CROSSROADS
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Fred Sulayman
1 Code
Freitag, 15. April 2016, circa 16 Uhr. Ich arbeite noch im Institut,
während meine Kollegen schon im Wochenende sind. Zu
fasziniert war ich von meiner neuen Entdeckung. Wir erforschten
mit hochmoderner Technologie Jahrhunderte alte Schwingungen
von uralten Tontöpfen und konnten die damalige Umgebung
akustisch wahrnehmen. Das Prinzip ist ähnlich wie bei alten
Polyester Schallplatten. Ich hatte nun eine Möglichkeit entdeckt,
diese zu präziseren Am Computer im schalldichten Raum gebeich
den frei ausgedachten vierstelligen Code 1234 ein, speichere
diesen, um damit diesem immer wieder zur gleichen Stelle
zurückzukehren zu können. Ich umklammere mit meiner linken
Hand den elektromagnetischen Pol, stelle meine Kopfhörer ein
und warte darauf dass etwas passiert.
Plötzlich stand ich in einem fremden Raum, verwirrt starrte ich
auf die Tür die sich öffnete. Katharina, meine Ex-Frau kam herein
„Hallo Schatz, du bist ja schon Zuhause“, dann folgte auch Lucy,
meine 7-jährige Tochter, Sie geht wortlos an mir vorbei. „Sie ist
noch verärgert, das legt sich wieder. Wolltest du nicht Grillkohle
für die Party mitbringen?“
Wo bin ich hier und warum nennst du mich Schatz" Während
Katharina lächelnd an mir vorbei in die Küche geht, erwidert sie:
„David, wir haben jetzt keine Zeit für deine Spielchen,es ist noch
viel zu tun bis morgen." Sie drückte auf den Knopf an der
Kaffeemaschine während ich fassungslos zuschaue. Sie bereitet
mir meinen Kaffee wie früher zu und drückt mir den Becher in die
Hand. Ich stelle den Becher ab und gehe direkt zur Tür. Meine
Schritte werden immer schneller und mein Atem bleib fast weg.
Ich vernehme kaum die Worte, die Katharina mir hinterher ruft.
Was passiert hier gerade? Wo bin ich hier? Wo ist Megan? Wo ist
mein Auto? Wessen Kleidung habe ich an? Während ich immer
weiter gehe, greife ich zur hinterenHosentasche undhole einmir
unbekanntes Portemainee heraus. Mein Ausweis war da. Etwa $
300,- in bar, eine Bankkarte, eine Amex und eine Visakarte, die
ich niemals vorher gesehen habe, jedoch mit meinem N amen
und eindeutig meiner Unterschrift.
Verschwommen schießen Bilder der Trennung durch meinen
Kopf. Erinnerungen werden wieder wach.
Die Trennung war vor 4 Jahren, ein Jahr zuvor hatte ich meine
gutgehende Firma verkauft und in Aktien angelegt, um noch
leichter, noch schneller an das ganz große Geld zu kommen.
Fehlanlagen verschlungen innerhalb kürzester Zeit unser
gesamtes Vermögen, eine halbe Million Dollar in Luft aufgelöst
und meine Ehe ging in die Brüche.
Eine Affäre war dann die Spitze des Eisberges. Katharina stellte
mich zur Rede, schrie michan, dass die Hypotheken seit Monaten
nicht bezahlt sind und ich außer herumzuvögeln nichts zustande
bringe. „Du Waschlappen, kratz doch endlich ab, wenigstens
deine Lebensversicherung gibt uns Hoffnung auf ein besseres
Leben. Verschwinde aus unserem Leben, gehe zu Deiner Sandra“
Sandra lernte ich kurz nach dem finanziellen Fiasko kennen, Sie
arbeitet als Kellnerin und hatte die kecke und sexyAusstrahlung,
die mir zuhause fehlte. Bei Ihr fand ich die Kraft und den Trost
mit dem Verlust und der häuslichenDisharmonie klarzukommen.
Katharina hatte durch SMS Mitteilungen Wind von der Sache
bekommen.
Es war eine erfrischende Affäre. Jedoch hielt sie nicht lange, die
Beziehung mit Sandra war ein Flop, Sie wollte ihre Freiheit.
Damals hatte ich jemanden gebraucht, kurz nach der Trennung
von Katharina war es jedoch schneller vorbei als ich mir
wünschen konnte. Zu jener Zeit war ich am Boden, allein, ohne
Job, ohne Geld, ohne Wohnung und Auto. Die Aussage „Kratz
doch endlich ab“ schoss immer häufiger durch meinen Kopf.
Sollte dieses ein Traum sein, ist es ein sehr realer. Während ich
weiterhin in Gedanken schweife, fährt ein Taxi vorbei. Ich halte
es an und gebe meinen Wohnort, 79 Torrance Ave als Fahrtziel
an. Ich kann nicht anders, frage den Taxifahrer nach dem Datum:
„15. April” antwortet der ansonsten wortkarge Fahrer. Nuntraue
ich mich aber nicht, nach dem Jahr zu fragen. Ich muss irgendwo
in den Hügeln von Hollywood, oder Beverly Hills sein. Nach circa
30 Minuten und weiterer Verwirrtheit meinerseits, kommen wir
an. Beim Aussteigen bemerke ich, dass mein Schlüssel in der
Hose ist, die ich eigentlich anhaben müsste.Nun gut, vielleicht ist
Megan ja schon Zuhause.
Ich klingel an unserer Wohnung 415, Megan hat die Wohnung
von Ihrem Vater zum Studienabschluss geschenkt bekommen.
Sie hat mir wenige Wochen, nach dem wir uns kennenlernten, zu
verstehen gegeben, dass ich gefälligst mit einziehen solle.
An der Gegensprechanlage ertönt Megans Stimme,„Wer ist da?“
„Megan, ich bin es, ich hatte einen total verrückten Tag und
meine Schlüssel verloren. Ich erkläre dir gleich alles“
Keine Antwort. Ich klingel nochmal. „Wenn Sie nicht
verschwinden, rufe ich die Polizei“. „Megan, ich bin es, David“
Wieder Stille. In diesem Moment kommt unser Nachbar Steve
zum Eingang. „Hi Steve, gut dass du kommst, ich habe meinen
Schlüssel verloren“. Als er mich fragt, wohin ich denn möchte,
schaue ich ihn verdutzt an, drehe mich ab und gehe Richtung
Jacks Diner… Also doch ein Traum! Ein verdammt realer Traum!
Oder? Zumindest Jack's Diner hat sich nicht verändert. Die
typische amerikanische Diner Aluminium Außenfassade,
dieselben Bilder von Hollywood Stars an den pastellgrünen
Wänden und Burgunder-farbende Kunstleder Sitzecken. Im Diner
nehme ich Platz am Tresen, Oldies ertönen leise und
unaufdringlich aus den Lautsprechern. Ich bestelle einen Kaffee
und versuche nun meine Gedanken zu ordnen.
Wäre ich nicht ein rational und realistisch denkender Mensch,
würde ich fast glauben ich bin in die Vergangenheit oder Zukunft
gereist. Es besteht ja schon seit längerem die These, dass durch
den Quantum Mechanismus, oder auch der Einstein-Rosen-
Brücke und der daraus entstehende Effekt der Zeitdiation, Reisen
in die Zukunft möglich seien.
Ich muss herausfinden welches Jahr wir haben. Die Bedienung,
eine rundliche Brünette schätzungsweise in ihren Dreißigern,
schaut ständig auf ihr Smartphone. Ich frage sie, bewusst
wissbegierig wirkend, ob sie damit zufrieden sei. „Sehr sogar“,
antwortet sie. „Ich habe immer noch so ein altes Klapphandyund
brauche dringend ein Neues, darf ich es mal in der Hand halten“.
Freundlich reichte sie mir Ihr Handy. Ich schaue auf das Display,
15. April 2016, wie sollte es auch anders sein.
Kein Zeitsprung also. Weitergekommen bin ich zwar nicht, aber
sichtlich erleichtert noch in der Gegenwart zu sein. Jetzt bleibt zu
klären, warum alles so fremd ist und warum mich keiner meiner
Bekannten erkennt. Ich bedanke mich, lege $5 auf den Tresen
und lasse mir ein Taxi bestellen. Als wenn ich die Ankunft des
Taxis beschleunigen könnte, warte ich ungeduldig draußen. Nun
beschloss ich, mir erst einmal ein Auto zu mieten und mir ein
Hotelzimmer für die Nacht zu suchen. Bei der Mietwagenfirma
angekommen, werde ich nach Führerschein und Kreditkarte
gefragt. Ich lege die American Express und meinen Führerschein
auf den Tresen. Gespannt schaue ich auf das Display des
Kreditkarten-Terminals. Problemlos geht die Transaktion durch.
Erleichtert gehe ich zum Mietwagen, einen schwarzen Ford
Geländewagen. Nicht weit entfernt, an der Torrance Boulevard,
gibt es ein Holiday Inn. Ich fahre langsam dorthin und versuche
außergewöhnliches in der Umgebung zu entdecken, nichts, alles
wirkt wie immer. Im Hotel angekommen, parke ich auf den
letzten freien Parkplatz, hoffentlich ist es nicht ausgebucht. An
der Rezeption, teilt mir der freundliche Mitarbeiter mit, dass es
nur noch ein Zimmer zur Hauptstraße gibt. Ich stimme dem
Zimmer zu und beschließe nun die Visakarte auszuprobieren.
Auch hier klappt alles reibungslos. Im saubere n, aber kahl
eingerichtetem Zimmer ziehe ich mich sofort aus und lege ich
mich auf das Bett. Mit dem Gedanken „Morgen wache ich
bestimmt in meiner vertrautenUmgebung auf“, schlafe ich sofort
ein.
2 Sandy
18. Dezember 2012
„Kratz doch endlich ab". Das ist deutlich. Ich beschließe
meine notwendigstenSachen inmeinen Koffer zu schmeißen und
zu Gerald, meinem besten Freund zu fahren, in seinem großen
Haus hat er mir schon des Öfteren angeboten, in solchen
Situationen einfach bei ihm aufzukreuzen. Irgendwie wird es
schon weiter gehen. Schließlich habe ich in Quantum Physikmein
Masters von der Caltec, als einer der Jahrgangsbesten erhalten.
Meine Fähigkeiten und Kontakte sind ja weiterhin vorhanden.
Außerdem ist mein Verlangen nach Sandy größer, als bei
Katharina zu bleiben. Sie gibt mir das Gefühl, etwas Besonderes
zu sein und besitzt eine Leidenschaft,die ich seit Jahren vermisse.
Ich setze mich in meinen weißen BMW, dessen Leasingraten
ich seit Monaten nicht nachgekommen bin und fahre Richtung
Huntington Beach. Während der Fahrt fange ich erstmals an, eine
bis dahin unbekannte Leere in mir zu spüren. Sind die Jahre des
Zusammenseins wirklich vorbei und bin ich alleine Schuld an der
jetzigen Situation?
Selbstzweifel kommen zum Vorschein. Ich schlage dermaßen
oft auf das Lenkrad, dass mir die Hand schmerzt. Bei Gerald
angekommen, parke ich auf seiner Auffahrt seines weißen
modernen Bungalows. Weder sein Jeep, noch der Mini Cooper
seiner Frau, Joyce, sind zu sehen. Ich steige aus, klingel und
klopfe an der Tür, es tut sich nichts. Ich setze mich auf die Bank
des Eingabereichs und warte. Es ist 19 Uhr. Ab 17 Uhr ist Gerald
eigentlich immer zuhause.
Ich verspüre plötzlich einen Riesenhunger. Etwa eine Stunde
später entscheide ich mich dann doch, entgegen meinem Plan,
Gerald anzurufen. Es springt sofort die Mailbox an, auf die ich
dann meine Situation darlege.
Kurz darauf kommt Geralds Nachbar auf mich zu, ein älterer
sympathisch wirkender Mann und begrüßt mich mit einem
„Howdi“. Natürlich war es keine zuvorkommende Freundlichkeit,
die ihn aus seinem Haus bewegte, sondern eher die Neugierde,
was ein ihm Fremder hier zu suchen hätte. Ich erwiderte den
Gruß, und erklärte ihm, dass ich auf Gerald warte. „Gerald und
Joyce sind für ein paar Tage nach Vegas gereist". Nun gut, Gerald
wird mich schon zurückrufen, sobald er die Sprachnachricht
abhört. Ich kenne Gerald seit der High School und wir haben so
ziemlich jeden Scheiß zusammen gemacht den man sich
vorstellen kann. Auch als wir dannauf verschiedenen Uni's waren
hatten wir fast täglich Kontakt. Bei seiner Hochzeit war ich sein
Trauzeuge, bei meiner Hochzeit war er meiner.
Da ich mit den Gedanken schon beim Essen war, checke ich
in meine Brieftasche, $23,- das reicht für ein Frühstück. Keine
Ahnung wann ich das letzte mal was zwischen die Zähne
bekommen habe. An der Pacific Coast Highway war Sancho’s
Tacos, ein mexikanisches Restaurant. Dort haben Gerald und ich
uns schon des Öfteren, nach durchzechten Nächten, kulinarisch
gestärkt. Ich setze mich wieder in mein Auto und fahre direkt hin.
Dort angekommen, setze ich mich an einen Tisch am Fenster.Ich
bestelle zwei Burritos und einen ungesüßten Eistee. Um den
Geräuschen zu entkommen setze ich mich um auf die Terrasse,
versuche meine Gedanken einfach nur abzustellen und die
Abenddämmerung zu genießen
Nachdem ich mit meinem Essen fertig bin, rufe ich Sandy auf
der Arbeit an. Mit kurzen Worten schildere ich Ihr meine
Situation und das ich vorbeikommen und mir ihr sprechen muss.
Eigentlich passt es Ihr gar nicht, wenn ich auf ihrer Arbeit
aufkreuze, nicht einmal als Privatgast. Widerwillig stimmt sie zu.
Auf dem Parkplatz angekommen, sehe ich, dass sie am
Bareingang stand und schon Ausschau nach mir hielt. Sie kommt
auf mich zu und braust sofort los: „David, wir hatten eine nette
Zeit zusammen, aber mehr auch nicht. Du kannst nicht auf
meiner Arbeit aufkreuzen und Dein Problem zu Meinem machen.
Hier ist mein Reserveschlüssel. Bis Montag kannst du bei mir
unterkommen, dann musst du entweder was Eigenes gefunden
haben, oder deine Ehe wieder in Ordnung gebracht haben“.
„Geht klar, ist wirklich nur kurzfristig“. So aufgebraust habe ich
Sie noch nie erlebt, das wird sich schonwieder legen,rede ich mir
ein.
Auf den Weg zum Appartement denke ich noch einmal an
Sandy´s Worte. Wäre die Situation umgekehrt würde ich keine
Sekunde zögern ihr zu helfen. Es hat einen bitteren
Nachgeschmack. Während ich mir in Sandy’s Apartment
spätabends einen Whisky gönne, höre ich Stimmen und Schritte
im Treppenhaus. Die Tür öffnet sich und Sandy kommt
angetrunken mit einem circa 2 Meter großen Glatzkopf herein.
„Scheiße, dich habe ich ganz vergessen“, sagt sie und fängt an
laut zu lachen. Während ich in meine Tasche griff, erwidere ich
„Keine Sorge, bin schon weg. Ich habe wohl mehr in uns gesehen
als vorhanden war". Ihren Schlüssel lege ich auf den Tisch, ein
letzter Blick, kurzer Augenkontakt und schon bin ich draußen 2
Uhr nachts, 11$ in der Tasche und keine Bleibe, kann es
schlimmer kommen?
Nadel im Heuhaufen
Samstag 16. April 2016
Schweißgebadet wache ich durch laute Sirenen diverser
Polizeiwagen auf der Hauptstraße auf. Nur langsam nehme ich
wahr, dass ich im Hotel bin. Es ist noch dunkel. Das Summen der
Klimaanlage hindert mich, meine Gedanken zu ordnen. Das
Display der Uhr auf dem Nachttisch zeigt 4:22 an. Ich knipse die
Nachttischlampe an und sitze regungslos auf dem Bett. Ich
brauche Antworten, ich brauche einen Plan.
Nur schleppend gehe ich zum Duschen. Als ich danach in die
gleichen, ekligen Klamotten schlüpfe, fühle ich mich abartig.
Passend zur Situation. Gegen 5:30 Uhr checke ich aus dem Hotel
aus, und fahre erst einmal frühstücken. Als Erstes werde ich
Gerald aufsuchen, vielleicht klärt sich da schon einiges auf. Falls
nicht, bleibt mir nichts anderes übrig als zu Katharina
zurückzufahren und mir einfach anhören was sie sagt. Sie
erwähnte eine Party heute Abend. Da werde ich doch bestimmt
Erkenntnisse erhalten. Ich beschließe diese Möglichkeit, anstelle
Gerald aufzusuchen,vorzuziehen. Bleibtnur die Problematik, das
Haus wiederzufinden.
Ich fahre zum nächsten, geöffneten Restaurant um mich erst
einmal zu stärken. Die erste Mahlzeit seit 2 Tagen. Nach einer
knappen Stunde und einem Grand Slam Frühstück mache ich
mich auf den Weg Richtung Hollywood Hills….oder war es doch
Beverly Hills? An Vieles in der Umgebung kann ich mich nicht
erinnern, zu gross war der Schock. Hügelig war es, kurvenreich
war es, eine lange Auffahrt mit einem gusseiserne Tor und von
der Eingangstür aus hatte ich einen Blick auf das versmogte Los
Angeles. Diese Beschreibung passt so ziemlich auf jedes zweite
Haus in Beverly Hills. Die Nadel im Heuhaufen. Wie kommt sie
überhaupt zu so einem Anwesen, Ihre letzte Bleibe war ein 3-
Zimmer Appartement in Long Beach, als Immobilienmaklerin
verdient sie zwar nicht schlecht, aber auch kein Vermögen.
Das ich einmal froh sein werde, auf der 415 in der Rush Hour
festzustecken, hätte ich auch nicht gedacht. Wenigstens das ist
normal geblieben. 2 Stunden für gerade einmal gute zwanzig
Meilen. Ich nehme die Santa Monica Abfahrt Richtung Westen
und fange systematisch meine Suche am Rodeo Drive an. Keine
Straße oder Sackgasse lasse ich aus. Auch nach 2 Stunden bin ich
nicht wirklich weiter. Hätte ich doch einen Blick auf den
Straßennamen geworfen, oder zumindest auf die Hausnummer.
Ich fahre rechts am Beverly Drive ran um mich neu zu orientieren.
Schweißtropfen fließen mir die Stirn herunter. Bei
abgeschaltetem Motor und ohne Klimaanlage ist die
Mittagssonne in Los Angeles unerträglich. Ich merke dass ich
anfange zu resignieren. Wenn ich jetzt aufgebe, fange ich wieder
bei null an, nein Ich ziehe das jetzt durch.
Ersteinmal fahre ich ins UnUrban, mein Liebingscafe an der Pico
Avenue in Santa Monica. Ich werde versuchen abzuschalten und
mich nicht verrückt machen lassen. Zu meinem Erstaunen
arbeitet Cindy noch hier.Immer wenn ichhier war, haben wir uns
über unsere Heimatstadt,New York unterhalten. Aber irgendwie
scheint auch sie mich nicht wiederzuerkennen. Das Mysterium
kennt keine Gnade. Amnesie kann ich jedoch ausschließen, denn
wie wüsste ich sonst ihren Namen und den von Steven. Hmm,
Amnesie? Das ist die Idee, ich fahre zur Polizei und spiele eine
Amnesie vor. Alles was die zur Identifizierung brauchen ist mein
Ausweis und dadurch komme ich an meine Anschrift. Oh mein
Gott…. ich greife sofort zur Brieftasche, hole meinen
Führerschein heraus und fange an wie ein Wahnsinniger zu
lachen. Da steht es, 338 Hillcrest Drive, Beverly Hills.
4 Toby
19. Dezember 2012
Auf dem Parkplatz finde ich mein Auto nicht. Ich gehe den
gesamten Parkplatz auf und ab. Nichts, meine Vorahnung
bewahrheitet sich, nachdem ich bei der Polizei anrufe und den
Wagen als gestohlen melden will. Die Leasingfirma hat mittels
GPS den Wagen ausfindig gemacht und eingezogen.Ja, es konnte
noch schlimmer kommen. Zu Fuß mache ich mich auf den Weg
Richtung Hauptstraße, immer wieder schossen die Worte durch
den Kopf „Kratz doch endlich ab". Nun war es an der Zeit die
Entscheidung zu treffen. Will ich weiter kämpfen oder mich
endlich erlösen. Ich war stets eine Kämpfernatur und hatte kein
Verständnis für Menschen, die aufgeben. Bis jetzt. Feige wie ich
bin, will ich fest entschlossen eine Münze über Leben oder Tod
entscheiden lassen. Dann schossen wieder die Gedanken der
Kinder durch meinenKopf.Lucy möchte ich einesTages zum Altar
führen. Joshua soll in mir ein Vorbild oder zumindest einen
Kämpfer sehen.
An der Hauptrasse angekommen gehe ich in einen Park und lege
ich mich erstmal auf die nächstgelegene Bank um endlich ruhen
zu können. Das wars also mit Sandy. Ihretwegen habe ich meine
Ehe zerstört. Blödsinn! Die war schon zerstört, als ich ihr kein
sorgenfreies Leben und keine Shoppingtouren mehr bieten
konnte. Auf kurz oder lang wäre es zum gleichen Ergebnis
gekommen. Mit diesen Gedanken schlafe ich auf der Parkbank
ein. Meine Tasche benutze ich als Kopfkissen. Vor Kälte wache
ich jedoch alle paar Minuten auf. Bis auf das eine Mal, da
erschrecke ich als ich etwas Warmes, feuchtes an meiner Hand
spüre. Ein mittelgroßer, brauner Hund leckt an meiner Hand.
Labrador Mischling, schätze ich. Ungepflegt, hungrig, ausgesetzt
und allein wie es scheint. „Da haben wir aber eine Menge
Gemeinsamkeiten, mein Freund". Es ist schon merkwürdig, wie
mir das Schicksal in solch einer Situation einen Gleichgesinnten
über den Weg schickt. Ich setze mich auf, und lasse keinen Blick
von Ihm. Er legt sich vor mir nieder und schaut mir in die Augen,
als würde er mich fragen „Willst Du mein Herrchen sein?".
So langsam geht die Sonne auf. Ich raffe mich auf und gehe
langsam tiefer in den Park hinein. Er weicht nicht von meiner
Seite. Ich knie mich zu ihm nieder „Ich habe schon genügend
Probleme ohne dich und auch keine Bleibe. Du hast Dir definitiv
den Falschen ausgesucht“. Er schaut mich mit traurigen Augen
an, als würde er jedes Wort verstehen und mir mitteilen wollen:
„Ich will doch nur einen Freund“.„Heute hörst du auf denNamen
Toby und dann schauen wir weiter.“ Keine Ahnung wie ich auf
den Namen komme. Ich kenne weder einen Hund noch eine
Person mit dem Namen. Ich beschließe, von dem letzten Geld im
Supermarkt für Toby und mich etwas zu Essen zu kaufen und mal
schauen, ob es dann noch für eine Leine reicht. Auf den Weg
dorthin weicht er mir nicht von der Seite. Du wartest hier, sage
ich bestimmend vor dem Eingang. Er gehorcht aufs Wort.
Pitabrot $1,29 – Bologna Wurst $0,99 Cent – 1 Dose Hundefutter
$1,49 – Leine $5,99. An der Kasse kann ich den Eingangsbereich
einsehen und werfe immer wieder prüfende Blicke zu Toby, der
brav sitzenbleibt während sein Blick nicht von dem Eingang
weicht. Zufriedenmit meiner Ausbeute lege ich ihm die Leine an.
Schwanzwedelnd genießt er wohl, das sich jemand um ihn
kümmert.
Wir gehen in den Park zurück und ich setze mich wieder auf
dieselbe Parkbank. Die Dose Hundefutter lässt sich mit einem
Ziehverschluss öffnen. Ich schütte den Inhalt auf die ausgeleerte
Einkaufstüte.Toby rührt das Futter nicht an. „Wenn du jetzt noch
krüsch wirst, kann ich Dir auch nicht helfen“. Ich jedenfalls
genieße es, etwas in den Magen zu bekommen.
Es ist nun 7 Uhr früh, der Park füllt sich mit Joggern und
Hundebesitzern, Toby liegt entspannt auf dem Boden, hat sein
Futter aber nicht angerührt. Während ich so da sitze und die
Menschen beobachte, klopft mir jemand von hinten auf die
Schulter. Ich drehte mich um und sehe eine traumhaft hübsche
Frau im Jogginganzug. „Hi, ich bin Megan, sieht so aus als hätte
Dein Hund den Appetit verloren. Ist alles in Ordnung mit Ihm?“ „
Ich bin David, keine Ahnung, er ist mir vor wenigen Stunden
zugelaufen. Ich habe ich ihn Toby genannt damit ich nicht Hund
rufen muss. Aber ich weiß gar nicht wohin mit ihm“, versuche ich
mich für Toby’s ungepflegte Erscheinung zu rechtfertigen. Ohne
darauf einzugehen erwidert Megan: „So lethargisch wie er neben
seinem Futter liegt, sieht es sehr nach einer Magenkolik aus. In
zwei Stunden öffnet der Tierarzt auf der anderen Straßenseite.
Ich denke der Kleine sollte mal durchgecheckt werden“. „An
einen Tierarzt hatte ich auch schon gedacht, nur leider habe ich
momentan widrige finanzielle Umstände. Daher wird es wohl
leider eher das Tierheim werden, antworte ich verschämt. „Ich
arbeite in der Tierartztpraxis, fragen Sie nach Megan und machen
Sie sich über die Rechnung keinen Kopf“.
„Das wäre klasse", antwortete ich verlegen.
Mit einem Lächeln und den Worten „Deal, bis nachher“
verabschiedet sie sich und joggt weiter. Wow, was für eine
liebevolle, bezaubernde Erscheinung. Blond, hübsch um die 30
und smart. Dass ich in meiner derzeitigen Situation an nichts
anderes als meine soeben gemachte Bekanntschaft denke, sagt
vieles aus. Ich habe zwar nie an Liebe auf den ersten Bl ick
geglaubt, nun scheine ich mich aber Hals über Kopf auf den
ersten Blick verliebt zu haben. Ich wende mich Toby zu und fange
an mit ihm wie mit einem Freund zu reden. „Alles wird gut, mein
Freund, ich werde mich um dich kümmern“.
Kurze Zeit später klingelt mein Handy. Gerald, zeigt mein Display
an: Hallo Gerald, gut dass du meine Nachricht abgehört hast”.
Wo ich gerade sei, fragt er. Ich schildere noch mal meine letzten
12 Stunden. „Natürlich kannst du bei mir unterkommen, ich bin
jedoch erst am Dienstag wieder da und dann schauen wir mal,
wie wir Dir wieder auf die Beine helfen können. Im
Gartenschuppen habe ich einen Ersatzschlüssel, den findest du
unter der Uhr auf dem Regal und in der Kaffeedose in der Küche
findest du etwas Bargeld, mein Jeep steht i n der Garage der
Autoschlüssel istim Nachttisch.“ Ich bedanke mich und spürewie
mir eine Riesenlast von den Schultern fällt.
Punkt Neun mache ich mich auf den Weg in die Tierartztpraxis.
Vor mir ist noch eine Frau mit ihrer Katze dran, die laut Frauchen
unbedingt heute noch kastriert werden muss. Die Diskussion
über den Termin zieht sich ewig hinaus, da sie ihren gestrigen
Termin nicht wahrgenommen hatte und fest behauptet der
Termin wäre heute. Ich bin aber der Letzte, der sich darüber
aufregen darf, dass es nicht vorangeht. Nachdem die Frau damit
besänftigt wurde, dass die Kastration noch heute, nach
Feierabend stattfinden wird, wendet sich die Frau an der
Rezeption zu mir. Noch bevor ich nach Megan fragen kann,
kommt sie mir zuvor: „Sie sind bestimmt mit Toby hier“ Ich nicke
verschämt, da ich mir sicher bin, dass Megan über meine
Zahlungsunfähigkeit bereits gesprochen hat. „Füllen sie bitte das
Formular aus, danach sollte es nicht all zulange dauern.“
In diesem Moment, kam Megan durch eine Tür. Sie trägt einen
Tierarzt Kittel. Megan ist also die Veterinärin? „Hallo Toby, hallo
David, schön dass Ihr es geschafft habt, das mit dem Formular ist
nicht notwendig.“ Sagt sie mit ihrem ehrlich wirkenden Lächeln.
Ich bin mehr als verzaubert, kann keinen Blick von Ihr lassen.
Kommen Sie ab besten gleich mit durch.Megan bittet mich, Toby
auf die Liege zu heben. Sie krault Toby sanft am Hals, Toby wirkt
noch entspannter als zuvor.Während Megan ein Ultraschallgerät
einschaltet, überlege ich verzweifelt wie ich sie in ein
Privatgespräch verwickeln kann. Normalerweise bin ich ein sehr
kontaktfreudiger Mann und habe keinerlei Probleme Frauen
anzusprechen. Diesmal scheine ich aber wie gelähmt. Megan
tastet mit dem Ultraschall über Toby’s Bauch.
„Wie vermutet, eine Magenkolik. Zum Glück nur eine Leichte. Ich
verschreibe Ihnen etwas, ähm…nein, ich gebe ihnenwas mit und
dann sollte es ihm auch bald besser gehen. Ich gebe ihnen meine
Karte, da steht meine persönliche Rufnummer drauf. Sollte etwas
sein, rufen Sie mich gerne jederzeit an.“ „Es ist nicht so wie es
scheint, ich werde es wieder gutmachen und für die Kosten
aufkommen.“ Als sie mir über die Hand streichelt, kommt es mir
vor als würden mich tausend Blitze treffen. „Ist nicht notwendig,
mich hat es nur wenige Minuten gekostet und Toby wird von
seinen Schmerzen befreit. Ich bin froh, das es noch Menschen
gibt die nicht einfach wegsehen. Und es ist rührend mit
anzusehen, wie er sie anhimmelt. Hunde haben ein Gespür für
gute Menschen.“ Ich halte ihre Visitenkarte demonstrierend
hoch, und verabschiede mich lächelnd mit den Worten „Ich
melde mich auf jeden Fall“.
Geralds Haus ist ca 5 Meilen entfernt, ich mache mich mit Toby
an der Leine auf den Weg und denke noch über Megans Worte
nach. Hunde haben ein Gespür für gute Menschen. Bin ich ein
guter Mensch? Toby auf jeden Fall macht bei unserem ersten
Gassi gang einen zufriedenen Eindruck.
Mein Handy klingelt, Katharina ruft an. Will sie sich entschuldigen
oder will sie weitere Vorwürfe machen? Ich drücke sie weg und
schicke ihr anschließend eine SMS, dass es sehr laut auf der
Straße wäre, und ich mich in Kürze zurückmelde.In Geralds Haus
angekommen, finde ich den Schlüssel wie beschrieben im
Schuppen. Noch bevor ich Toby einen Wassernapf hinstelle und
ihm seine Medizingebe,schaue ich in die Kaffeedose. $400,- die
dazu führen, dass ich befreit auspuste, was für eine
Erleichterung. Als Erstes öffne ich die Terrassentür für Toby und
gehe dann unter die Dusche, danach lege ich mich auf das Sofa,
schaue auf Megan´s Visitenkarteund nicke relativ schnell ein.
5 Evans Residence
Samstag 16. April 2016
Noch bevor ich meine Bestellung aufgebe, eile ich wieder zum
Auto heraus und fahre zum Hillcrest Drive. Nummer 338,
gusseisernes Tor, lange Auffahrt, das ist es. Und am Toreingang
steht „Evans Residence“. Merkwürdiges Gefühl, mei n Name an
einem Haus dass ich nicht kenne. Gestern noch bin ich von hier
geflüchtet. Ich öffne das Tor, fahre die Auffahrt heraufund parke
hinter einen der beiden BMW’s.
Die Haustür öffnet sich und Katharina stürmt heraus. „David, wo
warst du die ganze Nacht? Warum bist du gestern weggelaufen?
Die Party ist in wenigen Stunden und du bist spurlos ohne Auto
verschwundenund hast nicht einmal dein Handy mitgenommen.
Wessen Auto ist fährst du denn jetzt?“
„Ich muss mit dir reden, lass uns erst einmal hereingehen“
erwidere ich. Ich setze mich in das Wohnzimmer, Katharina
bringt mir einen Kaffee aus der Küche. „Sei bitte ehrlich, hast du
eine Geliebte“? Eine normale Unterhaltung mit der Frau, die
mich so abserviert hat, ist schon merkwürdig. Und dass sie
besorgt ist, macht das Ganze noch merkwürdiger. „Setz dich und
bitte unterbrich mich nicht.“
Ich schildere Ihr dass ich mich nur noch an Sie und die Kinder
erinnere. Dass mir das Haus fremd ist, ich nichts von einer Party
weiß und auch nicht keine Ahnung habe, ob und wo ich arbeite.
Dass die letzten Jahre wie ausgelöscht seien. Die letzte
Erinnerung, die ich habe ist die Zwangsversteigerung vom Haus
und unsere Scheidung.
Katharina schaut mich ungläubig an und mit feuchten Augen
erwidert sie: „Was für ein Spielchen ist dass jetzt, wenn Du die
Scheidung willst, dann gib mir wenigstens den Grund dafür. Und
von was für einer Zwangsversteigerung faselst Du? Ich hatte dich
gebeten, ehrlich zu sein“.
Meine Vermutung, das wir nach der Scheidung wieder
zusammen gekommen sind, entpuppt sich als falsch. Katherinas
Worte kommen mit einer derartigen Verblüffung heraus, dass es
nicht gespielt sein kann. Nun bin ich wirklich perplex, ich setzte
dass Spielchen mit meiner Amnesie jedoch fort. „Katherina, es
gibt keine andere Frau und auch keinen Grund für eine
Scheidung. Es ist mein vollkommener Ernst, die letzten Jahre sind
wie ausgelöscht.
Ich bitte dich, mir alles seit unserer Hochzeit zu erzählen. Sie
mustert mich argwöhnisch und weiß nicht was sie von meiner
Aussage halten soll. Sie setzt sich neben mich auf die Couch und
umarmt mich. Längst vergessene Gefühle kommen in mir hervor.
„Wenn es wirklich wahr ist, müssen wir einen Spezialisten
aufsuchen!“ Ich willige ein, mich am Montag gründlich
durchchecken zu lassen. Jedoch brauche ich jetzt Informationen.
„Lass mich die Party absagen und dann nehmen wir uns all die
Zeit die wir brauchen.Es passt auch gerade mit den Kindern. Lucy
ist mit Melanie und den Kindern nach San Diego zu Seaworld
gefahren. Josh ist bei den Scouts bis morgen. David wo soll ich
anfangen?“
,Wo wohnten wir nach der Hochzeit? Und was ist mit unserer
Ehe? Hatten wir jemals eine Ehekrise? Wie lief die Firma? Einfach
alles, woran du dich erinnern kannst"
„Ich hoffe wirklich das es kein Spielchen von Dir ist. Nun gut wir
haben am 29. November 2007 geheiratet. Du warst der absolute
Karriere Mann, träumtest davon, unseren Kindern und uns
beiden mal ein besseres Leben bieten zu können. Du hast den
Mut gehabt, unsere Firma,Evans Technologies, mit wenig Kapital
zu gründen. Bis zur Schwangerschaft mit Josh habe ich im Büro
ausgeholfen. Nach wenigen Monaten warf die Firma schon
Gewinne ab. Im Frühjahr 2008 sind wir aus dem Appartement
ausgezogen und haben unser erstes kleines Haus in Norwalk
gekauft.
Erinnerst Du Dich daran?" „Soweit ja" antworte ich zustimmend.
Mittlerweile haben wir 41 Angestellte und produzieren für
Riesenkonzerne und die Regierung. Wir führten immer eine
Musterehe, um die uns alle beneidet haben. Die einzige große
Krise, die wir jemals hatten, betraf die Firma, die du einige Jahre
später verkaufen wolltest. Ich war strikt dagegen und du hattest
mich deswegen mit Ignoranz gestraft. Zum Glück bist du auf den
Vorschlag eingegangen und hast Derek angerufen.“ „Wer ist
Derek?“ frage ich.
„Wer Derek ist? Derek ist unser bester Freund, wir haben ihn
kennengelernt, als du eingewilligt hast, eine Consulting Firma
aufzusuchen. Er hat dir das wahre Potenzial der Firma aufgezeigt.
Nachdem du das Übernahmeangebot abgelehnt hast, kamen die
ersten Riesenaufträge von McCormick. Danach warst du wieder
der Alte, der charmanteste und liebevollste Mann der Welt.“
Jetzt wird mir einiges klar. „Katharina, ich muss das alles kurz
verarbeiten. Lass mich bitte eine Weile auf der Terrasse allein“.
Sie zieht den rechten Mundwickel nach hinten, so wie sie es
immer tat wenn ihr etwas nicht gefiel,willigt aber ein. „Möchtest
du noch einen Kaffee oder etwas anderes“. „Nein danke, nur
etwas Ruhe“.
Als ich auf die Terrasse ging, schob ich die schwere Glastür hinter
mir wieder zu. Ich wolltedas Gefühl haben, vollständig ungestört
zu sein. Ja, ich erinnere mich daran, dass Katherina mir diese
Adresse von der Consulting Firma herausgesucht hatte. Ich weiß
noch genau dass es der 29. November 2012 war, unser 5.
Hochzeitstag. Ich habe aber niemals da angerufen.
Nun bekomme ich eine Gänsehaut, sehe ich gerade mein Leben
mit einer anders getroffenen Entscheidung vor mir? Was ist jetzt
real und was ist Einbildung? Ist dieses das Ergebnis de r
Technologie im Forsythe Institut? Bin ich anstelle der
Schwingungslesung in einer anderen Dimension gelandet.
Abenteuerlicher und wirrer können meine Gedanken nicht sein,
dennoch ist das die wahrscheinlichste Erklärung. Denn was sich
hier gerade abspielt, ist nicht von der Hand zu weisen. Ich denke
an den Film „Ist das Leben nicht schön“, als der Engel Clerence,
James Stewart aufzeigt, wie die Welt ohne ihnausgesehen hätte.
Wie komme ich wieder zurück? Will ich überhaupt zurück? Ich
scheine in dieser Dimension ein gemachter Mann zu sein, es
scheint real und Katharina scheint wieder die Frau zu sein, in die
ich mich verliebt hatte. Andererseits habe ich Katharina auch von
einer anderen Seite kennengelernt, als nicht alles glatt lief und
wir in ein finanzielles Chaos gerieten.
Und was ist mit Megan? Sie war immer für mich da, hat an mich
geglaubt. Ich hätte es mit keiner anderen Frau besser treffen
können. Meine Gedankenschwirren hin und her. Selbst wenn ich
wollte, ich habe keine Ahnung, wie ich zurück kommen könnte.
Ich gehe wieder ins Haus herein. Katharina schaut mich fragend
an. Ich gehe auf sie zu und nehme sie in den Arm. Sie lehnt ihren
Kopf geschmeidig an mich, als wolle sie mir sagen, „Bitte bleib
immer bei uns“.
Katharina bringt mir mein Handy, 32 Nachrichten und unzählige
Anrufe in Abwesenheit. Mit den Nachrichten kann ich nichts
anfangen. Ich kann weder die Absender, noch die Mitteilungen
zuordnen. Ich schlage Katharina vor, eine Flasche Weinzu öffnen
und dann unser Gespräch fortzusetzen. Es gibt noch so viele
Fragen, auf die ich Antworten brauche.
Wie sind wir zu diesem Haus gekommen? Wie hoch ist unser
Vermögen? Wie geht es Gerald? Wo ist der Sitz der Firma und
woran arbeite ich gerade? Habe ich eine Vertrauensperson im
Betrieb? Fast alle Kontakte in meinem Handy sind mir unbekannt,
wer sind diese Personen?
Katharina geht in die Küche kommt mit einer Flasche Pinot Noir
und zwei Weingläsern zurück. Sie setzt sich neben mich auf die
Couch und reicht mir zum Einschenken die geöffnete Flasche.
„Wir haben unser Haus in Norwalk vor etwa drei Jahren verkauft
und uns in dieses Haus verliebt. Über Geld haben wir schon lange
nicht mehr gesprochen, daher kann ich dir nicht viel über unser
Vermögen sagen. Wir konnten uns aber leisten, dieses Haus bar
zu bezahlen.
Zu Gerald und Joyce haben wir keinen Kontakt mehr. Wir hatten
uns zerstritten, als er sich an deinem Geburtstag vor drei Jahren
an mich herangemacht hat. Seitdem herrscht Funkstille. Glaub
mir, es ist besser so. Die Firma ist in Downtown Hollywood, im
Washington Court. Woran du gerade arbeitest kann ich nicht
sagen. Du kümmerst dich eigentlich nur noch um die Betreuung
der Hauptkunden. Für das alltägliche Geschäft hast du Mike
Warner vor einem Jahr eingestellt. Ich halte Mike für arrogant,
aber du hälst große Stücke von ihm.
Können wir die Kontakte in Deinem Handy bitte morgen
durchgehen? Ich möchte den Rest des Abends mit dir genießen,
schließlich hatte ich gestern durch Dein Verschwinden den
Schock meines Lebens. Ich bin recht zuversichtlich, das deine
Erinnerungen bald zurückkehren. Von solchen Fällen habe ich
schon gelesen“ „Wenn Du wüsstest“ denke ich.
Nun bin ich zwar ein Stück schlauer, aber ich kann nicht so Recht
mit den Informationen etwas anfangen. Mir fehlt der Bezug, die
Emotionen zu allem, was mir Katharina erzählt hat. Nach den
ersten Gläsern Weinfangen wir an herumzualbern,zu lachenund
uns zu küssen. Ich muss zugeben, dass ich es genieße und ganz
vergessen habe,was für eine tolle Frau Katharina doch ist. Wenn
sie lacht, kommt ihr Grübchen zum Vorschein, das Grübchen,
welches ihrem Lächeln die besondere Note gibt. Wir öffnen eine
weitere Flasche Wein, hören Musik und fangen an uns langsam
und zärtlich gegenseitig auszuziehen. An derart
leidenschaftlichen Sex mit Katharina kann ich mich nicht
erinnern, nicht mal zu der Zeit als wir frisch verliebt waren.
Am nächsten Morgen kuschelt sich Katharina an mich und
flüstert mir ins Ohr: „Ich möchte niemals aufstehen. Dafür ist es
jetzt gerade zu schön“. Sie liegt mit dem Kopf auf meiner Brust
und ich streichele ihr über das Haar. Meine Gedanken sind aber
gerade bei Megan. Ich fange an, ein schlechtes Gewissen zu
bekommen. Ich versuche mir einzureden, dass ich nichts
Verkehrtes mache. Ich bin mit meiner Frau in unserem Haus, in
unserem Schlafzimmer und in unserem Bett. Außerdem kennt
Megan mich in dieser Welt, Dimension oder was auch immer gar
nicht. Dennoch nehme ich mir vor, am Montag in die
Tierarztpraxis zu fahren um Megan zu sehen.