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Book "What about life?" copy

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Published by chiara, 2022-04-19 06:22:47

What about Life?

Book "What about life?" copy

SILVIA BÄCHTOLD

Haben es Frauen heute besser «Es gäbe Was denken Sie, wird aus Rebekka,
nicht so viele
als zu Ihrer Zeit? Scheidungen, wenn sie erwachsen ist?
Ich hatte eigentlich keine Probleme. Bis wenn man auf Ich kann mir sie sehr gut in einem so-
es unseren Kindern nicht mehr gut ging. die richtige zialen Beruf vorstellen. Mit Menschen.
Das hat unser Leben auf den Kopf ge- Person treffen Hinter einem Haufen Zahlen zu sitzen,
stellt. würde und ist nicht ihr Ding. Ich hoffe, dass sie mit
sorgfältig wählte. ihrem Leben zufrieden sein kann und
Konnten Sie die Welt ein bisschen Es ist auch eine sich mit netten Leuten einlässt. Das ist
auch Glückssache. Ich denke, sie hat ein
zum Besseren verändern? glückliche gutes Gespür dafür, wie jemand ist. Es
Schwierig zu sagen. Was ganz wich- Fügung, wenn gäbe nicht so viele Scheidungen, wenn
tig war, dass ich vielen Kindern in der man den Partner man auf die richtige Person treffen wür-
Einzeltherapie etwas mitgeben konnte, findet, mit dem de und sorgfältig wählte. Leider hat die
das ihr Selbstbewusstsein stärkte. Ich man sich gut Ehe unserer Tochter nicht gehalten. Es
arbeitete wirklich mit ihnen, wir haben ist auch eine glückliche Fügung, wenn
nicht bloss geplaudert. Ich wollte, dass versteht.» man den Partner findet, mit dem man
sie spürten, dass auch sie etwas können sich gut versteht. Das ist nicht unbe-
und nicht nur Schulversager waren. SILVIA BÄCHTOLD dingt Verdienst, sondern vielmehr ein
Aber ansonsten verbesserte ich die Welt Geschenk. Sicher muss man auch daran
wohl nicht wesentlich. arbeiten, aber bei vielen funktioniert es
einfach nicht. Innerhalb der Familie
Haben Sie Angst vor dem Sterben? sollte es schon funktionieren, sonst ist es
Ich begleitete schon oft Sterbende, meine einfach schade.
Eltern, meine Grossmutter, bei ihr war
ich zwar nicht dabei, als sie starb, aber
die Tage davor besuchte ich sie jeden
Tag im Pflegeheim. Dann unseren Sohn.
Die Schwiegereltern. Man muss keine
Angst haben, aber freuen tue ich mich
auch nicht. Ich lebe gern und wünsche
mir noch viele Jahre, sofern ich gesund
bleibe. Wir haben verfügt, dass wir kei-
ne lebensverlängernden Massnahmen in
Anspruch nehmen, wir wollen nicht an
irgendwelche Schläuche gehängt wer-
den. Ich möchte in Würde gehen können.
Natürlich hege ich die Hoffnung, dass
nachher etwas kommt. Aber es kam noch
nie einer zurück.

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R E B EEKVKAAMSECIHEWR A R Z
EVA MEIER

Name Wie würdest du deine Grossmutter le, dass mein Onkel, der Bruder meiner
beschreiben? Mama, vor einigen Jahren an Leukämie
Rebekka Schwarz Sie ist eine mega liebe Person und gestorben ist, und meine Grosseltern
möchte immer, dass es allen gut geht. bereits durch sehr viel Schmerz gingen.
17Alter Streit will sie auf jeden Fall verhindern. Als ich ein Kind war, unternahm Oma
Deshalb versucht sie, so oft es geht zu viel mit mir, das hat mir immer grossen
Schule schlichten. Sie ist extrem mitfühlend und Spass gemacht. Ihre liebevolle Art tat
bescheiden und möchte keine Fehler gut, aber so nett war sie auch zu all ih-
Kantonsschule machen. Oma macht sich viel zu viele ren anderen Enkeln. Jetzt, wo es meiner
Küsnacht, Sorgen, aber uns Enkelkinder liebt sie. Mutter viel schlechter geht, kommt sie
11. Klasse Sie verbringt viel Zeit mit uns, genau natürlich häufiger hierher, weshalb ich
wie auch mit ihren Freundinnen. Sie ist sie öfters sehe. Unsere Beziehung än-
Wohnort ein typischer Familienmensch. Ich finde derte sich über die Jahre. Grossmutter
meine Oma echt cool. war ja nicht nur zum Spasshaben da,
Thalwil, Zürich sondern übernahm auch erzieherische
Was für eine Rolle nimmt sie in Verantwortung, zumal meine Mama uns
Hobbys deinem Leben ein? allein aufzog.
Eine grosse. Meine Grossmutter kommt
Reiten, oft zu uns heim, auch weil es meiner Musst du viel im Haushalt mithelfen?
Cevi P fadigruppe Mutter nicht so gut geht. Mama leidet an Ein wenig. Mein Bruder und ich machen
Multipler Sklerose. Die Krankheit beein- die Küche, ich wasche auch unsere
trächtigt sie stark, mittlerweile sind ihre Wäsche ab und zu und koche manch-
Beine vollständig gelähmt, sie sitzt im mal am Wochenende. Es wird jedoch
Rollstuhl. Vor allem früher half mir mei- sehr darauf geachtet, dass ich möglichst
ne Grossmutter sehr viel. Mir ging es da- wenig Hausarbeit machen muss. Mein
mals nicht so gut, die schwere Krankheit Zimmer und mein Badezimmer sind mein
meiner Mutter belastete meinen Bruder Ding, aber das ist ja auch normal.
und mich immens. Deshalb ist unsere
Oma extrem wichtig für uns. Auch jetzt Das heisst, deine Oma übernimmt
nimmt sie noch eine wichtige Rolle in bei euch auch viel Hausarbeit?
meinem Leben ein obwohl ich unseren Auf jeden Fall. Natürlich helfe ich auch,
Altersunterschied immer mehr spüre meine Mutter ab und zu herumzutragen,
und wir uns manchmal nicht hundert- aber das kommt nicht so oft vor. Oder ich
prozentig verstehen. Dennoch fühle ich mache für sie das Fenster auf und helfe,
mich wohl bei ihr und meinem Opa. Ich Sachen zu schleppen. Meine Oma macht
kann auch zu ihnen gehen und ein paar die Wäsche und kocht und hilft meiner
Tage bleiben. Früher machte sie auch ein Mama, grössere Arbeiten zu erledigen,
bisschen Hausaufgaben mit mir, und ich wie zum Beispiel Kleider aussortieren.
verbrachte die Ferien bei ihr.
Wie häufig siehst du deine
Nimmt sie vor allem wegen der Grossmutter?
Krankheit deiner Mutter eine so Viel. Etwa zwei, drei Mal die Woche.
grosse Rolle ein?
Unbedingt. Ich denke, das täte sie aber Verbringt ihr dann auch Zeit allein?
auch sonst, weil meine ganze Familie ein Da wir uns so häufig sehen, ist es nicht
enges Verhältnis hat. Die Grosseltern so, dass wir jedes Mal etwas zusammen
schauen zu ihren Kindern und Enkelkin- machen. Vielmehr gehe ich vielleicht
dern. Dabei spielt sicher auch eine Rol- mal zu ihr in die Küche, um mit ihr zu re-

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REBEKKA SCHWARZ

den. Da sie jedoch praktisch auch hier die Umstände bei uns schwierig sind, kränker. Sie kümmerte sich die letzten 15
wohnt, und ich sie immer um mich habe, und sie schon viel durchgemacht hat. Jahre nur um ihre erwachsene Tochter.
beschränkt es sich manchmal auf ein Trotz allem ist sie eine extrem liebevol- Eigentlich sollte es nicht die Aufgabe
«Hallo und Tschüss»... le Person und sagt immer: «Ja, ja, das einer Mutter sein, sich das ganze Leben
kommt schon gut.» lang um die Kinder kümmern zu müssen.
Teilen deine Oma und du gleiche Aber meine Oma ist stark und zusammen
Interessen? Gibt es etwas, was du später ganz mit meinem Opa leisten sie Ausseror-
Ich denke schon. In gewissen Charak- anders machen möchtest als sie? dentliches. Ich bewundere sie auch da-
tereigenschaften sind wir uns ver- Ich weiss es nicht so genau. Ich kannte für, dass sie einen Mann gefunden hat,
blüffend ähnlich. Wir sind beide hilfsbe- sie als junge Frau nicht. Aber ich habe mit dem sie so gut zusammenpasst und
reit und mitfühlend. Hobbys teilen wir das Gefühl, sie richtete sich immer nach den sie noch immer liebt, über all die
nicht. Ich reite sehr gerne. Grosi auf ei- den Ansprüchen der Gesellschaft. Sie Jahre, seit sie als Jugendliche zusam-
nem Pferd wäre eine lustige Vorstellung. tat, was man ihr sagte. Das möchte ich men kamen. Die schweren Prüfungen
Aber wir finden sicher immer ein Thema, überhaupt nicht. Ich würde gerne auch stehen beide wirklich tapfer durch.
worüber wir uns gemeinsam austau- unkonventionelle Dinge wagen, die nicht
schen können, wir haben ähnliche poli- von allen für richtig angesehen werden, Was für Werte vermittelt dir deine
tische Ansichten und teilen das gleiche aber für mich stimmen. Und natürlich Grossmutter?
Weltbild. Genau wie auch meine Mutter. auch für meine Liebsten, ich will ja nie- Dass man geniessen soll und schätzt,
mandem schaden. Was das genau sein was man hat. Aber auch Bescheidenheit.
Wie kommuniziert ihr am häufigsten könnte, weiss ich noch nicht, aber ich Und, dass man immer das Gute in Men-
miteinander? möchte einfach mich selbst sein und ein schen sehen soll.
Wir reden meistens oder ich rufe sie eigenes Leben haben.
an, wenn ich Hilfe nötig habe. Meine Unterstützt dich deine Oma in
Grosseltern nehmen für uns Kinder auch Bist du stolz auf deine Grossmutter? deinem Selbstwertgefühl?
ein wenig die Elternrolle ein. Wenn ich ir- Unbedingt. Sie machte wie gesagt schon Ich denke schon. Natürlich ist es etwas
gendetwas brauche, zum Beispiel, wenn viel durch. Ihr Sohn starb, ihre Tochter anderes, wenn sie mir ein Kompliment
eine Freundin ihre Maturaarbeit schreibt, ist extrem schwer krank und wird immer macht oder ein Fremder, sie ist schliess-
kann ich einfach anrufen. (Lacht.) Aber lich mein Grossmami. Sie sagt immer
ich frage eher meinen Grossvater um «Meine wieder, «oh, so tolle Haare», oder «du
Hilfe. Er verfügt noch über etwas mehr Furcht ist, bist so ein hübsches Mädchen» und sehr
Kraft und Energie. Er hilft mir bei Mathe- dass ein oft auch, dass ich eine Liebe bin und es
problemen und auch bei allgemeinen Familienmitglied gut mache. Das ist schön und unterstützt
Fragen. Zum Beispiel Passwörter zu or- stirbt und mich.
ganisieren oder bei Computerprogram- ich plötzlich
men. Wenn etwas bei uns kaputt geht, alleine dastehe. Glaubst du, deine Grossmutter war
ist ebenfalls er zuständig. Meine Gross- Oder dass ich in ihrem Leben glücklich?
mutter macht Dinge wie Kleider flicken meine Freunde Ich kenne sie erst, seit sie etwa 65 ist,
und so. verliere.» aber auf mich macht sie den Eindruck.
Ich weiss nicht, ob sie in jeder Lebens-
Ist deine Grossmutter ein Vorbild REBEKKA SCHWARZ phase glücklich war, aber heute strahlt
für dich? sie meistens Zufriedenheit aus.
In gewisser Weise bestimmt. Weil sie
so viel älter ist und in einer anderen Würdest du gerne etwas von deiner
Generation gross geworden ist, spüre Grossmutter lernen oder würdest du
ich eine Distanz zwischen uns. Sie eine lieber alles selbst herausfinden?
äusserst positive Frau und versucht, im- Beides. Es ist eine Weile her, dass ich
mer das Gute in allem zu erkennen. Das von ihr lernte. Als Kind hatte sie grossen
inspiriert mich sehr, vor allem auch weil Einfluss auf mich, ich schaute zu ihr auf.

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REBEKKA SCHWARZ

Es gibt viele Dinge, die ich damals noch und ich habe Angst, dass ich eines Ta-
nicht bemerkte, aber jetzt sehe ich, dass ges an den Punkt kommen könnte, wo
sie recht hatte: Zum Beispiel wenn sie ich keine Lust mehr auf das Leben habe.
sagte, wir sollen es geniessen. Wir leb- Nicht im Sinne von, dass ich mich selber
ten und leben nicht im Überfluss. Wenn umbringen würde, aber dass ich keine
wir etwas geschenkt bekamen, war das Lebensfreude mehr habe, mein Glück
etwas Besonderes. Ein Glace war der nicht mehr gestalten kann. Eine kon-
Hit. Weil meine Grossmutter es zum Hit krete Furcht ist auch, dass ein Famili-
machte. Auch ihre Einstellung, dass Men- enmitglied stirbt und ich plötzlich allein
schen primär gut sind, habe ich von ihr. dastehe, oder dass ich meine Freunde
Als Kind sagte sie mir einmal, wenn man verliere. Die grösste Sorge bereitet mir
etwas ganz Schönes erlebt, soll man die aber die Krankheit meiner Mutter. Die
Augen schliessen und sich den Moment Entzündungen im Gehirn können be-
ganz genau einprägen. Als Erwachsener wirken, dass sie eines Tages nicht mehr
kann man später bloss die Augen schlie- sie selbst ist. Das wäre das Schlimmste.
ssen und die schönen Bilder tauchen wie- Dann käme ich an den Punkt, an dem ich
der auf. Ich mache das heute noch ab und nicht mehr glücklich sein könnte.
zu. Das weiss meine Oma gar nicht, aber
das hat sie an mich weitergegeben: den «Ich habe
Moment geniessen zu können. Angst, dass
ich eines Tages
Weisst du, was du einmal werden an den Punkt
möchtest? Hast du Träume? kommen könnte,
Uh, grosse Frage! Ich möchte vor allem wo ich keine
glücklich sein und die Menschen um Lust mehr auf
mich herum glücklich machen. Gutes be- das Leben habe.»
wirken, auch wenn es nur etwas ganz
Kleines ist. Das klingt jetzt vielleicht blöd REBEKKA SCHWARZ
und naiv, aber Menschen zu helfen und
eine positive Spur zu hinterlassen, wäre
mein Wunsch.

Da zeigt sich der Einfluss deiner
Oma, stimmts?
Sie erzählte immer von ihren Kollegin-
nen, die nach Nepal gingen und dort un-
terrichteten. Sie berichtete mir als Kind
von deren Engagements, das machte mir
Eindruck. Gut möglich, dass ich deshalb
jetzt sage, ich würde auch gern für eine
Weile in einem Drittweltland arbeiten.

Hast du vor etwas Angst?
Ja, dass ich irgendwann – hmmm, das
klingt jetzt wohl sehr philosophisch –
aber dass ich nicht mehr glücklich sein
kann, unabhängig von den Umständen.
Jeder erlebt Dinge, die nicht schön sind,

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DANK

Ohne euch, meine lieben Freundinnen, wäre dieses P rojekt nie zustande
gekommen. Obwohl ich viele Fragen gestellt habe, die ihr noch nie gehört
und mit welchen ihr euch noch nie beschäftigt habt, habt ihr euch
Gedanken gemacht und ehrlich geantwortet. Auch allen teilnehmenden
Grossmüttern ein herzliches Dankeschön! Es war eine wunderbare
Erfahrung, eurer Generation zuhören zu dürfen. Danke, dass ihr euch so
viel Zeit genommen habt, auf meine persönlichen Fragen einzugehen,
obwohl ihr euch nicht vorbereiten konntet.
Es bedeutet mir viel, dass meine eigenen beiden Grossmütter, Effi
Signer und Marguerite Fanconi, mir aus ihrem Leben erzählt haben und
Red und Antwort standen. Es ist schön, dass wir uns durch diese Arbeit
näher gekommen sind und unser Verhältnis dadurch offener und von
mehr Wärme geprägt wurde.
Meinen Eltern danke ich für die grosse Unterstützung - in jeder
Hinsicht.
Barbara Pastore: Die Zusammenarbeit war einfach toll. Du hast mir
so viel übers Layouten beigebracht und mir gezeigt, wie man mit wenigen
Mausklicks fantastische Bilderwelten kreiert. Ohne dich könnten wir
dieses Buch nicht in den Händen halten.
Ich danke Regula Osman für ihre Dudenkenntnisse.
Einen besonderen Dank möchte ich Olivier Neidhart aussprechen, der
mit seiner Druckerei mein Werk zu Papier brachte.

Ein riesiges Dankeschön gebührt Dr. Corinna Badilatti Steger, die
mich während der gesamten Arbeit ausgezeichnet bet reut hat und mir viele
hilfreiche Ratschläge erteilte.

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t?tuaeofhbiWla


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