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Die Gedichtsammlung
DER LETZTE MOMENT
Konstantina Nikolaidi

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Published by Epigrafes Napo, 2021-03-17 14:59:54

DER LETZTE MOMENT

Die Gedichtsammlung
DER LETZTE MOMENT
Konstantina Nikolaidi

Konstantina Nikolaidi

Die Gedichtsammlung

DER LETZTE
MOMENT

wurde von Evgenia
Kleftaki ins Deutsche

übersetzt





Die erste Rede

Du hörst nicht auf, mich zu lehren
Ich höre nicht auf, zu lernen
zu bewundern
wie sehr Dich die Natur in Deinem Werke stützt
was für ein wertvoller Führer sie mir ist
die einzige
die unfehlbare
was für ein wertvoller Beschützer
der mich an die Hand nimmt
meine Finger sanft berührt
So flüstertest Du ihr zu
in einer dunklen Nacht
am Rande des Abgrunds der Welt
„Lehre sie die Addition, die Verbindung
von Erde und Wasser und Sonne
und einem Samenkorn
und einer Hand.“
Und siehe da!
Was bist du groß geworden!
„Lehre sie das Einmaleins, die Fülle
Äpfel, Orangen und Pfirsiche.“
Wie sehr mir doch Pfirsiche schmecken!
„Lehre sie die Division, das Teilen.“
Das klitzekleine Würmchen und ich so groß
essen vom selben Pfirsich
Es reicht für uns beide

Es reicht für uns alle
„Lehre sie die Subtraktion, den Abschied.“
Ein Kern fällt zu Boden

6

Nackt
Vergangenheit ihr saftiges Fruchtfleisch
Gegessen
zu Ende
Ein Kern auf der Erde
Ein Samenkorn
Erde, Wasser, Sonne
Und siehe da!
„Lehre sie die Wiedergeburt, das Geheimnis.
Lehre sie, dass alles was lebt, lebt, um zu sterben und um
wiedergeboren zu werden.
Dies sollst du meine Kinder lehren.
Nur dies. Das genügt!“
Das waren Deine Worte an Mutter Natur
geflüstert hast Du sie in dieser dunklen Nacht
am Rande des Abgrundes der Welt
Und es wurde Morgen

7

Wahrheiten
Man sagt

Unser ganzes Leben sei
Ein bloßes Auf und Zu der Augen
So sagt man

Man sagt
Menschsein bedeute emporzublicken
Ein Bittgebet
So sagt man

Man sagt Du bewohnst den Himmel
Dort sei dein Reich
So sagt man

Lange Zeit schon sagt man
Wahrheiten

Ich sage mir
Ich will Dir noch in die Augen blicken
Ich will es schaffen
es schaffen, bevor meine Augen versagen
Das sag´ ich mir

8

9

Stachelchen

Αγκάθι ο πόνος
Ein Stachel der Schmerz

Jedes Mal
wie eine neue Liebe
die dich glauben lässt, sie vergehe nie
Und doch – am Ende gewinnt wieder einmal die Zeit
Auch wenn du es nicht begreifen kannst
Auch wenn dir der Schmerz unerträglich erscheint
Ich werde nie wieder lachen
Und da ist es schon! Das erste Lächeln!
Und hier das zweite
und noch eines
und noch eines
Und es kommt die Zeit, da kannst du nicht mehr weinen
ganz gleich, wie sehr du auch deine Gedanken richtest
auf diesen Schmerz
Es ist nun unmöglich
Die Zeit – obgleich man sie anzweifelte –
hat wieder einmal ihr Werk vollbracht

Zeit – führst uns in den Kampf und bist selbst unversehrt
nichts kann dich besiegen
und jedes Mal, dass man in Frage stellte
deine heilende Macht
bist du wieder einmal als Gewinner hervorgegangen
aus dem Kampf der Gefühle

Und die Gedanken
sind nun woanders

drehen sich um Neues

10

Und der Schmerz
als hätte es ihn nie gegeben
Eine entfernte Erinnerung – so verworren
Traurig – jedoch spürt sie nicht ihre Traurigkeit
Wie paradox
Wie seltsam

Und doch -
verschwunden ist er nicht
Nichts, was uns geschmerzt hat, verschwindet
Es ist alles da
verweilt in einer kleinen Ecke in unserer Seele
Manchmal piksen sie uns -
die kleinen Stachelchen
an einigen Momenten
die kleinen Stachelchen
und dann maskieren sie sich wieder

Jedoch behalten sie stets ihren Platz in uns
und sie behalten ihn für immer
Und wenn die Sonne herauskommt
Wie aus Zauberhand
Sprießen mit ihr auch schon die ersten Knospen!

11

Ein Stückchen Himmel
Alle Reisen dieser Welt
Neben einem Baum
Und einem Stückchen Himmel
Der Duft der ganzen Erde
In einer Rose
Und einem Stückchen Himmel
Das gesamte Wissen des Universums
In einem Schmetterling
Und einem Stückchen Himmel
Die gesamte Liebe Gottes
Im Menschen
und in diesem kleinen Stücken Himmel

12

13

Der Schatten

Von dort oben
Augen schauen auf dich wie nie zuvor – die Sterne
Sie sehen dein Innerstes, dein Wesen
Sie sehen dich an und zeigen dir deinen Lebensweg
diese Sterne
Weit entfernt

Und doch
Sie halten deine Hand
Sie heben sie hoch
Schau, was sie dir zeigen
Der Himmel mit Lichtern übersät
Senke nicht den Kopf!
Licht!
Schon wieder nach unten?
Hier ist es Nacht
Dunkelheit
Hast du denn keine Angst?
Nein?
Du willst nicht
Das ist es.
Du hast nicht gelernt

14

Das ist es.
Du sehnst dich nicht
Das ist es.
Die Schönheit dort oben niemals willst du erblicken
Unten
Allein
In deinem dunklen, engen Schatten
Und dort wirst du bleiben.
Wenn du das Licht nicht in dir findest
Wird es dir niemals gelingen
emporzublicken
doch genau dafür wurdest du bestimmt
emporzublicken

15

Unbedachter Mensch

Unbedachter Mensch, wo gehst du hin
und nimmst auf deinem Wege unschuldiges Leben mit?
Ohne dass auch nur ein einziges Warum an deine Türe klopft?
Die Züge machen Krach und du hörst nicht
dein Gewissen, wie es laut aufschreit
Verriegelt hast du deine Tür mit Schlüsseln und Schlössern

und eintreten kann es nicht
obwohl es doch passen würde durch das klitzekleine Schlüs-
selloch
so klein, wie du es hast werden lassen.

Unbedachter Mensch, wo schreitest du hin
in der Masse deiner Gleichen?
Wohin gehst du, ohne das Mitleid als deinen Wegweiser?
Vorne ein Kampffeld
ein dunkles Zimmer
und ein Dolch wartet ungeduldig auf seinen Gebrauch
Durstig nach Blut
Öffne es nicht!

Unbedachter Mensch
Entsinne dich deiner Natur
Und schreite in Frieden
Das ist das Einzige, was du hast
Liebe das Kind
Das Kind in dir
Es hat so viel zu sagen
doch bringst du es zum Schweigen
mit krankhaft selbstsüchtigen Gesetzen
und unmoralischen Werten.

16

Unbedachter Mensch
entkomme der Masse und stich heraus
Andere werden es dir nachtun

Du bleibst nicht allein
Fürchte dich nicht
Sobald die Liebe scheint, rennen alle ins Licht
Aber auch, wenn es nicht so kommt,
und wir uns in dunklen Zeiten wiederfinden
habe keine Angst das Richtige zu tun
Und erhebe deine Hand, wenn die Anderen schweigen
und spotten
Sprich
Sprich deine Wahrheit aus
Sag sie laut
Verschenk sie
Du besitzt nichts Heiligeres als das
Öffne deine erleuchtete Seele
und liebe sie alle
Alle
Auch deinen Feind
Der nicht dein Feind ist
Sondern noch auf der anderen Seite steht
Bring ihn zu dir
Du warst auch mal auf der anderen Seite
Aber gewählt hast du das Denken und die Liebe
Die Entscheidung fällt nicht leicht
Genau das aber macht dich zum Menschen
dass du emporblickst

Und dafür wurdest du erschaffen

17

Durst

Dein Blick fällt auf einen Blick voller Licht
Die Augen dieses Menschen blicken in den Himmel
Du nennst ihn daher deinen Gefährten
Er weckt in dir verschwommene Erinnerungen
eingraviert in deiner Seele
Den Anblick des Himmels und dich daneben
Sie bieten dir das Wasser der Erinnerung deiner Selbst
Das Wasser der Erinnerung jener Dinge, die dir gehören
Das Wasser der Unsterblichkeit

Doch du, kleiner Mensch, du hast keinen Durst
Weder Durst noch Hunger
Nenn sie nicht Nahrung
Mit Erde zugeschüttet hast du deine Ideale
und das Wasser findet keinen Spalt, um zu fließen
Denn du hast keinen Durst

Du hast der Existenz Grenzen gesetzt
und alles Übrige scheint wie Zauberei und Zufälle
Du sagst du fürchtest den Tod
Und statt zu erschrecken, duldest du ihn
Weil es nun mal so ist
Weil die Vernunft
und die um die herum es so sagen.

18

Nein, du kleiner Mensch!
Wenn dich der Tod erschreckt, dann bekämpfe ihn
Entweder bekämpfst du ihn wie einen Feind
Oder du umarmst ihn wie die Liebe
Diese Dinge, ja, die kann ich gut verstehen
Es sind Wahrheiten und Lobgesänge des Gottes und der
Seele
Der Kompromiss aber -
Dieser Kompromiss
„ So endet also der Mensch“
„ Glanz der erleuchtet ist und wieder erlischt“
„ Erde wird wieder zu Erde“

Dieser Kompromiss
Und deine Seele schreit auf vor Verzweiflung, hör hin!
Und du hast gesehen so viele Tode
der Deinen
der Wichtigen
deines Vaters…deines Gottes

Sie schreit immer noch Der Tod ist ein GIGANT!
Und deine Seele wehrt sich mit Erde zuschüttet zu werden
Nur mühsam befreit sie sich

19

und schreit auf Der Tod ist ein GIGANT!
Und du versuchst
sie wieder zum Schweigen zu bringen
mit anderen Gedanken und mit Erde
Und das ist nicht alles
Doch versuchst du sie ein anderes Gedicht zu lehren
„So ist es, so wird es gemacht, dafür bin ich bestimmt“
„ Für diese Erde, für dieses Nichts“
„Ich hab ja schon gelebt. Was soll jetzt noch kommen?“
„Gesundheit, Familie – ach, das ist mehr als genug“
„ Vielleicht noch ein paar schöne Momente,
aber das reicht dann auch“

Und schließlich ruhst du dich wieder darauf aus,
dass das Leben nun einmal so ist
und so sind auch die Menschen

so ist auch der Tod
so ist er für alle

Aber nein, kleiner Mensch!
So ist er nicht für alle!
Eine Fahrkarte ist der Tod für jenen, der behauptet
- Bitte keinen schönen Momente mehr in dieser grauen Stadt.
Eine Fahrkarte für den Bus, den du nehmen willst
wenn die Zeit gekommen ist
ganz egal wohin er dich führt
weil du weißt
das Rad ist rund, es wird sich rollen, sich bewegen
Wovor sollte ich mich fürchten?

Vor der Reise?
Vor dem Abflug?
Dieser Bus kann fliegen
und taucht ein in die Wolken

20

und der Pilot ist der Herr selbst
wovor sollte ich mich fürchten?
Das Ende, ja, dies wäre ein Grund
Aber wenn du bestimmt wärst für das Ende,
würde deine Seele nicht aufschreien
Der Tod ist ein GIGANT!
Sie würde schweigen, auch ohne Maulkorb
Denn für diesen Tod wärst du bestimmt

Nichts würdest du hören, kleiner Mensch
Komm schon Eins und eins machen zwei

Wenn dich der Tod erschreckt, bekämpfe ihn
Entweder bekämpfst du ihn wie einen Feind
oder du umarmst ihn wie die Liebe

Hör zu
Ich sage nicht, dass du mir folgen sollst
In den Krieg oder in den warmen Schoß
Solche Reisen verlange ich von niemandem
Ganz allein wählt der Mensch seinen Weg

Aber dass du dich selbst vergräbst
wenn doch dein Inneres scheint
macht mich wütend
Denn du hast keinen Durst

21

Der Walzer des Großen Geliebten
Niemand sieht Dich und doch fühlen Dich alle
Wie den Fluch auf dieser Welt
Niemand hier bestaunt Deine Schönheit
Dein schwarzer Umhang ein lausiger Trick
Die Notwendigkeit bist Du
Dein Zweck erhebt
Kleines und Großes in diesem Leben
Ohne ein Ende – was wären wir dann? Unersättliche
Geschöpfe
Ohne Dich – wie hielten wir sie aus - diese Gestalt?
Wer hat erblickt das Licht deines Wissens?
Schenk unseren Seelen Deinen süßen Nektar ein
Sodass sie sich betrinken mit Engeln, Sternen und dem Him-
mel

22

Du kennst das Geheimnis Nicht für hier wurden sie gemacht
Tod hör nicht auf
Das Ich der Menschen wenn du nimmst
es schmerzt
Doch möchte es für immer gehen
auf dieser Erde hier
Tod hör nicht auf
Du Wunderschöner, der du begraben wirst unsere Körper
So süß dein Lächeln, hör nicht auf
Tod hör nicht auf
Wir beide werden uns vereinen
mit dem Walzer des Herzens
Mein kühler Geliebter, es ist soweit
Lass uns verschwinden im Staub der Unendlichkeit

23

Vergebung

Wenn
wir nicht zu Erde werden und zu Nichts
Wenn

Jemand MUSS uns vergeben
Jemand MUSS vergeben unsere Sünden
Und nur eine Mutter, nur ein Vater kann dies tun
Wir alleine sind nicht in der Lage
jemanden freizusprechen
uns freizusprechen
Dem Menschen ist es unmöglich
der Menschheit zu vergeben
Zu vergeben
all dieser Obszönität
all dieser Abartigkeit
diesem grenzenlosen Genuss der Gewalt und Unterdrückung
Die Menschheit zu lieben ist dem Menschen unmöglich
Auch wenn Menschsein Liebe bedeutet

Schade
Und wir alle bedürfen der Vergebung
unseres Selbst
des Nachbarn
des Ganzen

Und nur dieser eine Grund genügt
Es MUSS jemanden geben, der uns verzeiht
all unsere Widersprüche

24

all das, was uns bringt
jedes Mal
einen Schritt
näher
an die Hölle der Seele der Menschlichkeit
Wir brauchen einen Erlöser
damit er hört unsere Bitten um Vergebung
damit er reinigt unsere Seelen
Wir alleine werden es schaffen

Und der Moment wird kommen!
Oh ja, dessen seid euch sicher!
Dieser Moment wird kommen
an dem wir alle stehen werden
vor
den Tatsachen
ohne Scheuklappen
mit unzähligen Augen, nicht nur zwei

mit unzähligen Sinnen, nicht nur die 5, 6
und wir werden uns zu Tode erschrecken!
Wir werden fühlen und wir werden über die Tatsachen
empören
Wir werden sprachlos sein
Unser Sinn wird erstarren
Die Köpfe werden sinken und anflehen um Vergebung
sobald sie wahrnehmen
was sie gequält haben
was sie getötet haben
was sie getan haben

25

Die Köpfe werden sinken
sobald sie wahrnehmen
dass sie niemals nach oben geschaut haben
Schreie werden ertönen aus den Mündern
Aber dies alles
wird nicht genügen
um uns Vergebung zu gewähren
Er wird jedoch kommen, der Vater
Er wird kommen und unsere Münder übersähen mit Küssen
und die Schreie werden wieder zu Psalmen der Liebe
Es MUSS so kommen
Ohne die Küsse werden die Lippen aufschreien
pausenlos
ziellos
hoffnungslos
ohne die geringste Aussicht auf das
Paradies

26

Aus diesem Grund
Wenn wir nicht zu
Erde werden und zu
Nichts
Wenn
MUSS es jemand

27

Der heilige Stein von Jerusalem

Der Stein, auf den Du getreten bist
auf dem Du geblutet hast
den Deine Hände haben berührt
dieser Stein berührt jetzt meinen Körper
Das Wort all dieser Menschen
klingt keineswegs störend hier drin
Ein einziges Gebet ist jetzt alles
Vibrationen der Erde, auf der Du gegangen bist
Und der Worte, die Du hast geflüstert
in unser Ausatmen
In unser aller Ausatmen
die wir bis hierher gekommen sind, um Dich zu spüren
ein bisschen näher an uns
Dich, den Größten Aller
den Menschen
den Gott
Dich
der Du es geschafft hast zu werden
das, wofür Du bestimmt warst
das, wofür wir alle bestimmt sind
Der tollste Kerl
Ein richtig cooler Typ

Lachst Du?
Lachst Du über meine Worte?
Darüber, was ich denke?
Du bist doch mein Kumpel
Ja, der tollste Kerl

28

Es gab und wird niemals jemanden geben wie Dich
Den Menschen hast Du zum Gott gemacht
und den Gott hast Du vermenschlicht
Mit Liebe allein
Liebe
die besiegt hat den Tod
die besiegt hat die Angst
die geworden ist zu
Opfer und Hoffnung
Für die Anderen
Jedes Teilchen von Dir für jeden einzelnen von uns
Wie cool ist das denn?
Ja! Cool!
Komm schon, das haben wir doch jetzt geklärt!
Und genau diese Coolness verehre ich
Ich verbeuge mich und bleibe vor Dir verbeugt
Genau hier
Damit mein Verstand Dich spürt
Meine Stirn
Ich weiß
Du wirst in mein Haar hauchen
Deine Finger werden sanft mein Kinn berühren

Du wirst mich bitten, Dir in die Augen zu blicken
Ich kann das tun
Das weißt Du
Ich übergebe meine Seele nicht der Sklaverei
So etwas hast Du nie gewollt

29

und wirst es auch niemals
Das weiß ich
Aber

Ich will nicht
Ich will nicht meinen Kopf erheben
Ich will hier bleiben
Anbetung
Verehrung
Dankbarkeit
Eucharistie
Ich bitte um nichts
auch nicht um Vergebung
Ich bin leer
Mein ganzer Verstand sagt schlicht und einfach „Danke-
schön“
Dieses „Dankeschön“ an sich ist auch ein Gebet
diese Vibration meiner Brüder hier drin
Hör nicht auf das Verlangen, auf die Sehnsüchte
fortwährend und ewig ist die Sünde der Gier
Hör auch nicht auf die Bitten um Vergebung, auf die Reue
Fortwährend und ewig ist der Feind der Angst
Hör auf unsere Dankbarkeit

Hör auf unser „Dankeschön“
das tief vergraben in uns weilt

Und wenn kein einziges „Dankeschön“ wagt den Versuch
sich aus den Tiefen zu befreien
und zu finden den Weg bis zum Mund
Und wenn sie alle hierher gekommen sind, gierig und äng-
stlich
und sie darauf bestehen, so wieder zu gehen

30

Hör hin
Hör auf mein „Dankeschön“, im Namen von Allen
Und meine Danksagung, die ich ausdrücke
soll stehen im Namen von Allen
Durch meine Gebete
und durch meine Seele, der göttlichen
Soll sie stehen im Namen von allen

31

Die Karwoche

In zitternden Händen verbrachte ich eine Nacht
sie zitterten vor Ehrfurcht und legten Palmzweige aus
Ich bin erloschen
Doch ich habe überlebt

In der nächsten Nacht haben sie mich wieder entfacht
sie haben mich übersäht mit Tränen
Herzschmerz
Doch ich habe überlebt

Und dann Besorgnis
Und dann Hoffnung
Und nochmals Tränen

Und die Tage dazwischen
kalter Marmor und Erwartung
Und bunte Lichtstrahlen
streichelten sanft meinen Körper
Diesen Körper, der immer kleiner wird

Und Gebete
Viele Gebete

Bis
zitternde Hände mich wieder umhüllten
Wir haben kurz inne gehalten

32

Ich fühlte, dass ich verschwinden würde
Das mein Ende gekommen war

Aber nein
Ich habe ein bisschen Feuer gestohlen von einem Freund
Nein, nicht gestohlen
Er hat es mir geschenkt
Und die zitternden Hände haben mich mit ihm vereint
Und ich
ich wurde wieder entfacht
Und sie haben mich begraben die zitternden Hände
tief unten in die Erde
Ich sollte verbrennen bis ich verschwinde
dabei nahm ich mit mir einen Wunsch
Meinen letzten
„Gott sei Dank“
Ich werde verschwinden
ich werde erlöschen, ja
Doch ich habe gebrannt
Gelebt
Mit einem Wunsch
Vielen Gebeten
Und vielen Händen
andere Kerzen
landen im Abfall
bevor sie es schaffen
überhaupt richtig zu aufbrennen

Gott sei Dank!

33

In deinem letzten Haus

Der Duft umhüllt mich
von dem Rosenblatt, das ich Dir stahl

Es schmilzt in meinem Mund
Und der Duft umhüllt auch meinen Geist

Nein Nicht heute
nicht an Karfreitag
Ich mache mir Gedanken, wie ich diesen Tag verhindern
kann
Wie soll ich ihn verhindern, wenn Du ihn doch hören willst
Enttäuschen werde ich Dich heute Nacht
Und gestern auch
Es war Gründonnerstag
Verzeih mir

Ich drücke die Rosenblätter an Deinem Grab
Sie schmelzen in meiner Hand
Ich frage mich
lindern sie Deinen Schmerz auch nur ein bisschen?
verschönern Sie wenigstens etwas Deinen Tod?
beleben sie auch nur für einen Moment Deine Schönheit?
Schenken sie Dir den Frühling?

Deine Richter – schau – wie sie Dich scheinbar verehren!
Siehst Du sie?
Die, welche Dich gebissen haben, reden Dir nun süß zu!
Hörst Du sie?
Es streicheln Dich Hände, die Dich vorher ausgepeitscht
haben!
Wie hältst Du Ihnen auch die andere Wange hin?

34

Wie hältst Du sie heute hin?
Wie hieltst Du sie damals hin?
Wir schaffen es nicht einmal diejenigen zu lieben,
die uns lieben
Wie hast Du geliebt Deine Henker?
Wie hast Du vergeben an dem Kreuz?
An dem Kreuz
Wo sie doch jubelten „Tod!“ und lachten?
Und sie krächzen noch immer
Lass Dich nicht täuschen von den süßen Worten

Es floss Dein Blut
und die Klinge durchdrang Deinen Körper
und Du sagtest
„Vergib ihnen“ !?

Vergib mir

Du, heilige weiße Haut
bist geworden zu
einer roten dornigen Rose

Und Deine Lippen flüsterten
„Sie wissen nicht, was sie tun! Vergib ihnen!“

Du heiliger Weißer
der Du hast geblutet

für die Erlösung auf Erden
Aber von welcher Erlösung sprechen wir?
Wie konntest Du mit 33 Jahren sterben?
Wie konntest Du Dich dazu entscheiden zu sterben?
Für wen? Wofür?

35

Vergib mir
Ich weiß
Aber so viel ich auch weiß, ich kann Dich nicht berühren
Der kleine Mann in mir zückt das Schwert
und trennt ab Ohren
Zungen
Augen
Herzen
Er eröffnet den Krieg im Namen der Liebe
Das ist nicht der richtige Weg
Ich weiß
Ich erhebe mich nicht
nein, ich werde zum Wurm und
mich verschluckt die Erde
Und Du wolltest
fliegen
Du wolltest emporsteigen
und uns auch mitnehmen

Deswegen hast Du deine Wange hingehalten
Deshalb hast Du vergeben

Deshalb ist Dein Blick
wie eine warme Umarmung
Er umarmt das gesamte Universum
dieser Blick
und sogar die Hölle der Menschen

Und jedes Ostern
hast Du wieder einmal die Hoffnung
der Mensch könne sich ändern
und seine Seele würde
gereinigt und erlöst
durch seine Tränen

36

DA LIEGST DU FALSCH, MEIN LIEBER
DER MENSCH LIEBT NICHT
ERLÖSUNG WIRD ER NICHT FINDEN, CHRISTUS!

Hör meinen Schrei und vergiss ihn
Aber hör genau hin
Er wird nicht erlöst
Er verlangt keine Erlösung
Es ist nur ein Drama, und er will es in vollen Zügen leben
Er will sein kleines Ich davon überzeugen
dass er noch etwas fühlen kann
Übermorgen wird er bereits vergessen haben
Nicht im geringsten präsent
Schon morgen
Morgen Abend

Bevor sich die Sonne dreimal erhöht
Da hat der kleine Mensch schon vergessen,
morgen Abend schon
Er will das Licht nicht
Niemals den Tag
In der Dunkelheit lässt er dich auferstehen
in Eile
Noch einen dritten Tag zu warten,
Das kann er nicht
das passt ihm nicht

37

Der Magen verlangt nach Blut und der Mund nach Flüchen
Warten kann er nicht
Und er schießt Leuchtraketen in den Himmel
damit der Tag eher anbricht
Alles Lügen
Aus einem Drama wird es jetzt zu einer Komödie
Einfach so – nur um sich etwas vorzumachen
Nur Krach
Nur Lärm
Kein wirklicher Sinn

Verzeih mir meine Gedanken
All meine Gedanken und meine Kritik
Du weißt, ich will das alles nicht ernst meinen
Gedanken betrüben mich
Verzeih mir
Ich werde abermals erleuchten

Du weißt es und ich weiß es
Geduld

38

Ehrenwort

ΧDieser Körper wird zu Staub
Er wird verschwinden
Er wird schmelzen
Nur meine Seele werde ich hinterlassen

Reinige sie
Sie soll nicht Deinen Himmel verschmutzen
Erleuchte sie

sie soll für Dich das Paradies erhellen
Ich bin sicherlich nicht Dein bravstes Kind
nein
Aber sicherlich Dein treuestes
ja
Und Du kannst mich als Erstes an die Front schicken
Ich bin der Mutigste, da sein Dir sicher
Etwas düster ab und an

-nein, mach´ Dir keine Sorgen, halb so wild,
nur diese kleinen Spielchen mit dem Teufelchen
doch wir wissen beide
dass er immer verliert-

aber furchtlos

39

Schick meine Seele an die Front
Zögere nicht
Für Dich und für die Liebe stelle ich mich ganz nach vorn
Ich werde meinen Mut für keine Sekunde verlieren
Du wirst es sehen!
Ich werde
mit all den Großen Brüdern als Führer
die gesamte Welt erleuchten
Und dann wirst Du sehen
Du wirst sehen, dass Deine Schmerzen es wert waren
Dass wir doch nicht so erbärmlich sind, wie wir schienen
nicht so klein
Nein
Wir werden Leuchtraketen anzünden,
die niemals ausgehen werden
Wir werden Hymnen singen,
die niemals verklingen werden
Niemals werden wir Dir den Rücken kehren
Nie wieder wird Dir jemand Schmerzen zufügen
Ehrenwort.

40

41







Evgenia Kleftaki
ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Sie studierte Philoso-
phie, Pädagogik und Psychologie sowie Deutsche Philologie an
der Nationalen Kapodistrias Universität in Athen. Sie arbeitet als
Deutschlehrerin und beschäftigt sich parallel mit Malerei, Litera-

tur und Theater. Der kulturelle
Austausch zwischen Griechenland und Deutschland

nimmt einen besonderen Platz in ihrem Leben ein.


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