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literatur2_reineke_fuchs_kinder_flip_books

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Published by alyrieger, 2019-04-26 10:47:12

literatur2_reineke_fuchs_kinder_flip_books

literatur2_reineke_fuchs_kinder_flip_books

Mein Herr und König wird in Gnaden
Mit reichen Ehren mich beladen;
Baldheißt es rings im ganzen Land:

 

Wie ist Bellin doch kunstgewandt!
Denn keiner weiß, wie das geschehn. —
Nimm tausend Dank! — Auf Wiedersehn!“ —
Bald trat mit selbstzufriednem Sinn
Der Widder vor den König hin,
Legt‘ ihm das Ränzel stolz zu Füßen
Und sprach: „Reineke läßt dich grüßen.
Er sendet, edler König, hier
Die beiden dicken Briefe dir,
So du ihm anbefohlen hast.
Sie sind nicht übel abgefaßt,

Weil ich dabei, der Bock Bellin,
Ihm manchen guten Rath verliehn.“

 

Man löst vom Ranzen Band um Band,
Schreck! — Was kollert in den Sand?
 
„Ein blut’ger Brief, bei meiner Treu‘!“
Ruft zornentflammt der edle Leu
und hält empor das Hasenhaupt.
„Und du? wer hätt‘ es je geglaubt,
Du hast ihm deinen Rath, Bellin,
Bei diesem Bubenstück verliehn? —
Nie täuscht mich mehr, so wahr ich lebe,
Reineke’s Lug= und Truggewebe!
Führt Isegrim und Braun herbei —
Rein sind sie jeder Schuld, sind frei.
Als Sühne aber giebt das Recht
Bellin den Bock und sein Geschlecht
Rings auf dem weiten Erdenkreis
Den Wölfen und den Bären preis. —
Und jener Wicht, der mich betrogen,
Vom Galgen frech sich losgelogen,
Der Meister aller Büberei,
Er sei von Stund an vogelfrei!
Entbieten lass‘ ich Mann für Mann
Zu folgen meinem Heeresbann.
Gelingt es uns, den Schelm zu fangen,
Mag er am nächsten Baume hangen.“

 

Sechster Gesang



Reineke lag in guter Ruh
Und sah dem Spiel der Mücken zu;
Da klangen Schritte an sein Ohr,
Er lauschte auf, er sprang empor . . .
„Bist du es, Grimbart?“ rief er aus;
„Willkommen, Freund, in Maöpertaus!
Von Hofe kommst du sicherlich —
Was giebt es Neues, Bester, sprich?“
 
Grimbart begann: „Von bösen Dingen
Muß leider ich dir Zeitung bringen.
Dein Gut und Leben ist verloren,
Tod hat der König dir geschworen!
Entbieten läßt er Mann für Mann
Zu folgen seinem Heeresbann;
Bevor drei Tage noch vergehn,
Wird er vor deiner Veste stehn.“
 
„Nichts weiter?“ sprach der Fuchs mit Lachen.

„Das laß dir keine Sorge machen.
Trotz all‘ und jeder Fährlichkeiten,
Werd‘ ich nach Hofe dich begleiten.
Mein Lügenschatz, versichr‘ ich dich,
Läßt mich auch diesmal nicht im Stich. —
Erst aber, Grimbart, komm‘ herein
Und laß bei Tisch uns fröhlich sein.
Zwei Täubchen fing ich,zart und gut,
Mit Knöchelchen wie Milch und Blut;
Ein Essen, trefflich zu verdauen,
Man schluckt es, ohne nur zu kauen.“
 
Er sprach’s. Sie traten in das Haus
Und setzten nieder sich zum Schmaus.
Die Füchslein kamen angesprungen.
„Was meinst du, Grimbart, zu den Jungen?“
Frug Reineke den Brudersohn.
„Der Rossel fängt sich Küchlein schon,
Und Reinhart dort, der Schlingel, wagt
Sich gar schon auf die Entenjagd.“
 
„Mit vollem Recht.“ fiel Grimbart ein.
„Magst stolz du auf die Kleinen sein.
Kaum zum Verwundern ist es ja —
Sie arten ganz nach dem Papa.“
 
„Wohl,“ sprach der Fuchs. „Du darfst indessen
Auch die Erziehung nicht vergessen;
Talent allein vermag es nicht. —

Nun aber komm‘, uns ruft die Pflicht.“
 

„Wie?“ frug voll Angst Frau Ermelin,
Du willst doch nicht nach Hofe ziehn?“

„Mein gutes Kind, gieb dichzufrieden;
Der König hat mich hinbeschieden.
Mißgönnst du mir denn das Vergnügen,
Mich einmal gründlich satt zu lügen?“
 
Reineke sprach das Trosteswort
Und küßt‘ ihr eine Thräne fort. —
 
„Ach, bester Ohm, ich muß gestehn,“
Begann verzagt der Dachs im Gehen,
„Es steht um dich recht herzlich schlecht.
Bellin, des Königs biedern Knecht,
Schickst du mit Lampe’s Haupt zurück?!
Das war denn doch ein starkes Stück!“
 
„Verdammst auch du mich wie die andern?“
Sprach Reineke im Weiterwandern.
„Wer heute durch die Welt will wandeln,
Der kann nicht stets so heilig handeln,
Als wenn er Mönch und Klausner wär‘.
Sieh, Lampe sprang so hin und her,
So: willst du mich, da hast du mich —
Daß mich’s ganz sonderbar beschlich,
Daß ich urplötzlich mich vergaß

Und ihn vor lauter Liebe fraß.
Bellin stand nie bei mir in Gnaden;
Mein ist die Sünde, sein der Schaden.
Ist doch der Raub des Thieres Brauch.
Gesteh‘, raubt nicht der König auch?
Und hat er selbst noch nie gestohlen,
Läßt er’s durch Wölf‘ und Bären holen.“
 
Er sprach’s und lachte vor sich hin.
„Grad geht ein Streich mir durch den Sinn.
Du mußt es, lieber Neffe, hören,
Wie arg der Wolf sich ließ bethören. —

Wir streiften beide jüngst einmal
Mitsammen über Berg und Thal.
Da sahen wir auf grünem Rasen
Ein Pferd mit seinem Füllen grasen.
In solchem Fall geschieht's nun leicht,
Daß uns ein Appetit beschleicht.

„Hm,“ sprach sich räuspernd Isegrim,
„Mir wird vor Hunger schlecht und schlimm;
Lauf hin zur Alten, Freund, und sieh,
Ob sie verkauft das leckre Vieh.“
Ich ging. „Verehrte Frau Mama,
Welch dralles Füllen hast du da!
Ist es wohl feil für gutes Geld?“
„Recht gern,“ sprach sie, „wenn dir's gefällt.
Tritt näher, Freundchen, nur herzu,

Denn klar geschrieben findest du
Den Preis mir unter'm Hinterfuß.“
Ich aber schied mit art'gem Gruß:
„Frau Mähre, nein, das laß ich bleiben;
Kann weder lesen, weder schreiben.“
Ich lief zu Isegrim zurück.
„Geh', Freund, versuche du dein Glück!“
Und sagt' ihm alles: so und so.
„Was?“ rief der Schlaukopf siegesfroh,
„Nicht lesen kannst du? Kleinigkeit!
Wer so wie ich geraume Zeit
Auf hohen Schulen einst gewesen,
Kann alle Schriften spielend lesen.“
Er ging und fragte nach dem Preis.
„Hier steht er,“ sprach sie, „schwarz auf weiß.“
Und schlug mit ihrem Hinterbein
Dem Tölpel fast den Schädel ein;
Denn sechs Hufnägel hart wie Stahl
Die trafen richig allzumal.
So lag er nun, der alte Narr,
Wohl eine Stunde steif und starr;
Da schlug er matt die Augen auf.
„He, Freund,“ frug ich, „wie steht der Kauf?
Du hast dich satt und rund gefressen
Und meiner ganz und gar vergessen.
Pfui! Undankbarer Schlemmer du!
Trug ich dir nicht die Botschaft zu!
Ja ja, nach solchem Mahle thut
Ein Mittagsschläfchen doppelt gut.

Wer brachte dir's so trefflich bei,
Wie derlei Schrift zu lesen sei?“
Und Isegrim sah stier und stumm
Nach dem ersehnten Schmaus sich um.
Davon war Füllen längst und Pferd. —
Sag' ist der Spaß nicht Goldes werth?

„Ach,“ zeufzte Grimbart, „bestes Thier,
Dein Schwank entlockt kein Lächeln mir,
Er lastet schwer mir auf dem Herzen.
Ja, deine Lust zu losen Scherzen
Wir noch verhängnisvoll dir werden!
Kein schlimm'rer Feind lebt dir auf Erden . . .“

„Wie?“ unterbrach der Fuchs ihn hier,
„Mit solchen Schmerzen kommst du mir?
Ich muß ob deines Eifers lachen —
Mir soll kein Popanz bange machen!“

Siebenter Gesang



 

„Verruchter Mörder!“ rief der Leu,
„Du wagst zu Hofe dich auf’s Neu‘?
Seht doch, ihr Herren, schreitet er
Nicht frech und wohlgemuth daher,
Als könn‘ es keine Seele wissen,
Wer unsern Lampe todtgebissen? —
Es starb Bellin, dein Mordgesell;
Jetzt geht es dir, Herrn Fuchs, ans Fell!“
 
Reineke rief: „O weh der Noth!
So sind Bellin und Lampe todt?
Ich Aermster, wär‘ ich nie geboren!
Nun ist mein höchster Schatz verloren!
 
Vernimm. ich sandte dir durch sie
Kleinode, wie dein Auge nie
Und nirgends sie zuvor geschaut.
Hätt‘ ich’s Bellinen zugetraut,

Daß er in wilder Beutegier
Den besten Freund, das frömmste Thier,
Den guten Lampe würd‘ erschlagen?
Wo lebt noch Treu‘ in unsern Tagen?“
 
„Sprich,“ rief der König wuthentbrannt,
„Was war’s, das du mir zugesandt?“
„So höre, Herr, um welches Glück
Betrogen dich dies Bubenstück.
Das erste Kleinod war ein Ring,
Daran mein ganzes Herze hing.
Wer ihn am Finger trug, der war
Geschützt vor jeglicher Gefahr;
Der konnte dreist durchs Feuer gehn,
Im Kampfe wider hundert stehn.
Auch saß am Ringe ein Karfunkel,
Deß Glanz erhellte jedes Dunkel;
Und wer vor Augen sah den Stein —
Mocht‘ es dein Todfeind selber sein —
Von holder Zauberkraft getrieben,
Mußt‘ er des Ringes Träger lieben. —
Das andre Kleinod aber war
Nicht minder schön und wunderbar,
Bestimmt für deine Königin:
Ein Spiegel von Beryll, darin

Bei Nacht man wie bei Tage sah,
Was meilenweit umher geschah.
Und wunderthätig war sein Licht;
Hatt’st du ein Fleckchen im Gesicht —
Nur in den Spiegel flugs geschaut,
Und blendend rein war deine Haut. —
Ich aber hielt mich zu geringe
Solch zauberhafter Wunderdinge
Und so — wie konnt‘ es anders sein?
Beschloß ich, Herr, sie dir zu weih’n.
Nun steht dein treuester Vasall
Umstellt von Feinden überall,
Die ihm entwendet deine Gunst
Durch teuflisch arge Lügenkunst!
Ich aber bringe sie zum Schweigen.
Heda, ihr Memmen all' ihr Feigen!

Ist, frag‘ ich, unter euch ein Mann?
Der trete vor, der klag‘ mich an —
Im grimmen Kampf auf Tod und Leben
Will ich ihm Red‘ und Antwort geben!“
 
Da klang ein lauter Ruf: „Wohlan,
Schamloser Wicht, hier steht der Mann!
Und aus der Feinde zagem Chor
Wuthknirschend trat der Wolf hervor.

„Läßt sich an einem Maul voll Lügen
Der König abermals genügen,
Ei nun, so mag er’s immer thun —
Ich werde rasten nicht und ruhn,
Bis ich dem Fuchs sein Theil gegeben —
Und Leben setz‘ ich wider Leben!
Daß er bei Hofe mich verhetzt,
Das sei dem Schelm vergessen jetzt,
Vergessen, was er freventlich
Gesündigt einzig wider mich.
Das Alles, Alles möchte sein;
Eins aber kann ich nie verzeihn:
Daß er mir auch mein armes Weib
Geschädigt hat an Ehr‘ und Leib! —
Vernehmt die losen Bubenstreiche:
Einst saß mein Weib am Mühlenteiche,
Da trat Reineke hin zu ihr.
„Frau Muhme“, sprach das falsche Thier,
Du willst gewiß dir Fische fangen;
Laß nur den Schwanz ins Wasser hangen,
Sie beißen schaarenweise an —
Mehr als dein Magen fassen kann.“
Und weil der Fuchs gar ehrsam that,
Befolgte arglos sie den Rath.
Nun merkt , wie bös er sie genarrt.
Im Winter war’s, die Kälte hart,

Und bald der Schwanz von Eise schwer;
Sie sprach: „Jetzt werden’s immer mehr!“
„Ja,“ rief der Fuchs, der Spaß gelang,
„Es ist ein ungeheurer Fang!“
Ich kam von Ungefähr vorbei
Und hört‘ ein lautes Angstgeschrei.
Zur Unglücksstätte lief ich flugs,
Doch lachend sprang davon der Fuchs;
Und ach, mit halbem Schwanze blos
Bracht‘ ich mein Weib vom Eise los!“
 
Reineke sprach voll Zuversicht:
„Ja ja, so war’s; ich leugn‘ es nicht.
Da thun sich wieder einmal klar
Der Habgier schlimme Folgen dar.
Denn zog das Weib zu rechter Zeit
In Tugend und Bescheidenheit
Ihr Schwänzchen aus dem Teich heraus,
Kam sie mit reichem Fang nach Haus.“

 

„Brennt sich der Schurke wied’rum weiß
Und giebt mein Weib dem Spotte preis?“
Rief Isegrim in hellem Zorn.
Sprich, Schelm, wie war es jüngst am Born?
Zwei Eimer hingen dort am Seile,
Und du — aus lieber Langeweile —
Bestiegst den einen unbesonnen
Und fuhrest nieder in den Bronnen.
Jetzt galt’s, ein Mittel auszufinden,
Dich wieder in die Höh‘ zu winden.
Da kam mein Weib Frau Gieremund
Und sah dich auf dem Brunnengrund.
„Ach, Mühmchen,“ sprachest du zu ihr,
„Sieh nur, von Fischen wimmelt’s hier!
Willst du mein lieber Tischgast sein,
Steig‘ droben in den Eimer ein.“
Und weil die Arme hungrig grad,
Befolgte sie den bösen Rath.
Ihr Eimer fuhr gar lustig nieder,
Doch d e i n e r, Schurke, hob sich wieder.
„So geht’s im Leben,“ riefest du
Dem armen Weibe spöttisch zu,
„Der eine steigt, der andre fällt,
Das ist nun so der Lauf der Welt.“
Bald kam ein Haufe wilder Bauern

Und sah mein Weib im Eimer kauern.
Da hieß es denn: „Sehr, unten sitzt,
Der uns die Lämmer wegstipitzt.
Herauf mit dir ans Licht, Patron!
Herauf, wir zahlen vollen Lohn!“
Gesagt, gethan — und ohn‘ Erbarmen
Zerbläute man das Fell der Armen.
Mit wund- und lahmgeschlagnem Leib
Kam stöhnend heim mein armes Weib.“

 

„Ja,“ sprach der Fuchs, „Seit jener Zeit
Bin ich erfüllt von Dankbarkeit,
Daß sie die Prügel übernommen,
Die mir rechtswegen zugekommen.
In diesem Punkt, das muß ich sagen,
Kann sie weit mehr als ich vertragen“
 
Da rief der Wolf: „Bei meinem Eid,
Mit Reden weißt du wohl Bescheid!
Was nützt auch eitel Wortgefecht?
Im Zweikampf heisch‘ ich nun mein Recht.
Du Ehrenschänder, du Verräther,
Du Räuber, Mörder, Missethäter . . .“
 
Reineke schrie: „Du Grobian!
Meinst du mit Schimpfen sei’s gethan?

Laß du nur ab vom Mäulerstreit,
Mich siehst du längst zum Kampf bereit!“
 
Der König aber rief: „Genug!
Wer wird aus all‘ den Reden klug?
Sei morgen denn, ihr Herrn, der Tag,
Der euren Rechtsstreit enden mag.
Sein Spruch — ein Zweikampf soll entscheiden,
Wer Recht, wer Unrecht hat von beiden.

 

Achter Gesang



 

Reineke lag im weichen Moos
Und schnarchte lustig noch drauf los;
Da zupft‘ es leise ihn am Fell:
„Auf, auf, du säumiger Gesell!
Was träumst du in den Tag hinein?
Heut gilt es doppelt munter sein!“
 
Der Schläfer knurrte ärgerlich,
Rieb brummend seine Aeuglein sich
Und wußte nicht, wie ihm geschah,
Als er die Aeffin vor sich sah.
 
„Bist du’s, lieb Mühmchen, seh‘ ich recht?
Und mit dir naht dein ganz Geschlecht?
Willkommen, all‘ ihr lieben Leute!
Was giebt es denn so zeitig heute?“
 
Die Aeffin sprach: „Kein Ungefähr,

Noch müß’ge Neugier führt uns her:
Die Sorge, wie du dich mit Ehren
Des starken Gegners magst erwehren.
Zwar bist du klüger meist denn klug,
Warst jederzeit dir selbst genug —
Doch heut gestatte, daß der deinen
Wir unsre Pfiffigkeit vereinen.“

 

Der Fuchs sprang auf: „Ei, mit Vergnügen
Will ich mich deinem Rathe fügen.
So klug der klügste Mann auch ist,
Geht doch nichts über Weiberlist.“
 
Da ward denn lachend Meister Fuchs
Von zehn geschäft’gen Händen flugs
An Rücken, Bauch, an Hals und Ohren
Wie eine Ratte kahl geschoren;
Worauf man ihm fein säuberlich
Die Haut mit Fett und Oel bestrich.
 
„So,“ sprach die wohlerfahrne Frau,
„Den Wedel nur laß ich dir rauh.
Nun stell‘ dich anfangs recht verzagt,
Reiß aus und, wenn der Wolf dich jagt —
Dann munter nur den Schwanz geregt
Und allen Staub empor gefegt!
Wenn Isegrim zurücke bleibt
Und heulend sich die Augen reibt,
Hui! mit dem Schwanz ihm ins Gesicht,

Bis ihm vergeht der Augen Licht.
Bald weiß er nicht, wo aus wo ein;
Der Sieg, Herr Fuchs, wird spielend dein ! —
Knie nieder jetzt mit gläub’gem Sinn
Und nimm den Zaubersegen hin.
Ierexehh contue hebeir trew,
Jebads sap snehcsib nieth cinn new?*
*(man lese von hinten nach vorn.

Nun, Freunde, laßt den Kampfgeweihten
Zum sichern Sieg uns hingeleiten.“
 
Und stolz schritt Reineke voran,
Die Treuen folgten Mann für Mann. —
 
Der König, als er ihn erschaut,
Hielt sich den Leib und lachte laut:
 
„Du Loser bist doch allezeit
Zu neuem Schelmenspiel bereit.“
 
Der Fuchs mit zierlicher Geberde
Verneigte grüßend sich zur Erde
Und stand alsbald voll guter Dinge
Des Gegners harrend in dem Ringe.
Die Stirn umwölkt von Motdgedanken,
Betrat Wolf Isegrim die Schranken.
 
Der König aber rief: „Wohlan,

Die Kämpen stehn, man hebe an!“

Und Isegrim kam wuthentbrannt
In mächt’gen Sätzen angerannt.
Reineke schlüpft behend zur Seite,
Er bebt vor Angst und sucht das Weite.
Hoch peitscht sein Schweif im schnellen Lauf
Den Staub zu dichten Wolken auf.
Kaum sieht den Wolf er stehen bleiben
Und winselnd sich die Augen reiben,
Ruft Reineke: „Verleumder du,
Nun hat vor dir die Unschuld Ruh‘!
Empfange deinen Sündenlohn!“
Und faßt ihm nach der Kehle schon . . .
Doch Isegrim in wilder Pein
beißt wüthend auf den Frechen ein,
Erschnappt des list’gen Gegners Hand
Und — wirft ihn nieder in den Sand.

„Jetzt, Lügenbube, zeig‘ ich dir:
Das Lohnaustheilen ist an mir!
Trotz Sträuben, Wedeln, Scheeren, Schmieren,
Wirst Kopf und Kragen du verlieren!“
Reineke denkt: Das geht ans Leben,
Nun ist es Zeit klein beizugeben.
Demüthig blickt den Wolf er an:

„Was nur dein Herz begehren kann,

O Herr, ich will es freudig thun —
Nur laß den dummen Streit jetzt ruhn!
Was kämpfen, bester Oheim, wir
Gleich ein Paar rohen Bestien hier?
Zwei Wesen, die so nah‘ verwandt?
Es ist wahrhaftig Sünd‘ und Schand‘!
Wie gern wollt‘ ich dem Kampf entgehn
Zwangst du mich nicht, ihn zu bestehn?
Und als ich sah, es mußte sein,
Wie schränkt‘ ich meine Kraft da ein,
Bin glimpflich wider dich verfahren,
Um dich vor aller Schmach zu wahren.
Sei du mein Herr, ich bin der Knecht,
Dem keine Arbeit dünkt zu schlecht;
Und niemand soll es mir verwehren,
Dich wie den Papst in Rom zu ehren.
Gans, Ente, Feldhuhn, Krebs und Fisch
Bring‘ ich dir treulich auf den Tisch.
Auch meine Freunde insgemein
Sie werden deine Diener sein. —
Will tausendmal mich Lügner nennen,
Zu jeder Schandthat mich bekennen . . .
Sag‘ an, wonach steht dein Begehr?Au,
au! du kneipfst auch gar zu sehr! Nichts
Süßres weiß ich als Vergeben, Drum
schenke gnädig mir das Leben!“

„Nein,“ spricht der Wolf, „und aber nein!
Wär‘ eine Welt von Golde dein,

Und du versprächst, sie mir zu schenken,
Ich wüßte mir mein Theil zu denken.
Laß ich dich los erst, falsches Thier —
Nicht eine Bohne giebst du mir.
Und glimpflich wärest du verfahren?
Ja ja, kaum wußt‘ ich mich zu wahren
Vor aller deiner Glimpflichkeit!
Mach‘ jetzt zur Reise dich bereit.
Ich bin wahrhaftig nicht der Mann,
Den dein Versprechen blenden kann.“

So spricht der Wolf und schäumt vor Wuth.
Reineken aber denkt sich: gut,
Mag er nur noch ein Weilchen schwatzen!
Und schiebt die freie seiner Tatzen,
Als reckt‘ er sich schon todesbang,
Dem Gegner sacht am Bauch entlang;
Und hui! mit teuflischer Gewalt
Hält er den Schwanz ihm festgekrallt.
Der Wolf erschrickt. Ein geller Schrei —
Flugs ist die andre Pfote frei;
Und Isegrim kommt jäh zu Sturz
Mit einem mächt’gen Kegelpurz.
Reineke aber zieht und zerrt,
Und wie der Wolf sich stemmt und sperrt:
Dreimal im Kreise um und um
Schleift ihn der Fuchs am Schwanz herum;
Bis ganz erschöpft vom grausen Streit
Das arme Vieh um Gnade schreit.

Da schallt des Königs Wort: „Halt ein!
Reineke Fuchs, der Sieg ist dein!
Doch wär’s ein schwerer Kummer mir,
Blieb‘ einer todt am Platze hier.“

Reineke läßt den Gegner frei:
„Du sprichst es, Herr — wohlan, es sei.

Des Kampfes will ich mich begeben;
Was liegt mir viel an seinem Leben?“

Da kamen denn in hellen Haufen
Die Freunde all‘ herzugelaufen —
Auch mancher freche Schmeichler kam,
Der vorher ihm von Herzen gram —
Und weit erklang‘ durch Wald und Feld:
„Heil, Reineke, dir, kühner Held!“
Laut rief der Fuchs: „Ihr Herrn, gebt Ruh‘!“
Schritt stolz dem Thron des Königs zu
Und bog sein Knie gar ritterlich.

Der König sprach: „Erhebe dich!
Dein Recht, mein Freund, liegt hell und klar
Vor aller Augen offenbar.
Ich will vergessen, will verzeihn,
Dein gnäd’ger König wieder sein.
Auch wünsch‘ ich, daß du früh und spat
Erscheinest im geheimen Rath;
Hilf jedes Ding zum besten kehren,
Der Hof kann deiner nicht entbehren.
Und so ernenn‘ ich feierlich
Zum Kanzler meines Reiches dich.
Das Siegel geb‘ ich dir zuhand,
Doch führ’s mit Weisheit und Verstand
Denn was du thun wirst oder schreiben,
Das soll gethan, geschrieben bleiben.“

„Mein König,“ sprach der Fuchs gerührt,
„Ob solche Großmuth mir gebührt —

Ach, leider muß ichs offen sagen,
Ich kann es kaum zu hoffen wagen!
Doch hast du auch mit hohen Gnaden
Mich überreichlich schon beladen,
Noch Eines, Herr, bitt‘ ich mir aus:
Laß mich auf einen Tag nach Haus
Zu meinem Weib, zu meinen Kleinen,
Die bitter um den Vater weinen.“

Der König sprach: „Zieh‘ hin in Frieden,
Sei Glück und Freude dir beschieden! —
Wie jetzt in heiterm Wohlgefallen
Ich laut vor meinen Treuen allen
Als Gatten dich und Vater preise,
So hoff‘ ich, daß dich gleicherweise
Mein Herz einst über Jahr und Tag
Als Rath und Kanzler preisen mag.“


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