auch ein »Tal-
tig einsetzbaren 3D-Gesichts- ist, gibt es bereits Anwendun- king Head für jedermann« ein
modells, beispielsweise aus gen, welche die Sprache in Ziel unserer aktuellen For-
einer Datenbank von 3D-Ge- Text für den Gehörlosen über- schung. Aus einer Aufnahme
sichtern mit verschiedenen setzen. Wir arbeiten daran, einer Person soll vollautoma-
Personen und Gesichtsaus­ Sprache in eine realistische tisch ein personalisiertes Mo-
drücken. Gesichtsanimation zu über­ dell erstellt werden, welches
setzen, die von so hoher Ge- beliebig animiert werden
Insbesondere die Anwendun- nauigkeit ist, dass sie das kann, um zum Beispiel als
gen für visuelle Sprach­ ­Lippenlesen für Schwerhörige sprechender Kopf auf dem
synthese sowie Transfer und und Gehörlose ermöglicht. Display eines Roboters zu er-
Klassifikation von Gesichts- Der große Vorteil dieser Tech- scheinen.
ausdrücken sind dabei von nologie besteht darin, dass
Interesse. nur der Ton übertragen wer- Weitere Entwicklungen im
den muss und die Bilder Bereich der virtuellen Gesich-
Wo können Talking Heads des sprechenden Kopfes auf ter aber auch die Zukunft der
eingesetzt werden? einem Empfangsgerät erzeugt Mensch-Roboter-Interaktion
werden. Zusätzlich nutzen bleiben spannend. Mit unserer
Die Anwendungen für vir­ auch Normalhörende Lippen- Arbeit wollen wir Maschinen
tuelle Gesichter sind sehr viel- lesen, um in Situationen mit soziale Interaktion und somit
vielen Hintergrundgeräu­ auch soziale Intelligenz er-
schen, zum Beispiel am Bahn- möglichen. Wann, ob und wo
zukünftige Roboter mit uns
zusammen lachen werden
und dies auch über ein virtu-
elles Gesicht kommunizieren,
bleibt offen.

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R O B O T I K LEIBNIZ UNIVERSITÄT HANNOVER

Groß und dennoch hochpräzise

DIE FERTIGUNG MIKROOPTISCHER KOMPONENTEN MITTELS MAKRO­MIKRO­MANIPULATION

1a 1b 1c
Sowohl in der Industrie

als auch in vielen Bereichen des

alltäglichen Lebens ist eine

immer fortschreitende Mini-

aturisierung von elektrischen,

optischen und mechanischen

Systemen erkennbar.

Wissenschaftler vom Institut

für Mess- und Regelungstech-

nik (IMR) arbeiten an einem

Makro-Mikro-Manipulator, Als ein bekanntes Beispiel für solch mikroskopischen Bau- mehrere nebeneinanderliegen-
der eine Fertigung und Mon- eine fortschreitende Miniatu- teilen nicht mit ausreichender de Antriebe an eine gemeinsa-
risierung sind Smartphones Güte gewährleisten. Obwohl me Plattform montiert sind.
tage von Komponenten im zu nennen. Die darin ver- es zwar prinzipiell möglich Dieses Prinzip wird zum Bei-
mikroskopischen Bereich bauten elektrischen und opti- ist, solche Komponenten mit- spiel bei Flugsimulatoren ver-
schen Komponenten (wie etwa tels Maschinen mit moderner wendet. Zwar kann mit dieser
möglich macht. Prozessor und Kamera) wer- Steuerungstechnik präzise zu Struktur die Steifigkeit des
den stetig kleiner, um ent- fertigen, kann mit diesen Gesamtsystems erhöht werden
weder die Geräte selbst zu wiederum eine automatisierte und damit in Folge dessen
verkleinern oder mehr Bau- Serienproduktion nicht erfol- Präzision und Wiederhol-
teile in einem Gehäuse unter- gen, da jedes zu fertigende genauigkeit, gleichzeitig wird
zubringen. Durch diese zu- Bauteil einzeln von einer aber damit die Größe des
nehmende Miniaturisierung Fachkraft per Hand eingesetzt Arbeitsraumes stark einge-
entstehen zwangsläufig eine und nach der Bearbeitung aus schränkt. Um eine Abhilfe der
Reihe an Herausforderungen der Maschine herausgeholt bereits genannten Probleme
in der Fertigung der dazuge- werden muss. zu schaffen, können Roboter-
hörigen Komponenten und arme durch eine Mikro-Posi-
der anschließenden Endmon- Um eine mögliche Lösung tioniereinheit erweitert wer-
tage. Industrielle Roboterar- dieser Problematik zu schaf- den, woraus sich ein neues
me, wie sie zum Beispiel heut- fen, werden in der Industrie Gesamtsystem ergibt, welches
zutage vermehrt in der Auto- für die präzise Montage und aus zwei Subsystemen besteht:
mobilindustrie eingesetzt Platzierung von Bauteilen in der so genannte Makro-
werden, können die geforderte der Serienproduktion häufig Mikro-Manipulator. Der grö-
Präzision in der Fertigung von Roboter eingesetzt, bei denen ßere Roboterarm, die Makro-

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R O B O T I K LEIBNIZ UNIVERSITÄT HANNOVER

Positioniereinheit, ist dabei für sitzen die Eigenschaft, sich bei untersuchende Probe gestrahlt Abbildung 1a, 1b, 1c
die grobe Positionierung des Anlegen einer Spannung aus- und das reflektierte Licht von Die Aufnahmen zeigen drei Ro-
Roboters im Raum verant- zudehnen. Da diese Ausdeh- einem Detektor eingefangen. boter (KUKA Agilus, Stäubli
wortlich, die kleinere Mikro- nung in einer nanoskopischen Dabei wird ein Teil des Lichts TX90 und Bodensee Gerätetech-
Positioniereinheit übernimmt Größenordnung (das heißt von dem Material absorbiert. nik µKROS-316), die am Institut
wiederum die Rolle der Fein- Ausdehnungen um wenige Somit können Rückschlüsse für Mess- und Regelungstechnik
positionierung. Somit ist es Milliardstel Meter) liegt, wer- auf die Materialzusammen- (IMR) zur Verfügung stehen und
möglich, die Vorteile beider den mehrere dieser Piezokris- setzung der Probe gezogen welche als Makro-Positionierein-
Systeme zu vereinigen: Einer- talle hintereinander gestapelt werden, ohne dabei die Probe heit verwendet werden können.
seits kann durch den Makro- und verklebt, so dass größere zu zerstören oder in sie ein-
Roboter die Traglast und der Auslenkungen möglich sind. dringen zu müssen. Zum Bei- Foto: Institut für Mess- und Rege-
Arbeitsraum erhöht und ande- Eine besondere Herausforde- spiel könnten Diabetiker in
rerseits durch den Mikro- rung für die Regelung dieser baldiger Zukunft ihre Gluko- lungstechnik
Roboter eine hohe Präzision Piezokristalle stellt dabei de- sekonzentration messen, ohne
gewährleistet werden. ren komplexes Verhalten dar. sich dabei in den Finger ste-
Im Gegenzug zeichnen sich chen zu müssen. Allerdings
Die Grundidee der Makro- diese kleinen Kristalle aber sind die bisherigen Labor-
Mikro-Manipulatoren existiert wiederum durch hohe Kräfte spektrometer meistens zu

2a 2b

bereits seit den 1980er Jahren – und schnelle Reaktionszeiten groß und zu schwer, um sie Abbildung 2a, 2b
seitdem wird an diesen Sys- aus. Außerdem ist eine Auf- außerhalb des Labors zu ver- Hier ist die Aufnahme eines ge-
temen geforscht. Das Anwen- lösung im nanoskopischen wenden. frästen Miniaturspiegels mittels
dungsgebiet von Makro- Bereich erreichbar, welche bei eines Lasermikroskops (links)
Mikro-Manipulatoren deckt Motoren unter anderem durch Um letztendlich handlichere und mittels einer handelsüblichen
ein weites Feld ab, von der die auftretende Reibung und Geräte zu fertigen, die sich Spiegelreflexkamera (rechts) zu
Fertigung und Montage bis Trägheit nicht ohne weiteres zum Beispiel als Armband sehen.
hin zur Medizintechnik. Am möglich ist. Daher werden tragen lassen, müssen die bis- Foto: Institut für Mess- und Rege-
Institut für Mess- und Rege- diese Kristalle oft für Systeme her verwendeten Komponen-
lungstechnik (IMR) stehen verwendet, bei denen nur klei- ten stark verkleinert werden. lungstechnik
drei Roboter (KUKA Agilus, ne Auslenkungen eine Rolle In konventionellen Geräten
Stäubli TX90 und Bodensee spielen. befindet sich unter anderem
Gerätetechnik KROS-316, ein beweglicher Spiegel. An-
siehe Abbildung 1) zur Ver- Ein Schwerpunkt des IMR statt nun einen beweglichen
fügung, welche als Makro- liegt unter anderem im Ein- Spiegel zu verwenden, kann
Positioniereinheit verwendet satz optischer Systeme für die alternativ ein miniaturisierter
werden können. Als Mikro- Messtechnik. In diesem Zug Stufenspiegel eingesetzt wer-
Positioniereinheit wird am ist auch das Fourierspektro- den, woraus sich hauptsäch-
IMR ein Miniaturroboter ver- meter zu nennen, welches in lich zwei Vorteile ergeben.
wendet, der sich in alle drei vielen Bereichen Anwendung Einerseits entfällt ein sich be-
Raumachsen bewegen kann findet, wie zum Beispiel beim wegender Spiegel, was sowohl
und dessen Auslenkung mit- Messen von Oberflächen und laufende Kosten als auch In-
tels sogenannter Piezokristalle in der Medizin. Bei diesem standhaltungskosten einspart
erfolgt. Diese Materialien be- Gerät wird Licht auf eine zu und auf der anderen Seite

19

R o b o t i k leibniz universität hannover

Christopher Schindlbeck Dr.-Ing. Christian Pape Prof. Dr.-Ing.
Jahrgang 1985, ist wissen­ Jahrgang 1978, ist seit 2011 Eduard Reithmeier
schaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsgruppenleiter für Re­
Institut für Mess- und Rege­ gelungstechnik und Akustik Jahrgang 1957, ist seit 1996
lungstechnik. Seine Forschungs­ am Institut für Mess- und Re­ Direktor des Instituts für Mess-
interessen liegen hauptsächlich gelungstechnik. Seine For­ und Regelungstechnik. Davor
in der Regelungstechnik, Robo­ schungsinteressen liegen war er technischer Direktor für
tik, Optik und dem maschinellen haupts­ ächlich in der bildrück­ die Bodenseewerk Gerätetech­
Lernen. Kontakt: christopher. geführten Regelung und der nik GmbH. Seine aktuellen For­
[email protected] aktiven Schallkompensation. schungsinteressen liegen in der
hannover.de Kontakt: christian.pape@imr. Regelungstechnik, Biomedizin­
uni-hannover.de technik, Fertigungs-, Oberflä­
chen- und optischen Messtech­
nik. Kontakt: sekretariat@imr.
uni-hannover.de

kann der Grad der Miniaturi- Regelung ermöglicht wird. eines L­ asermikroskops (links)
sierung erhöht werden, indem Zusätzlich werden kleine und mittels einer handels­
die Stufen des Spiegels ent- ­weiße Kügelchen am Ro­boter üblichen Spiegelreflexkamera
sprechend klein gewählt wer- als Marker befestigt und mit (rechts). Darin ist erkennbar,
den. Bisher ist eine industrielle schwarzem Stoff hinterlegt, dass eine vorgegebene Stufen-
Serienfertigung eines solchen so dass sich damit ein hoher höhe von 50 Mikrometer (das
Miniaturspiegels nicht mög- Kontrast ergibt. Das Kamera­ heißt 50 millionstel Meter)
lich. Zwar konnte zum Beispiel system besteht aus zwei und eine Stufenbreite von 250
die Firma Kugler GmbH einen schwarz-weiß Hoch­geschwin­ Mikro­meter erreicht werden
solchen Miniaturspiegel anfer- dig­keits­kamer­ as mit speziellen konnte.
tigen, die Maschine allerdings Objektiven, woraus sich zwei-
kostet zwischen einer halben erlei Vorteile ergeben: Einer- Somit wurde am IMR erfolg-
und einer Million Euro. Des seits erlaubt die hohe Bild­ reich gezeigt, dass durch den
Weiteren ist eine kostspielige frequenz der Kameras eine Einsatz eines Makro-Mikro-
Klimakammer von Nöten, genaue Positionsregelung und Manipulators eine Fertigung
welche unter kontrollierten Be- andererseits ergibt sich mittels von Komponenten im mikros-
dingungen die geforderte Prä- der Objektive ein größerer kopischen Bereich möglich ist,
zision gewährleisten kann. Am Schärfentiefenbereich. Zusätz- während gleichzeitig der in-
IMR wurde sich das Prinzip lich wird am M­ iniaturroboter härente Konflikt des Arbeits-
der Makro-Mikro-Manipula­ ein Fräser angebracht, der den raumes, der Präzision und der
tion zu Nutze gemacht, um miniatu­risierten Stufenspiegel Tragfähigkeit gelöst wird. Ins-
zu zeigen, dass es in der Tat aus einem Aluminiumblock besondere für die Fertigung
möglich ist, eine präzise Ma­ fräst. Die Regelung ist nun so von optischen Mikrosyste-
nipu­lation im Mikrometerbe- ausgelegt, dass der Makro-Ro- men, bei denen die Anforde-
reich mittels gewöhnlicher boter eine vorgegebene Bahn- rungen an die Miniaturisie-
Indust­ rieroboter zu erreichen. kurve abfährt, während rung und Kostenreduzierung
Als beispielhafte Anwendung gleichz­ eitig Abweichungen stetig steigen, versprechen
kann der miniaturisierte Stu- über das Kamerasystem detek- solche Systeme daher ein gro-
fenspiegel genommen werden. tiert und diese durch den ßes Potenzial für die Zukunft.
Dafür wird der Makro-Mikro- Mini­atur­roboter ausgeglichen
Manipulator zusätzlich um ein werden. Abbildung 2 zeigt die
Kamerasystem erweitert, so Aufnahme eines solch gefräs-
dass eine bildrückgeführte ten Miniaturspiegels mittels

20

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Labor Fertigung Entwicklung
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21

R o b o t i k leibniz universität hannover

Der Roboter als Assistent am operationstisch

robotisChe instruMente FÜr
Die transluMinale unD laParosKoPisChe ChirurGie

Minimalinvasive Eingriffe Mechatronische Assistenz- ge von circa 1 cm in der 1
haben viele Vorteile: kleinere systeme finden zunehmend Bauchdecke gesetzt. Als Zu-
Narben, geringerer blutverlust, im Operationssaal Einzug. gangssystem werden anschlie- Schnitte und reduziert die
Besonders bei Eingriffen mit ßend so genannte Trokare zur Bildung beziehungsweise
schnellere Heilung. Doch keinen oder kleinen Narben Instrumentenführung durch Sichtbarkeit der Narbe. Diesen
gleichzeitig ist der Chirurg (so genannte minimalinvasive die Einschnitte in die Bauch- Vorteilen stehen bislang die
durch die kleinen instrumente Chirurgie, Schlüsselloch- höhle eingeführt und der Nachteile einer deutlichen
in der bewegung eingeschränkt. chirurgie oder auch Operation Bauchraum danach mit CO2- Einschränkung der Bewe-
Wissenschaftler am institut durch natürliche Körperöff- Gas insuffliert, um den ver- gungsmöglichkeiten der ein-
für mechatronische Systeme nungen) ergibt sich der Be- fügbaren Arbeitsraum zu geführten Instrumente gegen-
wollen daher die Handhabung darf, manuell geführt Instru- vergrößern. Die Sicht auf das über, die aus dem geringen
mente weiterzuentwickeln, Operationsgebiet in der Abstand der Schäfte und
und Manipulierbarkeit um den Chirurgen Fähigkei- Bauchhöhle wird dabei mittels deren Kollisionen resultieren.
der instrumente durch ten zurückzugeben, die beim starrem Endoskop (Laparo- Analog dazu ist auch der Be-
robotische Assistenzsysteme Übergang von der offenen zur skop) hergestellt. Die Manipu- wegungsraum der Instrumen-
minimalinvasiven Chirurgie lation des Zielgewebes wird tengriffe außerhalb des Kör-
verbessern. verloren gehen. Es handelt mit für die Laparoskopie an- pers der Patientin oder des
sich hierbei zumeist um Endo- gepassten Instrumenten (siehe Patienten ebenfalls stark limi-
abbildung 1 skope, mit denen die chirurgi- Abbildung 1) vorgenommen. tiert und die Koordination
Die Bewegungsmöglichkeiten sche Szene beobachtet wird, Eine weiterführende Zugangs- der Hände des Operateurs
eines laparoskopischen Instru- sowie um miniaturisierte technik ist die Single-Port- erschwert.
ments mit Trokar werden inner- Greif- und Schneidwerkzeuge, Laparoskopie, bei der die Bild-
halb des Körpers auf die Frei- die bei robotischer Umsetzung gebung und Instrumentierung An diesem Punkt setzen die
heitsgrade q1–q4 eingeschränkt. auch Assistenzfunktionen wie über einen einzigen gemein- Forschungsarbeiten des Insti-
beispielsweise Filterung des samen Trokar im Bauchnabel tuts für Mechatronische Syste-
Tremors (Zitterbewegung des in die Bauchhöhle eingeführt me (imes) an, indem die Hand-
Chirurgen) ermöglichen. Zwei werden. Dies minimiert die habung und Manipulierbar-
Beispiele für Operationen, bei Anzahl der erforderlichen keit der Instrumente durch ein
denen derartige Instrumente robotisches Assistenzsystem
benötigt werden, sind die en- verbessert werden. Konkret
doskopische, transorale Chir-
urgie an den Stimmlippen
sowie die Single-Port-Laparos-
kopie im Bauchraum.

Durch positive Studienergeb-
nisse beispielsweise bezüglich
des begünstigten und kürze-
ren postoperativen Heilungs-
verlauf sowie dem geringeren
Blutverlust hat sich die laparo-
skopische Chirurgie des
Bauchraumes inzwischen im
klinischen Alltag etabliert. Bei
einer Vielzahl von Standard-
Eingriffen werden mehrere
kleine Schnitte mit einer Län-

22

R o b o t i k leibniz universität hannover

2
3

wird dabei die Anzahl der und einem aktiv biegbaren tionsergebnisse ausgelegt. abbildung 2
Bewegungsfreiheitsgrade des Schaftsegment betrachtet, wo- Darüber hinaus wurde ein Vergleich der Erreichbarkeiten im
Instruments innerhalb der hingegen die zweite Variante optimiertes Greifinstrument Bauchraum mit biegbarem Schaft
Bauchhöhle erhöht oder die ein starres gekrümmtes mit einer minimierten Anzahl (blau, links oben) sowie starrem,
Konstruktion spezifisch auf Schaftsegment vorsieht. Die an Komponenten und einem gekrümmtem Schaft und einem
die Anatomie beziehungswei- Simulationsergebnisse zeig- neuartigen Konzept zur Füh- Gelenk (blau, rechts oben). Die
se daraus abgeleitete Arbeits- ten, dass die konstruktive Va- rung der Betätigungsseile un- Anzahl erzielbarer Orientierun-
räume angepasst. In diesem riation signifikant den erreich- ter Verwendung von Gleitflä- gen bei drei Instrumenten ist
Zusammenhang wurde eine baren Arbeitsraum der Instru- chen entwickelt und gefertigt darunter farbkodiert dargestellt
Simulationsumgebung zur mente beeinflusst. (siehe Abbildung 4). In diesem (rot – wenige, blau – viele).
Analyse robotischer Assis- Zusammenhang wurden wei- abbildung 3
tenzsysteme für die Laparo- Auf Basis dieser Studien und tere Studien zur optimalen Roboterassistierte Single-Port-
skopie entwickelt. Mit den Werkstoffpaarung von Betä- Laparoskopie mit drei kooperie-
implementierten Methoden aufbauend auf den Stand der tigungsseil und Gleitfläche renden Instrumenten.
wird das Ziel verfolgt, eine durchgeführt, die Verschleiß
Aussage über die Güte der Technik wurde ein Greif- abbildung 4
kinematischen Struktur eines 4b Instrumentenspitze mit einer
neu konzipierten Systems im instrument für die roboteras- minimalen Anzahl an Bauteilen
Vergleich zu bestehenden Sys- und einem Durchmesser von 8
temen zu treffen. Bewertungs- sistierte mm.
grundlage ist dabei die Er-
reichbarkeit von Positionen Single-Port- 4a Abbildungsquellen: Hinnerk Borchard
und Orientierungen (so ge- Laparoskopie
nannten Posen) der Instru-
mentenspitze innerhalb eines entwickelt.
vorgegebenen Arbeitsraumes. Abbildung 3
Dafür wird die Anzahl an
erreichbaren Posen bei Be- stellt das
rücksichtigung von Instru-
mentenkollisionen innerhalb Konzept auf
eines Volumens untersucht
und die Struktur hinsichtlich Basis von
der resultierenden Kennzah-
len optimiert. Abbildung 2 drei Knick-
zeigt exemplarisch die Dar-
stellung der erzielbaren Orien- arm-Robo-
tierungen für zwei konstruk-
tive Varianten. Dabei wird tern vor. Die
zum einen ein Instrumenten-
kopf mit zwei Freiheitsgraden Instrumente

werden dabei

von den se-

riellen Robo-

tern mit der

Randbedin-

gung des Tro-

kars geführt

und kons-

truktiv ent-

sprechend

der zuvor

beschriebe-

nen Simula-

23

R o b o t i k leibniz universität hannover

5a 5b Der Forschungszweig der digestivtraktes und beeinflus-
transluminalen robotischen sen Schlucken, Atmung und
abbildung 5 und Hysterese-Effekte mini- Instrumente wird am Institut die Stimmbildung maßgeb-
Aktuierungseinheit eines roboti- mieren sollen. Zusammen- für Mechatronische Systeme lich. Nach Ausschluss konser-
schen Endoskops für die Stimm- fassend konnten in diesem durch die Arbeiten im Bereich vativer Behandlung wird ak-
lippenchirurgie Forschungsbereich Methoden der Stimmlippenchirurgie tuell häufig eine Behandlung
Quelle: Andreas Schoob (5a), Dennis zur quantitativen Analyse von und -diagnose vorangetrie- mittels so genannter Laser-
Kundrat (5b) robotischen Laparoskopie- ben. Die Stimmlippen sind phonomikrochirurgie vor-
Systemen entwickelt und eva- anatomisch im Kehlkopf (La- genommen. Dabei wird der
luiert werden, die beispiels- rynx) lokalisiert, sodass es Patient anästhesiert und in
weise zur Bewertung inno- sich konkreter um die Instru- überstreckter Lage auf dem
vativer konstruktiver Ansätze mentenentwicklung für neue OP-Tisch gelagert. Anschlie-
eingesetzt werden können. endoskopische transorale Ein- ßend erfolgt die so genannte
Auf Basis dieser Untersuchun- griffe handelt. Karzinome des Laryngoskopie, also die Etab-
gen konnte anschließend Larynx sind die zweithäufigs- lierung einer direkten Sicht-
ein neuartiges Instrumenten- te Erkrankung des Aero- linie auf die Strukturen des
design konzipiert und gefer- Kehlkopfes mittels rohrförmi-
tigt werden. gem Instrument. Um Blutun-
gen während der OP zu min-
dern, wird für die Entfernung
des pathologischen Gewebes
bevorzugt ein in das OP-
Mikroskop eingekoppeltes
Lasersystem verwendet.
Dabei wird der Laserstrahl
vom Operateur manuell auf
dem Gewebe positioniert. Dies
erfordert eine hohe Geschick-
lichkeit des Operateurs auf
Basis eines erhöhten Trai-
ningsaufwands. Ebenfalls
kann die Überstreckung der
Halswirbelsäule zu postopera-
tiven Beschwerden wie Ner-

abbildung 6 6
Evaluierung neuer Systeme
und Verfahren zur Stimmlippen-
chirurgie im Experimental-
Operationssaal

Quelle: Andreas Schoob

24

R o b o t i k leibniz universität hannover

Dipl.-Ing. Dennis Kundrat Dir.-Ing. Jan-Hinnerk Borchard Dr.-Ing. Lüder Alexander Kahrs Prof. Dr.-Ing. Tobias Ortmaier
Jahrgang 1985, ist seit 2012 Jahrgang 1983, war von 2010 Jahrgang 1975, ist seit 2013 Jahrgang 1974, leitet seit 2008
wissenschaftlicher Mitarbeiter bis 2015 wissenschaftlicher Leiter der Gruppe Medizin- das Institut für Mechatroni-
am Institut für Mechatroni- Mitarbeiter am Institut für technik und Bildverarbeitung sche Systeme an der Leibniz
sche Systeme. Nach dem Mechatronische Systeme. Er am Institut für Mechatroni- Universität Hannover. Seine
M­ aschinenbaustudium mit den promovierte 2016 zur Ent- sche Systeme mit Schwer- Forschungsschwerpunkte
Schwerpunkten Medizintech- wicklung und Aufbau von Sys- punkt im Bereich Computer- l­iegen in der Modellierung,
nik und Robotik in Berlin und temen für die roboterassistier- und Roboterassistierte Chirur- Identifikation, Optimierung,
Hannover forscht er derzeitig te Single-Port-Laparoskopie gie. Nach einem Studium der Regelung und Vernetzung
im Bereich der Kontinuums­ an der Fakultät für Maschi- Physik an der Universität komplexer Systeme. Anwen-
roboter-assistierten Laser­ nenbau der Leibniz Universität ­Bremen wechselte er an die dung finden die Methoden
chirurgie. Kontakt: dennis. Hannover. Universität Karlsruhe (TH). beispielsweise in der Robotik,
[email protected] Bevor er nach Hannover kam, Medizin-, Kraftfahrzeug-
hielt er noch zwei Postdoc- sowie der Produktionstechnik.
Positionen in Düsseldorf und Kontakt: tobias.ortmaier@
Nashville, USA inne. Kontakt: imes.uni-hannover.de
[email protected]
ver.de

venschädigungen durch die sich in den verschiedenen gen wurde der in Abbildung 5 Fusion von mehreren Greif-
erhöhten Interaktionskräfte P­ rototypen sowohl in einer so gezeigte prototypische, endo­ und (Laser-)Schneidwerkzeu-
zwischen Gewebe und Instru- genannten Aktuierungsein- skopische Aufbau entwickelt gen in einem gemeinsamen
mentarium führen. Die aktu- heit am körperfernen Ende und bereits in einer experi- mechatronischen System mit
elle Forschung führt dabei das des Endo­skops als auch inner- mental-chirurgischen Um­ (semi-)autonomen Funktio­
im Jahr 2015 abgeschlossene halb des Endoskopkopfes gebung getestet (Abbildung 6). nalitäten würde ein ideales
EU Projekt µRALP (www.uralp. (­ intrakorporale Anordnung) Die bis dato entwickelten Assistenzsystem für den Ope-
eu, ICT N° 288663) fort und befinden. Bis zu sechs Moto- ­robotischen transoralen rationssaal der Zukunft dar-
verfolgt die Verbesserung des ren lenken dabei über Schub- I­ nstrumente besitzen dabei stellen.
Operationsverfahrens durch stangen und -drähte flexible Durchmesser von 7,5 mm bis
Etablierung eines mechatroni- Elemente aus, die zur Positio- 18,5 mm und enthalten je nach
schen Assistenz-Systems. Der nierung des Lasers beim Ge- Ausgestaltung Chip-on-the-
endoskopische Ansatz ermög- webeschnitt bzw. -ablation Tip Kameras, Laserfokus­
licht eine robotische Positio- führen. Die Kombination aus module, Mikrospiegel und
nierung des Endoskopkopfes aktuiertem Laserendoskop Beleuchtungseinheiten (LED
zur stimmlippennahen Ab­ mit der Möglichkeit der intra­ oder faserbasiert).
lenkung des Laserstrahls un- operat­ iven Planung des Laser­
ter gleichzeitiger stereoskopi- bereichs und einer Bilddaten- Für zukünftige Forschungs-
scher Bildgebung. Die Pla- rückgeführten Regelung wird und Entwicklungsarbeiten ist
nung des Laserschnitts erfolgt so in Zukunft ein optimiertes eine Kombination der roboti-
dabei mittels Grafikt­ablet auf chirurgisches Ergebnis und schen Methoden für die be-
Live-Bilddaten. Die Vorpositi- somit eine bestmögliche Pa­ schriebenen transluminalen
onierung des Endoskopkopfes tientenversorgung erlauben, und laparoskopischen Instru-
im Larynx sowie die automa- da beispielsweise Patienten­ mente denkbar. Eine Weiter-
tische robotische Ablenkung bewegungen kompensiert entwicklung zu noch kleine-
des Laserstrahls wird mittels werden können. Im Verlauf ren Durchmessern und hoher
Stellmotoren r­ ea­ lisiert, die der bisherigen Untersuchun- Flexibilität bei gleichzeitiger

25

R o b o t i k leibniz universität hannover

Flexibel und starr zugleich

Eine elektromagnetisch bewegte Schlange für die Endoskopie

Konventionelle Endoskope Herausforderungen der Prinzipieller Aufbau einer Kippaktorkette
­stoßen immer häufiger Endoskopie Das endoskopische System wird aus aneinandergereihten, gleich­
an ihre Grenzen. artigen Kippaktoren aufgebaut. Jeder einzelne Kippaktor besteht
In der Regel werden für me­ dabei aus jeweils vier angeschrägten, leicht magnetisierbaren (fer­
Daher arbeiten die Wissen- dizinische und technische romagnetischen) Kernen und Spulen. Diese sind über nicht mag­
schaftlerinnen und Wissen- Appli­kationen konventionelle netisierbare (paramagnetische) Gelenke miteinander ver­bunden.
schaftler vom Institut für flexible Endoskope verwendet.
­Antriebssysteme und Leistungs- Beispiele hierfür sind die
Darmspiegelung in der Medi­
elektronik (IAL) und vom zin oder die Wartung von
­Institut für Mechatronische Rohrsystemen oder Flugzeug­
Systeme (imes) in dem Projekt turbinen in der Industrie. Die­
»Biegeaktor« an neuartigen, se so genannten Flexoskope
schlangengleichen Endoskopen, sind als passiver Schlauch mit
einem über Seilzüge abwin­
die sowohl in der Medizin kelbaren Vorderteil, dem dis­
als auch in der Industrie talen Ende, aufgebaut und
­eingesetzt werden können. werden manuell vom Anwen­
der bis in das Untersuchungs­
gebiet vorgeschoben. die flexiblen Strukturen nur Ähnliche Schwierigkeiten er­
geringe Manipulationskräfte geben sich auch bei der Ver­
In medizinischen Anwendun­ aufnehmen können. Exaktes wendung von flexiblen Endo­
gen kann ein solches passives und schnelles Arbeiten im Un­ skopen in technischen Prozes­
Endoskop aufgrund von tersuchungsgebiet, wie etwa sen. Hier ist eine Abstützung
Wechselwirkungen mit anato­ die präzise Entfernung von an der Umgebung durch deren
mischen Strukturen allerdings krankhaftem Gew­ ebe, ist da­ höhere Steifigkeit in der Regel
das umliegende Gewebe deh­ mit nur schwer möglich und weniger kritisch. Dennoch ist
nen und Schleifen bilden (Ab- erfordert Kompetenzen des es wichtig, eine stabile Arbeits­
bildung 1a). Dies führt unter Arztes und der Ärztin, die plattform zu bieten und gleich­
anderem zu Schmerzen für wiederum ein langes Training zeitig eine gute Pfadverfol­
den Patienten. Zusätzlich be­ voraussetzt. gung zu gewährleisten. Nur so
steht die Gefahr, dass der Vor­
schub durch Reibung am Ge­
webe oder Engstellen ge­
hemmt wird. Dies erhöht das
Verletzungsrisiko am umlie­
genden Gewebe (zum Beispiel
durch Perforationen des
Darms) massiv.

Als weiterer Nachteil ist fest­
zuhalten, dass die für hoch­
präzise endoskopische Eingrif­
fe existierenden passiven Sys­
teme dem Operateur keine
stabile Arbeitsplattform bereit­
stellen. Grund dafür ist, dass

26

R O B O T I K lEibniZ UniVErsitÄt hannoVEr

ist es möglich, auch in schwer Widersprüche Magnetische Kraft abbildung 1
zugänglichen Bereichen zu vereinen richtig dosieren
arbeiten und diese Prozesse Schematische Darstellung der
gleichzeitig zu automatisieren. Eine solche Kette aus elektro­ Eine günstige Gestaltung zu Probleme konventioneller, flexibler
magnetischen Aktoren ist in erarbeiten erfordert zunächst Koloskope (1a) und Alternatividee
Eine Schlange der Lage, einen bisher grund­ die Berechnung und Model­ des derzeit erforschten, schlangen-
aus Elektromagneten sätzlichen Widerspruch auf­ lierung des magnetischen artigen Roboters (1b), der Schlei-
zulösen: Sie würde dem An­ Kreises. Dieser besteht aus fenbildung und Dehnung des Ge-
Um den genannten Schwierig­ wender sowohl eine steife als den Kernen und dem Luft­ webes gezielt verhindert.
keiten zu begegnen, erarbeitet auch eine flexible Plattform spalt, der aufgrund seiner V­
ein Team des Mechatronik­ zur Verfügung stellen, ohne Form elektromagnetisch sehr
Zentrums Hannover (MZH) dass dieser das System wech­ ungleichmäßig ist. Die Kennt­
seln muss. Die Flexibilität nis der Verteilung des mag­

1a 1b

der Leibniz Universität in dem wird dabei durch die aktive 2 abbildung 2
Projekt »Biegeaktor« eine in­ Bewegbarkeit der einzelnen Darstellung der magnetischen
novative Schlange aus Elektro­ Aktoren innerhalb der Schlan­ netischen Flusses im Aktor Flussverteilung im dreidimensio-
magneten. Am Institut für ge erzielt. Damit kann sie ist von entscheidender Bedeu­ nalen Finite-Elemente-Modell
Antriebssysteme und Leis­ quasi­kontinuierliche Bewe­ tung, da sich aus dieser das (ANSYS Maxwell 3D) bei Bestro-
tungselektronik (IAL) und am gungen ausführen, wodurch resultierende Kipp­ bezie­ mung der offenen Seite. Deutlich
Institut für Mechatronische insbesondere eine gute An­ hungsweise Haltemoment zu erkennen sind die besonders
Systeme (imes) werden die passbarkeit an unterschied­ eines Aktors berechnen lässt. stark gesättigten Bereich in Rot.
Grundlagen für diesen neu­ liche Pfade erreicht wird. Da­ Die Berechnung der Flussver­
artigen Typ von Endoskopen durch können Interaktionen teilung erfolgt über ein drei­
erforscht, um diese zukünf­ mit der Umgebung, wie bei­ dimensionales Simulations­
tig sowohl medizinisch als spielsweise Schleifenbildung modell (Abbildung 2). Auf die­
auch industriell einsetzen zu oder eine übermäßige Deh­ se Weise wurde bereits eine
können. nung des Gewebes, verhindert Vielzahl verschiedener Geo­
werden (Abbildung 1b). Der metrievariationen untersucht.
Dabei werden keine Dauer­ elektromagnetische Antrieb
magnete, sondern in ihrer ermöglicht zusätzlich eine Für das Versteifen der Kette
Kraft regelbare Elektromagne­ gezielte Versteifung der Ge­ werden die jeweiligen Spulen
te verwendet, die aneinander samtstruktur, so dass dem An­ einer geschlossenen Aktor­
gereiht sind und zwei Funk­ wender eine stabile Arbeits­ seite mit einem konstanten,
tionen erfüllen: »Kippen« und plattform zur Verfügung vergleichsweise geringem
»Halten«. Die Aktorelemente steht. Haltestrom versorgt. Soll das
sind bistabil (siehe Kasten), das Kippen auf die andere Seite
heißt, sie können von einer Die Ziele bestehen darin, zu eingeleitet werden, wird die­
Seite auf die andere klappen, erforschen, wie die Einzelele­ ser Haltestrom zunächst abge­
sich dort mit hoher Kraft hal­ mente der Aktorkette gestaltet schaltet. Anschließend erfolgt
ten und danach, sobald ge­ werden müssen, um trotz die impulsförmige Entladung
wünscht, wieder zurückkip­ kleinen Durchmessers hohe eines Kondensators in die
pen. Werden die Aktorelemen­ Kräfte zu erzielen, wie sie mit Spulen der geöffneten Seite.
te auf geeignete Art und Energie versorgt werden kön­ Durch den für einige Millise­
Weise hintereinander ange­ nen und wie genau lange Ak­
ordnet, lassen sich unter­ torketten angesteuert werden
schiedlichste Formen der müssen, damit die Schlange
Schlange erreichen. einer vorgegebenen Bahn folgt.

27

R O B O T I K lEibniZ UniVErsitÄt hannoVEr

kunden sehr hohen Stromstoß Leader«­Prinzip genannt (Ab-
kippt der Aktor. bildung 3). Der verfolgte An­
satz basiert damit prinzipiell
Neben der elektromagneti­ auf dem aktuellen Vorgehen
bei der Verwendung passiver,
schen Dimensionierung ist schlauchartiger Endoskope.
Doch während letztere ihre
eine möglichst präzise und Form durch Interaktion mit
dem Gewebe ändern, kann
zeiteffiziente Berechnung des das neuartige Endoskopsys­
tem mittels der automatischen
Kippvorgangs eine Heraus­ Nachführung der Aktoren
generell eine sehr gute Pfad­
forderung. Wie klassische verfolgbarkeit gewährleisten.
Doch diese Eigenschaft ist mit
Dauermagnete neigen auch einer wichtigen Einschrän­
kung verbunden: Durch das
Elektromagnete dazu, mit bistabile Verhalten der einzel­
nen Aktoren und da die Kipp­
großer Wucht bewegung von außen ledig­ Dipl.-Ing. Michael Dörbaum
lich gestartet, nicht aber vari­ Jahrgang 1987, ist seit 2012
3 aufeinander iert werden kann, können die wissenschaftlicher mitarbeiter
zu schlagen. Aktoren der Kette der Endo­ am institut für antriebssyste­
skopspitze nicht uneinge­ me und leistungselektronik
Die Heraus­ schränkt folgen. Daher ergibt der leibniz Universität hanno­
sich eine wichtige, grund­ ver. seine arbeitsschwerpunk­
forderung legende Frage hinsichtlich der te sind elektromagnetische
Ansteuerung: Wann muss aktorik, kleinmaschinen und
besteht somit welcher Aktor wie gekippt gekoppelte systemsimulation.
werden, damit eine möglichst kontakt: michael.doerbaum@
darin, die geringe Abweichung zum ial.uni­hannover.de

Bestromungs­ 4

dauer der

Spulen so zu

berechnen,

dass beim

Schließen

möglichst

geringe im­

pulsförmige

Kräfte wir­

ken, gleich­

zeitig aber

abbildung 3 ein zuverlässiges Kippen ge­

Darstellung einzelner Schritte währleistet ist. Da bei diesem
des »Follow-the-Leader«-Kon-
zepts: Dabei wird die Aktorkette System viele verschiedene
von einem Schritt zum anderen
um einen Aktor weiter in das physikalische Domänen
Untersuchungsgebiet eingeführt.
Die nötigen Kippzustände (thermisch, mechanisch, mag­
der Einzelaktoren werden dabei
mittels »Follow-the-Leader«- netisch, elektrisch) in Wech­
Konzept bestimmt.
selwirkung treten, ist die

dynamische Berechnung des

Aktorverhaltens mit einigen

Schwierigkeiten verbunden.

Kontrollierte Bewegung

abbildung 4 Basierend auf den Erkenntnis­
Prototyp des schlangenartigen sen aus der Konstruktion und
Endoskops mit zehn Einzelakto- Modellierung der elektromag­
ren (jeweils um 90° zueinander netischen Kernkomponenten,
verdreht), einer Platine für die wird parallel ein Steuerungs­
leistungselektronische Ansteue- konzept erarbeitet, das intui­
rung jedes Einzelaktors und einer tiv bedienbar ist: Dabei wird
Kugel-Marker-Anordnung zur lediglich die Spitze des Endo­
optischen Erfassung der System- skops während des Vorschubs
bewegung. zur Exploration der Umge­
bung manuell vom Bediener
eingestellt. Alle weiteren Ak­
toren der Kette werden auto­
matisch nachgeführt, so dass
sie dem Weg der Endoskop­
spitze folgen. Dieses Vorgehen
wird auch »Follow­the­

28

R o b o t i k leibniz universität hannover

M. Sc. Svenja Tappe Dr.-Ing. Jens Kotlarski Prof. Dr.-Ing. Tobias Ortmaier Prof. Dr.-Ing. Bernd Ponick
Jahrgang 1988, ist seit 2013 Jahrgang 1980, ist seit 2007 Jahrgang 1974, leitet seit 2008 Jahrgang 1964, ist seit 2004
wissenschaftliche Mitarbeite­ wissenschaftlicher Mitarbeiter das Institut für Mechatroni­ Professor für elektrische Ma­
rin am Institut für Mecha­ am Institut für Mechatronische sche Systeme der Leibniz schinen und Antriebssysteme
tronische Systeme der Leibniz Systeme der Leibniz Universität ­Universität Hannover. Seine am Institut für Antriebssyste­
Universität Hannover. Als Mit­ Hannover und seit 2011 Leiter Forschungsschwerpunkte me und Leistungselektronik
glied der Arbeitsgruppe »Ro­ der Forschungsgruppe »Robo­tik l­iegen in der Modellierung, der Leibniz Universität Hanno­
bo­tik und autonome Systeme« und autonome Systeme«. Seine Identifikation, Optimierung, ver. Seine Arbeitsschwerpunk­
beschäftigt sie sich schwer­ Fors­ chungsschwerp­ unkte um­ Regelung und Vernetzung te sind zeiteffiziente Berech­
punktmäßig mit der Modellie­ fassen die Entwicklung ap­pli­ komplexer Systeme. Anwen­ nungsverfahren für elektrische
rung und Steuerung mecha­ kationsspezifischer Mehrachs­ dung finden die Methoden Maschinen und Antriebs­
tronischer Systeme, ins­ systeme, deren Modellie­rung beispielsweise in der Robotik, systeme, Ausgleichsvorgänge
besondere hyperredundanter, und Identifika­tion sowie die Medizin-, Kraftfahrzeug- so­ in Antriebssystemen und die
schlan­genartiger Roboter. opt­ imale Pfad­planung und Re­- wie der Produk­tionstechnik. Erforschung von Sondereffek­
Kontakt: svenja.tappe@imes. gel­ ung. Kontakt: jens.kotlarski Kontakt: tobias.ortmaier@ ten bei umrichtergespeisten
uni-hannover.de @imes.uni-hannover.de imes.uni-hannover.de Maschinen. Kontakt: ponick@
ial.uni-hannover.de

Sollpfad auch während des elektromagnetischen Modellen Kette bereits gut angenähert
Vorschubs erreicht wird. sollen so zukünftig anwen­ werden, erfordert aber noch
B­ asierend auf einer möglichst dungsspezifisch optimierte eine detailliertere Modellie­
genauen Nachbildung des Sys­ Strukturen entwickelt werden. rungstiefe. Insgesamt konnte
temverhaltens, wird daher das das Konzept mit dem Proto­
»Follow-the-Leader«-Verfah­ Der praktische Nachweis typen bestätigt werden, für
ren an die speziellen nicht einen zukünftigen Einsatz als
kontinuierlichen Systemeigen­ Um die theoretischen Erkennt­ Endoskop müssen aber an
schaften angepasst. Dabei nisse zu überprüfen, wurde einigen Stellen noch zusätz­
wird eine gute Pfadgenauig­ ein Prototyp aus zehn Aktor­ liche Anstrengungen unter­
keit durch die modellbasierte elementen aufgebaut und er­ nommen werden. Beispiels­
Bestimmung optimaler Schalt­ folgreich getestet (Abbildung 4). weise steht noch die Frage im
sequenzen erreicht. Es konnte gezeigt werden, Raum, wie eine Ummantelung
dass das Antriebskonzept der Schlange aussehen kann,
Da endoskopische Unter­ ­geeignet ist und eine solche die einerseits das Klemmrisi­
suchungen nicht nur auf die Kette die eigentlich wider­ ko verringert und andererseits
Darmspiegelung begrenzt sprüchlichen Anforderungen die Kippbewegung nicht ein­
sind, wird neben der Frage an F­ lexibilität und stabiler schränkt. Besonders spannend
einer optimalen Ansteuerung Arbeitsplattform gut mitein­ sind beispielsweise auch die
auch eine Anpassung der ander vereint. Die praktischen Fragen hinsichtlich des Ein­
­Aktorkette an verschiedene Versuche haben dabei gezeigt, satzes von innovativen, beson­
Applikationen (zum Beispiel dass die Schlange nicht nur ders leicht zu magnetisieren­
die Inspektion von Flugzeug­ verschiedene Konturen an­ den Materialien, um die Ver­
turbinen oder Rohrleitungen) nehmen, sondern diese auch luste zu verringern, und nicht
angestrebt. Hierzu werden zu­ sehr präzise erreichen kann. zuletzt die Erforschung der
nächst je nach Anwendung die Zudem kann die Kippbewe­ Grenzen für eine Miniaturisie­
nötigen Anzugs- sowie Halte­ gung selbst sowohl für den rung des Systems, das heißt
momente abgeschätzt. In Kom­ Einzelaktor wie auch für die eine Verringerung des Durch­
binationen mit skalierbaren messers der Aktorelemente.

29

R o b o t i k leibniz universität hannover

Roboter auf Stromsparkurs

enerGieeFFiziente beWeGunGsPlanunG FÜr ProDuKtionsanlaGen

Den Stromverbrauch Einleitung 1 werden. Hierzu sind verschie-
möglichst niedrig zu halten dene Ansätze denkbar, die im
ist auch für die produzierende Elektrische Antriebe weisen gende Komponenten beteiligt Folgenden vorgestellt werden.
industrie immer wichtiger – mit etwa 55 Prozent den (Abbildung 1):
vor allem, wenn immer mehr größten Anteil am gesamt- Ein naheliegender Ansatz zur
Maschinen und Roboter zum deutschen Stromverbrauch Gleichrichter zur Wand- Reduktion von Verlusten ist
auf, bezogen auf die produzie- lung der Netzspannung in die Entwicklung möglichst
Einsatz kommen. rende Industrie liegt der Wert Gleichspannung (»Netz- effizienter Hardwarekompo-
Damit industrieroboter bei über zwei Dritteln. Gleich- teil«), nenten. Das Einsparpotenzial
energieeffizienter arbeiten zeitig lässt sich in den letzten Wechselrichter zur An- ist allerdings beschränkt:
können, entwickeln Wissen- Jahren ein erhebliches Wachs- steuerung der Motoren, Die elektrischen Antriebs-
schaftler vom institut tum im Bereich der industriel- Elektromotoren und Getrie- stränge verfügen bereits über
für Mechatronische Systeme len Robotik verzeichnen: Laut be und sehr hohe Wirkungsgrade
eine optimierte Software, der International Federation Manipulator/Roboterarm. (> 90 Prozent), weitere signifi-
um die bewegungsabläufe of Robotics (IFR) stieg die kante Steigerungen sind hier
der Maschinen anders und Zahl der verkauften Industrie- Jede dieser Komponenten ver- nicht zu erwarten. Änderun-
effizienter steuern zu können. roboter 2015 um zwölf Pro- ursacht im laufenden Betrieb gen an der Mechanik (zum
zent, 2014 um 29 Prozent Energieverluste, die irreversi- Beispiel Leichtbauweise des
gegenüber dem Vorjahr. Mitt- bel in Form von Wärme an die Armes oder Verringerung der
lerweile kommen in einer mo- Umwelt abgegeben werden, Getriebereibung) verursachen
dernen Fertigungslinie in der bedingt durch elektrische häufig Einbußen bezüglich
Automobilindustrie bis zu (zum Beispiel Ohm’sche Ver- Festigkeit und Positionier-
2000 Roboter zum Einsatz. Mit luste, Wirbelströme, Schaltver- genauigkeit. Die beschriebe-
zunehmendem Automatisie- luste) oder mechanische Effek- nen Modifikationen sind in
rungsgrad steigt auch die Zahl te (Reibung in der Lagerung der Regel mit höheren An-
der elektrischen Antriebe und der Motoren und in den Ge- schaffungskosten verbunden,
somit der Gesamtstromver- trieben). Um die Energieeffi- beim Umrüsten bestehender
brauch der Anlage. Entspre- zienz des Systems zu steigern,
chend groß ist der Bedarf an müssen demnach die Verluste
Konzepten zur Steigerung der so weit wie möglich reduziert
Energieeffizienz, sowohl aus
finanzieller als auch aus öko-
logischer Sicht.

Welche Faktoren entscheiden
eigentlich darüber, wie effi-
zient ein Roboter betrieben
wird? Betrachten wir hierzu
zunächst den typischen Auf-
bau und die zugehörigen
Energieflüsse eines Industrie-
roboters: Grundsätzlich wird
beim Roboter elektrische
Energie aus dem Stromnetz in
Bewegungen der Achsen, also
in mechanische Energie, um-
gewandelt. Hierbei sind fol-

30

R o b o t i k leibniz universität hannover

Maschinen werden darüber nicht verändert werden, ohne Analog zum Elektroauto sind abbildung 1
hinaus unerwünschte Still- die Gesamtverfahrzeit zu ver- die Motoren in der Lage, so- Typischer Aufbau des Antriebs-
standzeiten verursacht, die längern. Die übrigen Achsen wohl motorisch als auch ge- strangs eines Industrieroboters
den Produktionsablauf unter- stehen hingegen zur Optimie- neratorisch (Bremsbetrieb) zu mit Versorger V, Wechselrichtern
brechen und den Kostenvor- rung zur Verfügung. Der Ge- arbeiten. Während beim W und Motoren M. Die indus-
teil des sparsamen Betriebs samtenergiebedarf vor und Elektroauto die Energie im triell eingesetzten Roboterarme
dadurch zunichtemachen. nach Optimierung ist für eine generatorischen Betrieb ge- besitzen in der Regel sechs An-
Beispielbewegung in Abbil- nutzt wird, um die Batterie zu triebe (n = 6).
Energieeffizientes dung 2 dargestellt. Die Erspar- laden, kann jene beim Roboter
Navigationsgerät für nis beträgt im dargestellten direkt von anderen Antriebs- abbildung 2
industrieroboter Fall 17,6 Prozent. Die Reduk- achsen genutzt werden. Energiebedarf des Gesamtsys-
tion des Energiebedarfs ergibt tems für eine Beispielbewegung,
Das Institut für Mechatroni- sich aus verschiedenen Effek- Die zuvor erwähnte Synchro- dargestellt in Rot für die initiale
sche Systeme (imes) verfolgt ten: Zum einen hängt die be- nisation bedeutet auch, dass und in Grün für die optimierte
einen anderen Ansatz: Nicht Bewegung. Die Ersparnis beträgt
die Hardware, sondern die 2 alle Achsen zeitgleich be- in diesem Fall 17,6 %.
Software des Systems soll op- schleunigen oder verzögern/
timiert werden. In der Regel nötigte Energie der einzelnen abbremsen. Somit werden in
ist die Aufgabe eines Roboters Achsen von der mechanischen der Regel sämtliche Achsen
durch den Prozess vorgege- Last ab. Wenn diese für die gleichzeitig motorisch bezie-
ben, so soll zum Beispiel ein Bewegung reduziert werden hungsweise generatorisch
Bauteil an einer Stelle auf- können, ergibt sich in der Re- betrieben und ein Energieaus-
genommen und an einer ande- gel auch ein geringerer Leis- tausch zwischen den Achsen
ren abgelegt werden. Die Pro- tungs- beziehungsweise Ener- kommt nicht zustande. Wird
grammierung einer solchen giebedarf für das Gesamtsys- die elektrische Kopplung der
Bewegung ist vergleichbar mit tem. Dieser Zusammenhang Antriebe hingegen bei der Be-
der Bedienung eines Naviga- ist eigentlich jedem Menschen wegungsplanung berücksich-
tionssystems: Der Anwender bekannt – wie anstrengend tigt, kann der Energieaus-
gibt in der Regel nur den zum Beispiel das Heben eines tausch explizit genutzt und
Start- und Zielpunkt an, die Gegenstands ist, hängt maß- somit die Energieeffizienz des
Robotersteuerung berechnet geblich von der Körperhal- Systems deutlich gesteigert
die schnellste Verbindung da- tung ab (sind zum Beispiel die werden. Die gleiche Ersparnis
zwischen. Diese ist immer Arme angezogen oder aus- könnte auch mit einem rück-
dann gegeben, wenn mindes- gestreckt?). Noch größeres speisefähigen Versorgungs-
tens eine der Roboterachsen Potenzial birgt der elektrische modul erzielt werden, was die
an der Grenze ihrer maximal Aufbau des Systems. Die überschüssige Energie zurück
zulässigen Geschwindigkeit Antriebsachsen des Roboters ins Netz speist. Diese Module
und/oder ihres maximalen sind in der Regel über einen sind jedoch mit höheren An-
Antriebsmoments fährt. Die gemeinsamen Zwischenkreis schaffungskosten gegenüber
Grenzen sind durch die ver- elektrisch gekoppelt, sodass herkömmlichen Versorgern
wendete Hardware vorgege- ein Energiefluss nicht nur verbunden und würden eine
ben. Die Gesamtverfahrzeit vom Versorger zum Motor, Umrüstung bestehender An-
wird durch die Achse mit der sondern auch zwischen den
(zeitlich) längsten Bewegung Antriebsachsen möglich ist.
vorgegeben. Die restlichen
Achsen werden auf diese
langsamste Achse synchroni-
siert, sodass alle Achsen zur
gleichen Zeit starten und an-
kommen.

Der am imes entwickelte Pla-
nungsansatz berücksichtigt
nicht nur die Verfahrzeit, son-
dern auch den Energiebedarf.
Der Algorithmus berechnet
diejenige Bahn, die zum ge-
ringsten Energieverbrauch bei
gleichbleibender Bewegungs-
dauer führt: Die Bewegung
der zeitkritischen Achse kann

31

R o b o t i k leibniz universität hannover

Dipl.-ing. kai Eggers Dr.-ing. Jens kotlarski Prof. Dr.-ing. tobias ortmaier
Jahrgang 1988, ist seit 2012 Jahrgang 1980, ist seit 2007 Jahrgang 1974, leitet seit 2008
wissenschaftlicher Mitarbeiter wissenschaftlicher Mitarbeiter das institut für Mechatroni-
am institut für Mechatroni- am institut für Mechatronische sche systeme an der leibniz
sche systeme. nach dem elek- systeme und seit 2011 Grup- universität hannover. seine
trotechnikstudium mit den penleiter der Forschungsgrup- Forschungsschwerpunkte
schwerpunkten energie- und pe »robotik und autonome liegen in der Modellierung,
antriebstechnik in braun- systeme«. seine Forschungs- identifikation, optimierung,
schweig forscht er derzeitig im schwerpunkte umfassen die regelung und vernetzung
bereich der energieoptimalen entwicklung applikations- komplexer systeme. anwen-
bahnplanung für industrie- spezifischer Mehrachssysteme, dung finden die Methoden
roboter. Kontakt: kai.eggers@ deren Modellierung und iden- beispielsweise in der robotik,
imes.uni-hannover.de tifikation sowie die optimale Medizin-, Kraftfahrzeug- so-
Pfadplanung und regelung. wie der Produktionstechnik.
Kontakt: jens.kotlarski@imes. Kontakt: tobias.ortmaier@
uni-hannover.de imes.uni-hannover.de

abbildung 3 lagen voraussetzen. Der direk- geförderten Projekts ent- Vom grünen Roboter
Initiale und optimierte Beispiel- te Austausch über den Zwi- wickelt und bilden die Grund- zur grünen Produktion
bewegung für einen KUKA schenkreis ist somit deutlich lage für das »Energiespar-
KR210 Knickarmroboter. Rot günstiger und einfacher um- Navi«, also für die Berech- Das Prinzip der gezielten
zeigt erneut die initiale, Grün die setzbar. nung der energieeffizientesten Nutzung des Energieaus-
optimierte Bahn an. (und gleichzeitig schnellsten) tauschs über einen gemein-
berechnung der Bahn. Damit die Verfahren samen Zwischenkreis kann
3 energieeffizienten von industriellen Anwendern auch auf ganze Roboterzellen
bewegung universell eingesetzt werden übertragen werden. For-
können, sind die gleichen schung und Industrie arbeiten
Zur Bestimmung der energie- Randbedingungen wie bei derzeit an neuen Versorgungs-
optimalen Roboterbewegung den herkömmlichen industri- konzepten für industrielle
müssen zunächst Methoden ellen Ansätzen berücksichtigt Fertigungsstraßen, sodass
entwickelt werden, um den (zum Beispiel die maximalen Zellen oder perspektivisch
Energiebedarfs eines Roboters Geschwindigkeiten der Moto- auch die gesamte Linie über
vorherzusagen. Hierzu wur- ren oder die maximalen Ge- einen gemeinsamen Zwi-
den sämtliche Antriebskom- triebebelastungen). Zur Ver- schenkreis versorgt werden.
ponenten (inklusive der be- meidung von Kollisionen Analog zur Optimierung der
wegten Mechanik) und Ener- kann der Anwender ergän- Bewegung eines Roboters
giespeicher in einem zend einen Toleranzbereich können dann nicht nur Einzel-
Simulationsmodell hinterlegt, für die maximale Änderung achsbewegungen, sondern
mit dessen Hilfe der netzseiti- der Bewegung im Arbeits- auch ganze Prozessschritte/
ge Energieverbrauch mit einer raum vorgeben. Dieser ist als Bewegungsabläufe derart an-
Genauigkeit von 95 Prozent eine Art Schlauch um die ini- gepasst werden, dass ein Aus-
mathematisch berechnet wer- tiale Bahn definiert, der bei tausch zwischen den Robotern
den kann. Die Modellierungs- Bedarf stellenweise zusätzlich und/oder mit anderen elekt-
ansätze wurden im Rahmen verjüngt werden kann, zum risch betriebenen Maschinen
eines von der Deutschen For- Beispiel beim Durchfahren zustande kommt. Die Portie-
schungsgemeinschaft (DFG) besonders kritischer Bereiche rung des Verfahrens ist Be-
innerhalb der Roboterzelle. standteil eines Forschungspro-
jekts am imes, welches eben-
falls von der DFG gefördert
wird.

32

R o b o t i k leibniz universität hannover

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Dynamische Karten

Gedächtnis mobiler Roboter

Das Auto der Zukunft fährt Welches Bild haben wir vor veröffentlicht und schließlich Nachfolgend sind drei Beispie-
a­ utonom, vermeidet Gefahren Augen, wenn wir nach einem benutzt. Aufgrund der auf- le unserer aktuellen For-
»Roboter« gefragt werden? wändigen Erstellung ist ihre schungsarbeiten skizziert.
und sucht sich den freien Vermutlich jenes eines klassi- Aktualisierung leider nur in
P­ arkplatz wie von selbst: Was schen Industrieroboters, der in großen Zeitabständen zu leis- Autonom fahren
momentan noch visionär klingt, der Produktion schweißt oder ten, weshalb sie meist veraltet dank hochgenauer Karten
haben Wissenschaftlerinnen Werkstücke handhabt und sind.
dabei zuverlässig, ermüdungs- Die heute verwendeten Karten
und Wissenschaftler frei und mit enormer Präzision Ziel aktueller Entwicklungen für Fahrzeugnavigationssys­
längst als Ziel definiert. eingelernte Vorgänge wieder- sind deshalb dynamische Kar- teme sind für zukünftige,
Am Institut für Kartographie holt. Vielleicht denken wir ten, welche ein zeitnahes Ab- a­ utomatisierte und autonome
und Geoinformatik werden aber auch an Science-Fiction? bild der Realität liefern. Dies Fahrzeuge nicht ausreichend.
d­ ynamische Karten entwickelt, An eine Welt, in der sich Ro­ ist nur möglich, wenn die Er- Für diese wird eine hochauf-
um die Realität zu erfassen und boter frei bewegen, ihren Auf­ fassung viel häufiger als bis- gelöste, fahrspurgenaue Karte
Fahrzeugen ein intelligentes trägen nachgehen und dabei her erfolgt. Hierfür muss sie benötigt, welche die genaue
Verhalten zu ermöglichen. mit Menschen und Objekten wesentlich preisgünstiger wer- Planung der Fahrstrecke (Soll-
ihrer Umwelt interagieren? den, was dadurch erreicht trajektorie) erlaubt, sowie eine
Heute sind wir mittendrin auf werden kann, dass die Nutzer Merkmalskarte, welche Objek-
dem Weg vom Industrierobo- der Karte zugleich ihre Erfas- te enthält, die eine hochgenaue
ter des vergangenen Jahrhun- ser sind. Die individuelle und zuverlässige Eigenlokali-
derts zu dieser Vision. Auto- Selbsterfassung dynamischer sierung ermöglichen. Um die-
nome Transportsysteme in der Karten reicht jedoch nicht aus, se Karten aktuell zu halten, ist
Logistik, Landwirtschaftsrobo- denn sie würde bedeuten, dass man auf die Daten der Nutzer
ter, selbstfahrende Automobi- Regionen, die noch nie be- angewiesen. Hierzu verfügen
le, fahrende und fliegende sucht wurden, nicht kartiert zukünftige Fahrzeuge über
(Drohnen-) Liefersysteme so- sind. Deshalb könnten sinn- Bild-, Radar‑, Laserscanning-
wie autonome Staubsauger volle Planungen nur innerhalb und Ultraschallsensoren, de-
und Rasenmäher zeugen von der bereits explorierten Welt ren Messungen an zentrale
dieser Entwicklung. erfolgen. Der zweite wesent­ Server geschickt werden. Dort
liche Aspekt ist daher die werden sämtliche Messwerte
Mobile Roboter treiben diesen ­Kollaboration. Alle Roboter tau- unter Berücksichtigung ihrer
Wandel an, denn Mobilität schen dabei ihr Wissen über Fehler zu einer Gesamtkarte
benötigt Sensoren, Aktoren die Welt aus, so dass ein »kol- fusioniert.
(Antriebselemente) und Intel- lektives Gedächtnis« entsteht –
ligenz. Da mobile Roboter in auch als Crowd-Sensing be- Ein Experiment hierzu haben
ihre Umgebung eingebettet zeichnet. wir in Hannover Badenstedt
sind, wird die Planung eines durchgeführt (Abbildung 1).
»intelligenten« Verhaltens er- In der Lehre bilden wir diese Über einen längeren Zeitraum
leichtert, wenn ein räumliches sehr spannende und hoch­ hinweg haben wir Teile des
Modell der Umgebung vor- aktuelle Thematik im Rahmen Gebiets mit unserem Mobile
liegt. Herkömmliche Karten unseres Masterstudiengangs Mapping Fahrzeug befahren,
sind solche Umgebungsmo- Navigation und Umweltrobotik welches über Laserscanning-
delle. Beschränkt auf eine aus- ab. In der Forschung gelang Sensoren verfügt. Dadurch
gewählte Thematik dokumen- kürzlich die Einwerbung des sind 150 einzelne »Scanstrei-
tieren sie den Ist-Zustand der Graduiertenkollegs i.c.sens – fen« entstanden, die insgesamt
Welt. Sie werden mittels Ver- Integrität und Kollaboration in mehr als eine Milliarde 3D-
messung erfasst, aufbereitet, dynamischen Sensornetzwerken.

34

R O B O T I K leibniZ UniVersität hAnnoVer

Punkte enthalten. Während Abbildung 2 zeigt einen Aus- dabei ist die Organisation des
die Einzelmessungen relativ schnitt vor und nach der Be- Lösungsalgorithmus, der als
zum Fahrzeug sehr genau sind rechnung. Abbildung 3 zeigt MapReduce (ein Big Data Stan-
(etwa ein Zentimeter), ist die den Detailreichtum und die dardverfahren) ausgeführt ist.
Position des Fahrzeugs selbst (lokale) Genauigkeit, die mit Dadurch skaliert der Algorith-
relativ ungenau (einige Dezi- dem Verfahren erreicht wer- mus linear in der Größe der
meter). Die Fusion hat die den können. Insgesamt wur- Szene und lässt sich auf belie-
Aufgabe, alle individuellen den etwa eine Milliarde Be- big viele Rechner verteilen.
Scanstreifen zu einer konsis- obachtungen verwendet, um
tenten, globalen Karte zu ver- 278.000 Unbekannte zu be- Abbildung 1
rechnen. rechnen. Eine Besonderheit Testgebiet in Badenstedt. Links
die vom Fahrzeug zurückgelegten
1a 1b Trajektorien, rechts die dabei ent-
standene Punktwolke mit über
1 Mrd. Punkten.

2a 2b Abbildung 2
Teilszene von Badenstedt, Tempe-

raturskala (blau – cyan – grün –
gelb – rot). Links: vor der Aus-
gleichung 0 mm (blau) – 100 mm
(rot), rechts: nach der Ausglei-
chung 0 mm (blau) – 7 mm (rot).

3 Auch wenn die Daten »norma- Abbildung 3
ler« Fahrzeuge nicht die Qua- Ausschnitt der zentral berechne-
lität unserer Mobile Mapping ten Kartenrepräsentation. Deut-
lich zu erkennen sind die unter-
Daten aufweisen werden,
führt dieses Experiment doch schiedlichen Oberflächen des
zu zwei wesentlichen Erkennt- Straßenbelags, der Gehwegplat-
nissen. Erstens, dass die Aus- ten, sowie der Steine vor dem
Gebäude.
gleichung beliebig großer

Gebiete möglich ist und zwei-

tens, dass die schiere Redun-

danz der Messungen es er-

laubt, Karten in einer nie

dagewesenen Dichte und Ge-

nauigkeit zu erstellen.

35

R O B O T I K leibniZ UniVersität hAnnoVer

Gefahren vermeiden fahrungswerten. Ein Ziel unse- erstellen, welche als Vorinfor-
dank kollektiver Erfahrung rer Forschung ist es, solche mation allen Teilnehmern zur
Erfahrungswerte autonomen Verfügung steht.
Neben der im vorherigen Ab- Fahrzeugen in Form von Ge-
schnitt beschriebenen Lokali- fahrenkarten zur Verfügung zu In unserem Fall haben wir Da-
sierung und Routenplanung stellen. ten mehrerer Messfahrten un-
fallen dem Fahrzeug während seres Mobile Mapping Sys-
des autonomen Fahrens noch Die Detektion von Fußgängern tems verwendet. Die Unter-
weitere Aufgaben zu, die für und Fahrradfahrern ist ein scheidung der Fußgänger und
einen normalen Fahrer selbst- wichtiger Bestandteil autonom Fahrradfahrer von anderen
verständlich sind. Als Mensch fahrender Fahrzeuge. Ver- Objekten erfolgt durch ein

4a 4b

Abbildung 4

Detektierte Fußgänger und Fahr-
radfahrer (linkes Bild, rot) wer-
den in eine Gefahrenkarte ein-
getragen (rechtes Bild, Hinter-
grundkarte: Google Earth). Die
roten Bereiche in der Karte zeigen
Orte mit einem besonders hohen
Gefahrenpotenzial an.

Abbildung 5 5a 5b

Vogelperspektive auf die detek-
tierten Fahrzeuge (linkes Bild)
aufgezeichnet mit dem Mobile
Mapping Fahrzeug und beispiel-
hafte Darstellung einer dynami-
schen Parkplatzkarte (rechtes
Bild). Die farblich markierten
Bereiche stellen Parkflächen dar
mit den Farben von Grün (alle
Parkplätze frei) bis Rot (alle Park-
plätze belegt).

passen wir unser Fahrverhal- schiedene Sensoren, wie Ka- Klassifikationsverfahren, wel-
ten der Umgebung an. So fah- meras oder Laserscanner, er- ches zuvor mit Beispielen trai-
ren wir in Straßen, in denen fassen die Umgebung und niert wurde.
mit einem hohen Fußgänger- können sich bewegende Ob-
und Fahrradfahreraufkommen jekte detektieren und deren Alle detektierten Fußgänger
zu rechnen ist, weitaus vor- Bewegungsrichtung bestim- und Fahrradfahrer werden
sichtiger als auf großen Um- men. Bisher wurden die so anschließend in einer Karte
gehungsstraßen. Wir können gewonnenen Daten nur direkt aggregiert (Abbildung 4) und
auch die Gefahr einschätzen, vom jeweiligen Fahrzeug ver- jeweils entsprechend ihrer Dis-
dass Fußgänger unsere Fahr- wendet, um Unfälle zu verhin- tanz zur Straße gewichtet – je
bahn kreuzen, um die Straßen- dern. Jedoch kann auch hier näher, desto gefährlicher. Tre-
seite zu wechseln. All diese für der Crowd-Sensing Ansatz ten in bestimmten Gebieten
uns intuitiven Gefahrenein- verwendet werden, um kol- viele Fußgänger und Fahrrad-
schätzungen beruhen auf Er- lektiv eine Gefahrenkarte zu fahrer auf, so ist an dieser Stel-

36

R o b o t i k leibniz universität hannover

le der Wert der Gefahrenkarte
besonders hoch und autonome
Fahrzeuge können an diesen
Orten ihr Fahrverhalten ent-
sprechend anpassen.

Schneller
zum freien Parkplatz

Auch bei der Parkplatzsuche Apl. Prof. Dr. Claus Brenner Dipl. Phys. Fabian Bock M. Sc. Alexander Schlichting
kann Crowd-Sensing hilfreich Jahrgang 1967, ist seit 2010 Jahrgang 1987, ist seit 2014 Jahrgang 1986, ist seit 2012
sein. In vielen Städten herrscht außerplanmäßiger Professor wissenschaftlicher Mitarbeiter wissenschaftlicher Mitarbeiter
regelmäßig Parkplatznot. am Institut für Kartographie am Institut für Kartographie am Institut für Kartographie
­Autofahrer finden keinen und Geoinformatik. Seine und Geoinformatik und arbei- und Geoinformatik. Sein
Park­platz an ihrem Ziel und A­ rbeitsschwerpunkte sind die tet im DFG-Graduiertenkolleg F­ orschungsschwerpunkt ist
gehen auf die Suche nach einer Fusion und Interpretation von SocialCars. Sein Forschungs- die Lokalisierung selbstf­ahren­
Parklücke in der Umgebung. räumlichen Daten. Kontakt: schwerpunkt liegt in der auto- der Fahrzeuge mit Hilfe von
Ein Ansatz zur Reduktion die- [email protected] matischen Generierung von Laserscan-Daten. Kontakt:
ses »Parkplatzsuchverkehrs« hannover.de dynamischen Parkplatzkarten. ­[email protected]
sind dynamische Parkplatzkar- Kontakt: [email protected] hannover.de
ten. Solche Karten beinhalten Parks­ treifen anzeigen (Abbil- hannover.de
einerseits Informationen, an dung 4) und eine Route vor-
welchen Stellen man im Stra- schlagen, auf der man eine parkenden Autos werden an
ßennetz parken darf und an- hohe Chance auf einen freien einen Backend-Server übertra-
dererseits eine Schätzung der Parkplatz hat. gen, dort aggregiert und an-
Verfügbarkeit von freien Park- schließend an andere Fahrzeu-
plätzen. Während sich die Für die Erfassung der aktuel- ge weitergegeben.
Park­erlaubnis nur selten (bei- len Parkplatzsituation existie-
spielsweise durch Bauarbei- ren verschiedene Lösungen: In unserer Forschung beschäf-
ten) ändert und damit eine statische Sensoren, Smart­ tigen wir uns damit, wie man
geringe Dynamik aufweist, ist phone-Anwendungen und dynamische Parkplatzkarten
die aktuelle Parkplatzverfüg- – als derzeit vielverspre- aus den so gewonnenen Sens-
barkeit eine hochdynamische chendste Lösung – die Fahr- ordaten mit Hilfe von Verfah-
Information mit Änderungen zeugsensorik. Bei letzterer ren des maschinellen Lernens
im Minutentakt. ­erfassen moderne, handels­ generieren kann. Ein Schwer-
übliche Fahrzeuge die Park­ punkt ist dabei die Vorhersage
Zukünftig könnten diese platzb­ elegung am Straßenrand der Parkplatzverfügbarkeit
­dynamischen Parkplatzkarten während der Fahrt mittels in naher Zukunft anhand von
in Navigationssysteme in­ U­ ltraschallsensoren oder Ka- aktuellen und historischen
tegriert werden. Aktuelle meras. Die Positionen der de- Messwerten sowie weiteren
Ä­ nderungen der Karte werden tektierten Parklücken oder Einflussfaktoren wie der Ta-
dabei über das Mobilfunknetz geszeit oder benachbarten Ge-
übertragen. Ähnlich wie bei bäuden.
Informationen zur aktuellen
Verkehrslage kann das Na­
vigat­ ionss­ ystem dem Fahrer
dann die Auslastung von

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leichter werden. Zugleich kön- Feinfühlig und sensibel mit zungen zu schützen. Aus der Verfügung stellen. Abbildung 1
nen diese neuen interagieren- Menschen interagierende Ro- aktuellen Konfiguration des zeigt die Kollaboration eines
den Roboter nicht nur in der boter sind eine Grundvoraus- Roboters, dem gerade mon- Leichtbauroboters mit einem
industrie eine große Hilfe sein, setzung für die Vereinfachung tierten Werkzeug sowie den Menschen, basierend auf einer
zahlreicher Montageaufgaben. möglichen Kollisionspunkten am IRT entwickelten Aufga-
die zugrunde liegenden Einerseits erfordern diese Auf- mit einem sich im Arbeits- benplanung, die explizit eine
Methoden sind auch für neu- gaben eine bisher nur vom raum des Roboters befind- Einbindung von Interaktionen
artige, intelligente Prothesen Menschen bekannte Flexibilität lichen Menschen wird aus zwischen Mensch und Robo-
und hohe Expertise. Anderer- einer Verletzungsdatenbank ter sowie verschiedene Opti-
von belang. seits sind diese Aufgaben oft die Geschwindigkeit ausgele- mierungskriterien gestattet.
Zwei Wissenschaftler vom beschwerlich oder gefährlich sen, die unter den gegebenen
institut für Regelungstechnik oder sind nur in Zwangshal- Randbedingungen für den Das Konzept der Aufgaben-
stellen eine konzeptstudie für tung durchführbar. Mit Hilfe Menschen sicher ist und kei- planung beinhaltet drei Le-
eine derartige Prothese vor. eines robotischen Co-Workers nerlei Gefahr darstellt. vels. Der Planer auf Team-
kann die Tätigkeit für den Level verteilt die Unterauf-
Menschen ergonomischer und intelligente Aufgaben- gaben an die einzelnen Ko-
weniger belastend gestaltet planung und -verteilung operationspartner (Agenten)
werden. Neben einer robusten unter Berücksichtigung ver-
Erkennung von Kontakten Neben der Gewährleistung schiedener Kosten-Metriken.
zwischen dem Menschen und einer unter allen Umständen Der Kompetenz-Planer auf
dem Roboter muss dabei auch für den Menschen sicheren Agenten-Level übersetzt abs-
eine Klassifizierung dieses Kooperation zwischen trakte Unteraufgaben in eine
Kontakts erfolgen: Handelt es Mensch und Roboter stellt die Sequenz bekannter Fertigkei-
sich um einen beabsichtigten Planung der kooperativ zu ten. Die Ausführungsplanung
Kontakt, beispielsweise wäh- lösenden Aufgabe eine weitere auf Fertigkeiten-Level erstellt
rend einer gemeinsamen Mon- Herausforderung dar. Diese schließlich die konkrete Bewe-
tageaufgabe, oder liegt eine Planung sollte einerseits leicht gungsplanung und -regelung.
Kollision vor, auf die der Ro- anwendbar und andererseits Neben der reinen Abarbeitung
boter mit einem geeigneten flexibel sein und verschiedene der so geplanten Aufgabe
Reflex reagieren muss, um jede Optimierungskriterien zur muss darüber hinaus noch die
Verletzung des Menschen aus-
zuschließen?

Neben der Kollisionserken-
nung stellt die Gewährleis-
tung einer aus biomechani-
scher Sicht sicheren Verfahr-
geschwindigkeit des Roboters
eine weitere Maßnahme dar,
um den Menschen vor Verlet-

38

R o b o t i k leibniz universität hannover

Möglichkeit einer Kommuni- nach 23 Versuchen ist das op- betroffener Menschen führen abbildung 1
kation zwischen Mensch und timale Gütemaß bereits nahe- können. Mit Hilfe einer neu- Sichere Zusammenarbeit von
Roboter möglich sein, bei- zu erreicht. artigen, intelligenten Prothese Mensch und Roboter nach einer
spielsweise um den Roboter Die für die oben aufgeführten sollen Teile verlorengegange- optimierten Aufgabenplanung
zwischenzeitlich pausieren zu Eigenschaften erforderlichen ner Fähigkeiten wiedererlangt
lassen, wenn eine Teilaufgabe Methoden und Technologien, und Tätigkeiten verrichtet abbildung 2
unvorhergesehen mehr Zeit in die einen Roboter befähigen, werden können, die aufgrund Eigenständiges Lernen neuer Fer-
Anspruch nimmt. Da die für in direkter Interaktion mit körperlicher Einschränkungen tigkeiten durch einen feinfühligen
Mensch-Roboter Kollaboratio- dem Menschen zu agieren, nicht mehr selbst ausführbar Roboter
nen in Frage kommenden Ro- lassen sich nun auch in weite- waren. Die unter anderem
boter eine große Feinfühlig- ren Bereichen und Anwen- über EMG-Sensoren gesteuer-
keit aufweisen müssen, kann dungen des menschlichen te, feinfühlige Prothese soll
diese auch genutzt werden, Umfelds, wie beispielsweise fehlende Autonomie im Alltag
um die in Frage kommenden signifikant erhöhen.
Befehle über Berührungen 2
an den Roboter zu kommuni- Dies gilt aber
zieren. Für diese Form der für neuartige Assistenzsyste- nicht nur für
Interaktion wird am IRT mo- me und Prothesen, nutzen. unsere mo-
mentan eine eigene haptische derne Gesell-
Sprache entwickelt. Die intelligente Prothese schaft, son-
Nutzung moderner dern insbe-
Autonomes Lernen Robotik-technologie für sondere auch
von Grundfertigkeiten neuartige Prothesen für Krisenre-
Die in der Soft-Robotik ein- gionen. Hier
Nicht alle von einem Roboter- gesetzten Methoden und haben be-
assistenten zu beherrschenden Technologien erlauben die troffene
Grundfertigkeiten wie ein- Entwicklung intelligenter und Menschen
fache Fügearbeiten (zum Bei- neuartiger Prothesen, die nie in der Regel
spiel Bolzen in Bohrung), Ver- dagewesene Möglichkeiten nicht einmal
schraubungen fixieren und eröffnen, schwerkranken Zugang zu
lösen, Bohren, etc. können vor- oder in ihrer Motorik ein- rein mech-
ab einprogrammiert sein, da geschränkten Menschen Un- anischen,
dieses die Flexibilität erheb- terstützung zu bieten. Das IRT funktionell
lich einschränken würde. arbeitet an innovativen Tech- extrem ein-
Stattdessen sollte der Roboter nologien, die in Zukunft zu geschränkten
in der Lage sein, sich neue einer signifikanten Verbesse- Prothesen
Aufgaben nach Vorgabe der rung der Lebensumstände und die dorti-
Randbedingungen und der gen Lebens-,
Erfolgsmetriken mit Hilfe von Arbeits-, und im schlimmsten
Methoden des Maschinellen Fall auch Kriegszustände er-
Lernens eigenständig zu er- fordern bezahlbare Lösungen.
schließen. Dabei werden die Deshalb ist es das Ziel des
Parameter der zu lernenden Teams am IRT, weitaus fähige-
Fertigkeit wie beispielsweise re, flexiblere und intelligente-
Steifigkeit des Roboters oder re Prothesen als die heutzuta-
Kontaktkräfte mit der Um- ge verfügbaren zu entwickeln
gebung solange verbessert, und gleichzeitig deren Preis
bis das zuvor festgelegte Güte- drastisch zu senken. Um die-
maß einen bestimmten Wert ses Ziel zu erreichen, werden
erreicht hat. Der Roboter ist modernste und vor allem kos-
somit in der Lage, neue tengünstige Methoden aus der
Grundfertigkeiten in kürzes- Soft-Robotik auf die Konzepti-
ter Zeit zu erlernen und kann on intelligenter Prothesen
diese über eine Cloud mit an- übertragen. Basierend auf der
deren Robotern teilen. technischen Nachahmung des
menschlichen Tastsinns sowie
Abbildung 2 stellt einen Lern- seiner Nachgiebigkeit und der
vorgang für die Fertigkeit des Fähigkeit protektiver Reflexe,
Fügens eines Bolzens in eine werden nun Prothesen mit
Bohrung dar. Nach bereits neuartigen Fähigkeiten ausge-
fünf Versuchen hat sich das stattet, um den Benutzerinnen
Gütemaß erheblich verbessert, und Benutzern nicht nur mehr

39

R o b o t i k leibniz universität hannover

Prof. Dr.-ing. Sami Haddadin Dr.-ing. torsten Lilge steuern. Um die Feinfühligkeit Armband mit integrierten
Jahrgang 1980, ist Professor Jahrgang 1966, ist ober- der Prothese auch für die An- Beschleunigungssensoren, das
und geschäftsführender leiter ingenieur am institut für rege- wenderinnen und Anwender am Oberarm getragen wird.
des instituts für regelungs- lungstechnik. seine arbeits- nutzbar zu machen, werden Die EMG-Sensoren des Arm-
technik. seine arbeitsschwer- schwerpunkte sind nichtlineare derzeit verschiedene Ansätze bands registrieren die Aktivi-
punkte sind regelungstechnik, regelungssysteme und beob- für eine Rückkopplung von täten des Beuge- (Bizeps) und
robotik, sichere Mensch- achter. Kontakt: [email protected] Kontakt- und Kraftinformatio- Streckmuskels (Trizeps),
roboter-interaktion, neuromo- hannover.de nen der Prothese an den An- die für die Bewegungen des
torkontrolle sowie Maschinelles wenderinnen und Anwwen- Hand/Arm-Systems ausgewer-
lernen. Kontakt: sami.haddadin Anwendungsmöglichkeiten dern untersucht und evaluiert. tet werden. Das System verfügt
@irt.uni-hannover.de zu bieten, sondern auch die Das für den Roboterassisten- zurzeit über drei Bewegungs-
Benutzung drastisch zu ver- ten in Entwicklung befind- möglichkeiten: Ellbogen (beu-
einfachen. liche Erlernen von Grund- gen und strecken), Handgelenk
fertigkeit und deren Aus- (drehen links und rechts) so-
Im Rahmen des von der EU tausch über eine Cloud soll wie die Hand selbst (schließen
geförderten Forschungspro- auch den zukünftigen Pro- und öffnen). Damit ergeben
jekts SoftPro erfolgt unter an- thesen zu einem sehr hohen sich deutlich mehr Bewegungs-
derem die Erforschung von Maß an Flexibilität verhelfen. möglichkeiten als mit der An-
Synergien des menschlichen steuerung über Bizeps und
Bewegungsapparats. Die ge- konzeptstudie Trizeps möglich sind. Als Lö-
wonnenen Erkenntnisse las- für neuartige Prothese sung werden die Freiheitsgra-
sen sich für die Vereinfachung de sequentiell angesteuert, das
von Prothesen nutzen, um mit Als Konzeptstudie für eine heißt die gleichzeitige Anspan-
wenigen Aktoren eine relativ derartige Prothese hat das nung von Bizeps und Trizeps
hohe Zahl an Bewegungs- Team des IRT das Hand/Arm- schaltet zwischen den einzel-
freiheitsgraden sinnvoll anzu- System µLimb entwickelt und nen Freiheitsgraden um. Die
auf der Hannover Messe im beiden Bewegungsrichtungen
April 2016 präsentiert. Das des ausgewählten Freiheits-
System ist nachgiebig geregelt grades werden dann über die
und verfügt über eine Kolli- jeweilige Aktivität von Bizeps
sionserkennung, die bei un- beziehungsweise Trizeps aus-
gewollten Kontakten dafür gewählt.
sorgt, dass das System nur
noch sein Eigengewicht kom- Das System verfügt über eine
pensiert und ansonsten keine im 3D-Druckverfahren her-
Kräfte mehr auf die Umge- gestellte und über Seilzüge
bung ausübt. angesteuerte Hand. Die Nach-
giebigkeit der Hand ermög-
Die Steuerung des Systems licht das Greifen von Gegen-
erfolgt über ein kostengünsti- ständen mit nahezu beliebiger
ges, handelsübliches EMG- Form.

abbildung 3 3 Teile der Forschung an der
Das Hand/Arm-System µLimb Prothese wurden von der EU
als Konzeptstudie für eine zu-
künftige feinfühlige Prothese ba- im Rahmen des Projekts Soft-
sierend auf Konzepten neuartiger
Assistenzroboter in Verbindung Pro (GA 688857) gefördert.
mit Commodity-Technologien
(hier Lowcost-EMG-Sensorik)

40

R o b o t i k leibniz universität hannover

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41

R o b o t i k leibniz universität hannover

Soft Robotics

Die »WeiChen« FÜr Die zuKunFt

Anpassungsfähig, flexibel,

sicher: Die neuen, so genannten

Soft-Robots vereinen mecha-

tronische komponenten und

weiche Materialien wie Silikon 1
zu einem ganz neuen Gemisch.

im Fokus stehen dabei die Bisher hatten in Filmen gezeig- Auch hinsichtlich der recht- Dieses neue Streben nach
Nachgiebigkeit und Verform- te Szenen, in denen Menschen lichen Bestimmungen sind Weichheit in der Robotik lässt
barkeit der Struktur. Am For- und Roboter gemeinsam auf entsprechende Anpassungen sich aus technischen Gesichts-
schungszweig der Soft Robotics scheinbar natürliche Weise erforderlich, denen jedoch punkten unter anderem durch
sind mehrere Disziplinen betei- miteinander interagieren, technische Fortschritte in der die bessere Spannungsvertei-
ligt, darunter die Material- mit der Realität wenig gemein. Sicherheit zwingend voran- lung von anschmiegsamen
wissenschaften, die ingenieur- Weder furchteinflößende Cy- gehen müssen. Oberflächen begründen. Dem-
borgs wie der Terminator noch nach verteilen sich mechani-
wissenschaften und die niedlich anmutende Kreaturen Abseits von der in Deutsch- sche Spannungen lokal umso
informatik sowie die biologie. wie Wall-E sind derzeit Be- land traditionell stark veran- besser, je größer die Kontakt-
standteil unseres täglichen kerten Industrierobotik hat fläche zwischen zwei sich be-
Wissenschaftlerinnen vom Lebens. Stattdessen werden sich in den letzten fünf Jahren rührenden Objekten ist. Eine
institut für Montagetechnik an bewusst Barrieren errichtet, ein neuer Forschungszweig in gleichmäßige Spannungsver-
der Fakultät für Maschinenbau um einen unmittelbaren Kon- der Robotik formiert, der den teilung ermöglicht beispiels-
takt zwischen Mensch und Weg für eine sicherere weise einem schlangenartigen,
bieten einen Einblick Maschine zu verhindern. Auf Mensch-Maschine-Interaktion verformbaren Roboter sich
in ihre Forschungsarbeit. diese Weise sollen erstere vor ebnen könnte: Anders als bis- scheinbar mühelos über un-
den Gefahren, die von auto- her werden in der so genann- ebenes oder gar nachgiebiges
nom agierenden Robotern aus- ten Soft (Material) Robotics ro- Terrain zu bewegen oder
gehen können, geschützt wer- botische und mechatronische einem weichen Medizinrobo-
den. Im industriellen Umfeld Systeme aus weichen Mate- ter durch kleinste Öffnungen
zeigen sich diese Barrieren rialien wie Silikonen oder zu gleiten, ohne das umgeben-
üblicherweise in Form von anderen Polymerwerkstoffen de Gewebe zu verletzen. Als
Schutzzäunen oder speziellen erschaffen, die ein höheres Maß für die Nachgiebigkeit
Lichtvorhängen. Doch nicht Maß an Anpassungsfähigkeit, wird oftmals der E-Modul
nur von technischer Seite ge- Flexibilität und nicht zuletzt herangezogen. Zwar ist dieser
sehen bestehen weiterhin Hür- Sicherheit versprechen. Die eigentlich nur für den einach-
den, die es zu überwinden Nachgiebigkeit und Verform- sigen Belastungszustand bei
gilt, wenn zukünftige Gene- barkeit der Struktur sind da- geringen Verformungen defi-
rationen, wie häufig prokla- bei oberstes Gebot. niert, nichtsdestotrotz liefert
miert, als so genannte Robotic er gute Anhaltswerte für die
Natives heranwachsen sollen. Steifigkeit der für einen soften

42

R o b o t i k leibniz universität hannover

Roboter zu verwendenden Doch nicht allein die Grenzen gungssteuerung der einzelnen abbildung 1
Materialien (vgl. Abbildung 1). der verschiedenen System- Tentakel weitestgehend auto- E-Modul verschiedener Mate-
Um eine möglichst gleichmä- komponenten schwinden in nom ohne eine direkte Betei- rialien als Maß für die Steifigkeit
ßige Verteilung der Spannun- der Soft Robotics allmählich. ligung des zentralen Nerven-
gen zu erzielen, sollten die Es findet auch eine zuneh- systems erfolgen. abbildung 2
Steifigkeiten der Kontaktpart- mende Verschmelzung der Fluidische-Elastomer-Aktor,
ner möglichst nahe beieinan- verschiedenen Teilaspekte, Es sind genau diese Anpas- gefertigt aus Silikon
der liegen. welche zur Erzeugung von sungsfähigkeit und Flexibilität
komplexen Bewegungsabläu- von wirbellosen Tieren, die
Begünstigt, wenn nicht sogar fen nötig sind, statt. Diese Wissenschaftlerinnen und
erst ermöglicht wurde die Ent- Sichtweise wird nicht zuletzt Wissenschaftler dazu bewe-
stehung der Soft Robotics von von neueren Erkenntnissen gen, Methoden zu entwickeln,
technischen Fortschritten in aus der Biologie gestützt. mit denen die Eigenschaften
von weichen Organismen auf
der Entwicklung flexibler 2 robotische Systeme übertra-
elektronischer und mechatro- gen werden können. Ließen
nischer Komponenten. So Demnach sind die adaptiven sich diese Eigenschaften mit
wurden beispielsweise neue Verhaltensweisen eines Orga- technischen Mitteln und
Generationen von pneuma- nismus das Resultat eines Werkzeugen realisieren, so
tischen Aktoren (engl.: fluidic komplexen und dynamischen könnten in Zukunft völlig
elastomer actuators) (Abbildung Zusammenspiels aus seiner neue Arten von (teil-)autono-
2) entwickelt, die im Gegen- Gestalt (Körper), seiner sen- men, intelligenten Maschinen
satz zu ihren Vorgängern, den sor-motorischen Steuerung erschaffen werden. Aufgrund
pneumatischen Muskeln, voll- (Gehirn, Nervensystem) sowie der Vielschichtigkeit der The-
kommen ohne harte Materi- der durch die Umgebung matik wird die Soft Robotics
alien auskommen. Auch die (Umwelt) gegebenen Randbe- dabei zu einem Treffpunkt
Verwendung von hochflexib- dingungen. verschiedener Disziplinen,
len Sensoren zur Erfassung darunter den Materialwissen-
von Dehnungen oder Drücken Nahezu beispiellos in seiner schaften, den Ingenieurwis-
hat völlig neue Möglichkeiten Anpassungsfähigkeit ist der senschaften und der Informa-
hinsichtlich des System- Oktopus, der mit seinen lan- tik sowie der Biologie. Die
designs entstehen lassen. gen Tentakeln unterschied- hohe Interdisziplinarität ist
Verglichen mit früheren lichste Objekte greifen oder allerdings zugleich Motor und
Generationen von technischen sich mit seinem hochflexiblen Bremse des Fortschritts. Einer-
Systemen verschwimmen Körper in kleinste Öffnungen seits können durch eine Syner-
insbesondere bei soften mecha- zwängen kann. Möglich wird gie der neusten Erkenntnisse
tronischen Systemen allmäh- dieses adaptive Verhalten aus den jeweiligen Fachgebie-
lich die Grenzen zwischen überhaupt erst durch die me- ten die in der Soft Robotics
Strukturelementen, Aktoren, chanische Beschaffenheit des verborgenen Möglichkeiten
Sensoren und Elementen der Organismus sowie der effek- noch vervielfältigt werden.
Energie- und Leistungsüber- tiven Ausnutzung der Umge- Andererseits setzt dies eine
tragung (vgl. Abbildung 3). bungsbedingungen. In diesem konsequente Zusammenarbeit
Sinne beschränkt sich die »In- aller beteiligten Disziplinen
telligenz« des Tieres nicht auf voraus. Derzeit stellt das Zu-
ein zentrales Nervensystem, sammenwirken der verschie-
sondern erstreckt sich viel- denen Arbeitsfelder eine der
mehr über den ganzen Körper. größten Hürden auf dem
Dadurch kann die Bewe- Weg zur wirklichen Markt-
reife dar.

Anstatt jedoch mit konventio-
nellen Industrierobotern um
ihre Vormachtstellung in den
Fertigungslinien der Fabriken
dieser Welt zu konkurrieren,
werden zukünftige Genera-
tionen von weichen Robotern
und mechatronischen Syste-
men wohl eher in neue An-
wendungsgebiete vordringen
oder bisher automatisierungs-

43

R o b o t i k leibniz universität hannover

technisch wenig erschlossene schalteten pneumatischen schiedensten Gegenstände
Nischen besetzen. Die Stärken Aktoren (vgl. Abbildung 2), die gegriffen und transportiert
von soften Robotern sind vor sich jeweils in drei Raumrich- werden. Dies spart sowohl
allem ihre Flexibilität und An- tungen krümmen können. Kosten für die Entwicklung
passungsfähigkeit, die ihnen Ähnlich wie der Oktopus von komplexen Greifmecha-
wiederum ein höheres Maß an kann der STIFF-FLOP seine nismen als auch Zeit für auf-

abbildung 3 3

Kernthemenfelder der Soft
Robotics

Sicherheit und Robustheit ver- Steifigkeit aktiv verändern, wändige Rüstvorgänge. Dass
leihen. Für hochpräzise oder wodurch er sich je nach Situ- sogar empfindliche Produkte
kraftintensive Anwendungen ation besser an das umliegen- in der Lebensmittelindustrie
sind sie aufgrund der physi- de Gewebe anpassen kann mit den Lösungen der Soft
kalischen Gegebenheiten hin- oder alternativ seine Wider- Robotics gehandhabt werden
gegen weniger geeignet. standsfähigkeit gegenüber können, zeigen die weichen
einwirkenden Kräften erhöht. Fingergreifer der Firma Soft
Zu den Anwendungsfeldern, Technisch realisiert wird die Robotics. Ebenfalls pneuma-
die aller Voraussicht nach am Steifigkeitsadaption durch das tisch betrieben, umschließen
meisten von den Fortschritten Ziehen eines Vakuums in einer die einzelnen Finger unter
in der Soft Robotics profitieren mit einem Granulat gefüllten Druckbeaufschlagung sanft
können, gehören daher die Kammer. Im täglichen Leben die zu greifende Objekte wie
Medizintechnik und Rehabi- ist das Phänomen der Steifig- beispielsweise Tomaten.
litation, die Service-Robotik keitsvariation von Granulaten
sowie die Explorations- und vor allem durch vakuumierte Neben den zwei vorigen Bei-
Inspektionsrobotik. Je nach Kaffeepackungen bekannt. spielen lässt sich eine ganze
Anwendung ist auch der Ein- Reihe weiterer interessanter
satz in der Landwirtschaft Ein weiteres Beispiel, wo die- Arbeiten nennen, die derzeit
und in der industriellen Ferti- ser Effekt ausgenutzt wird, noch im Forschungsstadium
gung sinnvoll und realisierbar. ist der so genannte Universal sind. Potenzielle soft-roboti-
Das Ergebnis eines der wis- Jamming Gripper, der mittler- sche Systeme können unter
senschaftlich am weitesten weile von der Firma Empire anderem wendige Fischrobo-
fortgeschrittenen und einfluss- Robotics unter dem Namen ter für die Inspektion von
reichsten Projekte ist der so Versaball kommerziell ver- Rohren oder Pipelines sein,
genannte STIFF-FLOP, ein wei- trieben wird. Während bei anschmiegsame Exoskelette
cher Manipulator für minimal- industriellen Anwendungen zur Unterstützung des Men-
invasive chirurgische Eingrif- oftmals die Greifergeometrie schen bei Aufgaben in der
fe, der die Bewegungsmuster an das jeweilige zu handha- Pflege oder industriellen Mon-
des Oktopus‘ zu imitieren bende Objekt angepasst wer- tage sowie robuste Schlangen-
sucht. Der Aufbau besteht aus den muss, kann mit dem Vers- roboter für den Einsatz in der
mehreren hintereinander ge- aball eine Bandbreite der ver- Landwirtschaft.

44

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Bis die in Filmen aufgezeigten Dipl.-Wirtsch.-Ing., M.Sc. Assoc. Prof. Dr. Pinar Boyraz Prof. Dr. Annika Raatz
Visionen von Robotern als Gundula Runge Jahrgang 1981, Studium des Jahrgang 1971, Studium des
menschenfreundlichen Unter- Maschinenbaus und Promotion Maschinenbaus und Promotion
stützern und Helfern in allen Jahrgang 1982, Studium des zum Thema »Active Vehicle zum Thema „Stoffschlüssige
Lebensl­agen tatsächlich Wirk- Wirtschaftsingenieurwesens/ Safety and Control« an der Gelenke aus pseudo-elasti-
lichkeit werden, werden si- Maschinenbau an der TU Loughborough Universität, schen Formgedächtnislegie-
cherlich noch einige Jahre ver- Braunschweig und des Maschi- Groß Britannien. Sie ist Grün- rungen in Parallelrobotern“ an
gehen. Mit der Soft Robotics nenbaus am Georgia Institute derin einer Arbeitsgruppe an der TU Braunschweig, leitet
sind jedoch die ersten Wei- of Technology ist wissen- der Technischen Universität seit 2013 das Institut für Mon-
chen in Richtung mehr Sicher- schaftliche Mitarbeiterin am Istanbul, die sich mit modula- tagetechnik. Ihre Forschungs-
heit und Anpassbarkeit ge- Institut für Montagetechnik. ren Robotern und Service- schwerpunkte liegen im Be-
stellt, die zu einem weitrei- Ihre Forschungsschwerpunkte Robotern beschäftigt. Ihre reich der robotergestützten
chenderen Einsatz der Robotik liegen im Design, der Modellie- Forschungsschwerpunkte Montage, hierbei insbesondere
führen können. rung und Regelung von soften ­liegen im Bereich der Entwick- auf der Entwicklung und
Robotern. Kontakt: runge@ lung mechatronischer Systeme, M­ odellierung von Maschinen­
match.uni-hannover.de hierbei insbesondere auf der konzepten und -komponenten
Rehabilitation und Medizin- sowie der Gestaltung von au-
technik. Kontakt: boyraz@ tomatisierten Montageprozes-
mzh.uni-hannover.de sen. Kontakt: raatz@match.
uni-hannover.de

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Schnell und präzise erkennen und bewegen

hanDhabunGsroboter FÜr KoGnitive MaterialFlusssYsteMe

1

Die Entwicklung hin

zur industrie 4.0 bedeutet für

viele Unternehmen, dass sie

ihre Produktionsprozesse

verändern müssen.

Am institut für transport- und

Automatisierungstechnik

arbeiten Wissenschaftler

an einem neuen Ansatz zur

Positionsbestimmung von ob-

jekten, um den Anforderungen

und der komplexität einer indi-

viduell angepassten Produktion Durch die wachsende Nachfra­ zen dementsprechend eine tikkosten zu senken, indem
gerecht zu werden. ge nach individuelleren Pro­ geringe Wandlungsfähigkeit. der Automatisierungsgrad
dukten müssen Unternehmen Die Wandlungsfähigkeit hin­ gesteigert wird, ohne die hohe
ihre Produktionsprozesse ent­ sichtlich veränderter Rahmen­ Wandlungsfähigkeit einzu­
sprechend anpassen. Nur eine bedingungen bildet folglich schränken.
gleichzeitige Steigerung der die zentrale Kernkompetenz
Flexibilität und Produktivität, zukünftiger Intralogistiksys­ Handhabungsroboter werden
gerade vor dem Hintergrund teme. Diese sollte jedoch, vor in der Industrie eingesetzt, um
der Losgrößenreduzierung, dem Hintergrund steigender Tätigkeiten mit hohen Wieder­
ermöglicht es Unternehmen Produktionskosten, nicht holungsraten schnell und ef­
zukünftig, wettbewerbsfähig durch den Rückgang des Auto­ fizient durchzuführen. Solche
zu bleiben. Als wesentliche, matisierungsgrades erreicht Systeme sind meistens für
verbindende Schlüsselkompo­ werden, sondern viel mehr auf einen speziellen Anwendungs­
nente der Produktionskette Grundlage selbstoptimieren­ fall konzipiert und bei ver­
gelten diese Herausforderun­ der kognitiver Materialfluss­ änderten Rahmenbedingungen
gen auch für die Intralogistik. systeme. Solche Systeme sind nur in geringem Maße steue­
Gegenwärtige Materialfluss­ in der Lage, die Potenziale der rungstechnisch wandelbar. Ein
systeme sind auf konkrete Industrie 4.0 zu erschließen entsprechendes Anwendungs­
Szenarien ausgelegt und besit­ und gleichzeitig die Intralogis­ szenario ist die Palettierung

46

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von Stückgütern, wie zum ternatives Verfahren zur Posi­ kann das Objekt zweifelsfrei
Beispiel Pakete: Aufgrund der tionsidentifikation von Objek­ identifiziert werden. Zusätz­
gleichbleibenden Paketdimen­ ten entwickelt. Die initiale Idee lich können beliebige weitere
sionen bei klassischen, roboter­ für dieses Vorhaben begründe­ Daten gespeichert werden, die
gestützten Handhabungspro­ te sich zum einen durch den mittels eines Lesemoduls an­
zessen werden keine speziellen beschriebenen Bedarf einer schließend ausgelesen und
Sensorsysteme benötigt. Die individuellen, automatisierten ausgewertet werden können.
Prozesse der mechanischen Erkennung der Objektorien­ Die Vorteile dieser Technologie
Vorausrichtung sowie der tierung sowie zum anderen sind folgende: hohe Leseraten,
eigentlichen Handhabung fol­ durch den Einzug von Indus­ sowie die sehr hohe Speicher­
gen immer demselben Arbeits­ trie 4.0­Technologien in Unter­ kapazität im Vergleich mit
muster. Durch den Komplexi­ nehmen und dem resultieren­ zweidimensionalen Barcodes.
tätsanstieg aufgrund veränder­ den Anstieg des Informations­ Darüber hinaus wird zum
ter Produktionsprogramme bedarfs für jedes Objekt (das Auslesen der Informationen
keine Sichtverbindung zu dem
2 Objekt benötigt. Waren können abbildung 1
beispielsweise direkt durch die Handhabungsvorrichtung mit
Verpackung hindurch identifi­ Antennenarray
ziert werden. Quelle: Bouzakis, A.; Overmeyer, L.

Ziel des Forschungsvorhabens (Hrsg.): Positioning of Packaged
war es, ein Verfahren zur
Lageidentifikation von Stück­ Goods by Tracking Passive RFID Tags.
gütern anhand von RFID­
Transpondern zu entwickeln. Berichte aus dem ITA, Bd. 3/2013 –
Die zu erzeugende Funktions­
emergenz der Transponder soll ISBN 978-3-944586-19-9
dazu genutzt werden, auf zu­
sätzliche Sensorsysteme (wie
zum Beispiel Kamerasysteme)
zu verzichten.

Das entwickelte Verfahren abbildung 2
nutzt RFID­Transponder mit Schematische Darstellung des
einer Frequenz von 13,56 MHz, Scanvorgangs zur Positions-
welche auf dem Paket an­ bestimmung eines RFID-Trans-
gebracht sind, um neben dem ponders
Paket auch dessen Lage zwei­
felsfrei zu identifizieren. (eigene Darstellung)
Die gesamte benötigte Energie
und variabler Paketgrößen heißt zum Beispiel, nicht mehr für den Betrieb der passiven
kann dieses gleichbleibende nur die Information darüber, Transponder wird durch das
Arbeitsmuster in kognitiven dass in einem Paket eine magnetische Feld des Lese­
Materialflusssystemen jedoch bestimmte Ware enthalten ist, geräts bereitgestellt. Hierdurch
nicht gewährleistet werden. sondern auch wann diese Ware benötigen die Transponder
Dafür werden zusätzliche Sen­ erstellt wurde, für wen die keine eigene Energieversor­
sorsysteme benötigt, welche Ware bestimmt ist, wie und gung und können folglich sehr
eine schnelle und präzise wann sie ausgeliefert werden kostengünstig verwendet wer­
Erkennung der Paketorientie­ soll etc.). Die Radiofrequenz­ den. Die ermittelte Lageinfor­
rung ermöglichen. identifikation (RFID) wird mation kann anschließend
dazu verwendet, die benötig­ genutzt werden, um Pakete
Im Rahmen des DFG­For­ ten Informationen in digitaler präzise und vor allem paket­
schungsvorhabens »Automa­ Form direkt an einem Objekt spezifisch mittels eines Robo­
tische hochgenaue Stückgut­ zu speichern beziehungsweise ters zu handhaben. Das Or­
erfassung und ­handhabung verfügbar zu machen. Hierzu tungsverfahren macht sich die
anhand elektronischer Marken wird ein RFID­Transponder an begrenzte Reichweite der ver­
im Materialfluss« am Institut dem entsprechenden Objekt wendeten RFID­Transponder
für Transport­ und Automati­ befestigt. Durch diese eindeu­ zu nutze. Bei einem physi­
sierungstechnik wurde ein al­ tige Identifikationsnummer schen Durchmesser von 38 mm
besitzen die verwendeten
Transponder einen sphärischen

47

R o b o t i k leibniz universität hannover

Sendebereich mit einem ser dritte Transponder wird bei Das zugrunde liegende Funk­
Durchmesser von 45 mm. der Bestimmung der Paket­ tionsprinzip ist, dass die Lese­
orientierung nicht berücksich­ geräte mit einer bestimmten
Für die Lageidentifikation tigt. Zur Handhabung der Pa­ und konstanten Häufigkeit
werden insgesamt zwei Trans­ kete ist der Roboter mit einem sämtliche Transponder in ihren
ponder auf der Oberseite eines Vakuumsauggreifer ausgestat­ sich überschneidenden Sende­
Pakets benötigt. Durch Anbrin­ tet. Abweichend von klassi­ bereichen auffordern, sich
gung dieser Transponder auf schen Greifvorrichtungen, ver­ durch die Übermittlung ihrer
der Mittelachse des Pakets ist fügt die verwendete Vorrich­ eindeutigen Identifikations­
es möglich, über die gedachte, tung zusätzlich über mehrere nummern zu identifizieren.
gerade Verbindungslinie zwi­ RFID­Lesegeräte, welche mit­ Wenn die Antenne eines Lese­

abbildung 3 3
Ablauf des automatischen
Erfassungs- und Handhabungs-
prozesses

(eigene Darstellung)

Ab

CD

EF

schen den beiden Transpon­ tig zwischen den Saugnäpfen geräts in den Sendebereich
dern die Orientierung des Pa­ platziert sind. Insgesamt sind eines Transponders geführt
ketes zu bestimmt. Ein zusätz­ neun Lesemodule in einem so wird, antwortet der Transpon­
licher, dritter Transponder mit genannten Antennenarray ver­ der entsprechend der Abfrage­
einer deutlich größeren Sende­ baut. Eine Detailansicht der häufigkeit mit der Übermitt­
reichweite dient zur eindeuti­ entwickelten Vorrichtung ist in lung seiner Identifikations­
gen Identifikation des Pakets Abbildung 1 auf der linken Sei­ nummer. In Abhängigkeit der
sowie der Bereitstellung von te dargestellt. Die rechte Seite Verweildauer der Antenne im
Informationen bezüglich der zeigt die am Roboter montierte Sendebereich des Transpon­
Paketabmessungen, des Ge­ Vorrichtung im entsprechen­ ders ergibt sich die Anzahl der
wichts sowie des Zielorts. Die­ den Einsatzszenario. Transponderantworten. Es ist

48


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