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Thema: Frauen unterwegs
Mut und Pioniergeist
Mit der Harfe durch die Welt
Auslandskorrespondentin Katrin Eigendorf
Im memoriam Irma Hildebrandt-Laux
Traumgärten am Lago Maggiore

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Published by silkem, 2022-05-30 16:47:56

Verband Frau und Kultur, 2/2022

Thema: Frauen unterwegs
Mut und Pioniergeist
Mit der Harfe durch die Welt
Auslandskorrespondentin Katrin Eigendorf
Im memoriam Irma Hildebrandt-Laux
Traumgärten am Lago Maggiore

Keywords: Kultur,Frauen

2/2022

Frauen unterwegs

Editorial

Mut und Pioniergeist

Dieses Foto war uns Leben riskiert. Mit bewundernswertem cke in fremde Welten und Kulturen er-
jahrelang vertraut. Mut und Pioniergeist reisten sie in die möglichten, werden auf den nächsten
Nach einem inten- entlegensten Winkel der Welt und zeig- Seiten genauso vorgestellt, wie Frauen
siven Abschied im ten die Stärke des angeblich schwachen von heute, die in den verschiedensten
Beisein ihrer Kin- Geschlechts. Berufen, wie zum Beispiel als Journalis-
der ist sie im März tin oder Wissenschaftlerin, in anderen
dieses Jahres ge- Es waren Frauen aus verschiedenen Ländern eingesetzt sind.
storben. Jahrzehn- Ländern, mit unterschiedlichen Motiven,
telang hat sie uns Frauen aus “gutem Hause”, ebenso sol- Abenteuerlust und Forscherdrang
mit ihrem Editorial auf das Heft neugierig che, die fast mittellos und ohne Empfeh- sind dagegen nicht die Motive, dass Mil-
gemacht, das sie immer so interessant und lungen reisten. So war es oft die einzige lionen Menschen ihre Heimat verlassen.
mit hohem Niveau bereichert hat – zu wel- Möglichkeit, dem eng gesteckten Rah- Sei es aus Äthiopien, Syrien und nun seit
chem Thema auch immer. Auf Seite 21/22 men ihrer gesellschaftlichen Rolle zu ent- März aus der Urkraine. Rund 390.000
gedenken wir unserer so geschätzten Re- fliehen. Menschen sind seit Kriegsbeginn nach
dakteurin unserer Zeitschrift. Deutschland geflohen – das ist zumin-
Als Schriftstellerin vieler Bücher, die Was diese Frauen im einzelnen be- dest die Zahl der offiziell registrierten.
auch ins Spanische und Japanische über- wog, diese Abenteuer zu wählen, was sie Die meisten von ihnen sind Frauen, näm-
setzt wurden, ist Irma Hildebrandt in ih- unterwegs erlebten und welche Proble- lich 84 Prozent, von denen etwas mehr
rem Leben viel gereist und hat aus ihren me sie bewältigen mussten, ist in diesem als die Hälfte gemeinsam mit ihren Kin-
Büchern dort gelesen. Heft nachzuvollziehen. Viele übernah- dern geflüchtet sind. 17 Prozent der Ge-
In diesem Heft stellen wir einige Frau- men eine Aufgabe, reisten als Anthropo- flüchteten sind alleine gekommen, das
en vor, die schon vor vielen Jahren in die login, Ethnologin oder Botanikerin. Man- sind überwiegend ältere Menschen.
Ferne zogen, sei es mit der Kutsche, zu che erkannten spätestens nach der
Pferd oder Kamel, zu Fuß oder mit dem Rückkehr ihr Talent zum Schreiben und Das Durchschnittsalter der Geflüchte-
Zug. Sie sind unterschiedlicher Herkunft verschafften sich über ihre Bücher die Le- ten liegt bei 38 Jahren. Fast alle waren be-
und Weltanschauung. Sie waren kühn gitimation und das nötige Geld, um evtl. rufstätig. Und nun? Die meisten hoffen,
und faszinierend und haben oft Leib und wieder die Koffer zu packen. wieder bald zurückzukehren – in eine
bessere Zukunft.
Die Verdienste der Frauen, die uns
durch ihre Reisen faszinierende Einbli- Inge Kellersmann

Inhalt Auslandskorrespondentin Katrin Eigendorf ZDF................. 15
Jugendliche engagieren sich weltweit................................ 16
Thema: Frauen unterwegs Arbeiten in der Ferne ....................................................... 17
Editorial ............................................................................2 Weitere Rubriken:
Maria Sibylla Merian..........................................................3 Wissen Sie, wer ich bin?................................................... 18
Pioniergeist einer bayerischen Prinzessin............................4 Für Sie gelesen................................................................. 19
Bertha Benz – die erste Autofahrerin der Welt .....................5 Aktuelle Kunstausstellungen.............................................20
Unkonventionelle Forschungsreisende: Gertrude Bell ..........6 Aus dem Verband:
Eine Reise auf das spirituelle Dach der Welt ........................6 Nachruf Irma Hildebrandt............................................... 23
Skandalös: Frauen auf dem Fahrrad ...................................7 Einladung nach Bochum...................................................24
Mit der Schreibmaschine "Erika" im Gepöck .......................8 Gruppen berichten von ihren Veranstaltungen...............25
Verführung des Reisens .....................................................9 Adressenverzeichnis 2022..............................................29
Unterwegs mit Skizzenblock und Kamera: Gabriele Münter.10 Seminarvorschau / Impressum......................................... 31
Mit der Harfe durch die Welt ..............................................11
Einkehr in einem Kloster Ladakhs .................................... 12
Mit dem Expeditionsschiff in die Arktis ............................. 14

Thema

Maria Sibylla Merian Blatt 9 aus Metamorphosis insectorum Surinamensium (1705)

„Eine Aussteigerin, wenn man ihr Leben mit bürgerlicher Zusammen mit ihrer jüngsten Tochter schiffte sie sich
Elle misst. Eine Pionierin weiblicher Selbstentfaltung, 1699 auf einem holländischen Segler ein, ein mutiges Un-
wenn ihr Wagemut zählt. Eine hochbegabte Malerin und terfangen. Alle Warnungen vor den Gefahren des tropi-
Kupferstecherin, wenn man ihre Pflanzen und Tierstudi- schen Klimas und vor allem, ohne männliche Begleitung
en unter künstlerischem Aspekt betrachtet. Eine präzise, zu reisen, ignorierte sie, machte aber vorher ihr Testament.
kundige Naturbeobachterin, wenn man nach ihrem Bei-
trag zur Erforschung tropischer Flora und Fauna fragt. Al- In Surinam fühlte sie sich trotz der feuchtschwülen Hit-
les in allem: eine außergewöhnliche Frau. Eine Frau, die ze, Moskitos und anderen lästigen Insekten wie im Para-
sich eigenwillig über Schranken und Konventionen ihrer dies. Jeder Tag brachte neue Entdeckungen. Sie sammel-
Zeit hinweggesetzt hat.“ So beschreibt Irma Hildebrandt te Insekten in ihrer natürlichen Umgebung, dokumentierte
in ihrem Buch „Große Frauen“ die Persönlichkeit der Ma- akribisch ihren Körperbau und kommentierte ihre Ernäh-
ria Sibylla Merian. rungsgewohnheiten, ihre Fressfeinde und ihr Verhalten.
Nach zwei Jahren zwang eine Malariaerkrankung sie zur
Wie wurde Maria Sibylla Merian (1647-1717) zu dieser großarti- Rückkehr nach Amsterdam.
gen Forscherin und Künstlerin? Sie entstammte einer berühm-
ten Verlegerfamilie aus Frankfurt. Das Talent erbte sie von ih- 1705 veröffentlichte sie das bahnbrechendste Werk ih-
rem Vater, dem Kupferstecher Matthäus Merian d. Ä., der durch rer Karriere: „Metamorphosis insectorum Surinamensi-
seine Städteansichten berühmt ist. Dieser starb, als sie erst um“ mit 60 naturgetreuen Bildtafeln, die den gesamten
drei Jahre alt war. Ihre Mutter heiratete erneut, den Witwer Lebenszyklus von tropischen Insekten und anderen Tieren
Jacob Morell, der ebenfalls Kupferstecher und Maler war. Ihr innerhalb eines Habitats zeigen. Das Buch sorgte in ganz
Stiefvater unterrichtete sie im Zeichnen, brachte ihr die Blu- Europa für Aufsehen. Vor Merian hatte noch niemand den
menmalerei bei und förderte auch ihr Interesse am Sammeln Lebenszyklus von Insekten in allen Entwicklungsstadien
lebender Insekten. mitsamt ihren Wirtspflanzen dargestellt. Ihren detailrei-
chen Zeichnungen und Schilderungen verdanken wir un-
Schon im Alter von 13 Jahren hielt und züchtete sie Sei- ser heutiges Wissen über diese Insekten. Da einige davon
denraupen und andere Schmetterlinge und war fasziniert von womöglich bereits ausgestorben sind, stellen Merians Auf-
der Verwandlung von Raupen in Schmetterlinge. Später be- zeichnungen die einzige Quelle darüber dar.
gann sie, die Metamorphose des Schmetterlings präzise zu
dokumentieren, eine große wissenschaftliche Leistung, über Ursula Michalke
Wochen und Monate Protokoll zu führen und alles zu zeich-
nen. Ihre Kompositionen bestehen aus einer Pflanze, auf der 3
die verschiedenen Stadien des Schmetterlings zu sehen sind.

1665 heiratete sie den Maler Johann Andreas Graff und
zog mit ihm nach Nürnberg. Weder die Ehe noch die Geburt
zweier Töchter hielten sie von ihren Insektenstudien und dem
Zeichnen ab. Zwischen 1675 und 1680 veröffentlichte sie drei
illustrierte Bücher über Blumen und einheimische Raupen.

1685 verließ Merian ihren Mann und zog nach der Schei-
dung im Jahre 1691 in das weltoffene Amsterdam. Hier konnte
sie ihre Arbeit weiterführen. Ihren Lebensunterhalt verdiente
sie selbst durch den Druck und Verkauf ihrer Bücher. Auch für
ihre Zeichnungen und Stiche fand sie begeisterte Käufer. Sie
war hochgeachtet und wurde respektiert.

Ihr Sehnsuchtsort war Surinam. Durch Berichte über die-
ses ferne Land mit seinen Regenwäldern, Sümpfen, der un-
glaublich reichen Flora und Fauna, wo auch unzählige Insek-
ten zuhause sind, wurde es ihr Ziel, auf das sie hinarbeitete.
Trotz guter Verkäufe reichten die finanziellen Mittel nicht. Da
geschah das Wunder: Die Stadt Amsterdam gewährte ihr ei-
nen Zuschuss.

Thema

Pioniergeist einer bayerischen Prinzessin

Reisefieber und Forscherdrang haben The- Therese von Bayern, Gemälde von glich Therese von Bayerns Leistungen mit
rese Prinzessin von Bayern (1850-1925) Friedrich August von Kaulbach denjenigen Alexander von Humboldts,
schon in ihrer Jungmädchenzeit gepackt. und das war – aus der Sicht männlicher
Während ihre Freundinnen Mode und dem westlichen Südamerika mit ihren Wissenschaftler- das höchste Lob, das ihr
Tanzvergnügen im Kopf haben, schlingt Zeichnungen und eigenen Photos. Im gespendet werden konnte.
sie begierig alles in sich hinein, was ihr Vorwort gibt sie als Zweck der Reise u.a.
über fremde Völker und Kontinente in die die Kontaktaufnahme zu Indianerstäm- Irma Hildebrandt
Hände kommt. Je entfernter und abwegi- men, insbes. in Kolumbien und Bolivien,
ger eine Gegend, um so stärker weckt sie an. Nicht weniger wichtig sei ihr jedoch Der Text ist dem im Eugen Diedrichs Verlag
ihr Interesse und den Wunsch, sich selbst gewesen, möglichst viel botanische, zoo- erschienenen Band von Irma Hildebrandt:
von dem Gelesenen zu überzeugen. logische und ethnographische Gegen- Bin halt ein zähes Luder – 15 Münchener
stände für die bayerischen Staatsmuse- Frauenporträts entnommen.
Mit 21 bereiste sie Europa, sorgfältig en zu sammeln. Sie beklagt, dass es in
geplant. Als erstes lernt sie die Sprache München nicht einen einzigen altperua- Zäh mussten Frauen zu allen Zeiten sein,
des Landes, in das sie zu reisen gedenkt. nischen Schädel gebe und möchte diese wenn sie ihre Ziele erreichen oder auch
Zwölf Sprachen eignet sie sich im Laufe Lücke möglichst füllen. nur ihr Leben durchbringen wollten. In
der Zeit an. Russisch und Neugriechisch, 15 lesenswertenBiografien schildert Irma
nicht eben leicht zu lernen, liebt sie am Heute würde sie mit den Ausfuhrge- Hildebrandt so unterschiedliche Frauen-
meisten. 1881 sind die nordischen Län- setzen der jeweiligen Länder in Konflikt Figuren wie die geheimnisvolle und skan-
der an der Reihe, ein Jahr später wagt sie kommen. Doch das ökologische Gewis- dalumwitterte Tänzerin Lola Montez, die
sich an die Durchquerung der Kirgisen- sen war am Anfang des letzten Jahrhun- buchstäblich ums Überleben schreiben-
steppe. derts noch kaum entwickelt, und die Mu- de Franziska von Reventlow, die Schau-
seen waren darauf bedacht und stolz, spielerin Theres Giehse und die unbeug-
Auch bei spartanischer Lebensweise möglichst seltene Stücke in ihren Samm- same Reichstagsabgeordnete Toni Pfülf.
verschlingen solche Expeditionen große lungen präsentieren zu können.
Summen. Die Prinzessin reist grundsätz- 30 Porträts aus fünf Jahrhunderten
lich nur mit kleinem Gefolge: mit eini- In der Tat hat ihre Erforschung einiger stellt Irma Hildebrandt in ihrem Buch
gen Bediensteten, einer Hofdame und – bis dahin unbekannter Indianerstämme Große Frauen vor, u.a. Bettina von Ar-
so will es die Etikette – einem Kavalier, im Gran Chaco die Fachwelt in Erstaunen min, Marion Gräfin Dönhoff, Christa
der fähig ist, die Gruppe zu beschützen. versetzt. Mit welcher Systematik, welch Wolf.
Sie tritt als unbekannte Gräfin Elpen auf, fundiertem Wissen und vor allem mit wel-
vermeidet jeden Aufwand und verlangt cher Unerschrockenheit sich da eine Frau In weiteren 25 Büchern stellt sie u.a.
diese genügsame und harte Lebensweise ans Werk machte, sich auf lebensbedroh- Berliner, Leipziger, Frankfurter, Wiener
auch von ihren Begleitern. Nachts, wenn liche Wagnisse einließ, das durfte ein- und Zürcher Frauenporträts vor. Darü-
die andern schlafen, hält die Prinzessin fach nicht unbeachtet bleiben. Man ver- berhinaus erschienen Gedichtbände
alle Sammelergebnisse und alle anderen von ihr, u.a. Wege wohin, Innenhöfe,
Beobachtungen in ihrem Tagebuch fest. Worte für Orte.
Sie fühlt sich ihrem selbstgestellten Auf-
trag verpflichtet, die Sammlungen in der Ihre Werke sind in Wikipedia aufge-
Königlichen Residenz in München durch führt. Sie sind antiquarisch und in di-
möglichst einwandfreie und sorgfältig versen Plattformen wie medimops zu
ausgewählte Präparate zu ergänzen. erwerben.

1897 verleiht ihr die philosophische Ein Gedicht zum Thema dieses Heftes:
Fakultät der Uni München die Ehrendok-
torwürde – eine für eine Frau und Autodi- Nächtliche Biwaks
daktin völlig außergewöhnliche Ehrung.
Aufregender
Drei Jahre später bereist sie ganz als Mont Blanc
Nordamerika, Kanada und Mexiko. 1898 und Pico Espejo
der Höhepunkt ihrer Forschungsreisen: der Aufstieg
Westindien und Südamerika. nachts
im Alleingang
1908 erscheint ihr umfangreiches durch die Bücherwände
Werk in zwei Bänden Reisestudien aus
Irma Hildebrandt

4

Thema

Fernfahrt, 1888. Bertha Benz mit ihren Söhnen Eugen und Richard, während der Fernfahrt von Mannheim nach Pforzheim mit dem

Benz Patent-Motorwagen. © Mercedes‑Benz Group AG 2022

Die Erfindung des Automobils verän- und 15 Jahre alt, im August 1888 mit dem Wagen“ die Zukunft gehören wird. Sie
dert die Mobilität. Die Individualreisen Benz Patent-Motorwagen auf eine aben- gilt damit als die erste Autofahrerin und
nehmen zu, denn bequem, schnell und teuerliche Reise von Mannheim nach als erster Mensch überhaupt, der sich
unabhängig von Kutschen und Zuglini- Pforzheim, rund 100 Kilometer. Damit über kürzere Versuchs- und Probefahr-
en gelangt man nun an das gewünsch- startet sie – ohne Wissen ihres Mannes ten hinauswagte. Ihre Verbesserungs-
te Ziel. und ohne Fahrerlaubnis – die erste Fern- vorschläge werden bei Nachfolgemodel-
fahrt der Welt mit einem Motorwagen, die len umgesetzt, beispielsweise ein kurzer
Als das Geburtsjahr des modernen Auto- nicht nur verboten ist, sondern auch le- Gang für starke Steigungen oder Lederbe-
mobils mit Verbrennungsmotor, entwickelt bensgefährlich. schläge auf den Bremsbacken, um die Le-
von dem deutschen Erfinder Carl Benz, gilt bensdauer und Wirkung zu erhöhen. Da-
das Jahr 1886. Der Erfolg lässt allerdings Einen Gang für steile Straßen gibt her gilt Bertha Benz auch als Erfinderin
auf sich warten, zwei Jahre, nachdem der es noch nicht, bergauf wird geschoben. der Bremsbeläge.
Wagen zum Patent angemeldet wurde, hat Bergab dagegen wird es richtig gefähr-
sich noch immer kein Käufer gefunden. Viel lich, denn die Bremsen wirken nicht aus- Zwar dauert es noch Jahre, bis die
zu gefährlich! Hält der menschliche Kör- reichend. Die Straßen, auf denen sonst Neuerung von den breiten Massen ak-
per höhere Geschwindigkeiten aus? – Die Pferdewagen fahren, sind häufig alles zeptiert wird. Doch im 20. Jahrhundert
Vorbehalte gegen das neue Gefährt sind andere als geeignet für das dreirädrige wird das Automobil zu einer der wich-
groß. Carl Benz wird eine eingeschränk- Automobil. Sie hat großes Glück, nicht tigsten kulturellen Errungenschaften des
te Fahrerlaubnis erteilt, mit der er seinen in einem Graben oder an einem Baum aufkommenden Zeitalters.
Wagen nur in Mannheim und Umgebung zu landen. Bei mehreren Pannen impro-
fahren darf. visiert sie, reinigt verstopfte Dichtungen Reguläre Fahrprüfungen wurden in
oder die verdreckte Benzinleitung mit Deutschland ab Mai 1909 abgenommen
Seine tatkräftige, technisch interes- ihrer Hutnadel und isoliert ein durchge- und gleichzeitig auch Verkehrsregeln ein-
sierte Frau Bertha glaubt fest an die Er- schmortes Kabel mit ihrem Strumpfband. geführt, die erlaubte Höchstgeschwindig-
findung ihres Mannes, hatte sie doch keit betrug 15 km/h! Der Erwerb des Füh-
noch vor der Hochzeit ihre gesamte Mit- Tankstellen existieren nicht, alle 15 rerscheins war zwar an kein Geschlecht
gift in den Aufbau seiner Firma investiert. bis 20 Kilometer kauft sie in Apotheken gekoppelt – trotzdem brauchten Frau-
Sie ist die treibende Kraft und spornt ihn Ligroin, also Waschbenzin, das die Haus- en, die einen Führerschein machen woll-
bei allen Rückschlägen immer wieder an. frauen gewöhnlich zur Fleckenentfernung ten, dazu die Erlaubnis ihres Ehemannes
verwenden. oder Vaters.
Eine wagemutige Reise
Am Ende dieses heißen Augustta- Daher waren Frauen am Steuer zu
Nun will Bertha Benz das Automobil über ges kommen Bertha und ihre Söhne ver- dieser Zeit eine absolute Ausnahme. Erst
Mannheim hinaus bekannt machen und dreckt und verschwitzt, aber stolz und 1958, mit dem Gesetz über die Gleichbe-
seine Fahrtüchtigkeit unter Beweis stellen. glücklich in Pforzheim an und schaffen rechtigung von Mann und Frau, konnten
es später auch wieder mit dem Automo- Frauen selbst darüber entscheiden, ob
Wagemutig macht sie sich mit den bil nach Mannheim zurück. sie Fahrerin oder Beifahrerin sein woll-
beiden Söhnen Eugen und Richard, 13 ten.
Mit dieser Fahrt hat Bertha Benz der
Welt bewiesen, dass dem „Pferdelosen Ursula Michalke

5

Thema

Unkonventionelle Forschungsreisende: Gertrude Bell

Sie war nicht die einzige Frau, die Ende fremden Kulturkreis beeindruckten die und Stammesfürsten, erwarb sich deren
des 19. Jahrhunderts allein auf Reisen aufgeschlossene Engländerin tief und lie- Vertrauen, Achtung und Anerkennung.
ging. Eine der außergewöhnlichsten ßen sie nicht mehr los. Sie lernte Arabisch
Persönlichkeiten ihrer Zeit war Gertru- und Persisch und kehrte bald ohne Beglei- Im Laufe der Jahre entwickelte sich
de Bell allemal. tung einer Anstandsdame in den damals we- die Chatun – wie man Gertrude bald re-
nig erschlossenen Orient zurück. Couragiert spektvoll nannte – zu einer ausgewiese-
Als Gertrude Bell am 14. Juli 1868 in nahm sich Gertrude einen ortskundigen Füh- nen Kennerin des Nahen und Mittleren
England als Tochter einer wohlhaben- rer, Koch und Gepäckträger, stieg auf Pferd Ostens bis nach Indien. Aufgrund ihrer
den, einflussreichen Industriellenfami- oder Kamel und erkundete Land und Leu- klugen Analysen und fundierten Beurtei-
lie geboren wurde, waren gesellschaft- te, Geschichte, Leben und Kultur der Region. lungen wurde sie zur gefragten Ratgebe-
liche Rollenzuweisungen unverrückbar rin der britischen Regierung, die damals
festgelegt: Frauen hatten zu heiraten Dabei ging ihr Interesse weit über die Araber im Kampf gegen die Osmanen
und fürsorgliche Mütter zu werden. das Touristische hinaus: Gertrude vertief- unterstützte.
Schulbesuch, Berufsausbildung – das te sich in die arabischen Stammesbezie-
war nicht einmal den Töchtern gehobe- hungen, machte bedeutsame archäolo- Richtungsweisend wirkte die Ori-
ner Schichten möglich. Abenteuerliche gische Ausgrabungen, kartografierte die ent-Expertin nach dem Ersten Weltkrieg
Reisen erst recht nicht. Landschaft, dokumentierte und archivier- als politische Verbindungsoffizierin an
te, interessierte sich für politischen Ereig- der Gründung des modernen Iraks mit.
Doch die wissensdurstige und lern- nisse, knüpfte enge Kontakte zu Scheichs Nachdem die Briten ihre Interessen in
begierige Gertrude wuchs in einem libe- der Region gesichert sahen, ebbte das
ralen Elternhaus auf, durfte eine ange- Miss Bell vor ihrem Zelt bei Ausgrabungen Interesse der Regierung an der landes-
sehene Mädchenschule besuchen und im Irak (1909) kundigen Beraterin ab.
in Oxford Zeitgeschichte studieren. Al-
lerdings nur als Gasthörerin, weswegen Nun widmete sich Gertrude ihrem
ihr trotz „Mit höchster Auszeichnung“ bedeutsamsten Vorhaben: Um ihren
abgeschlossenen Examens der damit archäologischen Fundstücken einen
verbundene akademische Titel verwei- dauerhaften Verbleib in der Region zu
gert wurde. sichern, betrieb sie den Aufbau des Ira-
kischen Nationalmuseums in Bagdad,
Da war sie nicht einmal 20 Jahre alt das 1926 eröffnet wurde.
und eine weltoffene, vielseitig begabte,
selbstbewusste junge Frau. Potentiel- Welch ein erfülltes Leben! – Möch-
le Heiratskandidaten schreckte das al- te man denken. Tatsächlich aber litt die
lerdings ab. Vermittlungsbemühungen weltgewandte Britin unter dem zuneh-
der Eltern führten Gertrude schließlich menden Verlust vertrauter Gesprächspart-
zu politisch und gesellschaftlich ein- ner und Freunde, unglücklichen Lieben,
flussreichen Verwandten nach Ungarn, schwindender Bedeutungslosigkeit. Am
Rumänien, Konstantinopel, Jerusalem, 12. Juli 1926 starb die Chatun nach einer
Teheran. Ihre Begegnungen mit dem Überdosis Schlafmittel.

Sigrid Lindner

Eine Reise auf das spirituelle Dach der Welt

Alexandra David-Néel – Forscherin zur tibetischen Kultur

Wie andere große Reisende und Entde- mals ausreißt, um ihrem freudlosen Eltern- sie mit geerbtem Geld nach Indien, wo
ckerinnen reist die 1868 geborene Ale- haus zu entfliehen. Als Jugendliche reist sie sie in einem alten Asketen einen Meis-
xandra David-Neél nicht nur, um etwas allein mit Zug, Schiff und zu Fuß durch ver- ter findet. Als ihr das Geld ausgeht, kehrt
zu finden, sondern auch, um etwas zu schiedene europäische Länder. sie nach Europa zurück. Nach einem Ge-
vergessen. Schon als Kind und Jugend- sangsstudium in Brüssel übernimmt sie
liche ist Alexandras Drang nach Freiheit An der Sorbonne studiert Alexand- ab 1895 Opernrollen in Französisch-Indo-
und Vergessen so groß, dass sie mehr- ra David vergleichende Religionswissen- china, u. a. in Hanoi und Saigon.
schaft, Sanskrit und Chinesisch. 1891 reist

6

Thema

Bei einem Engagement in Tunis be- Alexandra David-Néel: "Ich habe die zu werden, nicht genug Mut gehabt zu ha-
gegnet sie dem sieben Jahre älteren Ei- Lhasa-Reise unternommen, schon um zu ben.“ Das schreibt Alexandra David-Néel
senbahn-Ingenieur Philippe Néel und zeigen, was der Wille einer Frau vermag." im März 1920 ihrem Mann in Tunis.
heiratet ihn 1904. Doch nach wenigen
Jahren beendet Alexandra David-Néel ihren langen Fußmärschen. Yongden, ein junger Tibeter, der ihr
das repräsentative Leben als begüterte „Meine Reise ist fest beschlossen! Gepäck trägt und den sie später adop-
Ehefrau und geht wieder auf Reisen. Das tiert, begleitet sie durch das westliche
Geld dafür erbittet und bekommt sie von Ob mit ein klein wenig Komfort und ge- China und die Mongolei bis nach Tibet.
ihrem Mann, mit dem sie bis zu seinem nügend Nahrung oder zu Fuß als Bettle- Die physischen und psychischen Strapa-
Tod 1941 in über 3000 Briefen verbunden rin, ich werde es versuchen… Wenn schon zen der jahrelangen Fußmärsche durch
bleibt. sterben, dann ziehe ich die Straße vor, ir- die verschneite Bergwelt sind unvorstell-
gendwo in der Steppe, mit dem schönen bar. Die rundliche Alexandra David-Néel
Mit einem Forschungsauftrag des Himmel über meinem Kopf und der letz- magert ab und leidet an Arthritis und De-
französischen Erziehungsministeriums ten Befriedigung, zumindest gewagt zu pressionen.
verabschiedet sich Alexandra David-Néel haben, was ich mir wünschte, statt in ei-
1911 aus Europa und bricht zu einer Rei- nem Zimmer von dem Bedauern getötet 1923 überqueren sie einen Pass zwi-
se nach Indien und Ceylon auf. Ihr ei- schen China und Tibet. Die 55-Jährige
gentliches spirituelles Ziel ist Lhasa. Sie übersteht diese Anstrengungen nur durch
ahnt nicht, dass sie 14 Jahre brauchen die Einnahme von Strychnin, das in gerin-
wird, um Lhasa zu erreichen. Zunächst gen Mengen aufputschend wirkt. Monate
lebt die nur 1,56 Meter kleine Alexandra und weitere lebensgefährliche Strapazen
David-Néel einige Jahre als einzige Frau später erscheint im Februar 1924 end-
unter 3800 Mönchen in der ausgedehn- lich Lhasa am Horizont. 1925 kehrt Alex-
ten Klosterstadt Kumbum. Sie arbeitet andra David-Néel nach Paris zurück und
an einem französisch-tibetischen Wör- schreibt Bücher über ihre Reise-Aben-
terbuch und gehört zu den Oberen des teuer. Mit fast 70 Jahren bricht sie noch
tibetischen Lamaismus. Von den Mön- einmal zu einer großen Asienreise auf.
chen wird sie ehrfurchtsvoll als „Lampe Hochbetagt stirbt sie 1969 als „Ritter der
der Weisheit“ bezeichnet. Ehrenlegion“ in Paris.

„Wende deine Schritte der Erkenntnis Renate Zimmer
zu, auf daß du, befreit von Furcht und
Kummer, zum Heil erwachst.“ Alexandra David-Néel: Mein Weg durch
Himmel und Höllen. Das Abenteuer mei-
Diese rituelle buddhistische Zu- nes Lebens. Aus dem Französischen von A.
fluchtsbitte begleitet die Lama-Weise auf Ditzen, Fischer Taschenbuch, Frankfurt 2004

Skandalös: Frauen auf dem Fahrrad

Mit Begeisterung steige ich aufs Fahrrad! schimpfe und Empörung der aufgebrach- gleichgesinnten Frauen zusammen und
Nicht nur in der Freizeit. Ich nutze es auch ten Passanten sicher. Denn gesellschaft- gründete ein Jahr später mit einigen von
gern als praktisches Fortbewegungsmittel lich anerkannt war eine radfahrende Frau ihnen den ersten Damenradclub Berlins.
für meine Erledigungen und tue durch die damals nicht und viele Ehemänner unter- Denn Frauen waren von einer aktiven Mit-
Bewegung an der frischen Luft gleichzei- sagten ihren Frauen das Radfahren strikt. gliedschaft in einem Radfahrverein aus-
tig etwas für die Gesundheit. Wie schön! Für Frauen, so die weitverbreitete Annah- geschlossen.
me, sei Radfahren schließlich ungesund,
Die Berliner Journalistin Amelie Ro- unschicklich und moralisch absolut ver- Um möglichst viele Frauen für die Vor-
ther beanspruchte Ende des 18. Jh. ge- werflich. teile dieses neuen Fortbewegungsmit-
nau diese Vorteile des damals noch neu- tel zu begeistern, veröffentlichte die ra-
en Verkehrsmittels auch für sich. Auch Doch Amelie Rother ließ sich von ge- delnde Journalistin regelmäßig Beiträge
sie schätzte die damit verbundene Un- sellschaftlichen Konventionen nicht be- über ihre Erfahrungen und gab zahlrei-
abhängigkeit und das Radeln bereitete irren. So oft wie möglich stieg sie aufs che praktische Tipps, auch zur geeigne-
ihr großes Vergnügen! Letzteres jedoch Rad, entwickelte dabei allmählich auch ten Fahrradkleidung. So ermunterte Ro-
nur, solange Amelie auf dem Fahrrad sportliche Ambitionen und nahm im ther Frauen u. a. zum Tragen von Hosen,
niemandem unter die Augen kam. Und September 1893 in Berlin an einem Da- weil diese fürs Radfahren bequemer wa-
wenn doch, dann waren ihr Gespött, Ge- menradrennen teil. Dabei traf sie mit ren als beengende Korsetts, mehrlagige

7

Thema

Unterröcke und wallende lange Kleider. vielbeachtete Vorträge. Am 27. Juni Annie hier beinahe aufgegeben. Stattdes-
Während sich in Berlin Amelie Rother 1894 startete Annie mit einem schwe- sen legte sie sich ein leichtes Herrenfahr-
ren Damenrad in Boston. Unter großem rad zu, tauschte ihre unbequeme Klei-
für eine respektvolle Gleichbehandlung Medieninteresse radelte sie zunächst dung gegen praktische Hosen aus und
radfahrender Frauen engagierte, stieg in noch in der damals angesagten vikto- änderte ihre Fahrtrichtung: Sie radelte
Massachusetts, USA, Annie Cohen Kop- rianischen Damenkleidung Richtung nach New York, ging dort auf‘s Schiff, um
chovsky aufs Fahrrad, um als erste Frau Westen nach Chicago. Völlig erschöpft anschließend ihre Fahrradreise in Euro-
mit dem Rad die Welt zu umrunden. Da von der Anstrengung hätte die zierliche pa fortzusetzen. Hier legte Annie einige
war sie 24 Jahre jung, Mutter dreier kleiner Streckenabschnitte mit Zug oder Schiff
Kinder und – mehr als erstaunlich – ohne Annie Londonderry (1904) zurück, was laut Wette erlaubt war.
nennenswerte Fahrrad­erfahrung. Wie es
heißt, ging ihr abenteuerliches Unterfan- Von Südfrankreich aus fuhr Annie
gen auf eine Wette zurück, wonach Frauen über Israel, Ägypten, Sri Lanka, Singapur
zu solch körperlichen Spitzenleistungen und Vietnam bis nach China und Japan.
nicht in der Lage seien. Andere vermuten, Von dort ging‘s auf dem Seeweg zurück
Annie wollte für eine Weile dem aus ihrer in die USA. Am 23. März 1895 erreichte
Sicht tristen Hausfrauendasein entfliehen. Annie San Francisco und radelte von hier
- Wie auch immer: Annie verließ vorüberge- aus über Chicago zurück nach Boston.
hend ihren Mann und ihre drei kleinen Kin- Hier traf sie am 24.09.1895, also 15 Mo-
der, um binnen 15 Monaten überwiegend nate nach dem Start, wohlbehalten ein.
per Rad die Welt zu umrunden.
Was immer Amalie Rother und Annie
Weil sie die Tour selbst finanzieren Londonderry angetrieben haben mag:
musste, vermarktete Annie ihr Vorhaben Beide haben bewiesen, dass Frauen auch
ebenso gekonnt wie erfolgreich: Sie legte in einer von Männern dominierten Welt
sich den einprägsamen Namen London- selbstbestimmt und erfolgreich ihren ei-
derry zu, suchte Sponsoren, ließ Werbung genen Weg zu gehen bzw. zu radeln in der
an ihrem Fahrrad anbringen, verfasste Rei- Lage waren.
seberichte für Tageszeitungen und hielt
Sigrid Lindner

Mit der Schreibmaschine "Erika" im Gepäck

Alma M. Karlin – eine der meist gelesenen Reiseschriftstellerinnen

Als Alma M. Karlin 1889 halbseitig gelähmt Japan kennenlernt, bis sie 1928 wieder halten und niemand damit lästig zu fal-
im habsburgischen Cilli zur Welt kommt, lau- in Europa eintrifft. len. Selbst wenn sie eine Trauerbotschaft
tet die ärztliche Prognose: „Sie wird ihr Le- ankündigen, tun sie es immer lächelnd.
ben lang körperlich und geistig behindert Das Reisegeld verdient Alma Kar- Sie sind Meister der Selbstbeherrschung,
bleiben.“ Es kommt anders: Alma kämpft lin mit Sprachunterricht und als ers- ohne dadurch streng zu erscheinen.“
sich heraus aus dem ihr vorgezeichneten te Gerichts-Dolmetscherin in Panama.
Leben. Sie ist 18 Jahre alt, als sie die Lehr- Von Mittelamerika geht es weiter nach „Was ich auf Reisen so anziehend und
befugnis für Englisch und Französisch erhält. San Francisco, wo die Einreise schwie- zuzeiten doch so schwer finde, ist das
In London setzt sie ihre Sprachstudien fort rig ist. Sie wird ohne ihr Gepäck in ei- ewige sich umstellen. Heute lebe ich ja-
und besteht Prüfungen mit Bestnoten u.a. nen Schlafsaal gesteckt, zusammen panisch, morgen koreanisch oder wieder
in Norwegisch, Schwedisch, Dänisch, Spa- mit 40 anderen Frauen und unzähligen als Weiße, und selbst da nie unter glei-
nisch, Italienisch und Russisch. Wanzen. chen Verhältnissen. … Nun ist eine Welt-
reise schon deshalb eine Schnellschule
Anstatt die Rolle als Ehefrau und Mut- Über Honolulu, wo Alma Karlin be- des Lebens, weil die Menschen hier über-
ter anzustreben, bricht sie im Winter 1919 stohlen wird, reist sie mit geliehenem stürzter die Politur abspringen lassen als
zu einer über acht Jahre währenden Welt- Geld nach Japan weiter. Zunächst be- daheim, und deshalb erlernt man an ei-
reise auf. Nur in Begleitung ihrer Schreib- kommt sie eine Arbeit in einer Ma- nem Tage, was man in Europa – wo die
maschine „Erika“ reist sie von Genua aus schinenfabrik, dann eine Stelle in der Tünche besser klebt – oft erst nach Mona-
über den Atlantik nach Mittel- und Süd- deutschen Botschaft in Tokio. Die Le- ten oder, wenn man wie ich Pech gehabt
amerika. Sie überquert den Pazifik und ge- bensstimmung in Japan beschreibt hat, erst nach Jahren erlernt.“
langt nach Ostasien, wo sie u.a. China und Karlin so: „Es ist Grundzug des Japa-
ners, seinen Kummer für sich zu be- So resümiert Alma Karlin ihre Weltrei-

8

Thema

se-Erlebnisse. In den 1930er Jahren ist „Klein, zart, filigranhaft ist diese Frau“, aber dennoch „eine der kühnsten, eine der wag-
sie eine der meist gelesenen Reisebuch- halsigsten Frauen unserer Zeit. Eine Frau voll Furchtlosigkeit, voll unbeirrbarem Willen,
autorinnen, nicht nur im deutschsprachi- voll eiserner Konsequenz“. So wurde Alma M. Karlin 1930 in einem Artikel beschrieben.
gen Raum. Eine Frau, die ohne finanzielle
Absicherung reiste, ohne Begleitung, oft Foto: Alma M. Karlin, 1927. Foto Adolf Perissich. (Wikipedia)
Vergewaltigungen entkommt und trotz-
dem, voller Wissensdurst, weiterzieht. Herbst 1944 entzog, indem sie sich zu verarmt und vergessen 1950 infolge von
Partisanen in der Weißkrain begab. Sie Brustkrebs in der Nähe ihrer Geburts-
1941 wurden ihre Bücher von den Na- versuchte zu den Engländern in Italien zu stadt starb.
tionalsozialisten verboten. Sie hatte sich gelangen, wurde jedoch von den Partisa-
bereits früh gegen den Nationalsozialis- nen nur nach Dalmatien gelassen. Renate Zimmer
mus ausgesprochen, war aber auch an-
tikommunistisch eingestellt. Nach dem Dort erlebte sie das Kriegsende und Alma M. Karlin: Einsame Weltreise, Hrsg. und
Einmarsch der Wehrmacht 1941 wurde kehrte wieder nach Celje zurück, wo sie
Alma Karlin von der Gestapo verhaftet mit einem Nachwort von Jerneja Jezernik, Aviva
und zunächst im dem Cillier Gefängnis,
danach in Marburg an der Drau inhaf- Verlag, Nachdruck 2020
tiert.

Ihre Freundin Thea Gamelin erreichte
durch ihre Beziehungen in Deutschland,
dass Alma Karlin nicht in ein Konzentra-
tionslager in Deutschland gebracht wur-
de. Sie kam wieder frei, weil der sie ver-
hörende Offizier ihre Bücher liebte.

Sie stand jedoch weiterhin unter
Gestapo-Überwachung, der sie sich im

Verführung des Reisens

Reisen ist eine mächtige Verführung in allen Jahrhunderten ge­ Sicher ist, dass das Glück des Reisens sich nicht steigert
wesen. Noch der siebzigjährige Platon reiste weit und machte mit dem Quadrat der Entfernung. Die Standardreisen unserer
bei den Olympischen Spielen ulkige Bekanntschaften, die er bis Großeltern waren der Comer See zur Grünen und Meran zur
in seine Heimatstadt Athen nicht mehr los wurde. Goethe reiste Silbernen Hochzeit. Dies genügte für das persönliche Glück
im komfortablen Reisewagen seines Großherzogs in die Cham- und das gesellschaftliche Renommee eines Lebens. Dazwi-
pagne unter Vorgabe ernster politischer Interessen, doch nicht schen lagen die behaglichen Sommeraufenthalte mit Kindern
ohne bei dieser Gelegenheit mit großem Vergnügen die köstli- und Dackeln am heimischen See, bei einem alten Nussbaum,
chen Liköre des Landes für die Lieben zu Hause einzukaufen. in den hohen Betten des Gasthofs zur Post. Und alle Seligkeit,
alles Gaudium und sportliche Befriedigung waren darin.
Die Engländer erhoben das Reisen zu einer zweiten
Daseins­form, erfanden das karierte Plaid, heuerten sich ei- Da ich einmal vom Tal der Könige sprach, fragte mich ein
nen Kammerd­ iener, einen Leibarzt und einen Pagen an, wie weiser, alter Herr sehr gütig: ,,Wie, Sie wollen so weit wegfah-
der hinreißend schöne Lord Byron und kehrten unter drei Jah- ren und haben das Schlößchen Ettersburg noch nicht gese-
ren nicht nach Hause zurück. hen? Wo die alte Göchhausen so köstlichen Unfug mit dem
Weimarer Hof getrieben hat? Stellen Sie sich vor, die Welt gin-
Reisen ist die einzige Möglichkeit, um Langeweile, Gläubi- ge morgen unter und Sie hätten Ettersburg nicht gesehen! Fah-
gern und verliebten Frauenzimmern aus dem Wege zu gehen. ren Sie ... fahren Sie!
Doch ist es einem Engländer passiert, dass er ihr am Quai von
Southa­ mpton Adieu sagte, um ihr auf dem Landungssteg von Wir sind nicht glücklicher, seitdem wir Kalifornien, die Ber-
Bangk­ ok wieder in die Arme zu rennen. mudas und die Fidschi-Inseln schnell und bequem erreichen
können. Das Erlebnis des Reisens will physisch und geistig er-
Es sei hier nur von den Menschen die Rede, welche das Rei- arbeitet sein, und wenn wir nicht hinter die bunten Bilder drin-
sen zu einer vollendeten Kunst zu erheben wissen, welche das gen, die uns die Fremde wie ein Kaleidoskop vor Augen hält,
Packen auch des kleinsten Koffers innig zelebrieren. Wir spre- so werden sie uns betäubt, erschöpft und leer nach Hause ent-
chen hier nicht von den Hunderttausenden, welche die Reise- lassen.
Industrie in die Welt schleust. Denn was dort ist, ist nicht für
sie, und was sie suchen, ist gar nicht da. Trude Zengerle

9

Thema

Unterwegs mit Skizzenblock und Kamera

Das Kindheitsland der Mutter kennen- Sie durchfuhren work, entwarf selbst farbiges Quilt. Sie
hielt Hausmusikszenen fest, ebenso Ge-
zulernen, wünschte sich Gabriele Mün- einen Tag und schehnisse aus der Arbeitswelt.

ter seit sie sieben Jahre alt war. Damals eine Nacht lang Zum 22. Geburtstag erhielt sie als Ge-
schenk der Verwandten eine Kodak-Roll-
hatte ihr die Mutter von einem Besuch in die weiträumigen filmkamera. Sie fanden dieses Verfahren,
Erinnerungen festzuhalten, genauer und
Tennessee einen Brief geschrieben und Landschaften praktischer. Es war die damals populäre
„Kodak Bull’s Eye No. 2“. Von nun an be-
über das Leben der Großeltern Aufregen- von Pennsylva- zeugen rund 400 Photos, wie sie Amerika
sah, und was sie alles zu sehen bekam.
des berichtet. nia, Ohio, Indi- Obwohl Münter bis zu diesem Zeitpunkt
noch nie fotografiert hatte, ist die künst-
Schon in der Schulzeit hatte sich ihre ana und Illinois. lerische Qualität der Bilder bemerkens-
wert. Sie bewies mit diesem neuen Me-
künstlerische Begabung gezeigt. Deswe- Die Expresszüge dium ein eindrucksvolles Gespür für
komplexe Bildkompositionen.
gen begann sie im Frühjahr 1897 Privat- mit ihren wohn-
Am 8. Juni 1899 hieß es: Start nach
unterricht zu nehmen und besuchte für zimmerähnlichen Parlour-Cars und den Texas. Schon das Wort beschwor bei ihr
eine Vision von Freiheit, Weite und Wild-
kurze Zeit die Damenkunstschule von Wil- großen Aussichtsfenstern machten das nis. Die Verwandtschaft waren Pflanzer.
Der Vetter gehörte zur dritten Siedlerge-
ly Spatz in Düsseldorf. Als im November Reisen zum Vergnügen. neration; hier wurde nur Englisch gespro-
chen. Ihre Aufnahmen vermitteln den Zu-
auch die Mutter starb, gab sie die Aus- In St. Louis erwarteten die Schwes- sammenklang von Gegensätzen in dieser
Region.
bildung wieder auf. In dieser Zeit der Re- tern festliche Gesellschaften und vie-
Ende Juli kam überraschend eine
signation überraschte sie Aunt Carolines le Musical- und Operettenaufführun- Einladung zur Hochzeit eines Vetters in
Plainview im nordwestlichen Texas. Eine
Einladung nach Arkansas, um die ame- gen. Viele ihrer Skizzen stammen aus St. Reise von drei Tagen. Als die Schwestern
drei Tage lang an einer Cowboy-Reunion
rikanische Verwandtschaft zu besuchen. Louis. Die weite Flusslandschaft in ihrer teilnehmen durften,sahen sie die harte Ar-
beit der berittenen Rinderhüter, der Kult-
Mutlosigkeit verwandelte sich in Über- wechselnden Beleuchtung hielt sie in figuren dieses Landstrichs. Hier machte
es sich bezahlt, dass sie vor ihrer Reise
schwang. Im September 1898 schifften Farbstudien fest. Hier begriff sie, die sich noch 25 Reitstunden genommen hatte,
um sich im Hindernisspringen zu üben.
sich Gabriele und ihre Schwester Elly auf bisher stets als Zeichnerin gefühlt hatte,
Über sechs Monate lebten die
einem Ozeandampfer ein und erreichten wohl zum ersten Mal die Macht der Farbe Schwestern dort. Dann ging es zurück
über Marshall und St. Louis. Im Okto-
am 9. Oktober New York. Das Abenteuer als Ausdrucksträger. ber erreichten die Schwestern New York.
Als Ella die Koffer zur Heimfahrt packte,
Amerika konnte beginnen. Im Dezember fuhren die Schwestern war sie entschlossen, die begonnene Zei-
chenausbildung fortzusetzen. Zwei Jahre
Durch die täglich an ihren Bruder nach Buffalo, um die Niagara-Fälle in Eis war sie in der Neuen Welt. Alle Perspekti-
ven hatten sich verschoben.
Charly abgeschickten Postkarten soll- und Schnee zu sehen. Im Februar 1899
Auszüge aus dem Buch von Dr. Gisela Kleine:
te er alles miterleben. Vor allem wollte erreichten sie ihr nächstes Ziel: Moore-
Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Insel-
sie dem Bruder verdeutlichen, dass hier field. Hier lebte Caroline Schreiber, von
Taschenbuch, bearbeitete Neuauflage 2020
das Quantitative als Maßstab für Quali- der sie die Einladung zur Vetterlesreise

tät galt. Den Hang, alles Dagewesene an bekommen haben. Ella, so nannte sich

Großartigkeit zu übertreffen, veranschau- Gabriele Münter damals, suchte mit dem

lichte für sie besonders das Metropolitan Zeichenblock das Charakteristische; sie

Museum of Art. Überall die Anbindung an skizzierte ihre drei Cousinen beim Patch-

Europa; man verpflanz-

te, verglich und über-

traf!

Die beiden Schwes-

tern schlenderten im

Central Park, probier-

ten Speiseeis (ein un-

bekannter Genuss),

besuchten die Riesen-

geschäfte und fuhren

Paternoster. New York

erschien ihnen luxus-

wütig.

Am 20. Oktober ver-

ließen sie New York. Ihr Ausflug auf dem Mississippi, Photo Gabriele Münter.
nächstes Ziel war St. © Gabriele Münter/ und Johannes Eichner/Stiftung / courtesz
Louis am Mississippi. Schirmer&Mosel

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Thema

Mit der Harfe durch die Welt

Die Harfenistin Silke Aichhorn

Bereits mit zehn Jahren stand für Silke Aichhorn fest, dass

die Harfe das Instrument war, das sie unbedingt spielen woll-

te. Zwei Jahre später erfüllten die Eltern ihren hartnäckigen

Wunsch und sie bekam zu Weihnachten eine Traunsteiner

Volksharfe von Karl Fischer.

Nach einer Ausbildung in Lausanne und Köln gehört die

als Solistin wie Kammermusikerin konzertierende Musikerin

nun zu den gefragtesten und vielseitigsten Harfenistinnen in

Europa. Sie ist mehrfache Preisträgerin internationaler Wett-

bewerbe und gewann mehrere Kulturpreise.

Sie empfindet es als großes Privileg, mit diesem Instru-

ment Menschen zu berühren. „Solche Konzerte sollte es öf-

ters geben“ oder „Ein Konzert, wie man es selten erlebt“ – so

beschreibt die Presse ihre Konzerte. Es ist die Mischung aus

Musikalität, ungemein farbigem Ton, virtuosem Handwerk,

kombiniert mit unnachahmlicher Natürlichkeit und Authen-

tizität, was die Zuhörer begeistert.

Ihre unterhaltsam moderierten Konzerte sind ihr Marken-

zeichen, dazu kommt der unbedingte Wille, Neues und auf

der Harfe noch Unbekanntes, zu präsentieren. Es ist ihr ge-

lungen, binnen weniger Jahre die Harfe im Konzertsaal wie-

der heimischer werden zu lassen. Mit einem Programm vom

Barock bis zum Swing zeigt die Musikerin die große und oft Silke Aichhorn bei einem Konzert in Heilsbronn

unbekannte Bandbreite ihres Instrumentes. Jahr. Im Notfall nimmt sie auch den Zug, bei ihrer letzten Rei-
se war sie 28 Stunden mit ihrer Harfe im Zug unterwegs und
Seit 2018 tritt sie mit ihrer kabarettistischen Lesung „Le- musste zwölfmal umsteigen. Den Spruch „Gell, Flöte wäre
leichter!“ hört sie häufiger.
benslänglich Frohlocken – Skurriles aus meinem Musikerda-
Silke Aichhorn ist eine der aktivsten europäischen Har-
sein“ auf, im Januar 2019 erschien das dazugehörige Buch, fensolistinnen. Sie managt sich schnell, unkompliziert und
professionell selbst. Die Harfenistin gibt regelmäßig Meis-
inzwischen wird schon die 7. Auflage verkauft. terkurse im In- und Ausland und hatte Lehraufträge am Lan-
deskonservatorium Feldkirch und der Hochschule für Musik
Nach einem Konzert lädt sie immer wieder das Publikum in Mainz.

ein, noch an der Harfe vorbeizuschauen und beantwortet die Sie spielt in Konzerthäusern, bei Weltharfenkongres-
sen oder einem Palliativkongress, daneben aber auch auf
typischen Fragen nach dem Preis und Gewicht, der Holzart privaten Feiern. Sehr berührend war ein Privatkonzert als
Geschenk für einen Todkranken mit sechs Zuhörern. Silke
und Pedalmechanik. Mit gewaschenen Händen darf auch mal Aichhorn ist sozial sehr engagiert, 2021 wurde sie Hospiz-
botschafterin der Hospizbewegung Düren.
gezupft werden, was immer mit großer Begeisterung ange-
Das Schwierigste und Mühsamste sei die Konzertakqui-
nommen wird. se, sagt Silke Aichhorn. Obwohl sie eine der bekanntesten
europäischen Harfensolistinnen ist, muss sie sich um fast je-
Mit ihrer Harfe be- des Konzert bei den Veranstaltern, teilweise über viele Jahre,
bewerben. Durch Corona erhielt sie mehr als hundert Kon-
reist sie die Welt, zertabsagen, die wenigsten Engagements wurden nachge-
holt.
neben Konzert-
Ursula Michalke
auftritten inner-
11
halb Europas war

sie in Hongkong,

Brasilien, Austra-

lien, Thailand, Ja-

pan und den USA

zu Gast.

Meistens

fährt sie mit dem

Auto, aktuell etwa

Bahnreise mit der Harfe 40.000 km im

Thema

Einkehr in einem Kloster Ladakhs

Drei Tage für das Kloster Hemis? Viel zu lan- kostbare, auf Seide gemalte Rollbilder; die fühlt sich der Körper als Teil dieses al-
ge, wo doch jede Stunde kostbar ist und rauch­geschwärzten, mit viel Blattgold ver- ten Gemäuers, mit dem Steinboden
gut genutzt werden muß, wann kommt man zierten Buddhas, davor die gabengefüllten verwachsen, auf dem man sitzt, nur
schon wieder nach Ladakh ... Man könn- Opferschälchen, erhellt nur von einigen beweglicher. Wie die grüngrauen Ech-
te in der Zeit versuc­ hen, zur chinesischen trüb flackernden Butterlampen, die diesen sen, die aus den Nischen huschen und
Grenze oder zu Nomadenstämmen auf den so typisch ranzigen Ge­ruch verströmen, dann wieder reglos in einem Sonnen-
Hoche­benen des Chang Tang aufzusteigen, der sich mit dem süßlichen der glimmen- winkel verharren.
so viel aufregende Mög­lichkeiten und ver- den Räucherstäbchen vermischt.
lockende Alternativen statt der drei Tage Ich denke nichts. Alles ist so weit
Auf­enthalt in einem einsamen Kloster, zu Die Klöster hier bieten allen Sinnen et- weg wie der Schneegipfel des Kagri-La,
dessen Besichtigung ein Nachmittag aus- was, nicht nur dem Auge, das sich ständig der jetzt im Rot der Abendsonne her­
reicht. – Typisch westeuropäisches Den- vom grellhellen Sonnenlicht und dem wei- überglüht. So spät ist es also schon. Ich
ken, wie mir später bewusst wurde: mög- ten Ausblick über das lndustal auf die Enge habe es seit Delhi aufgegeben, meine
lichst viel sehen, unternehmen, auskosten. und Dunkelheit der Klos­ terräume umstel- Uhr den verschiedenen Zeitzonen hin-
Eindrücke sammeln, aufgereiht auf einer len muss. Auch der Tastsinn wird in einer terherzustellen, ich lebe angenehm
langen Erin­nerungskette. Gott sei Dank ganz anderen Weise gefordert in den ver- zeitlos. Die Stunden des Nachmittags
weigert sich das Gehirn nach einer Weile, winkelten Gängen und Höfen, wo man mit sind einfach im Nichtstun zerronnen,
weitere unverarbeitete Fakten zu speichern, dem Hell-Dunkel-Rhythmus der Natur lebt in diesem Strom von Trägheit und ge-
es streikt, braucht Ruhe zum Ordnen und und kein elektrisches Licht die Wege aus- lassener Ruhe, der von meinen Finger-
Überdenken der pausenlos wechselnden leuchtet. Dass das Gehör in die­ser abso- spitzen bis an den Horizont reicht.
Bilder und Erfahrungen. luten Stille alle Geräusche viel wacher und
intensiver wahrnimmt, wird uns, die wir ja Ein gewaltiger, tief nachdröhnen-
Und diese Ruhe gibt uns Hemis, das in gewohnt sind, in einer ständig diffusen Ge- der Gongschlag schreckt mich auf. Die
der schroffen Einöde eines Indus-Seitentals räuschkulisse zu leben, bald bewusst. Nur Mönche werden zum Abendgebet zu-
gelegene Kloster des buddhistischen Rot­ der Geschmackssinn öffnet sich der neuen sammengerufen. Ohne Hast treten sie
mützenordens. Seit dem 16. Jahrhundert Sinneserfahrung nicht, bleibt verstockt mit- aus ihren Zellen oder kommen vom
beherrschen die Duk­pa-Mönche das auf teleuropäisch und kann weder dem gesalze­ Feld herauf. Aus der Entfernung sehen
über 4000 Meter ansteigende Tal, trotz- nen Buttertee noch dem täglichen Gersten- sie sich alle ähnlich, kahlgeschorene
ten dem kargen Boden Hirsefelder, Weide- brei und der Gemüsesuppe mit Nudeln und Rundköpfe, fröhlich unbeschwerte Ge-
flächen und selbst Pappel­pflanzungen ab tranigen Fettaugen etwas abgewinnen. sichter, bedächtiger Gang, gelasse-
und errichteten nach und nach um den zen- ne Gesten. Menschen, denen die Zeit
tralen Klosterhof Tempel, Wohnzellen und Zum Hemis-Kloster gehört auch eine nicht wegrennt. Mehr als die Hälfte
die von vier mächtigen Säu­len, den Hüte- Schule, in die schon sieb­enjährige No- des Jahres sind sie eingeschneit in die-
rinnen der Himmelsrichtungen, getragene vizen aufgenommen und in die roten Ge- sem Hochtal, von der Außenwelt abge-
Ver­sammlungshalle. wänder eingekleidet werden. Man bringt schnitten, das prägt Geist und Körper.
ihnen nicht nur Lesen und Schreiben, son-
Wir kommen in der Hitze des Mittags dern auch alle Arbeiten des täglichen Le- Schweigend streifen sie vor dem
an, erschöpft von der stau­bigen Fahrt im bens in Haus und Feld und die Praktiken Eingang zum Haupttempel die Filzschu-
Geländewagen. Die Kleider kleben am des meditativen Schweigens bei. Unten he oder Sandalen von den Füßen, kein
Körper. Nicht Sehnsucht nach der Stil- am Fluss wäscht ein älterer Mönch die ro- Staub soll in den Gebetsraum getragen
le des Klosterlebens lässt uns trotz der ten Gewänder und Tunikas und breitet sie werden. Eine symbolische Geste, denn
Erschöpfung den steilen Pfad zur Pforte dann auf den heißen Steinen aus. Alles ge- im Tempel liegt auf den Buddhastatu-
hochsteigen, sondern die Hoffnung auf schieht lautl­os, und die Stille an diesem en und Kultgeräten eine ehrwürdige
einen küh­len Winkel im Schatten des Nachmittag ist so absolut, daß das kleins- Staubschicht, und graubraune Hunde
weißgekalkten Klostergemäuers. te Geräusch einen aufschrecken läßt: das mit struppigem Fell streunen durch alle
Quietschen beim Drehen der großen Ge- Räume. Sie sind friedlich und zutrau-
Wir finden, was wir suchen. Die Räu- betstrommel im Vorraum, das Blöken eines lich, niemand verscheucht sie, auch
me rings um den Innenhof, schwar- verirrten Schafes, der schlurfende Gang ei- nicht, wenn sie sich auf die roten, ab-
ze Höhlen im ersten Augenblick, bieten nes alten Mönc­ hes auf den Steinfliesen. gewetzten Samtpolster vor dem Altar le-
Kühle und Schutz vor der unbarmherzi- gen. Man ist nachsichtig mit allen Tie-
gen Sonne. Das Auge gewöhnt sich rasch Ruhe – so sehr sich das Ohr auch an- ren, in ihrem Körper könnte der Geist
an die Dunkelheit, nimmt Einzelheiten strengt, wenigstens ein vertrautes Ge- eines nahen Verwandten oder Freun-
wahr: die Thankas an den Lehmwänden, räusch auszumachen: nichts. Allmählich des wohnen. Der buddhistische Glau-

12

Thema

be an die Reinkarnation lehrt, daß jeder brochen. Das Zeichen für die Mönchs- aus dem Dunkel, fällt lautlos hinter die
Mensch beim Tod überwechselt in eine novizen, ihre Instrumente anzusetzen. schwarzen Bergkämme. In mir ist alles in
andere Gestalt, Mensch oder Tier, solan- Schneckenhörner, Holzschalmeien, Kno- Aufruhr, die Bilder der letzten Wochen,
ge, bis er seinen Frieden gefunden hat chentrompeten und Handtrommeln fal- pausenlos aufgenommen und nicht ver-
und ins Nirwana, ins befreiende Nichts, len abrupt in die dämmrige Stille ein, ein arbeitet, drängen sich wirr und provozie-
eingehen kann. altes Schamanenritual, melodisch kann rend im Kopf, sprengen die Schädeldecke
man das Getöne nicht nennen. beinahe auseinander.
Wir kauern uns leise auf dem Fuß-
boden hin, um die Zeremonie der Mön- Um so einschneidender die voll- Der Stich in der Herzgegend, als mir
che nicht zu stören, die sich in zwei lan- kommene Stille, die uns dann draußen die Bettlerin in Delhi das halbverhun-
gen Reihen zu beiden Seiten der großen auf dem Klosterhof umfängt. Es ist dun- gerte Kind an den Arm hängt. Die unru-
Buddhastatue niedergelassen haben. Im kel geworden – die Nacht fällt plötzlich hig flackernden Augen der Shiks, die das
Dämmerlicht, eingehüllt in die einschlä- ein hier oben – und wir haben verges- Heilige Buch aus dem Tempel von Amrit-
fernd leisen, gleichförmigen Anrufungen, sen, die Kerzen aus dem Zelt einzuste- sar tragen. Der junge Arzt am Rande von
ein sich Fallenlassen in Geborgenheit. cken, unsere Taschenlampen funktionie- Kargil: Eisenprits­che, Butangaskocher,
Nur das Sitzen mit gekreuzten Beinen ren auf dieser Höhe schon längst nicht Nestledosen zum Sterilisieren der Instru­
mente und als Kochgeschirr. Die Aasgei-
und geradem Rücken ist beschwerlich, mehr. Die Mönche sind alle in ihre Zellen er über den ausgetrockn­eten Tümpeln
und ich spüre schon nach kurzer Zeit die gehuscht, wir stehen allein am Kloster- der Wasserbüffel in Agra.
feuchte Kälte des Steinbodens in meinen portal. Langsam gewöhnt sich das Auge
Gliedern, denen die ungewohnt krassen an die Dunkelheit, die gar nicht so tief- Unaufhörlich jagen sich die Bilder.
Temperaturschwankungen zu schaffen schwarz ist, der Mond steht fast voll am Vielleicht habe ich Fieber. Nein, es ist
machen. Die Mönche können stunden- Himmel. Wir steigen vorsichtig zum Zelt- nur der Kreislauf, die Höhe macht uns zu
lang in diesem Meditationssitz verhar- platz ab, der Lichtfackel entgegen, die schaffen. Wie spät mag es sein? Die Lich-
ren, straffe Körperhaltung gehört zum Ri- vor dem Küchenzelt in der Erde steckt. ter unten im Tal sind längst erlos­chen.
tual der Gebetsübungen. Das Ohr fahndet unruhig nach irgendei- Die Kälte hält mich wach, die Stille und
nem vertrauten Laut, dem Schrei eines der im Kopf paus­ enlos abrollende Film:
Ich versuche, mir im Schein der But- Käuzchens oder dem Zirpen der Grillen. Flüchtlingslager Choglamsar unten in
terlämpchen die Gesichter der Meditie- Nichts. Warum macht uns die Stille so un- Leh. 2000 Tibeter in den Baracken, Kin-
renden einzuprägen. Alte, faltige und sicher, so orientierungslos? Wir sind ihr der, die nur Lagerleben kennen und mit
jugendlich pralle, feingliedrige und breit- ausgeliefert, können unser Inneres nicht den räudigen Hunden spielen.
knochige, der Blick entrückt oder auch hinter der schützenden Schallkulisse un-
neugierig und unbefangen die Fremden seres Alltags verbergen. Ein losgetrete- Wenn sich doch etwas regte in die-
musternd. Allen gemeinsam die lockere ner Stein kullert in die Tiefe. Dankbar hor- ser lautlosen Weite. Ich ziehe den Reiß-
Entspanntheit. Keine flackernde Unruhe chen wir dem Aufschlag nach. Eine neue verschluß des Schlafsacks zu. War das
oder Hektik, keine fahrig nervösen Be- Erfahrung: dass Stille verunsichern und vorgestern oder letzte Woche? Die wilden
wegungen beim Weitergeben der mit Reis schmerzen kann. Maskentänze der Mönche, alte tandri-
gefüllten Opferschalen. Der Abt des Klos- sche Beschwörungsriten der Bön-Religi­
ters leitet die Zeremonien. Auf sein Zei- Ich liege unter den zurückgeschlage- on, in den Buddhismus hinübergenom-
chen hin werden die langatmigen Rezita- nen Zeltbahnen halb im Freien und starre men wie die heidnischen Bräuche ins
tionen der heiligen Schriften durch einen in den so reich gestirnten Nachthimmel. Christentum. Träume ich, bin ich wach?
Schlag auf die große Felltrommel unter- Ab und zu löst sich eine Sternschnuppe Die Nacht dauert endlos.

Auf einmal zerreißt wieder der tief-
dröhnende Gongschlag die Stille: Früh-
gebet der Mönche. Überall nun knir-
schende Geräu­sche, Schritte, verhaltene
Stimmen, das Klappern von Töpfen in der
Klosterküche. Wie dankbar das Ohr die
vertrauten Laute registriert. Gelöst der
Bann der nächtlichen Stille, die Unruhe
im Innern, die Überdrehtheit der Gedan-
ken. Ich schlafe völlig ent­spannt ein und
wache erst auf, als die Sonne schon die
Spitzen aufblitzen läßt.

Irma Hildebrandt

Gekürzter Beitrag aus dem Heft 2/1996

13

Thema

Mit dem Expeditionsschiff in die Arktis

Als wir in einem Journal lasen, dass in ca. Magischer Moment auf der Insel Ummannaq Fotos: Potthoff-Karl
zwanzig Jahren die legendäre Nordwest-
passage ganzjährig eisfrei und dann auch wenige Zentimeter wachsen. ren die USA eine Air Base errichtet und
sogleich von Frachtschiffen genutzt werden Es folgt ein Zodiac-Cruising, bei dem dafür den vorhandenen Ort und seine Be-
würde, buchten wir diese Reise. 2016 fuhr wohner umgesiedelt.
das erste Kreuzfahrtschiff durch die Nord- eine mehrere Kilometer breite Gletscher-
westpassage. Wir hofften, 2018 ähnlich front in sicherem Abstand abgefahren wird. Bedrückend wurde die Atmosphäre in
viel Glück zu haben und auf dieser Route Bartrobben räkeln sich auf Eisschollen. Siorapalik, der nördlichsten ständig be-
Narwale, Grönlandwale, Belugas und Eis- wohnten Siedlung der Welt. Knapp 1300
bären zu sehen. Zuviel Packeis in den Meerengen er- km vom Nordpol entfernt leben hier noch
laubt es uns nicht, weiter auf den Spu- 60 Einwohner auf tradionelle Art mit Jagd
Auf einem kleinen Expeditionsschiff ren der Franklin-Expedition nach Wes- auf Narwale, Robben und Walrosse. Ihre
startete unsere Reise in Kangerlussuaq ten zu fahren. Die Reisenden, für einen Zukunft bei weiter zurückgehendem Eis
(Grönland). Expeditionsleiterin Heike kleinen Moment im Packeis eingeschlos- ist ungewiss. Junge Menschen aus Grön-
(Geographin) hat zu Beginn klar die sen, werden durch den Anblick einer Eis- land müssen für weitergehende Schulbil-
Bedingungen für Ausflüge definiert: Keine bärmutter mit zwei Jungen entschädigt. dung nach Dänemark ins Internat. Viele
Abfälle an Land zurücklassen. Wandern Später nähert sich ein männlicher Eis- Berufe, die sie lernen, können sie nicht
ausschließlich auf dem markierten Weg. bär dem Schiff, möglicherweise gelockt in der Arktis ausüben. Dies führt zu ei-
Ein „falscher“ Fußtritt würde Pflanzen durch Essensgerüche. Die Fotoapparate nem Zerfall der traditionellen Familien;
vernichten, die über Jahre gewachsen laufen heiß. Prob­ leme mit Alkohol und Drogen sind
sind. Es dürfen keine Steine gesammelt nicht unüblich.
werden. Die Versuchung ist groß, da der Vor dem Jakeman-Gletscher (Elles-
Blick auf die marmorierten Berge einen mere Island, Kanada) wandern wir durch Kurz vor Reiseende der absolute Hö-
Aufbau der Gesteine zeigt, wie er sich eine einzigartige Tundra; in der Ferne hepunkt: Zodiac-Ausflüge in die sog. Eis-
über einen unvorstellbaren Zeitraum von sind Moschusochsen und Schneehasen bergfriedhöfe bei Cape York und in der
zwei Milliarden Jahre vollzogen hat. zu erkennen. Wir laufen am ausgebliche- Disco Bucht. Da die Eisberge die Zodiacs
nen Schädel eines Grönlandwals vorbei. haushoch überragen, wird mit gebühren-
Zuvor muss das Team der Bärenhüter dem Abstand gefahren. Dennoch sind
zuerst jede Anlegestelle überprüft und Vor Westgrönland machen wir Station die verschiedenen Blautöne und Muster
gesichert haben. (Befinden sich in der vor Thule, dort hatten in den 1940er Jah- der Eisberge gut zu erkennen. Diese Ein-
Umgebung Eisbären, wenn ja, sehen sie drücke brennen sich ins Gedächtnis ein.
hungrig aus und wie nah sind sie?) Erst Ebenso wie die Zahlen, mit welcher Ge-
danach werden in kleinen Gruppen Gäste schwindigkeit die Grönländische Polkap-
im Zodiac (große Gummiboote mit Motor) pe und die Gletscher abschmelzen. Allein
an Land gebracht. Dort dürfen die Gäs- von 1971 bis 2019 stieg die durchschnitt-
te sich nur innerhalb des durch die Bä- liche Temperatur in Grönland um 3,1° C.
renwächter gesicherten Gebietes durch Dies und das parallele Auftauen der Per-
Wiesen, vorbei an Urgestein (Feldspat, mafrostgebiete führt zum unaufhaltsa-
Quarz und Glimmer) und an auf dem Was- men Anstieg des Meerwasserspiegels.
ser schwimmenden Eisbergen bewegen.
Die Blumenvielfalt Birgit Potthoff-Karl
ist riesig (z.B. ark-
tischer Mohn, blau-
er Mertensien),
jedoch ist beim Fo-
tografieren zu be-
achten, dass Blu-
men, Sträucher und
selbst Bäume nur
extrem klein sind,
weil sie in den kur-
zen Sommern nur

14

Thema

Auslandskorrespondentin Katrin Eigendorf, ZDF

Die ZDF-Reporterin und Filmemacherin Im letzten Jahr bewies sie an der Front des Ohne ihn (bisher) ausdrücklich zu
Katrin Eigendorf ist eine tragende Säule Desasters in Afghanistan ihren Mut, ihr zitieren, folgt sie Hajo Friedrichs: "Cool
öffentlich-rechtlicher Krisenberichterstat- Können und ihre authentische Empathie bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst
tung. Während des Krieges in der Ukrai- für die Opfer eines historischen Versagens. du es, dass die Zuschauer dir vertrauen."
ne berichtet sie im ZDF über die schreck-
lichen Ereignisse im Land. Auf folgende Mutige und engagierte Die Zeitschrift „Medium Magazin“
Fragen antwortete sie: Journalistin mit Empathie zeichnete sie in der Kategorie „Reporta-
ge national“ als Journalistin des Jahres
Wie nehmen Sie die Stimmung in der Uk- Für ihre Berichterstattung aus den Krisen- 2021 (1. Platz) aus.
raine wahr? regionen in Afghanistan, der Ukraine und
anderswo erhielt sie den Hanns-Joachim- Katrin Eigendorf wurde 1962 in Tö-
Die Menschen, mit denen ich hier in Odes- Friedrichs-Preis. Die Jury zeichnet die ZDF- nisvorst, Nordrhein-Westfalen, geboren.
sa rede, knüpfen derzeit sehr wenig Hoff- Journalistin für ihre „kenntnisreichen, ruhi- Sie studierte Geschichte und Journalistik
nungen an Friedensverhandlungen. Statt- gen Analysen live am Ort des Geschehens“ an der Uni Dortmund und in Paris. Dort
dessen betonen sie ihre Bereitschaft zum und ihre „zuverlässigen Einordnungen“ der machte sie ein Praktikum im ARD-Stu-
Widerstand. dramatischen Ereignisse aus. Der Preis für dio und später ein Redaktionsvolotariat
Katrin Eigendorf geht laut Jury „an eine beim WDR.
Wie informieren Sie sich vor Ort? engagierte, mutige Journalistin mit dem
Sie arbeitete als Redakteurin im ARD-
Das ist der bestens dokumentierte Krieg Katrin Eigendorf Studio Paris, anschließend bei den „Ta-
der Geschichte – so viele Informationen © ZDF/W. Müller-Sieslak gesthemen“. Von 1993 bis 1996 war sie
haben noch nie zur Verfügung gestanden. als Korrespondentin für RTL in Moskau.
Heute kommt es eher darauf an, die ver- Talent, in Geschichten und Begegnungen
lässlichen Quellen von denen zu unter- großes Geschehen erfahrbar zu machen“. Seit 1999 arbeitet sie für das ZDF, zu-
scheiden, die es nicht sind. Neben den nächst als Reporterin in der Hauptre-
ukrainischen und russischen Medien sind ZDF-Chefredakteur Peter Frey : „Katrin daktion Außenpolitik. Von Januar 2015
für mich Gesprächspartnerinnen und Ge- Eigendorf ist eine Kollegin, die an vielen bis April 2018 war sie Korrespondentin
sprächspartner wichtige Quellen, die ich Plätzen der Welt Mut bewiesen hat – von im ZDF-Studio in Moskau und berichtete
über viele Jahre kenne und von denen ich Afghanistan bis zu der Ukraine, wo sie u.a. über den Konflikt in der Ukraine. Das
weiß, dass sie zuverlässig sind. gerade wieder unterwegs ist. Sie zeigt, Studio ist zuständig für die Berichterstat-
dass sich eine empathische, den Men- tung unter anderem aus Armenien, Aser-
Wie schützen Sie sich vor Ort? schen und ihrem Leid zugewandte Be- baidschan, Belarus, Georgien, Kasachs-
richterstattung mit fundierten, unabhän- tan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan,
Durch tägliche Besprechungen mit den gigen Analysen verbinden lässt. Über die der Ukraine und Usbekistan.
Kolleginnen und Kollegen im ZDF und vor Auszeichnung freue ich mich sehr.“
Ort, was angesichts der Sicherheitslage Seit Mai 2018 ist Katrin Eigendorf im
machbar ist und was nicht. Mit uns sind Reporterpool der ZDF-Hauptredaktion
auch zwei militärisch geschulte Sicher- Aktuelles mit Berichterstattungs-Schwer-
heitsmänner unterwegs, die sich die Lage punkten in Afghanistan, der Ukraine,
vor Ort genau anschauen und uns bei al- Russland, Libanon, Irak und Türkei.
len Dreharbeiten begleiten.
2021 berichtete sie aus Afghanistan
Was treibt Sie an, für die Kriegs- und Kri- über die Rückkehr der Taliban. Seit Ende
senberichterstattung ins Risiko zu gehen? Februar 2022 berichtet sie aus der Ukrai-
ne vom Krieg in der Ukraine.
Das Bewusstsein, wie wichtig es ist, dass
wir hier über die aktuelle Lage berichten. Neben ständiger aktueller Bericht-
Alle in unserem Team stehen voll dahin- erstattung für ZDF heute, heute-journal
ter, dass wir vor Ort sind, um zu zeigen, und auslandsjournal entstanden im-
was hier passiert. mer wieder besondere Filme für ZDF und
arte. u.a. 2013: Bürger, Bäume, Barrikaden
- Tage die die Türkei verändern mit Luc Wal-
pot; 2014: Wer retter die Ukraine?"mit An-
dreas Weise und Katja Eichhorn; 2021: Die
Feindinnen des Taliban; 2021: Ultraortho-
dox: Schwieriger Weg in die Freiheit.

ZDF Abt. Kommunikation

15

Thema

Jugendliche engagieren sich weltweit

Der UNESCO Freiwilligendienst kulturweit

Ein Auslandsaufenthalt stellt eine be-
liebte Möglichkeit dar, die erste Zeit
nach dem Abitur sinnvoll zu überbrü-
cken. Egal, ob sich Jugendliche für eine
längere oder kürzere Auslandszeit, für
Work & Travel oder Freiwilligenarbeit
interessieren, im Ausland können sie
zweifelsohne wertvolle Erfahrungen
für die Zukunft sammeln.

So ist kulturweit ein deutscher kulturpoliti- Valeria war 2014 für sechs Monate im DAAD-Informationszentrum in Yaoundé in
scher Freiwilligendienst und Teil der Deut-
schen UNESCO-Kommission. Seit 2009 kön- Kamerun tätig. © Valeria Nabatova
nen junge Menschen aus Deutschland mit
dem kulturweit-Freiwilligendienst ein Frei- mit Seminaren und einem Sprachkurs, ich vorher nicht hatte und die mich per-
williges Soziales Jahr im internationalen mit Versicherungen, Reisegeld und Miet- sönlich geprägt haben."
Netzwerk der Auswärtigen Kultur- und Bil- zuschuss.
dungspolitik leisten. Diese UNESCO-Initia- Dies schrieb Valeria in ihrem Erfah-
tive bietet jedes Jahr 450 Teilnehmerinnen Seit 2015 bietet kulturweit-Incoming rungsbericht als kulturweit-Freiwillige.
und Teilnehmern an, die Arbeit von Schu- auch Menschen aus dem Ausland die
len und Kultureinrichtungen, UNESCO-Na- Möglichkeit, die Arbeit von Bildungs- Lernformat: Alle ins Ausland
tionalkommissionen und Naturerbestätten und Kultureinrichtungen in Deutschland
kennenzulernen. Die jungen Menschen kennenzulernen. kulturweit-Tandem lädt Viele Schulen ermöglichen ihren Schü-
assistieren im Deutschunterricht, packen seit 2022 Menschen aus afrikanischen
bei Kulturprojekten an und machen sich Ländern und Deutschland zu internatio- lern Auslandsaufenthalte. In der Evan-
für das UNESCO-Netzwerk rund um den naler Projektarbeit in Zweier-Teams ein.
Globus stark. Über 4.500 Freiwillige ha- gelischen Schule in Berlin z.B. gehen Im
ben bislang an dem internationalen Pro- Deutsche UNESCO-Kommission
gramm teilgenommen, das mit dem Quifd- Jahrgang 11 alle Schüler*innen für drei Mo-
Siegel für Qualität in Freiwilligendiensten Nichts ist unmöglich
ausgezeichnet ist. nate in ein Land ihrer Wahl, um dort Le-
"Trotz aller Schwierigkeiten, die während
Dieser internationale Lerndienst kul- meines Freiwilligendienstes durchaus auf- bens- und Lernzeit in einer ihnen bis da-
turweit wird gefördert vom Auswärtigen gekommen sind, habe ich in Kamerun eine
Amt. Partner sind der Deutsche Akade- sehr beruhigende Sache gelernt: Nichts ist hin eher fremden Kultur zu verbringen. Die
mische Austauschdienst, das Goethe- unmöglich. Zehn Personen passen nicht in
Institut, die Deutsche Welle Akademie, einen PKW? Doch, das tun sie. Nudeln ko- Schüler*innen engagieren sich in dieser
das Deutsche Archäologische Institut, chen im Regenwald ohne Topf geht nicht?
der Pädagogische Austauschdienst in Doch, es geht. Zeit in einem selbst organisierten sozia-
Kooperation mit der Zentralstelle für das
Auslandsschulwesen sowie zahlreiche Somit habe ich während meines Frei- len, ökologischen oder nachhaltigen Pro-
UNESCO-Nationalkommissionen welt- willigendienstes nicht nur wertvolle be-
weit. rufliche Erfahrungen gesammelt, neue jekt vor Ort. Im Vordergrund steht dabei
Freunde und ein interessantes Land ken-
An kulturweit können alle jungen nengelernt. Ich habe auch Werte und nicht der Aufenthalt an einem möglichst
Menschen zwischen 18 und 26 Jahren Weltanschauungen mitgenommen, die
teilnehmen, die in Deutschland leben. attraktiven Ort im Ausland, sondern der
Interessierte können sich bereits mit 17
Jahren bewerben. kulturweit-Freiwillige Einsatz für andere Menschen und/oder Na-
werden intensiv auf ihre Zeit im Ausland
vorbereitet und finanziell unterstützt: tur und Umwelt im Rahmen eines sinnvol-

len Projekts. Zentraler Aspekt des Projekts

ist das Organisieren, Konzipieren, Planen

und Durchführen des etwa dreimonatigen

Auslandprogramms.

AufWunsch können dieSchüler*innen

der 11. Klasse auch sechs oder zwölf Mo-

nate im Ausland bei einer Gastfamilie

wohnen und die dortige Schule besu-

chen. I.K.

16

Thema

Arbeiten in der Ferne

Als Lehrkraft ins Ausland das Thema Technologie, hat fünf Jahre in Nachdenkgedanken
Hongkong verbracht,gemeinsam mit ih-
Biologie unterrichten in Shanghai, Ge- rem Mann und dem kleinen Sohn. Reisen macht bescheiden. Man er-
schichte vermitteln in Mailand oder kennt, welch kleinen Platz man in der
Deutsch als Fremdsprache lehren in Lima? Saori Dubourg (hat BWL studiert) Welt bestzt.
Es gibt viele Möglichkeiten für Lehrkräfte, ist seit 2017 im Vorstand der BASF. Die
für einige Jahre an einer Schule im Aus- Deutsch-Japanerin hat viele Jahre für die Gustav Flaubert
land zu arbeiten. Firma im Ausland verbracht (USA, Japan,
Singapur und Hongkong). Nach Singapur Die Welt ist ein Buch, und diejeni-
Weltweit gibt es 137 von der Bundes- wurde sie von ihrem Mann und der Toch- gen, welche nicht reisen, lesen nur
republik anerkannte Deutsche Schulen ter begleitet. eine Seite.
im Ausland. Sie sind Orte der Begegnung
und des interkulturellen Dialogs. Sie le- Aber auch Akademikerinnen, die in St. Augustinus
gen Wert auf die Mehrsprachigkeit und einem global agierenden Unternehmen
individuelle Förderung ihrer Schülerin- im unteren bzw. mittleren Management Das Salz des Reisens sind die glück-
nen und Schüler, die sowohl deutsche tätig sind, müssen sich auf Reisen ins lichen Zufälle.
als auch internationale und einheimi- Ausland einstellen. Im Bereich Forschung
sche Schulabschlüsse erwerben können. und Entwicklung gilt es durch regelmäßi- Peter Baum
ge Besuche global agierende Kunden zu
Etwa 2.000 Lehrerinnen und Lehrer betreuen, deren jeweiliges Entwicklungs- Zum Reisen gehört Geduld, Mut, gu-
unterrichten an den von der ZfA geför- zentrum sich in Asien oder USA befindet. ter Humor, Vergessenheit aller häusli-
derten Schulen im Ausland. cher Sorgen und dass man sich durch
Frauen als Chef einer Produktionsan- widrige Zufälle, Schwierigkeiten, bö-
Wer bereits im innerdeutschen Schul- lage sind zwar noch selten, aber es ist ses Wetter, schlechte Kost und der-
dienst fest verbeamtet oder unbefristet nicht unrealistisch, dass sie zur „Inbe- gleichen nicht niederschlagen lässt.
angestellt ist, die für Ihre Anstellung vor- triebnahme“ einer neuen Anlage an ei-
geschriebenen Prüfungen abgelegt und nen anderen Standort müssen, und dort Adolph v. Knigge
sich im innerdeutschen Schuldienst be- bis zum erfolgreichen Start auch etliche
währt hat, kann sich als Auslandsdienst- Wochen verbringen müssen. Man soll reisen, bevor man einen
lehrkraft bewerben. Unter bestimmten Mediakmentenkoffer braucht.
Voraussetzungen besteht auch die Mög- Wer in den Bereichen Qualitätsma-
lichkeit, als Schulleiterin oder Schulleiter nagement und Arbeits- und Produktsicher- Walter Sedlmayr
oder in der Fachberatung und Koordinati- heit arbeitet, ist realistischerweise auch
on zu arbeiten. viel auf Reisen. Weltweit sollen ja gleiche Man muss reisen, um zu lernen.
Standards für Produkte und deren Her- Mark Twain
© BUNDESAMT FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGEN- stellung gelten. So sind zum einen Schu-
HEITEN - ZENTRALSTELLE FÜR DAS AUSLANDS- lungen der Mitarbeiter in anderen Pro- Die größte Sehenswürdigkeit, die es
SCHULWESEN - 2022 duktionsstandorten weltweit nötig. gibt, ist die Welt – sieh sie dir an.

Für die Firma unterwegs Zum anderen muss über jährlich wie- Kurt Tucholsky
derkehrende Audits („Inspektionen“) in
Wie viele internationale Unternehmen allen Produktionsanlagen abgesichert Man reist ja nicht, um anzukommen,
verfolgt auch die BASF das Ziel, 2030 ei- werden, dass diese Standards auch im sondern um zu reisen.
nen Anteil von 30 Prozent Frauen bei den realen Leben eingehalten werden.
Führungskräften zu erreichen. Parallel Joh. Wolfg. v. Goethe
dazu gibt es vermehrt Angebote für Un- Fünfzig Reisetage pro Jahr sind nicht
terstützung bei Delegationen ins Ausland. ungewöhnlich. Die Reisenden, und sicher Manche Leute reisen, um Neues zu se-
Anwärter auf eine Position im Vorstand nicht nur die Frauen, sind froh darüber, hen; aber sie sehen das Neue leider
bzw. der Ebene darunter müssen zwin- dass heutzutage die kiloschweren Akten- immer mit alten Augen.
gend längere Auslandsaufenthalte in ih- koffer mit Folien für Präsentationen zu-
rer Vita aufweisen. nächst durch Laptops abgelöst wurden, Charlotte von Kalb
gefolgt von mobilen Speichermedien
Melanie Maas-Brunner, Chemikerin, und zunehmend sicherem Datenzugriff Frauen interessieren sich mehr für die
seit 2021 im Vorstand der BASF zustän- auf Dateien, die in Ludwigshafen gespei- Menschen an einem bestimmten Ort
dig für den Standort Ludwigshafen und chert sind. als Männer.

Birgit Potthoff-Karl Mick Conefrey

17

Rätsel

In der letzten Ausgabe stellten wir Ihnen – sicher haben Sie es erraten - Katia Mann vor. Sie wurde 1883 in München als Toch-
ter von Hedwig und Alfred Pringsheim geboren. Die hochintelligente Frau hatte bereits im Alter von siebzehn Jahren ihr Abitur
abgelegt und ein Studium der Mathematik und Physik begonnen, als sie Thomas Mann heiratete. Zugunsten der Familie und
der Unterstützung ihres Ehemanns und weltberühmten Autors verzichtete Katia Mann auf eine eigene Karriere als Wissen-
schaftlerin. Sie lebten zuerst in München, ab 1933 in der Schweiz und in den USA. 1952 kehrten sie in die Schweiz zurück. Am
30. April 1980 starb sie in ihrem Haus in Kilchberg bei Zürich.

Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki führt zur Rolle Katia Manns aus, dass sie, „indem sie zwischen Thomas Mann und
der Umwelt, zwischen seinem Werk und dem täglichen Leben vermittelte, sein Werk erst ermöglichte und damit zu den oft un-
terschätzten Frauen gehört, denen Deutschland unendlich viel zu verdanken hat“. Über Katia Mann sind mittlerweile zahlrei-
che Biografien erschienen, die ihr postum in der Öffentlichkeit eine große Anerkennung verleihen.

Doch nun zu einer weiteren bedeutenden Persönlichkeit:

Auch ich war viel unterwegs und bin viel gereist, geistig und Danach blieben mir noch vier Jahre, bis ich Deutsch-
geografisch. Als ich 1906 in der Nähe von Hannover gebo- land 1933 verlassen musste. Ich mache es jetzt kürzer
ren wurde, herrschte in Europa noch die österreichische als es war: Von Paris aus, wo ich 1940 meinen zweiten
Donau-Monarchie und das deutsche Kaiserreich. Unter- Mann geheiratet habe, bin ich über Spanien und Por-
gründig war die Brüchigkeit der Systeme schon zu spüren. tugal in die USA gekommen, wo ich auch sprachlich
schnell Fuß gefasst habe.
Meine nächste Station war Königsberg, wohin meine
Eltern umsiedelten, als ich noch keine drei Jahre alt war. Für unzählige, eher politische als philosophische
Mein Vater starb früh. Ab 1913 war meine Mutter alleinerzie- Vorträge bin ich um die halbe Welt gereist. Meine seit
hend, wie das später genannt wurde. Sie ließ mich freiheit- den 1960er Jahren weltweit kontrovers diskutierten Er-
lich aufwachsen und eröffnete mir damals frauenuntypische kenntnisse über die Motivlosigkeit des Bösen waren
Bildungsmöglichkeiten. und sind bis heute alles andere als banal.

Mein Verhalten in der Schule galt als unangepasst. Ich konnte nicht ahnen, dass es mein letztes Le-
Nachdem ein Lehrer mich beleidigt hatte, habe ich ihn bensjahr sein würde, in welchem ich dem einzig noch
mit einem kollektiven Unterrichts-Boykott bestraft und lebenden meiner geistigen Erwecker einen Besuch ab-
bin von der Schule geflogen. Sei’s drum! Lesen und ler- gestattet habe. Es war unsere Abschiedsbegegnung
nen konnte ich schon lange allein. Mein Abitur habe ich vom Leben.
1924 mit glänzenden Noten als Externe bestanden.
Viele Jahre später hat die französische Schriftstelle-
Schon 1923 erzählte mir ein Freund von Vorlesungen, rin Catherine Clément meiner Geistes- und Seelenbe-
die er in Marburg bei einem gewissen Heidegger gehört ziehung zu meinem Mentor einen einfühlsamen biogra-
hat. Dahin zog es mich auch. Meine Studien setzte ich in fischen Roman gewidmet.
Freiburg und Heidelberg fort, wo ich sie 1929 mit einer
philosophischen Dissertation abschloss.

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Für Sie gelesen

Unterwegs in Deutschland tigkeit endgültig auf, um fortan weit wan- sen kann uns erstaunliche, unvergessli-
dernd unterwegs zu sein. Ihre Schlafstät- che, einmalige Erlebnisse bieten. Wenn
Wer wieder mal vorhat, durch Deutschland ten findet sie auf Campingplätzen oder in wir aber auch in unserem Alltag das Ent-
zu reisen, wofür manches spricht, sollte der freien Natur. Ab August 2013 wandert decken nicht vergessen — indem wir die
auf dieses Buch keinesfalls verzichten. Es sie von Koblenz bis ins andalusische Tarifa. Schönheit, die uns umgibt, finden und
lädt alle zu einer Erkundung Deutschlands wertschätzen lernen —, verwandelt sich
ein: neugierige, sentimentale, im Zeichen Was für die „meistgewanderte“ Frau auch Alltägliches in ein unglaubliches
der Umweltschonung umdenkenden Rei- der Welt Augen-Idyllen sind, bedeutet Abenteuer.«
sende. Mit alten Reiseberichten, Reise- für die Dorfbewohner Arbeitslosigkeit
schulen, Wanderführern, mit vergessenen, und Armut. Christine Thürmers Schil- Pip Stewart: Life Lessons aus dem
skurrilen, philosophierenden Texten über derungen sind alltagsethnologische Er- Amazonas – Was ich bei meinem
das Reisen in Deutschland geht es hin zu kundigungen abseits der Großstädte. Dschungel-Abenteuer fürs Leben lern-
märchenhaften Orten abseits der großen Der leichtgängige Plauderton, in dem sie te. DuMont Reiseverlag 2022 (ca. 352
Straßen, zu uralten Bäumen, zu Parks, ihre Langstrecken-Etappen beschreibt, Seiten).
Bädern, Klöstern. täuscht darüber hinweg, wie anstren-
gend diese Alleingänge sind. Die Untiefen des
Das außergewöhnlich gestaltete Buch Kulturbetriebs
erhielt den Buchpreis der Internationalen Christine Thürmer: Wandern, Ra-
Tourismus-Messe Berlin (ITB) 2022 in der deln, Paddeln, 12.000 Kilometer Aben- Der Förderverein eines Museums, der ei-
Kategorie Das besondere Buch - Reisen in teuer in Europa, Piper-Verlag 2018 (Ta- nen Museumsneubau finanziell mit erheb-
Deutschland. schenbuch, 319 Seiten) lichen Mitteln fördern und ausschließlich
einem einzelnen zeitgenössischen, sehr
Thomas Böhm (Hrsg.): Da war ich Braucht es eine feministische umstrittenen Künstler widmen will, un-
eigentlich noch nie – Die Wunderkam- Außenpolitik? ternimmt eine mehrtägige Kunstreise zur
mer des Reisens in Deutschland. Sach- Arbeitsstätte des Künstlers, um nach der
buch. Verlag das kulturelle Gedächtnis Ja, ist die Meinung der Autorin Kristina persönlichen Begegnung mit diesem über
(320 Seiten, gebunden). Lunz.Sie fordert in ihrem Buch, Frauen die Förderung zu entscheiden. Keine gro-
sichtbar zu machen, nicht nur mit Blick ße Literatur, aber für humorvolle (!) Kunst-
Unterwegs sein als auf die Geschichte, sondern auch für un- liebhaber eine unterhaltsame Lektüre, ein
Lebensform sere Zukunft, und dies muss durch poli- köstlicher Spaß!
tische Entscheidungen erzeugt werden.
In den Jahren 2013 und 2014 war die Lang- Feministische Außenpolitik würde ein zeit- Kristof Magnusson: Ein Mann der
strecken-Wanderin Christine Thürmer die gemäßes Rollenverständnis sowie Empa- Kunst. Verlag Antje Kunstmann, Mün-
meiste Zeit Tausende von Kilometern zu thie miteinschließen, so auch Sonja Mikich chen 2020,(220 S.)
Fuß, per Rad oder paddelnd im Kajak in in der SZ. Wurde nicht Annalena Baerbock
Europa unterwegs. Als Vierzigjährige gab eben noch als Kanzlerkanditatin verlacht Gustav Mahlers letzte Reise
die ehemalige Managerin ihre Berufstä- und wird jetzt als Deutschlands erste Au-
ßenminsterin anerkannt? An Deck eines Schiffes auf dem Weg von
New York nach Europa sitzt Gustav Mahler.
Kristina Luntz, Die Zukunft der Au- Er ist berühmt, doch sein Körper schmerzt.
ßenpolitik ist feministisch, Econ-Ver- Während ihn der Schiffsjunge umsorgt,
lag, 440 Seiten, geb. Ausgabe. denkt er zurück an wichtige Stationen und
Begegnungen seines Lebens. Robert See­
Die Schönheit wertschätzen thalers Buch "Der letzte Satz" ist das ergrei-
fende Porträt eines Künstlers als müde ge-
Ihre Abenteuerlust brachte die Autorin und wordener Arbeiter, dem die Vergangenheit
Journalistin schon um die halbe Welt. Nun in Form glasklarer Momente der Schönheit
wagte sie es, mit Freundinnen durch ei- und des Bedauerns entgegentritt.
nen der entlegensten Dschungel der Welt
zu reisen. Die Kapitel ihres Buches tragen Robert Seethaler: Der letzte Satz.
bezeichnende Titel wir Geduld, Konflikt, Carl Hanser Verlag, München (2020),
Wachstum, Wertschätzung, Grenzen usw.
Das Hörbuch zu “Der letzte Satz”
Mit nach Hause brachte sie viele Er- wird von Matthias Brandt gelesen und
kenntnisse auch darüber, was im Leben erscheint bei Roof Music über audible.
wirklich wichtig ist und schreibt: »Rei-
Red.Team

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Aktuelle Kunstausstellungen

August Macke – stellung 2022. Über 60 Werke des norwegi- ERNST WILHELM NAY
Begegnungen schen Künstlers zeigen das beeindrucken-
de Œuvre, welches für die moderne und Kunsthalle Hamburg
Museum August Macke Haus Bonn zeitgenössische Kunst wegweisend ist. Bis 07. Aug 2022
Bis 16. Oktober 2022 Dies beweisen bedeutende KünstlerIn-
nen der Gegenwart ,die mit Munch in Di- Seine kraftvollen, farbintensiven Bilder
Die Sonderausstellung spürt einigen der alog treten: Darunter Georg Baselitz, Andy gelten als Brücke zwischen der Kunst vor
wichtigsten Verbindungen August Mackes Warhol, Marlene Dumas und Jasper Johns. und nach dem Zweiten Weltkrieg, zwi-
im Rheinland anhand signifikanter Werke schen Expressionismus, Abstraktion und
und Dokumente nach und befasst sich Edward Hopper. Die innere einer freien Malerei nach 1945, zwischen
mit Themen und Motiven, die für ihn und und die äußere Welt deutscher und internationaler Moderne:
die Rheinischen Expressionisten charak- Ernst Wilhelm Nay (1902–1968). Mit rund
teristisch sind. Gemäldegalerie Alter Meister, Dresden- 120 Gemälden, Aquarellen und Zeichnun-
Bis 31.Juli 2022 gen berücksichtigt diese Retrospektive alle
Paul Gauguin – Why Etappen von Nays facettenreichem Werk.
Are You Angry?
Farbe ist Programm / SIMONE
Alte Nationalgalerie, Berlin DE BEAUVOIR UND „DAS
Bis 10. Juli 2022 ANDERE GESCHLECHT“

Paul Gauguin (1848-1903) gehört zu Edward Hopper, Morning Sun, 1952 Bundeskunsthalle Bonn
den einflussreichsten Wegbereitern der Columbus Museum of Art© Heirs of Jose-
künstlerischen Moderne, dessen be- phine N.Hopper / VAGA at ARS, NY / VG Die Ausstellung (bis 7. August) beschäftigt
kannteste Gemälde in den Jahren zwi- Bild-Kunst, Bonn 2022 sich mit dem Thema der Farbe als program-
schen 1891 und 1901 auf der Südseein- matisches Mittel. Sie versammelt kunst-
sel Tahiti entstanden.Die Ausstellung Edward Hoppers eindrucksvolles Gemälde und kulturgeschichtliche Exponate aus
betrachtet die Werke Gauguins und kon- Morning Sun wird als besonderer Gast aus über 100 Jahren, kulminierend in Beiträ-
frontiert seine Werke mit Positionen zeit- dem Columbus Museum of Art in der Ge- gen zeitgenössischer Kunst.
genössischer Künstler*innen. mäldegalerie Alte Meister zu sehen sein.
Gemeinsam mit grafischen Arbeiten Hop- Simone de Beauvoir (1908–1986) ge-
Bild und Raum – Claudia Höfer pers wird dieses Werk erstmals in einer hört zu den wichtigsten Intellektuellen
Ausstellung in Dresden präsentiert. des 20. Jhs. und gilt als Ikone der Frau-
Museum für Fotografie enbewegung. Mit Le deuxième sexe wid-
Bis 28. August 2022 Flowers! met sich die Ausstellung (bis 16. Oktober)
ihrem berühmtesten Werk, das nichts an
Candida Höfer erforscht mit ihren Fotogra- Museum am Ostwall im Dortmunder U Relevanz verloren hat.
fien gebaute Räume. Ihre weltbekannten Bis 25. September 2022
Interieurs nehmen Bibliotheken, Museen, DOCUMENTA FIFTEEN
Gaststätten, Theater und andere öffentlich In einem Blumenstrauß spiegeln sich zu-
zugängliche Orte in den Blick, lassen die gleich Schönheit und Vergänglichkeit, Wer- 18. Juni bis 25. September, Kassel
Architektur neu erleben. Die Ausstellung den und Vergehen wider. Noch heute ist
eröffnet mit etwa 90 Werken einen brei- das Interesse an dem Motiv ungebrochen Erstmals übernimmt die Künstle-
ten Querschnitt durch die Raumaufnah- groß. Die Ausstellung zeigt die Entwicklung rische Leitung das indonesische
men Candida Höfers von 1980 bis in die der Blumendarstellungen von der Klassi- Künstler*innenkollektiv ruangrupa: „Wir
unmittelbare Gegenwart. schen Moderne bis zur Gegenwartskunst wollen eine global ausgerichtete, koope-
anhand von 180 Exponaten auf. Mit da- rative und interdisziplinäre Kunst- und
Edvard Munch–Im Dialog bei sind Werke von Hans Arp, Max Beck- Kulturplattform schaffen, die über die do-
mann, Joseph Beuys, Max Ernst, Andreas cumenta fifteen hinaus wirksam bleibt.
Albertina Wien Gursky, Ernst Ludwig Kirchner, Gerhard Unser Ansatz zielt auf ein gemeinschaft-
Bis 19. Juni 2022 Richter, Günther Uecker und Hito Steyerl. lich ausgerichtetes Modell der Ressour-
cennutzung – ökonomisch, aber auch im
Die ALBERTINA widmet Edvard Munch Hinblick auf Ideen, Wissen, Programme
(1863–1944) eine fulminante Frühjahrsaus- und Innovationen.“

Inge Kellersmann

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Aus dem Verband

In memoriam Irma Hildebrandt-Laux

Am 9. März 2022 ist Irma Hildebrandt- scheinen, 2021, ein Roman
Laux, die „Literaturfrau des Verbandes“
– wie sie sich selbst einmal bezeichnete über Passagen aus dem Le-
– in Luzern verstorben. Geboren wurde
sie am 17. Juni 1935, schon in jungen Jah- ben der großen Philosophin
ren hat sie sich als examinierte Pädago-
gin für Bildung engagiert und zusätzlich Hannah Arendt, hat mir sehr
Germanistik, Romanistik und Theaterpä-
dagogik studiert. imponiert: unbedingt le-

Letztlich aber wurde ihr die Schrift- senswert!
stellerei zum Beruf. Sie war zweimal ver-
heiratet, zunächst mit Herbert Thor Laux, Mit Sachbüchern, Bio-
nach dessen Tod mit dem Soziologen Wal-
ter Hildebrandt. Sie ist Mutter von vier Kin- grafien, Essays, Kurzpro-
dern, hat zwölf Enkel und drei Urenkel.
sa, Lyrik und Hörspielen hat
Im Jahre 1957 zog sie mit ihrem Mann
nach Vlotho/Niedersachsen um, der als Irma Hildebrandt als Auto-
Dozent im dortigen Gesamteuropäischen
Studienwerk wirkte. 1979 begann die Irma Hildebrandt Foto: Regula Laux rin ein reichhaltiges literari-
publizistische Tätigkeit von Irma Hilde-
brandt und bereits zwei Jahre später setz- sches Werk geschaffen. Sie war Mitglied
te ihre auf unterschiedliche Arbeitsfelder
konzentrierte Zusammenarbeit mit unse- torials, einen Großteil der Beiträge und in verschiedenen Schriftsteller- und
rem Verband ein: Sie wurde Redakteurin
unserer Zeitschrift „frau und kultur“, sie die Rezensionen. Gleichwohl galt ihr En- Künstlerinnenvereinigungen, darun-
hielt Vorträge und Lesungen und fungier-
te als Leiterin des Sachgebietes Litera- gagement im Rahmen der zunehmenden ter auch dem PEN, und sie hat zahlrei-
tur. Bis 2006 organisierte und gestalte-
te sie 26 Literaturseminare in Vlotho, die Gleichberechtigung auch der sich wan- che Preise und Auszeichnungen erhal-
zu den herbstlichen Highlights im jährli-
chen Seminarleben zählten. delnden Rolle der Frau in der Gesellschaft ten. Für unseren Verband war sie über

Eine spezifische Lektüreliste sorgte mit ihrer steigenden Akzeptanz und Re- vier Jahrzehnte die literarische Instanz
für die jeweilige Vorbereitung des Jah-
resthemas, das durch Fachvorträge in- präsentanz. schlechthin.
tensiviert wurde. Eingeladen wurden
auch namhafte Autoren und Autorinnen, Ihre Passion für die Literatur hat Irma Für ihre langjährige Verbundenheit
ebenso Gäste aus dem Theater-, Kunst-
und Musikbereich. Die Literatursemina- Hildebrandt mit uns Lesern und Leserin- mit uns sind wir ihr zu großem Dank ver-
re unter ihrer Leitung entwickelten sich
zu hochgeschätzten und geselligen, von nen bis ins hohe Alter und zuletzt noch pflichtet. Wir werden Irma Hildebrandt
den Teilnehmerinnen begeistert wahrge-
nommenen Veranstaltungen. bis in das aktuelle Heft 1/2022 unserer als kenntnisreiche Autorin und Redak-

Nach ihrer Rückkehr nach Luzern im Zeitschrift geteilt, in Form von Nachdenk- teurin, die Gegenwartsfragen stets offen
Jahre 2007 entfielen bedauerlicherweise
diese Seminare wie auch nach und nach gedanken und in der Bücherschau Für Sie gegenüber war, sehr vermissen. Als be-
die Vorträge und Lesungen in den Grup-
pen. gelesen. Eine ihrer Empfehlungen in Heft scheidene und liebenswürdige Persön-

Jedoch verantwortete sie nach wie vor 2/2021 von Hildegard E. Keller, Was wir lichkeit hat sie unser Herz berührt.
bis zum Jahre 2020 die thematische Aus-
richtung unserer Zeitschrift sowie die Edi- Elisabeth Kessler-Slotta

"Eine wache Zeitgenossin"

Frauenforschung und Frauenbiografik sind katholischen Ordensgründerin Mary Ward
keine Erfindung des Quotenzeitalters. Bei zu würdigen, publiziert im Band Frauen,
Irma Hildebrandt lag der Schwerpunkt auf die Geschichte schrieben (2002).
recherchierter essayistischer Dichte. In ei-
nem Dutzend Büchern gestaltete sie eine Als Redaktorin der Zeitschrift Frau
dreistellige Zahl markanter Frauenleben. und Kultur verfasste Irma Hildebrandt
Das Spektrum reicht von der Zürcher Ba- während Jahrzehnten historische Por-
rockmalerin Anna Waser über die zu ho- träts deutscher Frauen. Glanzvoll über
hem künstlerischem Ruhm gelangte Sophie Rahel Varnhagen mit ihrem berühmten
Taeuber-Arp, die Schauspielerin Therese Salon in Berlin. Im Geiste Varnhagens
Giehse sowie die Kabarettistin Elsie Atten- gründete Irma Hildebrandt zusammen
hofer bis hin zu Einsteins Ex-Frau Mileva, mit ihrem zweiten Mann, dem Bielefel-
der begnadeten Mathematikerin. der Soziologen Walter Hildebrandt, die
jeweils Ende August in Ruswil veranstal-
Porträts von Lebenden fehlen nicht: teten «Sigiger Gespräche». Mitgeprägt
Vreni Spoerry, Lilo Pulver, Micheline Cal- von Hilde Domin, ihrer bedeutendsten
my-Rey, Carla Del Ponte, Angela Merkel. Weggefährtin, steuerte Irma Hildebrandt
Als brillante Stilprobe von historischer Tiefe gelegentlich eines ihrer tiefsinnig-apho-
ist Hildebrandts meisterhafte Biografie der ristischen Gedichte bei.

21

Aus dem Verband

Die Gespräche galten nebst Belletris- Ruhe zu planen. Dann erzählte sie mir Ich bin Irma Hildebrandt so dankbar,
tik und Wissenschaft vielfach dem Zeitge- auch mal von früher und aus ihrer Zeit in nicht nur für die hervorragende Zusam-
schehen, so dem Jugoslawienkrieg, wozu Vlotho. Als Theaterbegeisterte wäre sie menarbeit. Ich habe viel von ihr gelernt
der Osteuropa-Kenner Professor Hilde- gern Regisseurin geworden, aber dann und schätze sie als eine gescheite, ruhi-
brandt, der sich auch in der Ukraine wie lernte sie ihren Mann kennen, zog mit ge und liebenswerte Frau.
wenige auskannte, Hintergründiges zu ihm nach Vlotho und führte bald Regie
sagen hatte. über eine wachsende Kinderschar. Sie hat mich ermuntert, das Heft wei-
ter zu erarbeiten. Als Nachfolgerin – zum
Irma Hildebrandt, eine wache Zeitge- Nebenbei gründete sie mit einem Mu- Glück wieder im guten Team – gewann
nossin, hinterlässt als eine der gebildets- siker und einem bildenden Künstler eine ich dank ihr, die Zuversicht dazu.
ten Schweizerinnen unserer Tage ein an- Jugendkunstschule in einer alten Zucker- Irma Hildebrandt wird uns sehr fehlen.
regendes Lebenswerk. Eine alles andere fabrik. Sie erarbeitete mit Kindern und
als wehleidige, im konstruktiven Sinne Jugendlichen zusammen eigene Stücke, Inge Kellersmann
bildungsorientierte «starke» Frauenfor- die sie auf großer Bühne aufführten.
schung. Zeitmaß
Mit dem Flüggewerden ihrer vier Kin-
Auszug aus dem Nachruf von Pirmin Meier im der hatte sie wieder mehr Freiraum und Der Atem
nutzte ihn für ein erneutes Studium an wird kürzer
Schweizer Wochenmagazin "Die Weltwoche" der Uni Bielefeld. Sie begleitete spä- knapper
ter auch ihren Mann zu Kongressen und der Vorrat
am 23. März 2022 Gastvorlesungen in aller Welt und unter- an Zeit
nahm auch eigene Lesereisen, meist zu
Ein gutes Team deutschen oder schweizerischen Schu- Wer ihn vergeudet
len, etwa in Namibia, Japan oder Süd- hält unversehens
Als mich Irma Hildebrandt vor zwölf Jah- amerika. das Stundenglas
ren fragte, ob ich ab und zu etwas für die leer
Zeitschrift schreiben möchte, zögerte ich Sie hatte mit ihren 86 Jahren noch vor, in der Hand
zunächst. Ich las daraufhin ihr treffend for- einen Lyrikband zu veröffentlichen und
muliertes Editorial, ihre interessanten Ar- mit ihrer Tochter und Enkelin ein 3-Gene- Irma Hildebrandt
tikel und ihre Gedichte mit noch größerer rationen-Buch zu erstellen. Im Dezember
Aufmerksamkeit als bisher. Ich war beein- hat sie einen Schlaganfall bekommen.
druckt von ihrem persönlichen Schreibstil
und großen Wissen. Herzliche Einladung

Nach und nach sandte ich ihr eigene zur Jahreshauptversammlung 2022 vom
Beiträge und Fotovorschläge zu den un-
terschiedlichsten Themen. Wir wurden 14. bis 15. August 2022 in Bochum
ein gutes Team. Vor allem dann, als ich
2011 das Layout übernahm und die Zeit- So., 14. August 2022
schrift farbig wurde. 15:00 Uhr Themenführungen im Deutschen Bergbaumuseum Bochum
18:00 Uhr Empfang im Hotel und Festveranstaltung
Zusammen gestalteten wir Heft für
Heft, 10 Jahre lang, 32 Seiten, 4 mal und Mo., 15. August 2022, 9.00 Uhr Ordentliche Mitgliederversammlung
zeitweise 3 mal im Jahr.
Tagungspauschale: 60,00 €
Sie schlug die Themen vor und sand- Übernachtung (falls gewünscht) im EZ 104.- € , DZ 114.- € inkl. Frühstück
te mir per Mail die Artikel zu, oft um 3 Uhr
nachts. “Ich kann nachts am besten den- Verbindliche Anmeldung zur Teilnahme nur über die
ken“, meinte sie. Es folgten die Buchbe- Gruppenvorsitzenden bis zum 15. Juni 2022
sprechungen, interessante Kurzberichte,
die Nachdenkgedanken, das Porträt ei- Tagungsort: Mercure Hotel Bochum City, Massenbergstraße 19-2
ner Frau, zum Schluss das Editorial. 44787 Bochum, Tel.: 0234-969-1888
Eventuelle Programmänderungen vorbehalten
Ich fügte die Kunstausstellungen, die
Verbandsnachrichten und die Gruppen- Wir freuen uns über Ihr Interesse!
berichte in das Heft ein. Nicht zu verges- Im Namen des Bundesvorstandes Ihre Dr. Elisabeth Kessler-Slotta
sen: die Korrekturen. Alles musste stim-
men.

Einige Male besuchte ich sie in ih-
rer Luzerner Wohnung, um ein Heft in

22

Aus dem Verband

Gruppen berichten von ihren Veranstaltungen

Als eine Welt unterging (Sturmtief „Bernd“) „Mascha Kaléko“

Die Flutkatastrophe des Sommers 2021 hat uns die Gewalt Vortrag von Christa Eglinski-Horst
der Natur vor Augen geführt. Die unglaubliche Zerstörungs-
kraft und die Schicksale der Betroffenen der Flutkatastrophe Die Referentin stellte uns das Leben und Werk der Dichterin
haben weltweit Entsetzen hervorgerufen. Mascha Kaléko vor. Sie rezitierte dabei zahlreiche Gedichte;
insgesamt war ihr Vortrag geprägt von ihrer Begeisterung und
Die von der Flut überrollten Regionen sind geprägt durch Empathie für die Poetin.
jahrhundertalte Fachwerkbauten und historische Ortskerne,
durch idyllische Täler und Weinberge. Das alles wieder auf- Mascha Kaléko wurde 1907 in Galizien geboren – was sie
zubauen und herzurichten braucht Jahre. später meist verschwieg, um nicht direkt armen Ostjuden zu-
geordnet zu werden.
Viele Bewohner haben die Region verlassen, aber viele
wollen auch ihre Heimat wieder aufbauen, denn hier schla- Seit 1918 wohnte die Familie in Berlin. Hier wurden die
gen die Herzen der Ahrtaler. beiden Töchter von christlichen Kindermädchen erzogen und
lernten somit auch die Sprache der Berliner, die man schon in
Die von den einzelnen Gruppen gespendeten Gelder hel- den frühen Gedichten Mascha Kalékos findet.
fen unseren flutgeschädigten Mitgliedern. Wir haben die Ver-
teilung der Spenden kategorisiert nach: Mascha war ein anstrengendes Kind, das sich erlaub-
te, selbst zu denken und auch Nein zu sagen. Sie selbst be-
• Totalschäden der Wohnung bzw. der Hausetagen, schreibt sich in einem Gedicht als „Enfant terrible“. Nach ih-
• Autoschäden, welche nicht ganz von der Versicherungs- rer Schul- und Studienzeit arbeitete sie als Kontoristin und
heiratete 1928 Saul Aaron Kaléko, den sie seit 1926 kannte.
summe gedeckt wurden,
• Dinge, die im Keller gelagert oder aufgestellt waren, Ende der 1920er Jahre kam Mascha mit der künstlerischen
Avantgarde Berlins in Kontakt, die sich im Romanischen Café
wie z.B. Waschmaschine, Trockner, E-Rad, Winterklei- traf. Nun wurde sie auch durch ihre Gedichte bekannt.
dung usw.
• Busfahrt im April zum Folkwang-Museum in Essen, um Monty Jacobs, der Feuilletonleiter der „Vossischen Zei-
nach schrecklicher Zeit wieder etwas Schönes zu erle- tung“ (eine überregional bekannte Berliner Zeitung), ent-
ben. Aufgrund der großen Nachfrage ist eine weitere deckte sie und veröffentlichte ihre Gedichte. Auch in der Ber-
Kulturfahrt im Mai nach Frankfurt zum Städel geplant. liner Morgenpost und dem Simplicissimus erschienen diese.
• Da wir immer noch keinen entsprechenden Raum für
unsere Veranstaltungen gefunden haben, nutzen wir Heimweh, wonach?
einen Teil des Spendengeldes, um die hohen zusätzli-
chen Raummieten z.B. in der Jugendherherbe zu bezah- Wenn ich „Heimweh“ sage, sag ich „Traum“.
len. Räume für eine Gruppe in Restaurants, Cafés oder Denn die alte Heimat gibt es kaum.
Hotels gibt es noch nicht. Der Aufbau von Räumlichkei- Wenn ich Heimweh sage, mein ich viel:
ten in Bad Neuenahr schreitet nur langsam voran, da Was uns lange drückte im Exil.
Material und Handwerker fehlen. Fremde sind wir nun im Heimatort.
Nur das „Weh“, es blieb.
Nochmals allerherzlichsten Dank an alle, die spontan nach Das „Heim“ ist fort.
dem Spendenaufruf von Ines Waaldijk, Hilfe geleistet haben.
Es war eine Überraschung. aus: Mein Lied geht weiter, von Mascha Kaléko

Gleichzeitig danken aber auch die betroffenen Damen der Sie beschreiben die Lebenswelt der kleinen Leute und die At-
Gruppe Bad Neuenahr für die überaus großzügige finanzielle mosphäre in Berlin. Als einzige bekannte dichtende Frau der
Hilfe. In diesen Krisenzeiten wird erneut deutlich, wie wichtig Neuen Sachlichkeit wurde sie häufig mit ihren männlichen
ein solidarisches Miteinander für die Gesellschaft ist. Nur ge- Kollegen, z.B. Ringelnatz und Tucholsky, verglichen. Ihre Ge-
meinsam sind wir stark. dichte sind geprägt durch Witz, Ironie und die Melancholie
des jüdischen Ostens.
Wenn wir zusammenstehen, einander zuhören und hel- („Sonntagmorgen in Berlin“, „Großstadtliebe“, „Das Ende
fen, dann können wir vereint als Gesellschaft jede Hürde be- vom Lied“)
wältigen.
23
Anke Linsa, 1. Vorsitzende der Gruppe Bad Neuenahr/
Ahrweiler

Aus dem Verband

1933 publizierte sie das „Lyrische Stenogrammheft“. Als Traumgärten am Lago Maggiore
kecke und lebhafte junge Frau entsprach sie so gar nicht dem
üblichen Bild eines Dichters. Die erste Auflage erschien mit Vortrag von Detlev Hoffmann
100.000 Exemplaren, die zweite Auflage wurde aber dann
von den Nazis beschlagnahmt und verbrannt. „Am Lago Maggiore verbindet sich südlicher Charme mit der
Majestät der Alpen.“ Mit diesem Satz des französischen Schrift-
Im Dezember 1936 wurde ihr Sohn Evjatar Alexander Mi- stellers Stendhal leitete Detlev Hoffmann seinen Foto-Vortrag
chael in Berlin geboren (sein Name wurde im Exil in Steven über den Lago Maggiore ein. Stimmungsvolle Ansichten vom
geändert). Sein Vater war Maschas große Liebe, der Dirigent Lago Maggiore, ursprüngliche Uferlandschaften, beschauli-
und Musikwissenschaftler Chemjo Vinaver, den sie 1938, che Buchten, entrückte Inseln und bizarre Berggipfel im Hin-
gleich nach der Scheidung von ihrem ersten Mann, auch tergrund ließen den nebelgrauen Januar vergessen. Fotos von
heiratete. Palästen, Villen, Gartenkunstwerken und einer rauschhaften
(„Du, den ich liebte“, „Signal“, „An meinen Schutzengel“) Blütenpracht untermalten seine Schilderungen über die Gar-
tenanwesen rund um den See.
Die Familie emigrierte im September 1938 in die Verei-
nigten Staaten. Chemjo Vinaver sammelte leidenschaftlich Der Lago Maggiore erstreckt sich schmal und gewunden
chassidische Musik. Da er der englischen Sprache nicht über 60 Kilometer vom Schweizer Tessin bis in die italieni-
mächtig war, musste Mascha ihn überallhin begleiten und schen Regionen Lombardei und Piemont. Vom zweithöchs-
übersetzen. Sie schrieb Werbetexte, um den Lebensunter- ten Berg Europas, dem 4.634 Meter hohen schneebedeck-
halt zu sichern. Da blieb nicht viel Zeit zum Dichten. ten Monte Rosa, bis zum Westufer des Sees sind es keine
30 Kilometer. Gegen die kalten Winde aus Norden und Os-
Ihre Gedichte im Exil thematisierten die Flucht vor den Na- ten ist der See durch die Alpenkette geschützt. Nach Süden
tionalsozialisten, die Vertreibung und den Antisemitismus, öffnet er sich in die milde Ebene. Dieses insubrische Klima
aber sie sind auch geprägt vom Heimweh nach Deutschland. mit trockenen, milden Wintern und feucht-heißen Sommern
(„Window shopping“, „Die klägliche Leistung der Frau“, bilden ideale Voraussetzungen für die Gartenbaukunst rund
„Auf einer Bank“, „Dunkles Mädchen“). um den Lago Maggiore.

Nach dem Krieg fand Mascha Kaléko in Deutschland wieder Arciduca Carlo Kamelie
ein Lesepublikum. Von der Sehnsucht getrieben kehrte Ma-
scha Kaléko 1955 nach Berlin zurück. Auf der Isole di Brissago, in Sichtweite von Ascona, be-
finden sich eine Villa und ein botanischer Garten, in dem in
1960 sollte sie den Fontane-Preis der Akademie der Küns- einem Berg-Regenwald Sumpfzypressen gedeihen. 1927 er-
te in Berlin (West) verliehen bekommen. Als sie erfuhr, dass warb der deutsche Kaufhaus-Millionär Max von Emden die
der Akademieleiter ein ehemaliger SS Mann war, lehnte sie ehemals in russischem Eigentum stehende Villa. Seit 1950
die Nominierung ab. gehört sie dem Kanton Tessin und steht Besuchern offen.
(„Bonjour Berlin“, „Deutschland, du meiner Jugend Land“)
Der öffentlich zugängliche Kamelien-Park der Gärtner-Fa-
Im selben Jahr wanderte sie ihrem Mann zuliebe mit ihm nach milie Eisenhut liegt in San Nazzaro am Tessiner Südufer des
Jerusalem aus. Er wollte seine Sammlung chassidischer Mu- Lago Maggiore. Obwohl im Winter wochenlang kein Sonnen-
sik hier vollenden. Mascha sorgte später dafür, dass diese ge- strahl auf das Gartengelände fällt, sinken die Temperaturen
druckt und veröffentlicht wurde. Aber Mascha sprach kaum selten unter den Gefrierpunkt, so dass rund 1.000 Kameli-
hebräisch und fühlte sich isoliert und einsam. en-Sorten gedeihen. Hier treffen sich Züchter und Kamelien-
Liebhaber aus ganz Europa und Übersee, um neue Kameli-
1968 starb ihr Sohn, der in New York am Broadway kom- en-Kreationen kennenzulernen.
ponierte und inszenierte, 1973 starb auch ihr Mann, Chemjo
Vinaver. Nach dem Tod des Sohnes verloren ihre Gedichte die Der habsburgische Naturforscher und Jesuitenpater Ge-
Ironie, stattdessen gewannen sie an Bitterkeit und Trauer.
(„Elegie für Steven“, „Kurzes Gebet. Herr, laß mich werden,
der ich bin“, „Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang“)

Im Herbst 1974 reiste Mascha ein letztes Mal nach Berlin und
besuchte dort mit dem Schriftsteller Horst Krüger an drei Ta-
gen alle einstmals so geliebten Orte. Auf dem Rückweg nach
Jerusalem verschlimmerte sich ihr Krebsleiden und sie starb
1975 in Zürich.

Doris Kanzer , Gruppe Bochum

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Aus dem Verband

org Joseph Kamel bereiste im 17. Jahrhundert als Laienpre- Auf der Insel Madre steht eines der wenigen Exemplare der
diger Ostasien. In Briefen beschrieb und zeichnete er die Kaschmir-Zypresse, ein vom Aussterben bedrohter Baum,
bunt und üppig blühende Pflanze, die dann nach ihm be- der Mitte des 18. Jahrhunderts aus dem Himalaya auf die In-
nannt wurde. Die Kamelie gehört zur Gattung der Teestrauch- sel gebracht wurde. Im Juni 2006 zerstörte ein Wirbelsturm
gewächse. Als passionierte Teetrinker wollten die Engländer die Kaschmir-Zypresse. In einer aufwändigen Aktion konnte
in China Tee kaufen. Die Chinesen verkauften ihnen – bota- der Baum wieder aufgerichtet, mit Drahtseilen gesichert und
nisch korrekt – Kamelien-Pflanzen, die zum Teebereiten al- gerettet werden.
lerdings ungeeignet sind.
1930 las ein wohlhabender Schotte die Verkaufsanzeige
Im 19. Jahrhundert wurden die Kamelien zu einer Mode- für die Villa Taranto in Verbania. Das Gebäude entsprach
pflanze, die in keinem herrschaftlichen Garten fehlen durf- nicht seinen Vorstellungen, aber er war von der Panorama-
te. So beherbergt der Garten der Villa Anneli bei Oggebbio, Lage des Anwesens so beeindruckt, dass er die Villa erwarb
die ein Mailänder Notar Ende des 19. Jahrhunderts erbauen und umbaute. Der dazugehörige Garten verfügt über die
ließ, heute die größte Kamelien-Sammlung am Lago Maggio- größte Tulpensammlung in ganz Italien.
re. Auch im Garten der Villa Giulia, den eine Unternehmer-
familie im 19. Jahrhundert im englischen Stil anlegen ließ, Über Pallanza erhebt sich die Villa San Remigio, benannt
blühen die Kamelien in allen Farben. nach dem Heiligen Remigius. Die zweischiffige romanische
Kirche San Remigio aus dem 12. Jahrhundert ist mit bunten
Angesichts dieser prachtvollen Gärten stellt sich die Fra- Fresken-Malereien verziert. Ein Liebespaar, Cousin und Cou-
ge, woher unsere Garten-Traditionen stammen. Archäologi- sine, hat 1789 einen „Garten der Gefühle“ anlegen lassen. Es
sche Funde in Pompeji zeigen, dass Gartenanlagen zunächst gibt auch den „Garten der Seufzer“, den „Garten der Glück-
im Innenbereich der Wohnanlagen angelegt wurden. Man un- seligkeit“ und den „Garten der Melancholie“.
terschied Nutzgärten für den Anbau von Früchten von Lust-
gärten. Garten bedeutet etymologisch „umzäunter Raum“, Nur wenige Kilometer von den Borromäischen Inseln
„eingezäuntes Feld“. Die damaligen Menschen wollten mit entfernt liegt die Mitte des 19. Jahrhunderts im Neo-Renais-
dem Garten etwas anderes verwirklichen, als die ungezähm- sance-Stil entworfene Villa Pallavicino. Sie ist umgeben von
te Natur nachzubilden. Der Garten sollte kleinräumig und de- einem Park im englischen Landschaftsstil, in dem zwischen
naturiert sein. Das Wort „Paradies“ bezeichnete ursprüng- jahrhundertealten Bäumen Biotope angelegt sind.
lich einen „umzäunten Raum“, in dem die Menschen in der
Geborgenheit Gottes lebten. Sie wollten es dann bekanntlich 1937 verbrachte ein skandalumwittertes Liebespaar auf
anders und haben das umzäunte Paradies verlassen. der Flucht vor dem Pariser Tratsch den Sommer in der vom
Vizepräsidenten Napoleons erbauten Villa Melzi in Bella-
Die fünf Borromäischen Inseln (italienisch: Isole Borro- gio am Comer See. Franz Liszt und die verheiratete Schrift-
mee) verdanken ihren Namen der weit verzweigten italieni- stellerin Gräfin Marie d’Agoult verlebten hier einen „himm-
schen Adelsfamilie Borromeo, die seit dem 14. Jahrhundert lischen“ Sommer.
als Kaufleute Bankgeschäften nachging. Nicht alle Borro-
meos waren Geschäftsleute. Der heilig gesprochene katholi- Dass am gegenüberliegenden Ufer die Villa Carlotta von
sche Kardinal Carlo Borromeo führte im 16. Jahrhundert das einem Widersacher Napoleons noch pompöser umgebaut
Theologiestudium ein. wurde, beeindruckte die künftigen Eltern ihrer Tochter Co-
sima nicht, die ab 1870 in zweiter Ehe mit Richard Wagner
Im 19. Jahrhundert war der Lago Maggiore eine beliebte verheiratet war.
Ferienregion bei Intellektuellen, Reichen und Adeligen aus
ganz Europa, die hier ihre Sommermonate verbrachten. Be- Mit diesem Abstecher an den Comer See endete der Foto-
sonders hervorzuheben ist die Isola Bella. Im 17. Jahrhun- Vortrag. Heute sind diese Gärten Besucher-Magneten, denn
dert ließ der borromäische Graf Carlo III. das felsige Eiland sie vermitteln eine Anschauung von der jahrhundertealten
planieren, um für seine Frau Isabella einen Palast zu errich- Gartenbau-Tradition am Lago Maggiore.
ten, der – unterbrochen von der Pest – erst 1670 vollendet
wurde. Der Garten erstreckt sich in Gestalt eines Achter- Renate Zimmer, Gruppe Freiburg
decks als hängende Gärten über zehn Stufen. Da sich der
Geschmack geändert hatte, waren die Gärten nicht mehr rein 25
barockartig gestaltet. Die beliebter werdenden großflächigen
englischen Landschaftsgärten ließen mehr Landschaft und
damit mehr Natur zu.

Die Isola Madre ist die größte der Borromäischen Inseln.
In der Gartenanlage im englischen Landschaftsstil leben exo-
tische Vögel, darunter goldene Fasanen und weiße Pfauen,
die als frühchristliches Symbol für das ewige Leben standen.

Aus dem Verband

Atelierbesuch Eine besondere Überraschung erwartete uns in einem ihrer
Räume, in dem sie die mit Neonfarben gemalten Bilder mit
Einer unserer KUNSTFORUMSBESUCHE führte uns in das Atelier Schwarzlicht beleuchtete – ein Aha-Effekt für die Besucher.
ART & MORE der Frankenthaler Malerin Uschi Freymeyer. Nach
Besichtigung ihrer gemütlichen, lichtdurchfluteten Räumlich- Zum Schluss ließ sie uns freien Lauf beim Gestalten ei-
keiten, die sie in der oberen Etage des hübschen KUNSTHAU- ner Kunstkarte – als Test unserer ungeahnt schlummern-
SES vor vielen Jahren bezogen hat, erzählte sie uns zu Beginn den Kreativität. Es hat uns allen Spaß gemacht – erfüllt und
die vielfältige Geschichte des Hauses. Ende des 19. Jahrhun- abgelenkt von der damals immer noch belastenden Pande-
derts ließ der damalige Eigentümer des Familienunternehmens miesituation verließen wir den Ort der Inspiration.
FRANKENTHALER ZUCKERFABRIK für seine Angestellten einen
Kindergarten bauen. Diverse Einrichtungen und Verwendungs- Gitti Seiler, Gruppe Ludwigshafen/Mannheim
möglichkeiten folgten, bis das Gebäude schließlich in die städ-
tische FRANKENTHALER KULTURESTIFTUNG überging. Als individuelle Erinnerung an den Atelierbesuch konnten die
Damen der Gruppe eine persönliche Kunstkarte gestalten.
Nach einer detaillierten Bewerbung seitens der Künstlerin
mit der Begründung einer Diversität der Nutzung des Ateliers,
erhielt sie den Zuschlag. (Malkurse für Kinder und Erwachse-
ne, Ferienbetreuung für Kitas und Schulen, Teambildungs-
kurse für Unternehmen, Firmen-Events und dgl. mehr). Dem
Wunsch, die Räume zu beleben, war somit entsprochen.

Frau Freymeyer erläuterte uns die Vielfältigkeit der Far-
ben, ihre Malweise sowie ihr Vorgehen – dem jeweiligen Be-
darf angepasst. Einen poetischen Sensus entdeckten wir in
ihrer hübschen Broschüre, die sie in Kooperation mit einer
befreundeten Kalligrafin gestaltet hat. Dort wurde ihre Poesie
kalligrafisch umgesetzt und mit ihren Gemälden kombiniert.

Venedig ist eine Frau 1757) machte tatsächlich Karriere: In ihrem kleinen Palazzo am
Canal Grande gab sich die adlige Kundschaft die Klinke in die
Ein Vortrag von Nadja Bennewitz Hand. „Sie brachte die Pastellmalerei zu ihrer höchsten Voll-
endung“, steht auf der Gedenktafel ihres Palazzos geschrie-
Schon Goethe schwärmte über die Musik in den venezianischen ben und in der Tat: Mit ihren zarten Porträts in Pastellkreide
Konservatorien und in seiner Begeisterung war er keineswegs traf sie den Geschmack der Zeit und brachte den Charakter ih-
allein. Auch der Philosoph Jean-Jacques Rousseau schrieb über rer Kundschaft auf den Punkt.
die dortigen Aufführungen: „Eine Musik, die in der Welt nicht
ihresgleichen hat: Von den größten italienischen Meistern kom- Ihre Kollegin Giulia Lama (1681-1747) stieß mit ihren groß-
ponierte Motetten einzig von jungen Mädchen aufgeführt. Ich formatigen Altargemälden im Stil des venezianischen Rokoko
kann mir nichts Bewegenderes vorstellen“. schon auf weniger Gegenliebe von Seiten der männlichen Kon-
kurrenz. Dennoch sind ihre Werke in den Kirchen Venedigs zu
Diese venezianischen „Konservatorien“, von denen die bewundern, so in San Vidal oder in Santa Maria Formosa am
Rede ist, waren bahnbrechende „Verwahrungsanstalten“ für gleichnamigen Platz.
Waisenkinder und das Besondere war: Hier erhielten ausschließ-
lich Mädchen eine exzellente musikalische Ausbildung! Einer der Kurios, doch sicherlich noch immer bezeichnend für den
bedeutendsten Kapellmeister dieser Konservatorien war Anto- achtlosen Umgang mit Künstlerinnen in der Geschichte ist es,
nio Vivaldi (1678-1741), der außer ein begnadeter Violinkünstler dass die am dortigen Kiosk verkaufte Postkarte ihres Gemäl-
und Komponist auch ein exzellenter Pädagoge war. Mit großem des den männlichen Vornamen Giulio statt Giulia trägt. Eine
Einsatz förderte er das musische Talent seiner Schülerinnen. Künstlerin, die im beginnenden 18. Jahrhundert ein knapp 4,5
Seine geistlichen Kompositionswerke schrieb er für das Mäd- x 2,5 m großes Werk schuf, wird durch solche achtlosen Druck-
chen- und Frauenorchester im Waisenhaus Santa Maria della fehler heute leider unsichtbar gemacht.
Visitazione, kurz „Pietá“ genannt.
Dabei gab es sie, die Künstlerinnen und Virtuosinnen in
Auch auf die malerische Bühne traten Frauen im frühneu- der berühmten Lagunenstadt!
zeitlichen Venedig. Die Porträtistin Rosalba Carriera (1675-
UM, Gruppe Nürnberg
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Aus dem Verband

Malerei des spanischen Barock Jusepe de Ribera: Brustbild eines Mannes, um 1613, Staatliche

Vortrag von Prof. Dr. Helmut C. Jacobs Museen zu Berlin © Foto: Christoph Schmidt

Vor dem Besuch der Kabinettausstellung „Unter die Haut“ im Die Vermischung von Hoch und Tief wird auch deutlich in
Kölner Wallraf-Richartz-Museum führte Prof. Jacobs mit seinem einer Darstellung der volkstümlichen Heiligen Familie bei Es-
profunden Wissen zu Geschichte und Kunst Spaniens in die teban Murillo (1618-82). Die Gestalt des Josef wird aufgewer-
Malerei des Goldenen Zeitalters ein. tet, während die Mutter Maria an den Rand des Geschehens
rückt. Mit seinen „Trauben- und Melonenessern“ zeigt Muril-
Im 17. Jahrhundert, als das mächtigste Land Europas sei- lo mit unvergleichlichem Charme die Kinder der Straßen von
ne politische Vorherrschaft mehr und mehr verliert, erreicht Sevilla und stellt mit ihrer Armut die Schattenseiten des Gol-
seine Malerei die höchste Blüte mit Meistern wie El Greco, denen Zeitalters dar.
Velàzquez, Zurbaràn, Murillo, Jusepe de Ribera.
Auch Diego Velàzquez (1599-1660) versteht es, im mytho-
Zunächst geht es um den Weg zur Weltmacht: 1469 die logischen Bacchus-Thema Gottheit und niederes Volk zu ver-
Vereinigung der Königreiche Aragon und Kastilien durch die einen. Bei den „Meninas“ stellt er seitlich die eigene Per-
Heirat von Ferdinand und Isabella, in der Folge die Unter- son voll Stolz mit dem Ritterkreuz auf der Brust dar, während
werfung der Mauren im Süden der Iberischen Halbinsel, an- das anwesende Herrscherpaar indirekt im Spiegel zu sehen
schließend die vier Entdeckungsreisen des Kolumbus (1492- ist. Die gottgewollten Könige werden in Spanien ohne weitere
94) mit der folgenreichen Kolonialisierung weiterer Gebiete Machtinsignien dargestellt. Die praktisch Mächtigen dahinter
im Westen Amerikas unter Cortez. „Klumpen von Gold“ & „nack- portraitiert Velàzquez zu Pferde, mit Feldherrnstab, den Zei-
te Leut“ sind die Schlüsselbegriffe der Eroberer und Missiona- chen äußerer Repräsentation.
re, die sich europaweit verbreiten. Das spanische Weltreich ist
gegründet. Jusepe de Ribera (1591-1652) haben zwei Bildtypen be-
rühmt gemacht: hochdramatische Martyrien und Einzelgestal-
Nach dem Konzil von Trient (1563) beginnt Philipp II. mit ten, die in Köln im Zentrum stehen. Ribera malt Jugend und Al-
dem Bau des Escorial. Mit Kloster, Mausoleum, Bibliothek ter mit entwaffnender Realität. Eindringlich rät Prof. Jacobs für
ein Symbol der Machtfülle von Kirche und Königtum. den Ausstellungsbesuch: „Nähern Sie sich den Bildern, bis Sie
den Dreck unter den Fingernägeln entdecken. Vertiefen Sie Ih-
Philipps Portrait von 1560 durch die italienische Hofma- ren Blick, bis Sie die Versenkung in Gott spüren.“
lerin Sofonisba Anguissola, in schwarzem Gewand, nur mit
dem Orden vom Goldenen Vlies geschmückt und mit einem Edda Glinka, Gruppe Moers
Rosenkranz in den Händen, wird in seiner Schlichtheit stil-
bestimmend für die Darstellung der sakrosankten Herrscher
Spaniens.

In den Regierungszeiten der Habsburger, Philipp III. (1598-
1621), Philipp IV. (1621-65) und Karl II. (1665-1700), der kin-
derlos nur durch seine Berater regiert, entwickelt sich das fa-
cettenreiche Panorama der Barockmalerei Spaniens.

El Greco (1541-1614) wird der große Meister der Gegenre-
formation. Sein Gemälde „Das Begräbnis des Grafen von Or-
gàz“ in San Tomé von Toledo zeigt im Vordergrund das irdi-
sche Geschehen, darüber mit den Seelen der Verstorbenen
die Vergangenheit, aber gipfelnd in Christus die Botschaft ei-
ner himmlischen Zukunft. Der Einfluss der spanischen Mys-
tik einer Teresa von Avila wird durch die Malerei aufgegriffen.

Francisco de Zurbaràns (1598-1664) „Christus der Barm-
herzigkeit“ zeigt den Gekreuzigten als einen in Dunkelheit
gehüllten Heiland von stiller Größe. Wieder vor düster mo-
nochromen Hintergrund das wohl einzige Selbstporträt Zur-
baràns: „Der Heilige Lukas als Maler vor Christus am Kreuz“,
um 1660.

Erstaunlich jedes Mal die Realität des gebauschten Len-
dentuchs. Prof. Jacobs erläutert die Vieldeutigkeit dieser Ma-
lerei: Der Maler als Hand Gottes schildert die Realität in al-
ler Schlichtheit, zeigt aber gleichzeitig seine religiöse Vision.

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Aus dem Verband

Eine außergewöhnliche Frau: zog die sechsköp-
Ingeborg Rapoport (1912 – 2017) fige Familie um. In
der sogenannten In-
Vortrag von Frau Sibylle Weitkamp telligenzsiedlung in
Berlin-Niederschön-
Am 23. März 2017 ist im Alter von 104 Jahren eine bemerkens- hausen konnten sie
werte Frau gestorben, deren Geburtstag sich in diesem Jahr, bald nach der Über-
am 02. September, zum 110. Male jährt: Ingeborg Rapoport, siedelung ein eige-
Kinderärztin, Wissenschaftlerin, Verfechterin kommunistischer nes kleines Haus beziehen. Ingeborg Rapoport wollte eigent-
Ideale und eine Inspiration für viele Menschen. In der Todes- lich nie wieder nach Deutschland zurückkehren, doch die
anzeige haben ihre Kinder geschrieben: „Ein außergewöhnli- Aussicht, einen sozialistischen Staat mit aufzubauen, über-
ches Leben voller Neugier, Lebenslust und Anteilnahme ist zu lagerte ihre Bedenken. Mitja Samuel Rapoport profilierte sich
Ende gegangen“. schnell zu einem der herausragendsten und zudem politisch
einflussreichen Wissenschaftler.
2015 hat Ingeborg Rapoport im Alter von 102 Jahren ihre Ingeborg Rapoport verdingte sich zunächst als Kinderärz-
mündliche Doktorprüfung abgelegt, sie hat ihre Doktorarbeit tin an einer kleineren Klinik in Ost-Berlin, forschte am Institut
im Fach Medizin, die sie 77 Jahre zuvor, also 1938, verfasst ihres Mannes und habilitierte sich dann im Fach Kinderheil-
hatte, an der Universität Hamburg mit summa cum laude ver- kunde an der Charité in Ost-Berlin. Ende der 1960er Jahre be-
teidigt. gann sie auf einem neuen Forschungsgebiet, das Geburtshilfe
mit Neugeborenenheilkunde verbindet, der Neonatologie. Un-
Als Ingeborg Syllm in Kamerun geboren, das 1912 deutsche ter ihrer Leitung entstand eine der ersten Abteilungen für Früh-
Kolonie war, wuchs sie, protestantisch erzogen, in Hamburg- und Neugeborene in Europa mit Intensivstation, eigenem La-
Eppendorf auf. Da ihre Mutter Jüdin war, galt Ingeborg Syllm bor und Forschungsprojekten.
den Nationalsozialisten als Mischling ersten Grades, und die Die Rapoports waren fast 80 Jahre alt, als die DDR 1989 zer-
mündliche Prüfung zur Verteidigung ihrer Dissertation, die brach. Für sie fühlte es sich so an, als verlören sie ihre ideolo-
sich mit Lähmungserscheinungen bei Diphterie beschäftigte, gische Heimat. Auf die Frage, ob sie sich noch als Kommunis-
wurde ihr verwehrt. Für die Dissertation hatte sie Tierversuche tin bezeichnen würde, hat sie geantwortet: „Ich bin Sozialistin.
mit Meerschweinchen durchgeführt. Und ja, ich würde auch sagen, ich bin Kommunistin. Ich glaube
an die Ideale der Französischen Revolution“.
Heute untersucht man solche Phänomene molekularbiolo- Wenn man Ingeborg Ra-
gisch, und auch zu solchen modernen Ansätzen musste sie in poport aus heutiger Sicht
der Prüfung 2015 referieren. etwas vorwerfen kann,
dann wohl ihre tiefe Ver-
Da man ihr 1938 das Rigorosum verwehrte, flüchtete sie mit bundenheit mit dem Sozia-
26 Jahren in die Vereinigten Staaten und startete in New York lismus, mit der DDR.
als Hilfsärztin. 1944 lernte sie in Cincinnati, Ohio, an der dor- Jenseits der achtzig hat
tigen Kinderklinik Mitja Samuel Rapoport kennen, der das kli- sie sich entschlossen, ihre
nische Labor leitete. Im Jahr zuvor hatte er entdeckt, wie man Erinnerungen an ein langes
Blut konserviert. Dafür erhielt er, der österreichische Jude, der Leben aufzuschreiben und
seit 1937 in den Vereinigten Staaten lebte, eine hohe amerika- zu veröffentlichen. 1997 er-
nische Auszeichnung. schien die Autobiographie
unter dem Titel „Meine ers-
1946 heirateten die beiden Vertriebenen. Zwischen 1947 ten drei Leben“.
und 1950 brachte Ingeborg Rapoport jedes Jahr ein Kind zur In der Fernsehserie
Welt. Beide waren überzeugte Sozialisten, Mitja Samuel war „Charité“ spielten die sechs Folgen der dritten Staffel im ver-
seit 1934 Mitglied der Kommunistischen Partei. In der Mac- gangenen Jahr zum Zeitpunkt des Mauerbaus im August 1961.
Carthy-Ära wurde er zur „persona non grata“ erklärt, und ihm Die Schauspielerin Nina Kunzendorf spielte die Kinderärz-
drohten politische Verfolgung und Berufsverbot. tin Ingeborg Rapoport, die zum Kreis der international aner-
kannten Kinderärzte aus der DDR gehörte. Sie war eine leiden-
Von einem Kongressaufenthalt in der Schweiz 1950 kehr- schaftliche Forscherin, akademische Lehrerin und engagierte
te Mitja Samuel nicht in die USA zurück, und in einer Nacht- Leiterin der Abteilung für Neugeborene an der Berliner Charité.
und-Nebel-Aktion brachte die hochschwangere Ingeborg Ra- Sibylle Weitkamp, Gruppe Hannover
poport sich und ihre drei Kinder nach Europa. Kein Land wollte
die Rückkehrer aufnehmen, 1951 ergab sich durch die Vermitt-
lung der Kommunistischen Partei Österreichs die Möglich-
keit, in die DDR überzusiedeln und dort die wissenschaftli-
che Karriere fortzusetzen. Mitja Samuel Rapoport erhielt einen
Ruf als Professor an die Humboldt-Universität in Ost-Berlin,
als Leiter des Biochemischen Instituts, und im Februar 1952

28

Aus dem Verband

Adressenverzeichnis 2022
Deutscher Verband Frau und Kultur

Bundesvorstand

Bundesvorsitzende: Dr. Elisabeth Kessler-Slotta, Uhlandstr. 55, 44791 Bochum, Tel. 0234-580356,
e-mail: [email protected]
Stellvertr. Vorsitzende: Ursula Dorothee Volkland, Stolzestr. 28, 44789 Bochum, Tel. 0234-313173,
e-mail: [email protected]
Kassenführerin: Renate Szymanek, Veistr. 2, 59073 Hamm, Tel. 02381-65104, e-mail: [email protected]
Schriftführerin: Sibylle Weitkamp, Hohenrode 28, 30880 Laatzen, Tel. 0511-221723, Fax: 0511-89997156,
e-mail: [email protected]

Internet-Adresse des Verbandes: www.verband-frau-und-kultur.de (Geschäftsstelle)
Konto des Verbandes: Deutscher Verband Frau und Kultur e.V., Postbank Essen, IBAN: DE91 3601 0043 0611 9184 39,

Verbandszeitschrift

Redaktionsteam:Inge Kellersmann,Fischergasse 39, 89073 Ulm, Tel. 0731-1439 5643, mobil: 0171-3278372;
Ursula Michalke, e-mail: [email protected]; Renate Zimmer, e-mail [email protected];
Gabriela Weber-Schipke, e-mail: [email protected];
Internetbearbeitung: Silke Mayer, Blücherstraße 53, Berlin, Tel. 0170-7309234, e-mail: [email protected]
Adressänderungen und Neuanmeldungen: Anke Linsa, Apollinarisstr. 20, 53474 Bad Neuenahr, Tel. 02641-90 610 10,
e-mail: [email protected] (bitte keine handschriftlichen Meldungen, vorzugsweise per e-mail senden)

Anschriften der Vorsitzenden aller Gruppen

Aachen Bochum Dortmund
1. Vorsitz. Prof. Ulla Dohmann 1. Vors. Renate Ruhlig-Schulte 1. Vors. Elke Cronau
Aachener Str. 51, 52134 Herzogenrath, Bunsenstr. 24, 44793 Bochum, Kaiseradlerweg 26, 44229 Dortmund,
Tel. 02406-3736, Tel. 0234-67126, Tel. 0231-136200,
e-mail: [email protected] e-mail: [email protected] e-mail: [email protected]
2. Vors. Anita Braunsdorf, 2. Vors. Bärbel Lorenz-Hollmann,
Viktoriaallee 28, 52066 Aachen, Bremen Kurt-Tucholsky-Str. 18, 59427 Unna,
Tel. 0241-9003140, Fax 0241-9003149, 1. Vors. Christa Zoch Tel. 02303-53235,
e-mail: [email protected] Graf-Moltke-Str. 67, 28211 Bremen, e-mail: [email protected]
Tel. 0151-11966730,
Bad Neuenahr-Ahrweiler e-mail: [email protected] Dresden
1. Vors. Anke Linsa 2. Vors. Dr. Franziska Bayer, 1. Vors. Elke Fischer
Apollinarisstr. 20, 53474 Bad Neuenahr, Katrepeler Landstr. 57, 28357 Bremen, Schmilkaer Str. 10, 01259 Dresden,
Tel. 02641-90 610 10, Tel. 0160-90219132, Tel.0351-2020507
e-mail: [email protected] e-mail: [email protected] e-mail: [email protected]

Berlin Delmenhorst Düsseldorf
1. Vors. Helga Kudiabor 1. Vors. Marianne Huismann 1. Vors. Monika Schäfer
Seidelbastweg 62, 12357 Berlin, Heinrichstr. 36, 27749 Delmenhorst, Fürstenwall 88, 40217 Düsseldorf,
Tel. 0160-90219132, Tel. 04221-18848, Tel. 0211-373565,
e-mail: [email protected] e-mail: [email protected] e-mail: [email protected]
2. Vors. Monika Brüll, Rückertstr. 14, 2. Vors. Angelika Cromme, 2. Vors. Auguste Dylewski,
12163 Berlin, Moltkestr.7, 27749 Delmenhorst, Weißenburger Straße 3, 40476 Düsseldorf,
Tel. 030-52686782, Tel. 04221-2891278, Tel. 0211-483332
e-mail: [email protected] e-mail: [email protected]

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Aus dem Verband

Essen e-mail: [email protected] 2. Vors. Jutta Loeber, Kulenkampstr. 22
1. Vors. Dr. Ulrike Köcke 2. Vors. Renate Modrow, 23566 Lübeck, Tel. 0170 -95 08 473
Alexanderstr. 26, 45130 Essen, Geschwister-Scholl-Str.26, 44623 Herne, e-mail: [email protected]
Tel. 0201-779440, Tel. 02323-12889, Moers
e-mail: [email protected] e-mail: [email protected] 1. Vors. Anne Helmich
2. Vors. Karin Tiemeyer, Weidenkamp 8, 46509 Xanten,
Zur Eibe 9, 45149 Essen, Kamp-Lintfort Tel. 02801-6881
Tel. 0201-712750 1. Vors. Christa Aumann mobil: 01765-5724642
Moerser Str. 114, 47475 Kamp-Lintfort, e-mail: [email protected]
Freiburg Tel. 02842-10495, 2. Vors. Erika Esser, Eichenstr.181,
1. Vors. Claudia Schall e-mail: [email protected] 47443 Moers, Tel. 02841-507618
Hexentalstr. 18 d, 79249 Merzhausen, 2. Vors. Verena Hellwig,
Tel. 0761-288258, mobil: 0170-8044141, Danziger Straße 26, 47475 Kamp-Lintfort, Münster/Westfalen
e-mail: C.Schall-FuK-Freiburg@web Tel. 02842-56961, 1. Vors. Gilla Externest
2. Vors. Angelika Kieler, e-mail: [email protected] Burchardstraße 20,48145 Münster,
Goldammerweg 8, 79114 Freiburg, Tel. 0251-393566, mobil: 0157-3910 5661
Tel. 0761-1377767, Ludwigshafen/Mannheim e-mail: [email protected]
e-mail: [email protected] 1. Vors. Dr. Wiltrud Banschbach-Hettenbach 2. Vors. Ine Waaldijk
Pfalzring 105, 67112 Mutterstadt, Tel. Wiener Straße 36, 48145 Münster,
Gießen 06234-929744, Tel. 0251-392740,
1. Vors. Brigitte Sekula e-mail: [email protected] e-mail: [email protected]
Adalbert-Stifter-Str. 18, 35428 Langgöns, 2.Vors. Gerda Bindewald,
Tel. 06403-74851, Birkenstr. 2, 67361 Freisbach, Nürnberg
e-mail: [email protected] Tel. 06344-9395173, 1. Vors. Christa Rauch
2. Vors. Angelika Bausch, e-mail: [email protected] Kölner Str. 54, 90425 Nürnberg,
Großer Morgen 3, 35394 Gießen, Tel. 0911-484343
Tel. 0641-73134, Lübeck e-mail: [email protected]
e-mail: [email protected] 1. Vors. Lore Evers 2. Vors. Elisabeth Horn
Herrmann-Lange-Str. 6, 23558 Lübeck, Wolliner Str.6, 90522 Oberasbach,
Hamm Tel. 0173–60 61 998 Tel. 0911-695016
1. Vors. Marlene Szymanek e-mail: [email protected] e-mail: [email protected]
Brokbrede 39, 59073 Hamm,
Tel. 02381-34623, Ehrenvorsitzende des Verbandes
e-mail: [email protected]
2. Vors. Grete Richter, Barbara Horney, Am alten Stadtpark 55, 44791 Bochum, Tel. 0234/ 581692
Pirolweg 20, 59071 Hamm,
Tel. 02381-880261,
e-mail: [email protected]

Hannover Ehrenvorsitzende der Gruppen:
1. Vors. Sibylle Weitkamp
Hohenrode 28, 30880 Laatzen, Aachen: Christa Sasse, Krefelder Str. 6, 52070 Aachen, Tel. 0241-152333;
Tel. 0511-221723 Bochum: Gisela Beier, Tiefenstr. 6, 33824 Werther/Westf., Tel. 05203-9176979;
Fax 0511-89997156 Dortmund: Ilse Monhemius, Kirchhörder Str. 19, 44229 Dortmund, Tel. + Fax 0231-
e-mail: [email protected] 7270228; Karin Rüger, Kleiner Floraweg 20, 44229 Dortmund, Tel. 0231-735200;
2. Vors. Regina Tiemann, Dresden: Brigitta Thomas, Am Seifzerbach 40, 01108 Dresden, Tel. 0351-8804596;
Bessemerstr. 2, 30177 Hannover, Gießen: Dr. Annegret Körner, Händelstraße 14, 35392 Gießen,
Tel. 0511-620270, Tel. 0641-21611, e-mail:[email protected];
e-mail: [email protected] Lübeck: Gundel Granow, Hauptstr. 8a, 23860 Klein Wesenberg, Tel. 04533-8535;
Ludwigshafen/Mannheim: Barbara Bergemann, Hockenheimerstr. 7, 67117 Limbur-
Herne gerhof, Tel. + Fax 06236-61310;
1. Vors. Rita Gaese Münster: Ingrid van Endert, Bösenseller Str. 146, 48161 Münster, Tel. + Fax 02536-201;
Bahnhofstr.90, 44629 Herne, Nürnberg: Ulrike Kreppner, Lorenzer Straße 22, 90402 Nürnberg, Tel. 0911-222645.
Tel. 02323-56321,

30

Aus dem Verband

Unsere Seminare wie Stein oder Holz zu bearbeiten. Auch
fehlte Frauen angeblich die Vorstellung für
Das Literaturseminar Das Kunstseminar das Räumliche. Hinzu kamen ganz reale
Beschränkungen: Es mangelte an Ausbil-
Akademie Franz Hitze Haus, Münster, im Tagungskloster Frauenberg / Am Frauen- dung, Aufträgen und Ankäufen von öffent-
Kardinal-von-Galen-Ring 50, berg 1 /36039 Fulda, Tel.: 0661 / 1095-116 lichen Sammlungen.
48149 Münster, www.franz-hitze.haus.de E-Mail: [email protected] Die Hinwendung zu einem lange vernach-
Leitung: Dr. Christiane Dahms, Leitung: Ulrike Kuschel lässigten Thema erweitert das Bild der Ge-
Literaturwissenschaftlerin, Bonn schichte der Bildhauerei. Denn erstaun-
Freitag, 15. Juli 2022, 16 Uhr lich viele Frauen haben mit verschiedenen
Freitag, 26.8., 18 Uhr bis bis Sonntag, 17. Juli 2022, 13 Uhr Materialien und in diversen Stilrichtungen
Sonntag., 28.8., 13 Uhr gearbeitet. Wie bei den Malerinnen, de-
Bildhauerinnen ren Selbstporträts wir beim Wochenend-
Maskeraden in Literatur, Der weibliche Beitrag zur seminar 2021 kennengelernt haben, ent-
Malerei und Fotografie dreidimensionalen Kunst decken wir die vielfältigen Arbeiten und
außergewöhnlichen Biografien bekann-
Das Wochenendseminar widmet Wie viele Bildhauerinnen kennen SIE? Wer- ter, aber auch von heute vergessenen
sich den verschiedenen Themen wie ke und Namen von Bildhauerinnen sind in Künstlerinnen.
- Larve, Schleier und Kostüm - die Europa mindestens seit der Renaissance Einen Ablaufplan erhalten Sie im Vorfeld
Kunst der Verkleidung - Verhüllung überliefert. Im 19. und 20. Jahrhundert des Seminars.
und Tarnung - Identitätswechsel und nahm die Zahl der Skulpteurinnen deut- Kosten: 295.- €, inkl. Übernachtung
Täuschungsmanöver - Dramatische lich zu. So arbeiteten in Paris um 1900
Verwandlungen - mönströse 231 Bildhauerinnen, im selben Zeitraum Anmeldung: bis 31. Mai bei Frau Renate Szy-
und theatrale Masken. waren im „Verein Berliner Künstlerinnen“ manek, bitte per E-Mail: [email protected]
31 von ihnen tätig. Aber warum kennen
Anmeldung: Maria Conlan: conlan@ wir nur so wenige mit Namen? Sicherlich Kreative Seminartage
franz-hitze-haus.de, Tel. 0251/9818416 hat das damit zu tun, dass die Bildhau-
Tagungsnummer 709 WT erei, zusammen mit der Architektur, als Frau Ursel Galgan, die bisherige Leiterin des
Tagungsbeitrag 160 € die „unweiblichste“ der Künste gesehen Sachgebietes Werkgestaltung/Textiles, hat
wurde. Das „schwache Geschlecht“ galt leider mit dem Jahr 2021 ihre Tätigkeit aus
Übernachtung im Zweibettzimmer 50 € als nicht geeignet, um harte Materialien Altersgründen beendet. Sie hat das Amt 42
Übernachtung im Einzelzimmer 70 € Jahre lang mit großem Einsatz geleitet.

Impressum Gabriela Weber-Schipke Zahlungen zur Verbandsabgabe und Abos an:
E-Mail: weber-schipke@web-de Deutscher Verband Frau und Kultur e.V.
Frau und Kultur Renate Zimmer Postbank Essen Konto.-Nr. 611 918-439, BLZ
Zeitschrift des Deutschen Verbandes E-Mail [email protected] 360 100 43,
Frau und Kultur e.V. – Heft 2/2022 IBAN: DE91 3601 0043 0611 9184 39
Litho und Druck:
Herausgeber: Druckerei Plettner, Schwabacher Straße 512a Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion
Deutscher Verband Frau und Kultur e.V. 90763 Fürth und mit Quellenangabe gestattet. Mit Namen
www.verband-frau-und-kultur.de gekenn­zeichnete Beiträge stellen nicht in jedem
Fotos: S.1 Pinterest3, 4, 6, 7 wikipedia; S. 8 Fall die Auffassung der Herausgeber dar.
Bundesvorsitzende: flickr.com/Paivi; S. 11 © Silke Aichhorn;
Dr. Elisabeth Kessler-Slotta, Uhlandstr. 55, Gedruckt auf säurefreiem Papier mit FSC-Zertifikat
44791 Bochum, Tel. 0234-580356, Bezugspreis: ohne optische Aufheller und hergestellt aus
E-Mail: [email protected] 12,– € inkl. Porto für 4 Hefte jährlich 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff.

Redaktionsteam: Abos für Nichtmitglieder und Geschen- 31
Inge Kellersmann, Fischergasse 39,89073 Ulm kabos sowie Adressänderungen und
Tel. 0731-1439 5643, mobil 0171-3278372, Neuanmeldungen:
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Ursula Michalke Neuenahr-AW, Tel. 02541 90 610 10
E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]

Gegründet 1896 Thema des nächsten Heftes:
Genuss und Nachhaltigkeit

Redaktionsschluss für Heft 3/2022:
10. Juli 2022

Das Magazin dient der Mitgliederbindung

Unser Verband Wir gehören zu den traditionsreichen Frauenverbänden Deutschlands.
Unsere Ziele Wir arbeiten überparteilich und überkonfessionell.
Wir sind in 21 Städten der Bundesrepublik vertreten.
Unsere Arbeit
Unsere Zeitschrift Der Verband setzt sich ein
Vertreten in für die vielseitige Bildung und Aktivierung der Frau auf kulturellem Gebiet,
für die Förderung ihrer schöpferischen Fähigkeiten,
für die Verwirklichung ihrer Gleichstellung in Familie, Beruf und Gesellschaft,
für die Zusammenarbeit mit Verbänden ähnlicher Zielsetzung auf nationaler und
internationaler Ebene.

Wir treffen uns regelmäßig zu Vorträgen und Arbeitsgemeinschaften.
Bei Studienfahrten und Seminaren bieten wir unseren Mitgliedern Information und
Weiterbildung auf vielen Gebieten der Kultur und Auseinandersetzung mit den Problemen
unserer Zeit. Die Gruppen engagieren sich in sozialen und kulturellen Projekten. Wander-
und Gymnastikangebote ergänzen das Programm.

FRAU UND KULTUR erscheint viermal jährlich, jeweils mit einem Schwerpunktthema.
Sie stellt unseren Verband nach außen dar und ist ein wichtiges Bindeglied für die
Verbands- und Gruppenarbeit.

Aachen – Bad Neuenahr-Ahrweiler – Berlin – Bochum – Bremen – Delmenhorst – Dortmund
– Dresden – Düsseldorf – Essen – Freiburg – Gießen – Hamm – Hannover – Herne –
Kamp-Lintfort – Ludwigshafen / Mannheim – Lübeck – Moers – Münster – Nürnberg


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