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Forschungsmagazin der Leibniz Universität Hannover

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Published by alumni, 2020-06-03 06:16:10

Unimagazin 1/2_2020 Hearing4all

Forschungsmagazin der Leibniz Universität Hannover

Forschungsmagazin der Leibniz Universität Hannover
Ausgabe 01|02 • 2020

Hearing4allPerspEexkzteivlleenntdeerHFöorfroscrshcuhnugng

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Unimagazin • Ausgabe 1|2–2020 Leibniz Universität Hannover

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

gut zu hören und gut zu verste­ Dieses Unimagazin gibt einen Viel Freude beim Lesen
hen ist für den Menschen außer­ Überblick über den Stand der wünscht Ihnen
ordentlich wichtig, weil es Forschung des Exzellenzclusters
gleichzusetzen ist mit Kommu­ Hearing4all an der Leibniz Uni­ Prof. Dr. Volker Epping
nikation, Orientierung und Si­ versität Hannover. So wird nach Präsident der
cherheit. einem Übersichtsartikel zu­ Leibniz Universität Hannover
nächst ein medizinischer Blick
Der Exzellenzcluster Hearing­ auf das Gehör geworfen. In zwölf
4all – die Zukunft des Hörens – nachfolgenden Texten stehen
hat sich zum Ziel gesetzt, mög­ unter anderem die sogenannten
lichst allen Betroffenen zu hel­ Cochlea­Implantate im Fokus,
fen. Schwerhörigkeit ist in die bei den Betroffenen die Funk­
Deutschland eine Volkskrank­ tion eines beschädigten Innen­
heit. Mehr als 15 Millionen Men­ ohrs übernehmen sollen. Im Un­
schen sind betroffen, den größ­ terschied zu Hörgeräten, die die
ten Anteil machen Lärmschwer­ Lautstärke von Geräuschen erhö­
hörigkeit und Schwerhörigkeit hen, übertragen die elektronisch­
im Alter aus. Menschen, die medizintechnischen Geräte Au­
nicht richtig hören können, füh­ diosignale mittels elektrischer
len sich oft isoliert und leiden Stimulation des Hörnervs an das
häufiger an Depressionen und Gehirn.
Schlaflosigkeit.
So zeigen Wissenschaftlerinnen
Das Ziel des interdisziplinären und Wissenschaftler in diesem
Exzellenzclusters „Hearing4all“ Heft, wie eine kontrollierte Wirk­
ist das Hören für alle. Durch stoff­Freisetzung beim Einsatz
eine Verbesserung der individu­ von Cochlea­Implantaten funkti­
ellen Hördiagnostik und der ent­ onieren könnte. Es geht um eine
sprechend angepassten Versor­ Weiterentwicklung der Implanta­
gung mit persönlichen Hörhilfen te durch Photonik sowie um den
soll die Kommunikation für die Einsatz optogenetischer Protein­
Betroffenen entscheidend ver­ expression. Erläutert wird, wie
bessert werden – sei es bei der Hörgeräte Stimmen im Raum or­
Arbeit, im Straßenverkehr oder ten können und was Chip Design
zu Hause. Dazu arbeiten Wis­ mit digitalen Hörhilfen zu tun
senschaftlerinnen und Wissen­ hat. Wie lang der Weg von der
schaftler der Leibniz Universität Forschung bis in die klinische
Hannover, der Carl von Ossietz­ Routine dauert und mit welchen
ky Universität Oldenburg sowie Herausforderungen die minimal­
der Medizinischen Hochschule invasive Cochlea­Implantat­Chi­
Hannover eng zusammen und rurgie verbunden ist, ist Thema
entwickeln innovative Konzepte weiterer Beiträge.
für Hörgeräte und Hörimplanta­
te ebenso wie assistive Techno­ Abschließend zeigt der Einblick
logie für jedermann – also das in die Joint Research Academy
„Hörgerät“ in jedem Smart­ des Exzellenzclusters, wie Stu­
phone, Fernseher oder Auto­ dierende von der Interdisziplina­
radio. rität in der Forschung profitieren.

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Unimagazin • Ausgabe 1|2–2020 Impressum • Inhaltsverzeichnis

Hearing4all

EXZELLENTE HÖRFORSCHUNG

Unimagazin Holger Blume | Thomas Lenarz | Birger Kollmeier Cornelia Blume | Martin Witt et al.
Forschungsmagazin der Leibniz Institut für Mikroelektronische Systeme (IMS), Institut für Technische Chemie
U­ niversität Han­nover • ISSN 1616-4075 Medizinische Hochschule Hannover (MHH), 30 ����� Heilen durch Licht
Universität Oldenburg Der Einsatz optogenetischer Protein­expression
Herausgeber 4 ����� Der Exzellenzcluster Hearing4all bei Cochlea-Implantaten
Das Präsidium der Leibniz Universität Von der medizinischen Grundlagen­forschung
Hannover bis zu Hi-Tech-Lösungen für jedes Ohr Peter Behrens | Athanasia Warnecke et al.
Institut für Anorganische Chemie,
Redaktion Thomas Lenarz Medizinische Hochschule Hanovver (MHH)
Monika Wegener (Leitung), Medizinische Hochschule Hannover (MHH) 34 ����� Heilende Implantate
Dr. Anette Schröder 8 ����� Das medizinische Grundproblem: Kontrollierte Wirkstoff-Freisetzung von Hör-
Hörsystem und Hördefizite Prothesen
Anschrift der Redaktion
Leibniz Universität Hannover Wolfgang Nejdl | Thomas Lenarz | Tobias Ortmaier | Thomas Lenarz | Thomas Rau
Alumnibüro Andreas Büchner et al. Institut für Mechatronische Systeme,
Welfengarten 1 Forschungszentrum L3S, Medizinische Hochschule Medizinische Hochschule Hannover (MHH)
D–30167 Hannover Hannover (MHH) 38 ����� Die minimal-invasive
10 ����� Machine Learning gegen Schwerhörigkeit Cochlea-Implantat-Chirurgie
Anzeigenverwaltung / Herstellung Vorhersage des Erfolgs bei Cochlea-Implantat- Der lange Weg von der Forschung in die klini-
ALPHA Informationsgesellschaft mbH Versorgung sche Routine
Finkenstr. 10
D–68623 Lampertheim Ines Potthast | Bettina Lindmeier Christian Thoben | Stefan Zimmermann
Telefon: 06206 939-0 Institut für Sonderpädagogik Institut für Grundlagen der Elektrotechnik und
Telefax: 06206 939-232 14 ����� Familien mit hörgeschädigten Kindern Messtechnik
Internet: www.alphapublic.de (Sonder-)Pädagogische Perspektiven der Cochlea- 42 ����� Messtechnik erhöht Patientensicherheit
Implantat-Versorgung Zur genauen Bestimmung von Implantat­
Titelabbildung positionen in Echtzeit
Institut für Mikroelektronische Systeme Holger Blume | Guillermo Payá Vayá |
(IMS) Lukas Gerlach Maren Prediger | Marc Christopher Wurz
Institut für Mikroelektronische Systeme (IMS) Institut für Mikroproduktionstechnik
Das Forschungsmagazin Unimagazin 18 ����� KAVUAKA 46 ����� Flexibel und druckempfindlich
erscheint zweimal im Jahr. Nachdruck Chip Design für digitale Hörhilfen Sensoren für die Insertionsüberwachung in der
einzelner Artikel, auch auszugsweise, Cochlea
nur mit Genehmigung der Redaktion. Holger Blume | Steven van de Par et al.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Institut für Mikroelektronische Systeme (IMS), Jörn Ostermann | Reemt Hinrichs
jewei­ligen Autoren verantwortlich. Universität Oldenburg Institut für Informationsverarbeitung
22 ����� Sprecherlokalisation in Hörgeräten 50 ����� Links und rechts verbinden
Wie Hörgeräte Stimmen im Raum orten können Räumliches Hören mit Cochlea-Implantaten

Alexander Heisterkamp | Dag Heinemann | Holger Blume | Jens Benndorf et al.
Tammo Ripken Institut für Mikroelektronische Systeme (IMS),
Institut für Quantenoptik, Laser Zentrum Hannover Dream Chip Technologies GmbH
26 ����� Hören durch Licht! 54 ����� SmartHeaP – Smart Hearing Aid Processor

Zur Weiterentwicklung von Implantaten durch Ein industrielles Translationsprojekt für digitale

Photonik Hörhilfen

58 ����� Die Joint Research Academy

60 ����� Personalia und Preise

3

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Der Exzellenzcluster Hearing4all

Von der medizinischen Grundlagenforschung bis zu Hi-Tech-Lösungen für jedes Ohr

Bereits seit 2012 arbeiten
Forscherinnen und Forscher der
Carl von Ossietzky Universität
Oldenburg, der Medizinischen
Hochschule Hannover und der
Leibniz Universität Hannover im
Rahmen des Exzellenzclusters

Hearing4all intensiv, inter­
disziplinär und erfolgreich

zusammen.

Im Jahr 2018 konnte sich dieser Im Folgenden wird ein kurzer sungen für alle Formen von 1
Verbund aus den drei Univer­ Überblick über die Arbeiten Schwerhörigkeit in allen Hör-
sitäten samt angeschlossener und Ziele des Clusters vermit- situationen und in allen Be- Technische Hörhilfen (Hörge-
Forschungsinstitutionen im telt. Exemplarische Arbeiten reichen des täglichen Lebens räte und Hörimplantate) sowie
„Auditory Valley Hannover – insbesondere aus Kooperati- entwickelt werden. Schwerhö- andere Therapien müssen da-
Oldenburg“ erneut in der onsprojekten unter Beteili- rigkeit ist die häufigste chroni- her deutlich effektiver und
Exzellenzstrategie durchsetzen: gung der Leibniz Universität sche neurosensorische Erkran- über den bisherigen unbefrie-
Mit Hearing4all 2.0 kann in Hannover werden im weiteren kung. Rund 17 Prozent der digenden Stand hinaus entwi-
den nächsten sieben Jahren auf Verlauf dieser Unimagazin- Weltbevölkerung sind davon ckelt werden. Hearing4all
das bisher Geleistete aufgebaut Ausgabe vertieft dargestellt. betroffen, die Tendenz ist stei- weist alle Forschungsexperti-
werden, um weitere Ziele gend. Dies bewirkt eine erheb- sen auf, um den Rehabilitati-
zum Wohle hörgeschädigter Hearing4all strebt die Über- liche Einschränkung der Le- onsbedarf durch bahnbrechen-
Menschen zu verfolgen. windung des gravierenden bensqualität bis hin zur sozia- de, individuelle Hörlösungen
Problems Schwerhörigkeit in len Isolation. Insbesondere vor für alle Formen von geringgra-
unserer alternden Kommuni- dem Hintergrund einer altern- diger Schwerhörigkeit bis zur
kations-Gesellschaft an, in- den Bevölkerung steigt die Be- Taubheit zu befriedigen. For-
dem forschungsbasierte Lö- deutung dieses Themas stetig. schungsbasierte funktionelle
Hördiagnostik kombiniert mit
Modellen von Normal- und

4

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Schwerhörigkeit sollen die für Die zweite Förderphase des „Schweregrad der Schwerhö-
den einzelnen Patienten opti- Exzellenzclusters (Hearing4all rigkeit“.
malen Therapiemöglichkeiten 2.0) baut auf den Strukturen
präzise vorhersagen, die auf und herausragenden Inno- Künftig werden vier Stränge
innovativen Algorithmen, Bio- vationen der ersten Förderpe- („research threads“) in der
materialien und Systemarchi- riode des Clusters auf, zum Forschung verfolgt: Im ersten
tekturen für zukünftige perso- Beispiel multilinguale Sprach- Strang untersuchen die For-
nalisierte Hörsysteme basie- tests, auditorische Mittelhirn- scher mit neurowissenschaft-
ren. Die breite Expertise von Implantate, extrem verlustleis- lichen Methoden das Wechsel-
der Grundlagenforschung tungsarme Hörgeräte-Prozes- spiel zwischen Hören, Wahr-
über Ingenieurwissenschaften soren oder präzise Vorhersage nehmen und Verarbeiten im
und maschinellem Lernen bis des Gewinns durch eine Hör- Gehirn. Im zweiten soll eine
hin zur klinischen Medizin er- hilfe anhand maschinellen virtuelle vielsprachige Hörkli-
möglicht es, das Konzept der Lernens, um bessere Hördiag- nik entstehen („mHealth“). Im

Abbildung 1

Die Grundlagenforschung in
Hearing4all 2.0 bereitet den Weg
für zukünftige digitale Hörhilfen
und mHealth-Lösungen wie der
virtuellen Hörklinik
Quelle: Institut für Mikro­
elektronische Systeme (IMS)

Abbildung 2

Struktur des Forschungspro-

gramms von Hearing4all 2.0.

Es werden alle Grade des Hör-

verlusts und die Translation von

der Grundlagenforschung bis in

die Anwendung betrachtet

2 Quelle: Institut für Mikro­
elektronische Systeme (IMS)

Präzisionsmedizin in der nostik, bessere Hörhilfen und dritten entwickeln die For-
Audiologie zu verwirklichen. bessere Hörassistenz-Techno- scher individuelle Diagnose-
Der Verbund aus Universitä- logien zu erzielen. und Behandlungsverfahren
ten, nicht-universitären For- für Patienten mit mittleren bis
schungseinrichtungen und In- Um „Hören für Alle“ anhand starken Einschränkungen und
dustrie im niedersächsischen von mobile-Health-Lösungen kompletter Gehörlosigkeit. Im
Netzwerk „Auditory Valley“ mit einer „virtuellen Hörkli- vierten Strang entsteht eine
nimmt eine international füh- nik“ zu erreichen (einschließ- grundlegend neue System-
rende Position ein, um Lösun- lich eines Software-Hörgeräts, technologie für die Hörgeräte
gen für das langfristige Ziel das auditorische Präzisions- der Zukunft. „Hearing4all“
des Exzellenzclusters und Medizin und bahnbrechende gehört zu den weltweit füh-
einen Paradigmenwechsel in Hörhilfen-Technologie unter- renden Zentren in Medizin-
der Therapie der Schwerhörig- stützt), werden zwei orthogo- technik, Hörforschung, Au-
keit zu erreichen: Von der em- nale Dimensionen beforscht: diologie, Diagnostik und
pirischen hin zu einer quanti- Die „Entwicklungskette“ von Therapie; beteiligt sind 25
tativen, modell- und datenge- der Grundlagenforschung zur Wissenschaftlerinnen und
triebenen Wissenschaft. Hörtechnologie und der Wissenschaftler, Medizinerin-

5

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

nen und Mediziner sowie In- ckelt, die Grundlagenfor- Form von Patientenstudien
genieurinnen und Ingenieure schung mit klinischer und profund zu evaluieren.
der Universitäten Oldenburg translationaler Forschung
und Hannover sowie der Me- bündeln. Es ist das Ziel des Clusters
dizinischen Hochschule Han- alle Stufen der Schwerhörig-
nover. Partner sind zudem die Das Zusammenwirken und keit abzudecken und die er-
Jade Hochschule, die HörTech die Vernetzung dieser Re- arbeiteten technischen Hilfs-
gGmbH, die Hörzentren in search Threads ist in Abbil- mittel auch gezielt in die
Oldenburg und Hannover, dung 2 dargestellt. Hierbei ist Translation und damit bis ins
zwei Fraunhofer-Institute und ersichtlich, dass es das Ziel patientennahe Produkt zu
das Hanse-Wissenschaftskol- des Clusters ist, basierend auf transferieren.
leg. Am gemeinsamen Exzel- den Bedürfnissen der hörge-
lenzzentrum für Hörfor- schädigten Patienten durch Letztendlich lässt sich das
schung sind die Universität eine detaillierte Diagnose der Ziel des Exzellenzclusters prä-
Oldenburg, die Medizinische Hördefizite und durch die Er- gnant in seinem Leitspruch
Hochschule Hannover und arbeitung von wissenschaftli- formulieren:
die Leibniz Universität Han- chen Grundlagen über Ursa-
nover beteiligt. Mit For- chen dieser Hörschädigungen Hearing4all
schungsakademie und Trans- passende Therapiemöglichkei- … at all times,
lationsforschungszentrum ten und technische Hilfsmittel … at all places,
werden nachhaltige, universi- zu erarbeiten und diese dann
tätsübergreifenden und ge- wieder den Patienten zu Gute … and for all people!
meinsame Strukturen entwi- kommen zu lassen und in

Prof. Dr.­Ing. Holger Blume Prof. Prof. h.c. Dr. med. Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier
Jahrgang 1967, ist Sprecher Thomas Lenarz Jahrgang 1958, ist Sprecher des
der Hearing4all-Gruppe an der Exzellenzclusters Hearing4all.
Leibniz Universität Hannover. Jahrgang 1956, ist klinischer Er ist seit 1993 Physik-Professor
Zudem ist er seit 2008 Professor Sprecher des Exzellenzclusters und Leiter der Abteilung Medizi-
für „Architekturen und Syste- Hearing4all. Darüber hinaus ist nische Physik an der Universität
me“ und als geschäftsführender er seit 1993 Direktor der Klinik Oldenburg sowie wissenschaft-
Leiter des Instituts für Mikro- für Hals-, Nasen-, Ohrenheil- licher Leiter der Hörzentrum
elektronische Systeme (IMS) kunde der Medizinischen Hoch- Oldenburg GmbH, Sprecher der
tätig. Seine Forschungsinteres- schule Hannover. Seine For- Kompetenzzentrum HörTech
sen liegen auf dem Gebiet der schungsschwerpunkte sind Ur- gGmbH und Leiter des Fraun-
Algorithmen und heterogenen sache, Diagnostik und Therapie hofer IDMT Institutsteils für
Architekturen zur digitalen Sig- von Hörstörungen mit einem Hör-, Sprach- und Audiotechno-
nalverarbeitung, der Entwurfs- besonderen Fokus auf die Ent- logie. Birger Kollmeier ist darü-
raum-Exploration für diese wicklung und Testung audito- ber hinaus Präsident der Euro-
Architekturen sowie den dazu rischer Implantate, wie das päischen Föderation audiologi-
erforderlichen Modellierungs- Cochlea-Implantat, implantier- scher Gesellschaften. Kontakt:
techniken. Im Exzellenzcluster bare Hörgeräte und zentral- birger.kollmeier@uni-
Hearing4all und im SmartHeaP- auditorische Implantate. Kon- oldenburg.de
Projekt vertritt er den Bereich takt: lenarz.thomas@mh-
Prozessorarchitekturen für digi- hannover.de
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Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Das medizinische Grundproblem:

Hörsystem und Hördefizite

Das Hören ist neben dem Sehen Das Hören ist die Basis für 1 höhten Schallwellenwider-
unser wichtigster Sinn. Von den Lautspracheerwerb bei stand der Flüssigkeit gegen-
1000 Kindern werden 1 bis 3 Kindern und garantiert den während im Erwachsenenal- über der Luft überwindet. Der
mit einer Schwerhörigkeit Menschen die Teilnahme an ter Lärmeinflüsse, die Abnut- eigentliche Hörvorgang, näm-
unterschiedlichen Ausmaßes der modernen Kommunikati- zung des Gehörs mit dem Al- lich die Umwandlung der
geboren, dieselbe Zahl ent­ onsgesellschaft. Schwerhörig- ter sowie Zivilisationskrank- Schallwellen in elektrische Si-
wickelt eine Schwerhörigkeit keit führt nachvollziehbar zu heiten im Vordergrund stehen. gnale im Hörnerven, findet
bis zum Schuleintritt. Ab dem erheblichen Folgen für die mit Hilfe spezialisierter Hör-
Entwicklung bei Kindern, hat Unser Hörsinn ist darauf spe- sinneszellen im Innenohr, in
70. Lebensjahr ist jeder zweite Auswirkungen auf die sozio- zialisiert, akustische Signale der sogenannten Hörschnecke
Bürger davon betroffen. ökonomische Situation der Be- wie Sprache und Musik sowie oder Cochlea statt (Abb. 1).
troffenen und stellt den wich- Umweltgeräusche wahrzuneh-
Prof. Thomas Lenarz von tigsten Einzelfaktor für den men. Dabei handelt es sich um Die im Innern der Schnecke
der Medizinischen Hochschule Abbau kognitiver Fähigkeiten Schwingungen der Luftmole- aufgespannte sogenannte Basi-
Hannover (MHH) erläutert den bis hin zur Demenz dar. küle, die über das Außenohr larmembran ändert ihre me-
mit Ohrmuschel und Gehör- chanischen Eigenschaften ähn-
Aufbau des Ohres sowie die Die Ursachen von Schwerhö- gang dem Mittelohr zugeleitet lich wie die Saiten eines Kla-
Formen und Behandlungsmög­ rigkeit sind vielfältig. Neben werden. Das Trommelfell viers, so dass die hohen
lichkeiten von Schwerhörigkeit. der genetischen Veranlagung nimmt die Schwingungen auf Frequenzen nahe des Eingangs
spielen Infektionen und ge- und leitet sie über die Gehör- in die Schnecke, die tiefen Fre-
Abbildung 1 hörschädigende Medikamente knöchelchenkette dem flüssig- quenzen an der Schneckenspit-
Das menschliche Hörsystem im Kindesalter die Hauptrolle, keitsgefüllten Innenohr zu. ze abgebildet werden. Es han-
Das Mittelohr wirkt dabei wie delt sich im übertragenen Sin-
Abbildung 2 ein Kraftverstärker, der den er- ne um ein biologisches
Die Hörbahn Mikrofon mit eingebautem
Frequenzanalysator. Die ange-
Abbildung 3 koppelten Hörnervenfasern
Formen der Schwerhörigkeit leiten die analog digital umge-
Quelle: MHH wandelte Information dem
zentralen Hörsystem zu, wo
über mehrere Stationen zum
bewussten Hörvorgang füh-
ren. Der Signaleingang über
beide Ohren ermöglicht durch
Ausnutzung von Pegel, Lauf-
zeit und Phasenunterschieden
die Ortung des Schallsignals
(Richtungshören) sowie eine
Verbesserung des Signal-
Rausch-Abstandes, zum Bei-
spiel zur Verbesserung des
Sprachverstehens im Störge-
räusch.

Umgekehrt laufen Nervenver-
bindungen von der Hörrinde
zurück zum Innenohr und er-

8

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

möglichen so eine Rückkopp- liche Behandlungsverfahren hörigkeit vor, die unter Um- Therapies darauf ab, in Kom-
lung zur Steuerung der Emp- zur Verfügung. ständen auch nur einen Teil bination mit bionischen The-
findlichkeit des Hörorgans in des Hörspektrums, zum Bei- rapien das Gehör wieder-
verschiedenen Hörsituatio- Bei der Schallleitungsschwer- spiel den hohen Frequenzbe- herzustellen und ein Fort-
nen, sogenanntes Closed- hörigkeit können sehr häufig reich umfasst, dann kommen schreiten des Hörverlustes zu
Loop-System (Abb. 2). hörverbessernde Operationen sogenannte Cochlea-Implanta- verhindern (Regeneration und
zu einer Wiederherstellung te zum Einsatz, die die Aufga- Protektion). Dazu zählen die
Formen der Schwerhörigkeit der Schallleitung oder deren be der Hörsinneszellen über- Gentherapie, die Stammzell-
Verbesserung beitragen. Ge- nehmen und das Schallsignal transplantation und die Be-
Die meisten Schwerhörigen lingt dies nicht in ausreichen- direkt in elektrische Nerven- handlung mit sogenannten
weisen eine sogenannte In- dem Maße, kommen hörpro- impulse umwandeln. Diese Biologika.
nenohrschwerhörigkeit durch thetische Verfahren zum Ein- werden über eine geeignete
Verlust oder Schädigung der satz, neben der Versorgung Schnittstelle in Form einer 3
Hörsinneszellen, sogenannte mit konventionellen akusti- Elektrode im Innenohr in der
Haarzellen, auf. Diese können Prof. Prof. h.c. Dr. med.
nicht regeneriert werden, so 2 Nähe des Hörnervs direkt auf Thomas Lenarz
dass der eingetretene Verlust diesen übertragen. Bei neura-
endgültig und dauerhaft ist. schen Hörgeräten, die das len oder zentralen Schwerhö- Jahrgang 1956, ist Klinischer
Die Zahl der Betroffenen wird Schallsignal verstärken und rigkeiten kann dieses Prinzip Sprecher des Exzellenzclusters
auf 12 bis 14 Millionen Men- bearbeiten, stehen verschiede- der direkten elektrischen Rei- Hearing4all. Darüber hinaus ist
schen in Deutschland ge- ne mechanische Stimulatoren zung auch an verschiedenen er seit 1993 Direktor der Klinik
schätzt. Etwa zwei Millionen zur Verfügung, die das Hör- Stellen der Hörbahn im Ge- für Hals-, Nasen-, Ohrenheil-
Menschen sind von einer so- system mit Hilfe mechani- hirn, durch den sogannenten kunde der Medizinischen Hoch-
genannten Schallleitungs- scher Schwingungen anregen Hirnstamm- und Mittelhirn- schule Hannover. Seine For-
schwerhörigkeit betroffen, bei und somit die Intensität der implantaten erfolgen. schungsschwerpunkte sind Ur-
der Elemente des Außen- und Anregung im Innenohr ver- sache, Diagnostik und Therapie
Mittelohres geschädigt sind, stärken. Zum einen sind dies Advanced Therapies – von Hörstörungen mit einem
meistens als Folge einer chro- knochenverankerte Hörgeräte, Zusätzliche biologische besonderen Fokus auf die Ent-
nischen Mittelohrentzündung zum zweiten akustische Im- Therapien zum Schutz und wicklung und Testung audito-
mit Zerstörung von Trommel- plantate, die an verschiedenen zur Wiederherstellung des rischer Implantate, wie das
fell und Gehörknöchelchen Stellen der Gehörknöchel- Hörvermögens Cochlea-Implantat, implantier-
oder seltener durch Ohrmiss- chenkette oder dem Innenohr bare Hörgeräte und zentral-
bildungen. Schädigungen des direkt ankoppeln. Zielen die heute verfügbaren auditorische Implantate. Kon-
Hörnerven oder der zentralen operativen und hörprotheti- takt: lenarz.thomas@mh-
Hörbahn, zum Beispiel durch Bei der Innenohrschwerhörig- schen Verfahren im Wesentli- hannover.de
Tumoren oder Unfälle, sind keit kommen im Wesentlichen chen darauf ab, die mechani-
seltener. Allerdings ist eine hörprothetische Verfahren sche Komponente des Hörens
Mitbeteiligung des zentralen zum Einsatz. Akustische Hör- zu verbessern und noch vor-
Hörsystems bei der sogenann- geräte und akustische Implan- handene Innenohrreserven
ten Altersschwerhörigkeit und tate zielen darauf ab, bei noch oder neurale Strukturen mit
bei dem Abbau der kognitiven ausreichender Anzahl von ver- Hilfe der Technologie zu un-
Leistungsfähigkeit häufig. So- bliebenen Hörsinneszellen terstützen und zu ersetzen
mit kann das akustische Sig- diese optimal anzuregen und (sogenannte Bionik) und dabei
nal zum einen schlechter in somit eine Verbesserung des physiologische Prinzipien imi-
neuronale Informationen um- Hörens zu erzielen. Ist die tieren, zielen die in Entwick-
gesetzt werden und zum an- Zahl verbliebener Hörsinnes- lung befindlichen Advanced
deren wird diese neuronale zellen jedoch zu gering und
Information nicht mehr opti- liegt eine hochgradige oder an
mal verarbeitet (Abb. 3). Taubheit grenzende Schwer-

Behandlung der Schwerhörigkeit

In Abhängigkeit von der Art
der Schwerhörigkeit (Schalllei-
tungsschwerhörigkeit, Innen-
ohrschwerhörigkeit oder zent-
rale Schwerhörigkeit) sowie
deren Ausmaß (gering-, mit-
tel-, hochgradig, an Taubheit
grenzend) stehen unterschied-

9

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Machine Learning gegen Schwerhörigkeit

Vorhersage des Erfolgs bei Cochlea-Implantat-Versorgung

Sogenannte Cochlea-Implantate
sind unter Menschen mit

Schwerhörigkeit noch nicht sehr
weit verbreitet, unter anderem,

weil sich das Ausmaß des
Sprachverstehens mit dem
Implantat vor der Operation
schwer einschätzen lässt.

Wissenschaftlerinnen Schwerhörigkeit ist die häu­ Allein in Deutschland könnten 1
und Wissenschaftler der figste chronische neurosenso­ damit mehr als eine Million
Medizinischen Hochschule rische Erkrankung. In den In­ Menschen ihr Hörvermögen mehr als 20 Forscherinnen
dustriestaaten sind mehr als deutlich verbessern. Tatsäch­ und Forscher aus den Berei­
Hannover (MHH), der 17 Prozent der Bevölkerung lich sind aber erst etwa 40.000 chen HNO­Heilkunde, Hu­
Technischen Universität betroffen – mit erheblicher Menschen mit einem derarti­ mangenetik, Bioinformatik,
Braunschweig und des Einschränkung der Lebens­ gen System versorgt. Der Medizinische Informatik und
Forschungszentrums L3S qualität bis hin zur sozialen Grund: Viele potenzielle CI­ Data Science zusammenge­
wollen in einem von der VW- Isolation. Bei leichter bis mit­ Kandidaten sind unsicher oder schlossen, um gemeinsam
Stiftung geförderten Projekt telgradiger Hörstörung kön­ haben Angst vor dem operati­ zum besseren Verständnis des
Patientendaten auswerten, nen Hörgeräte dieses Defizit ven Eingriff, zumal die Hörre­ Hörerfolgs mit CI beizutragen.
um den Erfolg von Cochlea- üblicherweise ausgleichen. sultate mit dem Cochlea­Im­
Implantaten besser bestimmen Doch schon bei mittelgradiger plantat von Patient zu Patient Die Gründe für die individu­
und insbesondere hochgradi­ sehr unterschiedlich sein kön­ ellen Unterschiede beim Hör­
zu können. ger Schwerhörigkeit können nen. Warum das so ist, wollen erfolg mit einem Cochlea­Im­
häufig nur noch Hörimplan­ Wissenschaftlerinnen und plantat sind vielfältig und
Abbildung 1 tate helfen. Sie übernehmen Wissenschaftler der Medizini­ werden bis jetzt nur unzurei­
Ein Modell, das Ärzte bei der im Innenohr die Funktion der schen Hochschule Hannover chend verstanden. Sie reichen
optimalen Versorgung hörgeschä- Hörschnecke (Cochlea). Dank (MHH), der TU Braunschweig von Faktoren wie der Dauer
digter Patienten mit einem Hör- der enormen technischen Ent­ und des L3S nun mit aktuellen der vollständigen Ertaubung,
system unterstützt: Das erhoffen wicklung und der Fortschritte Methoden der künstlichen In­ über das Ausmaß eventuell
sich die Wissenschaftlerinnen in der Chirurgie sind Coch- telligenz in einem von der noch vorhandenen Restgehörs
und Wissenschaftler in einem lea-Implantate (CI) für immer VW­Stiftung geförderten Pro­ und kognitive Fähigkeiten bis
Projektverbund von TU Braun- mehr hörgeschädigte Men­ jekt herausfinden. In dem For­ hin zu Begleiterkrankungen,
schweig, MHH und L3S. schen geeignet. schungsverbund haben sich die parallel zur eigentlichen
Quelle: Forschungszentrum L3S/ Ursache des Hörverlusts diag­
TU Braunschweig nostiziert werden. So ist zum

10

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Beispiel bekannt, dass sich Schwerhörigkeit ist das Gebiet mäßig sprach­ und tonaudio­ Abbildung 2
Nierenerkrankungen oder der Metabolomik, das sich mit metrische Daten vor und nach
psychologische Nebenerkran­ der Untersuchung des Stoff­ der Implantation erhoben. Au­ Entnahme von Perilymphe
kungen negativ auf das Hör­ wechsels befasst. Aus kleins­ ßerdem verfügt das DHZ über während einer Cochlea-Implanta-
vermögen auswirken können. ten Proben von Flüssigkeit aus 3D­Röntgenaufnahmen der tion: Im Rahmen des Projekts
Nicht zuletzt haben die indivi­ dem Innenohr kann mit Hilfe Cochlea vor und nach Implan­ sollen unter anderem diese Peri-
duelle Anatomie der Cochlea von modernsten massenspekt­ tation. Diese können von den lymphproben untersucht werden,
und die Elektrodenposition si­ rometrischen Verfahren eine Wissenschaftlerinnen und um Biomarker zu finden, aus
gnifikante Auswirkungen auf umfassende Momentaufnah­ Wissenschaftlern genutzt wer­ denen sich Rückschlüsse über
die Ergebnisse, die mit den me des Stoffwechselzustandes den, um herauszufinden, wel­ die Ursachen des Hörverlusts
eingesetzten Cochlea­Implan­ des Innenohres angefertigt chen Einfluss die Position des ziehen lassen.
taten erzielt werden. werden. Häufig sind geneti­ Elektrodenträgers in der Quelle: Schmitt et al.: Proteome
sche Faktoren mit Stoffwech­ Cochlea auf den Hörerfolg Analysis of Human Perilymph Using
Es gibt eine Reihe früherer selprozessen verbunden, die hat. Im Rahmen des Projekts an Intraoperative Sampling Method,
Studien, die die Zusammen­ J. Preoteom. Res. 2017, 16, 1911-1923
hänge zwischen dem Ergebnis sich in den metabolischen Pro­ 2
der Cochlea­Implantation und filen von Körperflüssigkeiten
einem breiten Spektrum de­ manifestieren. Durch den ho­ sollen zusätzlich Blut­ und Pe­
mographischer, klinischer, au­ hen Informationsgehalt der rilymphproben der CI­Patien­
diologischer und psychologi­ Metabolomik­Daten können ten entnommen werden. Diese
scher Faktoren bei implantier­ aus diesen Profilen Biomarker können dann zur genetischen
ten Patienten analysieren. abgeleitet werden, aus denen und metabolomischen Analy­
Allerdings wurden diese Ana­ sich Rückschlüsse über die se herangezogen werden, um
lysen auf relativ kleinen Da­ Ursachen des Hörverlusts zie­ weitere Indikatoren für den
tensätzen durchgeführt. Die hen lassen, und die die Prog­ Hörerfolg mit CI zu identifi­
Ergebnisse sind daher selten nose des Hörerfolgs mit einem zieren.
signifikant, teilweise sogar Cochlea­Implantat erleichtern.
widersprüchlich. Beispiels­ Diese für den CI­Bereich ein­
weise haben einige Studien Das Deutsche Hörzentrum malige Menge an Daten ma­
gezeigt, dass höheres Alter (DHZ) an der MHH ist das chen sich die Wissenschaftle­
der Patienten zum Zeitpunkt größte CI­Zentrum weltweit. rinnen und Wissenschaftler
der Implantation das Ergebnis Seit 1984 wurden hier fast im Projektverbund zunutze,
negativ beeinflusst, während 10.000 CIs implantiert. Damit um mittels datenintensiver
andere einen geringen oder bietet das DHZ dem Projekt­ Technologien und Methoden
gar keinen Effekt feststellen. verbund aus MHH, TU Braun­ des maschinellen Lernens ein
Dies kann an der Diversität schweig und L3S die Möglich­ Vorhersagemodell für den
der Patientenkohorten und/ keit, mit einer bisher einzigar­ Hörerfolg mit einem Implan­
oder der Lockerung der Pati­ tigen Menge an Daten zu tat zu entwickeln. Dieses Mo­
enteneinschlusskriterien im arbeiten. Im Rahmen der CI­ dell soll in der Lage sein, den
Laufe der Zeit liegen. Versorgung werden routine­ Ärzten dabei zu helfen, für je­
den Patienten individuell das
Genetische Faktoren spielen optimale Hörsystem zu fin­
ebenfalls eine große Rolle bei
Hörverlust und seiner Mani­
festation bei jüngeren Men­
schen. Ungefähr 80 Prozent
der prälingualen Taubheitsfäl­
le, das heißt bei Kindern, die
entweder taub zur Welt kom­
men oder vor dem Spracher­
werb ertauben, lassen sich auf
einen Defekt in einem einzel­
nen Gen zurückverfolgen. Au­
ßerdem ist anzunehmen, dass
die Genetik auch bei älteren
Menschen eine wichtige Rolle
bei der Ausprägung und dem
Verlauf von altersbedingter
Schwerhörigkeit spielt.

Ein weiterer Ansatz zur Be­
stimmung der Ursachen von

11

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

den. Dafür werden zunächst Auf dem verbleibenden Teil Verlauf der Hörleistung nach
die möglichen Einflussfakto­ der Daten können die daraus der Operation zu kontrollie­
ren (zum Beispiel Alter, Bio­ resultierenden Modelle dann ren. Patienten, bei denen die
marker, etc.) separat auf ihre auf ihre Allgemeingültigkeit Hörleistung mit dem CI zu
statistischen Eigenschaften überprüft werden. Eine Opti­ stark von der Prognose ab­
und ihren Einfluss auf die mierung der Parameter, also weicht, könnten dann zu einer
Zielgröße, also das Sprachver­ der Rahmenbedingungen für genaueren Untersuchung ein­
stehen mit dem Implantat, un­ die Algorithmen, kann für bestellt werden. Die Hoffnung
tersucht. Um die Einflussfak­ eine weitere Verbesserung der der Wissenschaftlerinnen und
toren dann zu einem Gesamt­ Modellgenauigkeit sorgen. Wissenschaftler ist es, dass
modell zu kombinieren, durch ihre Arbeit in diesem
werden selbstlernende Algo­ Durch eine zuverlässige Er­ Projekt die Zahl der erfolg­
rithmen angewandt. Dabei gebnisvorhersage hätte ein reich mit einem CI versorgten
wird den Algorithmen ein solches „Machine Learning”­ Patienten deutlich erhöht wer­
Großteil der verfügbaren Da­ Modell das Potenzial, das Ver­ den kann und dass damit we­
ten zur Verfügung gestellt, trauen von Hörgeschädigten niger Menschen unter den Fol­
um daraus automatisch die in die Versorgung mit einem gen eines unbehandelten Hör­
Gewichtung der Einflussfak­ CI deutlich zu erhöhen. Zu­ verlusts zu leiden haben.
toren und die Zusammenhän­ sätzlich könnte das Modell
ge zur Zielgröße zu lernen. dazu verwendet werden, den

Dr. Maria Koutraki
geboren 1987, ist wissenschaft-
liche Mitarbeiterin am For-
schungszentrum L3S und
forscht im Bereich Datenbanken
und Semantic Web. Kontakt:
[email protected]

Prof. Dr. techn. Wolfgang Nejdl Prof. Prof. h.c. Dr. med. Prof. Dr. Dipl.-Inf. Andreas Dr. Tobias Weller
Jahrgang 1960, leitet das Thomas Lenarz Büchner geboren 1984, ist wissenschaft-
Forschungszentrum L3S und licher Mitarbeiter am Deutschen
forscht unter anderem in den Jahrgang 1956, ist seit 1993 Jahrgang 1967, ist wissen- Hörzentrum der Medizinischen
Bereichen Suche und Informa- Direktor der Klinik für Hals-, schaftlicher Leiter des Deut- Hochschule Hannover. Kontakt:
tion-Retrieval, Data-Mining, Nasen-, Ohrenheilkunde der schen Hörzentrums der Medizi- [email protected]
Data-Science und Semantic Medizinischen Hochschule Han- nischen Hochschule Hannover.
Web. Kontakt: [email protected] nover. Seine Forschungsschwer- Er arbeitet an der Optimierung
punkte sind Ursache, Diagnostik von Signalverarbeitungsstrate-
und Therapie von Hörstörungen gien für Cochlea-Implantate
mit einem besonderen Fokus und befasst sich mit objektiven
auf die Entwicklung und Tes- Anpassungsstrategien für die
tung auditorischer Implantate, entsprechenden Systeme.
wie das Cochlea-Implantat, Kontakt: buechner.andreas@
implantierbare Hörgeräte und mh-hannover.de
zentral-auditorische Implantate.
Kontakt: lenarz.thomas@mh-
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13

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Familien mit hörgeschädigten Kindern

(Sonder-)Pädagogische Perspektiven der Cochlea-Implantat-Versorgung

Die Diagnose einer Hör­ Stellen Sie sich vor, Sie erwar- tern und Kind passierte, wird Wenn einem Kleinkind keine
schädigung bedeutet für ten ein Kind. Sie spüren jeden fragwürdig: Warum mit dem sogenannte kindgerichtete
betroffene Familien eine Tag eine wachsende Vorfreude Kind reden, wenn es ohnehin oder unzureichende, inkonsis-
einschneidende Veränderung auf das kleine Wesen, das Ihre nichts hört? Und wie wird tente Interaktion zuteilwird,
ihrer sozialen Situation. Familie vervollständigt. Sie er- sein Leben weitergehen? Spre- kann sich eine Misskommuni-
träumen sich, wie es fröhlich chen lernen, Freunde finden – kation entwickeln. Wider-
Ines Potthast und Bettina brabbelnd mit seinen Bauklöt- wie wird das gehen? Und was sprüchliche Signale können
Lindmeier von der Abteilung zen spielt und es am Abend wird, wenn es in die Schule vom Kind nicht interpretiert
gebannt der Geschichte kommt? werden, sondern werden als
Allgemeine Behinderten­ lauscht, die Sie ihm erzählen. Ablehnung seiner Person gele-
pädagogik und ­soziologie des Schwangerschaft und Geburt Die tiefgreifende Verunsiche- sen. Dies kann auf Seiten des
Instituts für Sonderpädagogik verlaufen komplikationslos, rung durch die Diagnose zu- Kindes wiederum zu aggressi-
Ihr Säugling wächst und ge- sammen mit dem Gedanken, ven Verhaltensweisen oder so-
erforschen familiale Inter­ deiht – Ihr Glück ist perfekt. dass das Kind nicht hören zialem Rückzug führen. Alle
aktionen in Familien mit kann und damit eine Kommu- jungen Kinder zeigen dieses
hörgeschädigten, Cochlea­ Nach einer der üblichen Un- nikation nicht möglich sei, Verhalten in schwächerer
tersuchungen aber wird Ihnen kann bei den Eltern auch an- Form, wenn sie überfordert
Implantat­versorgten mitgeteilt, dass Ihr Kind hoch- dere Formen des Kontakts und oder müde sind. Bei Gehörlo-
Kleinkindern. gradig schwerhörig, fast taub der Kommunikation, wie Be- sigkeit jedoch bleibt die Über-
zur Welt gekommen ist. Ihr rührungen und Blickkontakt, forderung, die Misskommuni-
Kind kann Sie nicht hören – stören und überlagern. Eltern kation bestehen. Eltern und
nicht einmal die Lieder, die verfügen grundsätzlich über Kind missverstehen sich wie-
Sie ihm vorsingen, nicht Ihre ein intuitives Repertoire, um derholt und die wechselseitige
beruhigenden Worte, wenn es mit ihren Kleinkindern in Beziehung wird weiter belas-
weint, nicht einmal die Spiel- Kontakt zu treten, indem Spra- tet. Ein gemeinsam geteilter
uhr über dem Kinderbettchen. che, Körper- und Blickkontakt Kommunikationskanal über
Ärzte und Fachpersonal er- zusammenwirken. Durch die die Lautsprache und das Hö-
zählen Ihnen von Messwerten Diagnose Gehörlosigkeit er- ren ist nicht gegeben.
und Implantaten, von denen fährt dieses Repertoire jedoch
Sie nie zuvor gehört haben, eine Verschiebung. Dass das Es bedarf auf Seiten der Eltern
plötzlich sind Entscheidungen Kind die beruhigenden Stim- zunächst einer gewissen Ver-
zu treffen und neuartige In- men der Eltern nicht hört, arbeitung, dass diese natürlich
formationen rauschen auf Sie kann die gesamte Interaktion erscheinende Kontaktaufnah-
ein – Ihr Kind ist taub. irritieren. (Sprachliche) Inter- me zum Kind nicht möglich
aktionsversuche werden von ist, sowie der Verarbeitung der
Ein Blick auf Familien Seiten der Eltern dann nicht Diagnose selbst. Dass das ei-
mit einem gehörlosen Kind oder nur noch wenig unter- gene Kind nicht gesund zur
nommen. Für eine positive Ge- Welt gekommen ist, wie er-
Wird ein Kind gehörlos oder samtentwicklung benötigt ein hofft und zunächst angenom-
hochgradig schwerhörig in Kind jedoch Zuwendung, men, sondern mit einer Behin-
eine Familie geboren, die hö- Kommunikation und andere derung geboren wurde, birgt
rend sozialisiert ist, trifft die Interaktionsformen. Es stellt ein hohes verletzendes Poten-
Diagnose der Gehörlosigkeit sich die Frage, wie die Interak- zial für die Eltern und kann
die Eltern vollkommen unvor- tionen in der Familie gestaltet zu einem Schockzustand füh-
bereitet. Vieles, was bisher im werden können, wenn der au- ren. Dieser Schock wirkt sich
Alltag intuitiv zwischen El- ditive Kommunikationskanal wiederum auf die Handlungs-
nicht genutzt werden kann. fähigkeit der Eltern aus,

14

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Handlungsfähigkeit in Bezug ren in Interaktion zu treten. chen Trost begegnet werden
auf das eigene Kind, aber auch Der Wunsch auf ebendiese, kann. Zudem kann das Im-
Handlungsfähigkeit in der Be- den plantat als technisches Hilfs-
wältigung des Alltags. Eltern natürliche Weise mit mittel Defekten unterliegen.
dem Kind in Kontakt zu tre-
In dem hier skizzierten Span- ten, kann beflügeln. Anderer- Hier stellt sich erneut und auf
nungsfeld werden relevante seits bedeutet die Implantati- alltäglicher Basis die Frage
Informationen für Kind und on eine Operation am Kopf nach der Interaktion innerhalb
Familie an die Eltern heran- des Kleinkindes und es bleibt der Familie. Vielfältige Kom-
getragen. Medizinische und das Risiko, dass die Sprach- munikationsangebote für
technische Spezialisten klären entwicklung des Kindes be- Kind und Familie helfen, die
über die apparativen Versor- einträchtigt bleibt. Eine Ent- oben beschriebene Misskom-
gungsmöglichkeiten und ope- scheidung für oder gegen ein munikation und das Dilemma
rativen Maßnahmen auf, von Cochlea-Implantat bedeutet in der Interaktion zu überwin-

Abbildung 1

1 Herausforderung Gehörlosigkeit
Quelle: Institut für Sonderpädagogik

denen in diesem Heft zu lesen für die Eltern und für das den. Die Nutzung von Gebär-
ist. Diese Informationen auf- Kind somit eine Lebensent- den wurde lange Zeit als
zunehmen und Relevanzen scheidung. hinderlich für den späteren
für die Familie einzuordnen, Erwerb von Lautsprache ange-
stellt die Eltern vor eine weite- Dazu ist ein Dilemma zu sehen, ähnlich wie Eltern mit
re Herausforderung. bedenken: Das Kind bleibt unterschiedlichen Mutterspra-
trotz einer Implantation und chen davon abgeraten wurde,
Durch eine Cochlea-Implan- einer möglichen ungestörten ihr hörendes Kind bilingual
tat-Versorgung des Kindes Sprachentwicklung grund- zu erziehen. Die Annahme,
eröffnet sich der Familie die sätzlich gehörlos. Nachts wird Mehrsprachigkeit hemme den
Möglichkeit, mit ihrem gehör- das Außenteil des Implantats jeweiligen einzelsprachigen
los oder hochgradig schwer- nicht getragen, so dass nächt- Erwerb, gilt als widerlegt, ist
hörig geborenen Kind über lichem Weinen weiterhin aber außerhalb von Fachkrei-
die Lautsprache und das Hö- kaum durch verbalsprachli- sen noch weit verbreitet. Viel-

15

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Ines Potthast M.A. mehr ergänzen sich die beiden müssen durch die Eltern in ckelt, wie Gebärden- und
Jahrgang 1991, ist wissen- Kommunikationskanäle, um kürzester Zeit bewältigt wer- Lautsprache sowie sonstige
schaftliche Mitarbeiterin am nachhaltig und tragfähig Be- den, da die frühe Implantati- nonverbale Kommunikation
Institut für Sonderpädagogik deutung zwischen den Famili- on der sogenannten sensiblen (Zeigegesten, Mimik) sich ge-
der Leibniz Universität Hanno- enmitgliedern übermitteln zu Phase für den Spracherwerb genseitig ergänzen und im fa-
ver und Stipendiatin des Cusa- können. Rechnung trägt. Hierbei han- milialen Alltag genutzt wer-
nuswerks. Ihr Promotionsthema delt es sich um einen gewis- den, ist kaum erforscht. Sie ist
lautet: „Interaktion hörender Familien (sonder­)pädagogisch sen zeitlichen Rahmen in den aufgrund des notwendigen
Eltern mit ihren gehörlosen, begleiten ersten Lebensjahren eines Eindringens in den familialen
Cochlea Implantat-versorgten Kindes, der zum vollständi- Alltag in einer ohnehin
Kleinkindern“. Kontakt: ines. Durch die Diagnose Gehörlo- gen Erwerb einer Sprache zur schwierigen Zeit forschungs-
[email protected] sigkeit und die Möglichkeit Verfügung steht. ethisch sorgsam zu erwägen
der frühen Cochlea-Implantat- und so zu gestalten, dass die
Versorgung in den ersten Le- Besonders in Hinblick auf eine Familie möglichst wenig zu-
bensmonaten des Kindes ku- Cochlea-Implantat-Versor- sätzliche Belastung erfährt.
mulieren Herausforderungen gung werden Familien bereits Dennoch ist sie notwendig,
für die Familie auf engem umfassend von medizinischer um Familien in der Entschei-
zeitlichen Raum: Schockzu- und technischer Seite beglei- dungsfindung bezüglich der
stand, Unsicherheiten in der tet. Offen bleibt jedoch, auf Implantation, begleitender
Interaktion mit dem eigenen welche Weise Familien Um- Sprachförderung des Kindes
Kind, Informationsgespräche gang mit den herausfordern- sowie in ihrem familialen Zu-
mit Fachpersonal und Ent- den Situationen rund um die sammenleben bestmöglich zu
scheidungsfindungen zur Im- Diagnose und eine Cochlea- unterstützen, damit Familien
plantation und der Gestaltung Implantat-Versorgung finden die Sicherheit wiedergewin-
des Familienlebens. All diese und wie Unterstützungsmaß- nen, welche gelingende Inter-
zusammenlaufenden Prozesse nahmen ihrer Kommunika- aktion ermöglicht.
tions- und Interaktionsfähig-
Prof. Dr. Bettina Lindmeier keit die (frühe) sprachliche Das Promotionsvorhaben von
Jahrgang 1967, leitet den Entwicklung des Kindes un- Ines Potthast untersucht die
Arbeitsbereich Allgemeine Be- terstützen sowie die Familie Entwicklung realer familialer
hindertenpädagogik und -sozio- stabilisieren können. Interaktionen mit Hilfe video-
logie der Leibniz Universität graphischer Aufzeichnungen
Hannover und ist Direktorin für Hier zeigt sich der Bedarf ei- über einen längeren Zeitraum
Forschung der Leibniz School of ner zusätzlichen und umfas- vor und nach der Implantati-
Education. Ihre Forschungs- senden pädagogischen Beglei- on. Dabei soll insbesondere
schwerpunkte umfassen u.a. tung betroffener Familien, um das Zusammenwirken von
Lehrerbildung und Professiona- die Verarbeitung der Diagno- Gebärden und sprachlicher
lisierung von Fachkräften, die se und familiale Anpassungen Kommunikation fokussiert
Situation von Familien mit be- zu unterstützen. Hierzu werden. Das Projekt ist in
hinderten Kindern sowie die braucht es ein Verstehen sozi- einen Forschungsschwer-
gesellschaftliche Partizipation aler Wirklichkeit in betroffe- punkt am Institut für Sonder-
behinderter und benachteiligter nen Familien sowie eine fun- pädagogik eingebettet, der die
Menschen unterschiedlichen dierte und offene Beratung. Situation von Familien mit be-
Lebensalters. Kontakt: bettina. Die Versorgung von gehörlos hinderten Angehörigen und
[email protected] geborenen und Cochlea-Im- die bestmögliche Passung von
plantat-versorgten Kindern Unterstützungsangeboten fo-
und ihren Familien benötigt kussiert. Ziel des Promotions-
Begleitung, die sich auf drei projekts ist es, das Wissen da-
Säulen stützt: Die medizini- rüber zu erweitern, wie die
sche Versorgung, die techni- medizinischen und techni-
sche Versorgung sowie die schen Errungenschaften, die
pädagogische Versorgung. Interaktionen ermöglichen, in
Familien zu gelingender Kom-
Bezüglich (gelingender) Inter- munikation und Interaktion
aktionen in Familien mit ge- genutzt werden können.
hörlos oder hochgradig
schwerhörig geborenen Kin-
dern herrscht hoher For-
schungsbedarf. Die Frage, wie
sich die Interaktion vor und
nach der Implantation entwi-

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• für den Umbau des Königlichen Pferdestalls zum
Kommunikations- und Begegnungszentrum
• für das Deutschlandstipendium
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an der Leibniz Universität Hannover

■ Optionen: Barspenden/Spendenbox,
Überweisungen/Spendenkonto

■ Erhalt von Zuwendungsbescheinigungen
selbstverständlich

Haben Sie Interesse? Wir beraten Sie gern.
Dr. Stefanie Beier, Referentin für Fundraising
Tel. 0511-762 5597 I E-Mail [email protected]

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

KAVUAKA

Chip Design für digitale Hörhilfen

Am Institut für Mikro­ 1
elektronische Systeme (IMS)
wird im Rahmen des Exzellenz­
clusters Hearing4all erforscht,
wie Signalverarbeitung­Chips
für digitale Hörgerätesystemen
anhand von komplexen Hör­
gerätealgorithmen konzipiert
und optimiert werden können.

Ziel der Forschung ist es, Bereits ein teilweiser Hörver­ Sprachverständlichkeit insbe­ passter Instruktionen in den
neuartige Prozessor­ lust führt zu einer deutlichen sondere in komplexen akusti­ Basisinstruktionssatz. Nen­
Einschränkung der Lebens­ schen Szenarien, wie zum Bei­ nenswerte Erweiterungen
architekturen zu entwickeln, qualität in vielen alltäglichen spiel auf einer Party, verbes­ sind eine Multiplikations­
die die geforderte hohe Situationen. Ein solcher Hör­ sern. So sollen zukünftige Additions­Einheit, die sowohl
verlust betrifft rund 17 Pro­ Hörgeräte beispielweise spre­ mit reellen als auch mit kom­
Rechenleistung bereitstellen, zent der Weltbevölkerung. Die chende Personen in der Umge­ plexen Zahlen rechnen kann,
gleichzeitig einen sehr geringen Auswirkungen und Folgen bung erkennen und die rele­ Architekturen für Verlust­
Stromverbrauch aufweisen und dieses Hörverlustes können vanten Sprecher aus den Stör­ leistungsoptimierungen bei
durch moderne Hörhilfen ver­ geräuschen herausfiltern (vgl. Speicherzugriffen und ein
in kleine Hörgerätegehäuse mindert werden, indem die Artikel Sprecherlokalisation in Audio­Interface für eine ge­
integriert werden können. Sprachverständlichkeit durch Hörgeräten). ringe Audio­Latenz. Während
digitale Signalverarbeitung der Entwicklungsphase von
Abbildung 1 verbessert wird. Jedoch ist Der am Institut für Mikroelek­ KAVUAKA sind viele Ent­
Darstellung der verschiedenen eine aufwändige digitale Sig­ tronische Systeme (IMS) ent­ wurfsraumuntersuchungen
Phasen der Chipentwicklung: nalverarbeitung auf Grund wickelte Hörgeräte­Prozessor mit Hilfe von Simulationen
Platzierung (1) aller Komponen- der geringen Größe von Hör­ mit dem Namen KAVUAKA durchgeführt worden, um an­
ten, Verdrahtung (2) und Simula- hilfen und auf Grund des ist für diese Art von rechen­ hand der verschiedenen Algo­
tion des Spannungsabfalls (3) Batteriebetriebs nur einge­ intensiver Signalverarbei­ rithmen die Rechenleistung
über dem Chip. schränkt möglich. Durch neue tungs­Algorithmen ausgelegt. und die Verlustleistungsauf­
Erkenntnisse aus der For­ KAVUAKA ist ein sogenann­ nahme des Prozessors zu opti­
schung und kontinuierliche ter applikationsspezifischer mieren [1]. Es konnte für diese
technologische Entwicklun­ Instruktionssatz­Prozessor verschiedene Hörgerätealgo­
gen werden die Signalprozes­ (ASIP). Die generische Basis­ rithmen gezeigt werden, dass
soren digitaler Hörgerätesys­ prozessorarchitektur wurde KAVUAKA mit den optimier­
teme immer leistungsfähiger, anhand der im Exzellenzclus­ ten Erweiterungen schneller
kleiner und energieeffizienter. ter Hearing4All entwickelten und effizienter als vergleich­
Dadurch wird der Einsatz Hörgerätealgorithmen ange­ bare und aktuelle Hörgeräte­
neuartiger und recheninten­ passt und optimiert. Die An­ Prozessoren rechnen kann.
siver Signalverarbeitungs­Al­ passung erfolgte durch das In der letzten Phase des Ex­
gorithmen möglich, die die Einfügen komplexer ange­ zellenzclusters wurde der

18

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

KAVUAKA Prozessor als Chip nen, die sich in ihrer Rechen­ wickelten Hörgeräte­Entwick­
gefertigt [2]. leistung und Verlustleistung lungsplattform gekoppelt, um
unterscheiden. sämtliche Funktionalität tes­
Die Phasen der Chipentwick­ ten zu können. Die Entwick­
lung sind in Abbildung 1 dar­ Um Fehler im Chip­Design lungsplattform bietet eine
gestellt. Eine Mikroskop­ während der Entwicklung zu Bluetooth­Schnittstelle zur
Aufnahme des hergestellten vermeiden, wird der Hörge­ drahtlosen Kommunikation
Chips ist in Abbildung 2 ge­ räteprozessor unter realen zwischen dem Hörgerät und
zeigt. Die verwendete Chip­ Bedingungen mit Algorith­ einem Smartphone oder Tab­
Technologie ist für eine ext­ men, die im Exzellenzcluster let. Auf diese Weise können
rem niedrige Verlustleistung Hearing4all entwickelt werden, die Hörgerätealgorithmen ge­
ausgelegt und hat eine Struk­ getestet. Dazu wird der Pro­ steuert werden. Um den ak­
turgröße von 40 nm. Der Chip zessor mit Dummy­Hörgerä­ tuellen Stromverbrauch des
hat eine Fläche von ungefähr ten verbunden und es werden Prozessors im laufenden Be­

Abbildung 2

Der KAVUAKA Chip für digita-

le Hörgeräte. Der Chip hat eine

Kantenlänge von 1,9 mm und ist

über die Bond-Drähte mit ande-

2 ren Hörgerätekomponenten ver-
bunden.

3.6 mm2 bei einer Kantenlänge
von 1.9 mm. Die Leistungsauf­
nahme beträgt wenige tau­
sendstel Watt.

Da ein Hörgeräteprozessor 3 Abbildung 3
durch eine unterschiedliche
Priorisierung der Optimie­ trieb zu ermitteln, wird der Rapid Prototyping Test System
rungsziele in Form von Re­ Prozessor im Labor mit sehr für den KAVUAKA Prozessor.
chenleistung, Verlustleistung genauen Strom­ und Span­ Der im Exzellenzcluster Hearing-
und Chipfläche unterschied­ nungsmessgeräten und Oszil­ 4all entwickelte Lokalisierungs-
lich optimiert werden kann, loskopen verbunden. Abbil- algorithmus wird unter realen
ist KAVUAKA als ein soge­ dung 4 zeigt den Messaufbaus Bedingungen getestet. Der Moni-
nanntes System­on­Chip unter Laborbedingungen. tor zeigt die Richtung der ein-
(SoC) entworfen worden. Die­ fallenden Schallquellen an.
ses System enthält vier Hörge­
räteprozessoren und zehn Co­ typische Hörsituationen nach­
Prozessoren, die einzeln oder gestellt. Dies ist in Abbildung 3
gleichzeitig aktiviert, deakti­ gezeigt. Der gesamte Prozes­
viert und unterschiedlich mit­ sor wird in diesem Fall mit
einander gekoppelt werden Hilfe eines Rapid Prototyping
können. Dies ermöglicht die Systems emuliert und mit ei­
Erforschung von verschiede­ ner eigenständig dafür ent­
nen Hörgerätekonfiguratio­

19

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

KAVUAKA Prozessors um
einen Hardwarebeschleuniger.
Dieser soll die Berechnung
von aktuellen Algorithmen
des maschinellen Lernens,
insbesondere tiefe neuronale
Netze (DNNs), beschleunigen.

Abbildung 4 Literatur

Laboraufbau zur Messung der 4 [1] Gerlach, L.; Marquardt, D.; Payá Vayá,
Leistungsaufnahme des ent- G.; Liu, S.; Weißbrich, M.; Doclo, S.;
wickelten Hörgeräteprozessors. Mit diesem Aufbau werden Blume, H. (2017): Analyzing the Trade-
Die Messgeräte sind mit vielen die verschiedenen Hörgeräte­ Off between Power Consumption and
Kabeln mit dem auf dem Tisch konfigurationen hinsichtlich Beamforming Algorithm Performance
liegenden Hörgeräteprozessor des Stromverbrauchs unter using a Hearing Aid ASIP, Embedded
verbunden. verschiedenen Bedingungen Computer Systems: Architectures,
Fotos: Institut für Mikroelektronische untersucht. Modeling, and Simulation (SAMOS)
Systeme (IMS)
[2] Gerlach, L.; Payá-Vayá, G.; Blume, H.
In der Fortsetzung des Exzel­ (2019): KAVUAKA: A Low Power Appli-
lenzclusters Hearing4all 2.0 cation Specific Hearing Aid Processor,
werden auf Basis der Erkennt­ 27th IFIP/IEEE International Confer-
nisse und der Ergebnisse neue ence on Very Large Scale Integration
Architekturen für zukünftige (VLSI-SoC 2019)
Hörgeräte entwickelt. Ein
Ziel ist die Erweiterung des

Prof. Dr.­Ing. Holger Blume apl. Prof. Dr.­Ing. Guillermo Dipl.­Ing. Lukas Gerlach
Jahrgang 1967, ist seit 2008 Payá Vayá Jahrgang 1988, ist derzeit wis-
Professor für „Architekturen senschaftlicher Mitarbeiter am
und Systeme“ und als ge- Jahrgang 1978, ist derzeit au- Institut für Mikroelektronische
schäftsführender Leiter des Ins- ßerplanmäßiger Professor am Systeme (IMS). Seine For-
tituts für Mikroelektronische Institut für Mikroelektronische schungsschwerpunkte liegen im
Systeme (IMS) tätig. Seine we- Systeme (IMS). Seine For- Bereich der Entwicklung von
sentlichen Forschungsinteressen schungsinteressen umfassen verlustleistungsarmen und ap-
liegen auf dem Gebiet der Algo- eingebettete Computer und das plikationsspezifischen Architek-
rithmen und heterogenen Ar- Architekturdesign von Signal- turen für digitale Hörgeräte.
chitekturen zur digitalen Signal- und Bildverarbeitungssystemen. Kontakt: [email protected]
verarbeitung, der Entwurfs- Kontakt: [email protected] nover.de
raum-Exploration für diese nover.de
Architekturen sowie den dazu
erforderlichen Modellierungs-
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Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Sprecherlokalisation in Hörgeräten

Wie Hörgeräte Stimmen im Raum orten können

Die präzise räumliche
Lokalisation von Sprechern im

Umfeld eines Hörgerätes ist
eine sehr wichtige und sehr
rechenintensive Aufgabe,
die die Qualität von digitalen

Hörhilfen signifikant
steigern kann.

In diesem Beitrag wird die 1
enge interdisziplinäre
Weltweit leiden derzeit rund ne Gesprächspartner zu ver- großen Menschenansamm-
Zusammenarbeit zwischen den 466 Millionen Menschen an stehen. lung einen Sprecher von
Entwicklern der Lokalisations- einem Hörverlust. Nach Schät- einem anderen akustisch un-
zungen wird die Zahl bis 2050 Die bisher verfügbaren Hörge- terscheiden wollen. Hier
Algorithmen an der auf über 900 Millionen Men- räte können nur in festgeleg- kommt die Sprecherlokalisati-
Universität Oldenburg und schen steigen, also jeder Zehn- ten Richtungen eine Hervor- on ins Spiel, die einen Hin-
den Hardware-Ingenieuren der te einen Hörverlust haben. hebung eines Sprechers be- weis geben kann, in welcher
Leibniz Universität Hannover Durch einen Hörverlust wird wirken, also beispielsweise Richtung man suchen soll.
nicht nur das Sprachverstehen direkt frontal. Auch die Unter-
präsentiert. beeinträchtigt, sondern auch drückung von Störquellen wie Im Vergleich zu einer Brille
die akustische Orientierung Verkehrslärm ist aufgrund der wird das Tragen eines Hörge-
Abbildung 1 im Raum anhand von Ge- unterschiedlichen Klangcha- rätes gesellschaftlich noch im-
Blockdiagramm der Verarbei­ räuschquellen oder Warnsig- rakteristik möglich. Ein Ver- mer als Behinderung angese-
tungsschritte des verwendeten nalen (z.B. im Straßenverkehr). gleich aus dem Alltag macht hen. Daher wollen viele Be-
Lokalisationsalgorithmus Dies bedeutet einen Verlust an die Problematik deutlich: Auf troffene kein Hörgerät tragen,
Lebensqualität, da es schwieri- einem großen Parkplatz ein wenn es nach außen sichtbar
ger ist, an alltäglichen Unter- rotes Auto unter hunderten ist oder häufig die Batterien
haltungen teilzunehmen. In silbernen, schwarzen, blauen gewechselt werden müssen.
lauten Umgebungen mit vielen und grünen Autos zu finden Um diese Einschränkungen
Sprechern – genannt Cocktail ist einfach. Wenn auf dem zu minimieren, müssen alle
Party Problem – ist es für Nor- Parkplatz aber ausschließlich Komponenten, insbesondere
malhörende bereits schwierig, rote Autos stehen und man der Prozessor für die Audiosi-
einer einzelnen Unterhaltung möchte ein bestimmtes Mo- gnalverarbeitung, sehr klein
zu folgen. Für Hörgeschädigte dell eines Herstellers finden, und leistungsfähig sein sowie
ist es ohne Hilfsmittel, wie wird es schwierig. Ähnlich eine geringe Energieaufnah-
Hörgeräte, unmöglich einzel- geht es uns, wenn wir in einer me besitzen.

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Was bedeutet Lokalisation? Der Algorithmus besteht aus aktiven Schallquellen sind die Abbildung 2
vier großen Stufen (vgl. Abbil­ Zuordnung von Sprach- und
Der Begriff Lokalisation be- dung 1). Basierend auf der Fre- Störquellen, sowie die Bestim- Unterschiedliche Winkelauf­
deutet die Ortung eines Objek- quenzauflösung des mensch- mung der Anzahl. Dies er- lösungen zur Lokalisation von
tes, also in welcher Richtung – lichen Ohres werden die Au- möglicht die Erkennung von Sprechern, die zur Optimierung
vom Hörgeräteträger aus gese- diosignale beider Mikrofone bestimmten Umgebungen wie genutzt werden.
hen – sich ein Geräusch oder zunächst jeweils in 32 Fre- den öffentlichen Straßenver-
ein Sprecher befindet. quenzbänder zerlegt. Diese kehr, eine Wohnumgebung,
Zerlegung wird mit einer so- den Arbeitsplatz, ein Konzert
Wie findet man ein Geräusch? genannten Gammaton Filter- usw. sowie eine selbstständige
bank erzeugt. Das Innenohr Anpassung der Hörgeräte an
Um akustisch ein Geräusch zu mit den enthaltenen Haarzel- diese Umgebungen.
lokalisieren, wird die Distanz len und den pulsartigen Neu-
zwischen linkem Ohr und der ronensignalen wird durch KAVUAKA – Der Forschungs-
Geräuschquelle sowie zwi- eine Einfachgleichrichtung prozessor für Hörgeräte
schen dem rechten Ohr und und Kompression durch eine
der Geräuschquelle genutzt. Wurzelfunktion modelliert. Für die Berechnung der Spre-
Sobald sich die Geräuschquel- Anschließend wird eine Kor- cherlokalisation ist ein kleiner
le nicht genau frontal befin- relation je Frequenzband be- und energiesparender Prozes-
det, entsteht ein Zeitunter- rechnet, um den Zeitunter-
schied bei der Hörwahrneh- 2
mung, da der Schall mehr Zeit schied zwischen den beiden
zum weiter entfernten Ohr be- Mikrofonsignalen zu bestim- sor nötig. Am Institut für Mik-
nötigt. Zusätzlich zu diesem men und parallel das Verhält- roelektronische Systeme (IMS)
Unterschied der Ankunftszeit nis der Lautstärken beider Sig- wurde der Algorithmus auf
(engl. Interaural Time Diffe- nale (ILD) berechnet. dem Forschungsprozessor
rence – ITD) des Schalls hat KAVUAKA abgebildet. Durch
auch der Kopf einen Einfluss. Danach wird ein zweidimen- Anpassungen in der Struktur
Gibt es keine direkte Sichtlinie sionales Gauss’sches Mixturen des Prozessors ist es möglich,
zwischen der Schallquelle Modell (Gaussian Mixture die rechenintensiven Teile des
und einem Ohr, verringert Model - GMM) verwendet, um Algorithmus ausreichend
sich die Lautstärke des Schalls eine Wahrscheinlichkeitsver- schnell für schritthaltende
(engl. Interaural Level Diffe- teilung aktiver Schallquellen Verarbeitung auszuführen.
rence – ILD) für das durch den über einen Winkel von 180° Bei der Implementierung ist
Kopf verdeckte Ohr. (frontal vom linken zum rech- der Speicherverbrauch des
ten Ohr – siehe Abbildung 2) Gauss’schen Mixturen Modells
Diese beiden Merkmale – also mit einer Auflösung von 5° zu eine wesentliche Herausforde-
Lautstärke und Zeitunter- bestimmen. Das GMM wurde rung. Das vortrainierte Modell
schied des Schalls zwischen in einem Raum mit verschie- hat bei seiner Ausgangsgröße
beiden Ohren – werden ver- denen Konstellationen von 5 2D-Gauss Parameter bei
wendet, um Geräusche zu lo- Sprach- und Störquellen trai- 15 Mixturkomponenten, 37
kalisieren. Für den Einsatz in niert. Auf Basis der Wahr- Winkelklassen und 32 Fre-
Hörgeräten bedeutet das, dass scheinlichkeitsverteilung ist quenzbändern. Dies ergibt
diese Unterschiede entspre- es nun möglich, Algorithmen 5*15*37*32 = 88.800 Parameter,
chend zwischen den Mikrofo- im Hörgerät richtungsabhän- die konstant im Speicher für
nen berechnet werden müssen. gig zu steuern. Weitere Schrit- die Erzeugung der Wahr-
te nach der Lokalisierung von scheinlichkeitsverteilung vor-
Der Algorithmus liegen müssen. Da diese mit

Vom Department für Medizi-
nische Physik und Akustik
der Universität Oldenburg
wurde aus einer Vorarbeit (Re-
ferenz T. May) ein Lokalisati-
onsalgorithmus zur Verfü-
gung gestellt, der für Hörgerä-
te entwickelt wurde und
speziell für Umgebungen mit
Wiederhall von Geräuschen
geeignet ist.

23

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

einer Genauigkeit von 32 Bit Symmetrien im zweidimensi- quenzen weniger Mixturen
gespeichert werden, kann die onalen Gauss’sches Mixturen benötigt werden, um eine aus-
Anzahl der notwendigen Modell (GMM)identifiziert reichende Genauigkeit zu er-
Speicherplätze in einem 64 Bit werden, welche auf der An- halten. Durch eine logarith-
Speicher durch Kombination ordnung der Mikrofone am misch verteilte Anzahl an
zweier 32 Bit Parameter in Kopf basieren und sich dazu Mixturen über die Frequen-
einem 64 Bit Speicherplatz hal- eignen, den Speicherbedarf zen bleiben 16.330 Speicher-
biert werden. Es werden dann des Modells zu reduzieren. plätze. In Kombination mit
entsprechen 44.400 Speicher- Dazu gehört die links-rechts der Winkel- und Frequenzre-
plätze benötigt. Das bedeutet, Symmetrie. Das bedeutet, dass duktion bleiben entsprechend
dass dieser Algorithmus in für alle Winkel 90° von vorn 4.048 Speicherplätze. Es wur-
seiner ursprünglichen Version bis zum linken Ohr ähnliche de also eine Reduktion des er-
ohne Optimierungen nicht Parameter zu speichern sind, forderlichen Speicherplatzes
für den Hörgeräteprozessor wie für die Winkel von vorn um etwa den Faktor 11 erzielt.

Abbildung 3
Der Speicherbedarf des Lokali­
sationsalgorithmus wird in
mehreren Schritten reduziert.

3

KAVUAKA mit 4096 64 Bit bis zum rechten Ohr. Somit Alle Kombinationen und die
Speicherplätzen geeignet ist. muss nur eine Hälfte der dafür notwendige Anzahl an
Parameter wirklich gespei- Speicherplätzen sind in Abbil­
Für weitere Informationen zur chert werden, während sich dung 3 dargestellt. Nach die-
Optimierung eines Prozessors der Rest berechnen lässt. sen Reduktionen ist es mög-
für Hörgeräteanwendungen Ebenfalls berechnen lassen lich, auch bei geringem
bietet der Artikel Chip Design sich die 5° Winkelschritte auf Speicherbedarf, aber gestei-
für digitale Hörhilfen (Seiten- Basis ihrer beiden Nachbarpa- gertem Rechenbedarf, die Lo-
verweis) eine detaillierte Be- rameter. Somit ist es also aus- kalisation durchzuführen.
schreibung. reichend, die Parameter mit
einer Winkelauflösung von Diese Arbeiten zeigen, dass in
Eine wesentliche Herausfor- 10° zu speichern. Zuletzt hat enger Wechselwirkung zwi-
derung bestand (was typisch sich herausgestellt, dass auch schen Algorithmikern und
ist für die Wechselwirkung die Parameter über die 32 Hardware-Architekten Lösun-
zwischen Algorithmen und Frequenzbänder eine lineare gen erarbeitet werden können,
Architekturen) darin, diesen Abhängigkeit besitzen. Somit um komplexe leistungsfähige
komplexen und Speicher- reicht es auch hier aus, nur die Algorithmen, die zu Beginn
intensiven Sprecher-Lokali- Hälfte der Parameter zu spei- auf einer Hardware-Architek-
sations-Algorithmus so zu chern und die fehlenden Para- tur nicht implementierbar
optimieren, dass er auf dem meter als Linearkombination sind, unter einem moderaten
Hörgeräte-Prozessor imple- zu berechnen. Es bleiben also Qualitätsverlust dann doch zu
mentiert werden kann. nach diesen Optimierungen realisieren.
5*15*19*16 = 22.800 Parameter,
Reduktion des Speicherbedarfs entsprechend 11.400 Speicher- Der berechneten Wahrschein-
plätze. Übrig bleibt, die 15 lichkeitsverteilung aktiver
In Zusammenarbeit mit dem Mixturen je Winkel und Fre- Schallquellen können nun
Department für Medizinische quenz zu reduzieren. Dazu weitere Analysen folgen.
Physik und Akustik konnten wird die Annahme verwen- Dazu zählt die Unterschei-
det, dass für niedrige Fre- dung von Sprach- und Stör-

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quellen. Dadurch ist es mög- Literatur van de Par, S. (2017): Real-Time Im-
lich, die Umgebung zu klassi- plementation of a GMM-Based Bin-
fizieren – also zum Beispiel [1] T. May, S. van de Par, and A. Kohlrausch. aural Localization Algorithm on a
Verkehr, Zuhause, Konzert. “A Probabilistic Model for Robust Lo- VLIW-SIMD Processor, Internation-
Eine optimierte, effiziente calization; Based on a Binaural Audi- al Conference on Multimedia and
Sprecherlokalisation wird we- tory Front-End”. IEEE Trans. on Audio, Expo (ICME) 2017, IEEE. Doi: 10.1109/
sentlicher Bestandteil zukünf- Speech, and Language Processing, vol. ICME.2017.8019478
tiger Hörgerätegenerationen 19, no. 1, pp. 1–13, 2011. ISSN 1558- [3] https://www.who.int/news-room/
sein. 7916. Doi: 10.1109/TASL.2010.2042128. fact-sheets/detail/deafness-and-
hearing-loss
[2] Seifert, C.; Thiemann, J.; Gerlach, L.;
Volkmar, T.; Payá-Vayá, G.; Blume, H.;

Prof. Dr.-Ing. Holger Blume Prof. Dr. Steven van de Par Dr. Joachim Thiemann Christopher Seifert, M. Sc.
Jahrgang 1967, ist seit 2008 Jahrgang 1966, ist seit 2010 Jahrgang 1973, ist seit 2018 Jahrgang 1985, ist wissen-
als Professor für „Architekturen Professor und Leiter der Abtei- angestellt beim European Re- schaftlicher Mitarbeiter und
und Systeme“ und als ge- lung Akustik am Department search Center von Advanced Doktorand am Institut für Mik-
schäftsführender Leiter des für Medizinische Physik und Bionics in Hannover. Seine roelektronische Systeme (IMS).
Instituts für Mikroelektronische Akustik der Carl von Ossietzky Forschungsinteressen liegen im Seine wesentlichen Forschungs-
Systeme (IMS) tätig. Seine we- University Oldenburg. Seine Bereich von Machine Learning interessen sind die Optimierung
sentlichen Forschungsinteressen Forschungsinteressen liegen im für Audio- und Biosignalver- von Prozessorarchitekturen und
liegen auf dem Gebiet der Algo- Bereich der grundlegenden und arbeitung, insbesondere Stör- die effiziente Implementierung
rithmen und heterogenen Ar- angewandten Psychoakustik, geräuschunterdrückung und von Audiosignalverarbeitungs-
chitekturen zur digitalen Signal- dem Machine Listening und Quellenlokalisation. Kontakt: algorithmen zur Sprecherlokali-
verarbeitung, der Entwurfs- der technischen Akustik. joachim.thiemann@ sation im Bereich Hörgeräte-
raum-Exploration für diese Kontakt: steven.van.de.par@ advancedbionics.com systeme. Kontakt: seifert@ims.
Architekturen sowie den dazu uni-oldenburg.de uni-hannover.de
erforderlichen Modellierungs-
techniken. Kontakt: blume@
ims.uni-hannover.de

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Hören durch Licht!

Zur Weiterentwicklung von Implantaten durch Photonik

Licht ist für uns Menschen ein Licht in Bildgebung schwerend sind diese Struk­ selbst gedreht werden und ver­
wesentlicher Bestandteil des und Diagnostik turen für sichtbares Licht in­ schiedene Signale wie Fluores­
täglichen Lebens. Schließlich transparent und stark zenzlicht, absorbierte und
basiert einer der wichtigsten Die Vorteile des Lichts im Be­ streuend: Ein Knochen er­ transmittierte Laserleistung
unserer Sinne auf der Wahr- reich der Bildgebung und Dia­ scheint uns weiß, alle Farben lassen sich messen und über
nehmung von Licht: das Sehen. gnostik liegen auf der Hand, beziehungsweise die Wellen­ computer­gestützte Verfahren
Wie aber muss man sich ein heißt es doch umgangssprach­ längen des Lichts können nicht für eine 3D Bildgebung nut­
Hören mit Licht vorstellen? lich „Das muss man mit eige­ tief eindringen und werden zen, siehe Abbildung 2. Die ge­
nen Augen gesehen haben“ diffus zurückgestreut. Nicht meinsam mit dem Laser Zent­
Am Institut für Quantenoptik, (im Englischen: „Seeing is be­ gestreute Verfahren wie Ultra­ rum Hannover entwickelte
Standort NIFE (Niedersächsi- lieving“). Die Darstellung von schall oder Röntgentomogra­ Methode nennt sich Scanning
sche Zentrum für Biomedizin- Abläufen oder Zuständen in phen besitzen nicht die erfor­ Laser Optical Tomography,
technik, Implantatforschung Form eines Bildes oder einer derliche Auflösung, um diese kurz SLOT, und konnte erfolg­
und Entwicklung), erforscht mikroskopischen Aufnahme sehr feinen Strukturen sicht­ reich patentiert und an eine
trägt ungemein zum Ver­ bar zu machen. Ein Großteil Mikroskopie Firma auslizen­
das Team um Alexander ständnis und zur Bewertung der Arbeit auf dem Gebiet der siert werden. Über dieses Ver­
Heisterkamp die möglichen von Abläufen in der Natur Photonik in der ersten Phase fahren lassen sich nun wichti­
Einsatzgebiete der Photonik oder im Rahmen von Erkran­ des Exzellenzclusters Hearing ge anatomische Daten, bei­
kungen bei. Um die Abläufe for all lag in der Erforschung spielsweise zur Krümmung
in der Hörforschung. des Lebens auf mikroskopisch der Möglichkeiten zur Abbil­ der Hörschnecke im Hinblick
kleiner Ebene studieren zu dung dieser Proben. Insbeson­ auf einen möglichen Einsatz
können, haben sich insbeson­ dere lassen sich knöcherne Ge­ von sogenannten Cochlea­Im­
dere seit Erfindung des Lasers webeproben optisch aufklaren plantaten gewinnen oder die
im vergangenen Jahrhundert (Abbildung 1). Dazu wird die Verteilung und Anordnung
hochspezialisierte Mikrosko­ Probe in verschiedene chemi­ der für die Reizleitung verant­
pieverfahren entwickelt, die sche Lösungen eingelegt, die wortlichen Nervenzellen in
es erlauben, verschiedenste der Probe Wasser entziehen verschiedenen Krankheitsmo­
Bausteine des Lebens zu beob­ und diese dekalzifizieren, dellen erkennen, siehe Abbil-
achten und somit mögliche Er­ ohne zu Schrumpfungen oder dung 3. Gegenwärtig wird an
krankungen oder Erscheinun­ Artefakten zu führen und ins­ der Kombination dieser Ver­
gen zu bewerten oder verste­ besondere dabei die optischen fahren mit weiteren photoni­
hen zu können. Unterschiede im Brechungsin­ schen Verfahren wie der nicht­
dex anpassen. Die Lichtstreu­ linearen oder spektroskopi­
Um diese im Rahmen der Hör­ ung im Gewebe kann dadurch schen Bildgebung gearbeitet.
forschung zu beobachten, erheblich reduziert werden,
müssen insbesondere verknö­ die Probe wird transparent Licht zur Stimulation
cherte Strukturen wie die Hör­ und kann für hochauflösende des Innenohrs
schnecke (fachsprachlich: tomographische Verfahren ge­
Cochlea) oder Gehörknöchel­ nutzt werden, siehe Abbildung Neben der reinen Bildgebung
chen untersucht werden. Im 1. Im Rahmen dieser Verfahren und Diagnostik lässt sich Licht
Gegensatz zu einzelnen Zellen wird die Probe in einer Art jedoch auch für weitere An­
oder dünnen Gewebeschnitten optischen Computertomogra­ wendungen in der Hörfor­
sind diese Strukturen komplex phen vermessen, ganz ähnlich schung nutzen. Innerhalb der
aufgebaut und müssen im Ide­ zu den klinisch stark genutz­ zweiten Förderperiode des Ex­
alfall in 3D beziehungsweise ten Röntgentomographen. Auf­ zellenzcluster Hearing for all
als Volumenscan aufgenom­ grund der kleinen Probendi­ sollen gemeinsam mit der Kli­
men werden. Zusätzlich er­ mensionen kann die Probe

26

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Hörforschung Leibniz Universität Hannover

niknifküfrüHr aHlsa­l,sN­, Nasaesne­nu­ nudndOOh­h­ erefrofolglgtetennAAnnrreegguunnggiinnnneerrhhaallbb 11 whHPEIEAmhIPHEwAEobnxrmeöohbonxrbpietörehßobezbpitilsrreßlblezauecilsdSsirllanuehgccdtnSusitnhehtgcntrnuntodinheteenreecnogdeinnueecrehecSsgenuktuc1rhVSsceiWektun1mhVceeiWeCdgnmrhraemCedigofrsrztaäkmceisotfeeszrathäkercisbt(eelgrrlahAzeruiiebs(tlgnrilaAzn)ufiess(ttiniagBeinwrz)fs(ct.iaii)gBeniwrhzieNnc.riaiir)enhdssieaNntrartipren,cdssadMtraaddthpn,idrcidieMaddeeeeahidrniriueeeeeatsnru..ts..
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bbee bbeessiittzzeenn,, iisstt ddiieeAAnnzzaahhllddeerr (M(MetehthyylslaslailciyclyaltatunudndBeBneznyzlyblebne-n-
LeLneanrzaraznadnedreMr Medeidziizniinsicshcehnen ddererPPaatiteienntteeinineennbbeessttiimmmmtteenn Elektroden unndd ddeerrssoossttiimmuu­­ zzooaat)t)wwiridrddideiePProrboebenanhaehzeuzu
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dadssasisnibnebsetismtimmmtetnenErEtratuabuubun­n­ nneerrdduurcrhchdideiePProrboebegegfeüfhürhtrutnudnd
sdStwdgfeäiieeinnänheSdtfwdgcsnneädrsi,hniieeingtnänhedeiN,neenindrrs,gnijisoegtdeeetdiN,zZeidandirrgijiseomzeeeveketeozZldaudirlretlceepmzlevkeeomnehrblnullnretlcfnpa,lleiomnedehbncdnHlnnlwnai,lhiigtbideiecdnHöneictrweieheirtbiheeieviödnericteteineetotreche.invidnerteeftrrhnItostenu.inhlnnestSepefrrInsatnöuhlCiinnrgeSpegtnktneaöenCeIiiirgndtgtcsngkntgeeieI,Nihaenodetcsegngswilnen,hanenoeeeoenswlneunsen­nleo­n­llrse­­l­o­­ll­­­ 22 lKdrEkisasadirkKsEleöintasogaeensöinntognteentsankNnsentretatukrNpnsreterrtuuefrptrranterucuefteetrasnwhuzcnciteeitswnhutnzhmncieditnutnenhrmededTomdknengrededTroamedktndgeaveadnnrRaetednkaloveannn.RieotFnsnktlon.itimäostiFesntaltviotrmätsiteieaeteltivsoirnttoriernsweteis.sniniorrensocwD3es.snrihnertDoclD3esiiidarhneesrutDlueiicdidaanPneesubhbueecdad.ernngPnbhgbneoede.erngeb-ngno-eeeeb-n-e

chperdoiteheesrefonlginredicehr sMteendNizienuro­
prdotahrsetseelnlenin, wdeerrdMeneddiazzinu elekt­ Höhe eines angeschlagenen
darrisstcehlleeFne, lwdeerrdinennedrhaazlubedleerkt­ HTöohnes,edineersvaonngdeesrcPholasgiteionnender lich, an beispielsweise den
risCchoechFleeladaepr pinlinzieerrht,aulbmdderie ToTansst,edaeurfvdoenr dKelarvPioastuitrioenindeesr lGicehn,uasns bveoinspMieulssiwkeiisstendicehnt zu
CovcohrlheaanadpepnleiznieNret,rvuemn dinieeiner TKasltaevaieurfsdaebrhKänlagvt.iaDtaureleeikntersi­ Gdeennkuesns,vüobnerMtruagsiekniasut nf dicihet zu
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beastnizmumretgeennH. JöehneacdherHCöohcehdleear sctuhengFeinldmereenisncehlgicuhteemAuGsebwreei­­ KFalauvstiahtaunrdvsechrsuuhcehnt amuafndemmit
anzuregen. Je nach Höhe der tung in menschlichem Gewe­ FKaluavstiheraznudsscphieulhene.n auf dem Abbildung 3
Klavier zu spielen. DAabrbstiledlluunngg3von einer extrahier-
teDnaHrsötresllcuhnngecvkoen(Meinauers)e. xDtriae hier-
3 NtenrvHenözreslclehnne(cNkeeu(rMofialuams).enDtiee)
3 sNinedrfvleunozresllzeennz(Nmeaurkrioefritla. mIherne te)

Lsaignedkfalunnoriensz3eDnzemrfarskstieurnt.dIhdrie

eLntasgperekcahnenndine K3Drüemrmfaussntguenxdtrdai-e

heienrttspwreercdheennduendKrbüeimspmieulsnwgeeisxetra-
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hgeeitgsebnilüdbeerrn b(eBsitlidmermCte, nDK), rank-
shogeeitnsabnilndteernKn(Bocilkd-eorutCM, Dau),s
(Csoagne1n.a3n-n/-t)e, vKenrgolcikc-hoeuntwMeraduesn.
Q(uCeallne:1P.r3om-/o-)t,iovnerLegnliachNeonltew2e0r1d9e, n.
LeQiubnelilze:UPnrivoemrsoittiäotnHLaennnaoNveorl,tFea2k0u1l-9,
täLet ifbünrizMUanthiveemrsaittiäktuHnadnPnhoyvseikr, Fakul-

tät für Mathematik und Physik

27

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Abbildung 4 4

Über Laserstrahlung induzierte
Druckamplitude am Ende einer
optischen Glasfaser im Wasser
bei verschiedenen eingestrahlten
Laserpulsdauern im Mikro-
sekundenbereich. Für Pulsdauer
unter 40μs (siehe (b)) lassen sich
Drucktransienten erzeugen, die
mit über 10mPa für eine Innen-
ohrstimulation ausreichen.
Quelle: Promotion Nicole Kallweit
2017, Leibniz Universität Hannover,
Fakultät für Maschinenbau

In Hybrid­Implantaten wird Druckwellen erreicht werden, lenzcluster Hearing for all, er­
eine Resthörfähigkeit ausge­ die mit 10mPa eine ausrei­ forscht. Durch Einbringen mo­
nutzt, die das Hör­ und insbe­ chende Druckamplitude auf­ lekularer Schalter in Nerven­
sondere Sprachverständnis weisen, um die verbliebenden zellen können diese direkt
von Patienten erhöhen kann, Sinneszellen im Gehör zu sti­ mittels Laserlicht stimuliert
indem zusätzliche akustische mulieren. Durch Modulation werden und somit wesentlich
Reize in die Cochlea einge­ dieser Pulse bzw. durch Ein­ präziser als über elektrische
strahlt werden. Diese übli­ strahlen entsprechender Puls­ Felder adressiert werden. Das
cherweise niederfrequenten Bursts (Pulsfolge­Sequenzen) Gebiet der sogenannten Opto­
Reize lassen sich jedoch nur sollten sich gezielt einzelne genetik kombiniert die Fort­
schwer kompakt und stö­ Zellen selektiv anregen lassen, schritte der molekularen Biolo­
rungsfrei im Innenohr erzeu­ wie ausführliche Computersi­ gie und Gentechnik mit denen
gen. Hier soll nah­infrarote mulation des Gehörs zeigen der Photonik. Ähnlich wie im
Laserstrahlung über miniatu­ (siehe Abbildung 5). Gegenwär­ Auge lassen sich so im audito­
risierte Fasern innerhalb der tig werden entsprechend kli­ rischen Bereich Höreindrücke
Cochlea genutzt werden, um nisch einsetzbare Systeme in über Licht an das Gehirn sen­
die entsprechenden akusti­ enger Kooperation mit der AG den. Perspektivisch erlaubt
schen Signale zu generieren, Lenarz entwickelt, um sie an diese Methode sogar die Steu­
so genannte optoakustische Patienten mit Resthörfähigkeit erung weiterer zellulärer
Transienten: Eine kurzzeitige einsetzen zu können. Funktionen im auditorischen
Aufheizung der Flüssigkeit in Bereich, wie zum Beispiel die
der Cochlea (Perilymphe) Weitere Möglichkeiten Ausschüttung bestimmter
führt innerhalb von einigen Neuroprotektiva oder anti­in­
10 Mikrosekunden (0,00001s) Um auch komplett ertaubten flammatorischer Stoffe, wie sie
zur Ausdehnung der Flüssig­ Menschen einen verbesserten gegenwärtig in weiteren AGs
keit und der Erzeugung einer Höreindruck zu verschaffen, der Leibniz Universität Han­
Druckwelle, siehe Abbildung 4. werden gänzlich auf Photonik nover (Prof. Blume am TCI)
Bei Einstrahlung genügend basierende Implantate von ver­ und MHH (Prof. Warnecke der
kurzer Laserpulse mit entspre­ schiedenen Arbeitsgruppen HNO) mit Unterstützung der
chender Laserleistung können weltweit, wie auch im Exzel­ AG Heisterkamp untersucht
werden.

Abbildung 5 5

Computermodell der auditori-
schen Wahrnehmung von laser-
generierten Laserpulsen, die ent-
sprechend moduliert wurden,
dass sich eine selektive Frequenz-
stimulation im auditorischen
Nervensystem (AN) einstellt.
Durch Applikation von bestimm-
ten Pulsfolgen (oben) kann eine
selektive Anregung im Bereich
von ca. 1 kHz erreicht werden.
Quelle: Promotion Nicole Kallweit
2017, Leibniz Universität Hannover,
Fakultät für Maschinenbau

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Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Die AG Biophotonik
In der Arbeitsgruppe Biophotonik von Prof. Dr. Alexander Heister-
kamp (dritter von links) arbeiten etwa 10 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler in der Grundlagen und Anwendungsforschung in
einem interdisziplinären Querschnittsfeld aus Physik, Biologie, Medizin
und Ingenieurswissenschaften. Neben dem grundlegenden Verständnis
der Interaktion von Licht, zum Beispiel in Form von Laserstrahlung, und
biologischem Gewebe oder Zellen, nutzt die Gruppe optische Techno­
logien zur gezielten Bildgebung oder Manipulation von biologischem
Gewebe in Medizin und Biologie, oftmals in enger Kooperation mit der
Medizin oder Biologie. Kontakt: [email protected]­hannover.de,
www.biophotonics.uni­hannover.de

Dr. Dag Heinemann Dr. Tammo Ripken
Jahrgang 1984, hat 2013 am Jahrgang 1974, hat 2006 in
Laser Zentrum Hannover und Physik zur Anwendung von
der Hannover Biomedical Re­ Laserchirurgie am Auge promo­
search School der MHH promo­ viert und ist seit 2011 Leiter der
viert und leitet am Standort Abteilung Industrielle und Bio­
NIFE die Arbeitsgruppe Bio­ medizinische Optik am Laser
photonik des Laser Zentrums Zentrum Hannover e.V.. Er be­
Hannover e.V., die ein Koopera­ schäftigt sich mit vielfältigen
tionsprojekt mit der AG Heister­ Laser­ und Geräteentwicklungen
kamp im Rahmen von Hearing auf dem Gebiet der Lasermedi­
for all durchführt. Insbesondere zin, auch im Rahmen von ge­
die Arbeit an einzelnen Zellen meinsam eingeworbenen Dritt­
und die Nutzung optischer Ver­ mittelprojekten mit der AG
fahren in den Life Sciences sind Heisterkamp und anderen Lehr­
Schwerpunkte seiner Forschung. stühlen der Leibniz Universität
Kontakt: [email protected] Hannover. Kontakt: t.ripken@
lzh.de

105980.indd 1 24.03.2020 09:40:22

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Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Heilen durch Licht

Der Einsatz optogenetischer Proteinexpression bei Cochlea-Implantaten

Cochlea-Implantate (CI)
werden bei Menschen,
die kaum oder gar nicht
mehr hören können, in die
Hörschnecke eingesetzt.
Die anschließende Heilung ist
entscheidend für den Erfolg

der Operation.

Das Institut für Technische 1
Chemie (TCI) erforscht im
Rahmen des Exzellenzclusters Ein Hörverlust kann unter- schiedene Medikamente kön- der Cochlea weitergegeben
schiedliche Ursachen haben. nen unter Umständen zum und ermöglichen so ein Hören.
„Hearing4all“ wie die Viele davon sind angeboren, Absterben der Haarzellen füh-
Einheilung von Cochlea- andere werden im Laufe des ren (ototoxische Wirkstoffe). Das Einsetzen eines Cochlea-
Lebens erworben. Immer Ein Verlust der Haarsinneszel- Implantats ist ein operativer
Implantaten mittels kommt es zum Funktionsver- len ist permanent, da die Eingriff, bei dem ein Elektro-
lichtgesteuerter Modulation lust der Haarsinneszellen in Haarzellen nicht nachwach- denbündel in die Hörschne-
der Hörschnecke (Cochlea). sen. Wenn die Leistung der cke eingeführt wird und Ope-
zellulärer Funktionen Diese Haarsinneszellen wan- Haarzellen nicht mehr für eine rationswunden entstehen.
verbessert werden kann. deln den Schall in elektrische adäquate Stimulation des Hör- Auch das innere Gewebe der
Signale um, die dann von den nervs ausreicht, können Hör- Cochlea wird beschädigt und
Nervenzellen ins Gehirn gelei- hilfen diese Lücke schließen. muss verheilen. Besonders
tet und dort zu einem Hörsin- Bei starkem oder vollständi- wichtig für die langanhaltend
neseindruck verarbeitet wer- gem Hörverlust bleibt als Ulti- gute Funktion des Cochlea-
den. Dabei sind die Haarzellen ma Ratio das Einsetzen eines Implantats ist die Heilung der
sehr empfindlich und über ein Cochlea-Implantats in die Hör- Nerven im Bereich des Coch-
weites Frequenzspektrum an- schnecke. Dann übernimmt lea-Implantats, da diese die Si-
sprechbar. Schädigende Fakto- das Implantat die Funktion gnale aufnehmen und weiter-
ren während des Lebens kön- der Haarzellen, also die Um- leiten müssen. Hier werden
nen zum Beispiel chronische wandlung von Schall in ent- im Rahmen von „Hearing-
Lärmbelastungen, Infektionen sprechende elektrische Signa- 4All“ am Institut für Techni-
oder durchblutungsbedingte le, diese werden über filigrane sche Chemie verschiedene
Schädigungen sein. Auch ver- Elektroden an den Hörnerv in Strategien auf Basis der Opto-

30

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genetik für die verbesserte tragen. Dadurch können auch Abbildung 1
Einheilung der Cochlea-Im- diese Proteine lichtabhängig
plantate erforscht. zueinander in räumliche Nähe (modifiziert nach [1], Müller et al, Nucl. Acid Res. 2013). Gezeigt
gebracht und zu einem funkti- wird exemplarisch das Funktionsprinzip eines optogenetischen Sys-
Die Optogenetik setzt Licht onalen Komplex zusammen- tems zur Steuerung der Proteinproduktion. Das Prinzip der optogene-
zur Modulation von zellula- gelagert werden. Dabei sind tischen Aktivierung stammt aus der Welt der Pflanzen, die für ihr
ren Funktionen ein und lässt sowohl die lichtabhängigen Überleben auf die Sonne angewiesen sind und daher vielfältige licht-
sich in zwei große Teilberei- Proteine als auch die Proteine, sensitive molekulare Schalter entwickelt haben. Mittlerweile gibt es
che aufteilen. Zum einen wird die „huckepack“ getragen synthetisch hergestellte optogenetische „Schalter“, die auch in huma-
eine Änderung des Membran- werden, wie verschiedene nen Zellen genutzt werden können. Das Fusionsprotein aus Tet R und
potenzials der Zellen durch Bausteine wechselbar. PIF6 bindet an die TetO13 Sequenz der DNA, ist aber zunächst nicht
Lichteinfluss angestrebt. Dies in der Lage mit der inaktiven Form des PhyB zu interagieren (oben).
geschieht durch spezielle Pro- Im Institut für Technische Unter Einfluss von Rotlicht der Wellenlänge 660 nm ermöglicht eine
teine, die in der Zellmembran Chemie beschäftigt sich ein Konformationsänderung der Bindungspartner das Zusammensetzen
sitzen, sogenannte Kanalrho- Teil des AK (Arbeitskreises) eines Transkriptionsfaktorkomplexes (unten). Dadurch wird die Poly-
dopsine. Diese Kanalrhodop- Blume (Prof. Dr. med. Corne- merase aktiviert und beginnt mit der Expression des Zielgens. Durch
sine stammen meist aus spezi- lia Blume, Dr. Martin Witt, Bestrahlung mit Infrarotlicht (740 nm) lässt sich eine erneute Kon-
ellen Einzellern und verbin- Nina Wichert, M. Sc. und Sina formationsänderung herbeiführen, sodass der Transkriptionsfaktor-
den das Äußere und das Christophers, M. Sc.) im Rah- komplexes wieder zerfällt. Die AG Blume befasst sich mit der Optimie-
Innere ihrer Zelle durch eine men des Exzellenzclusters rung dieses von einer Freiburger Forschergruppe entwickelten Tools
für humane Zellsysteme.

2

Pore, die sich öffnet, sobald „Hearing4all“ mit der lichtge- Abbildung 2
Licht der entsprechenden steuerten Produktion speziel- Beleuchtungsbox für optogenetische Zellkultur: Nina Wichert M. Sc.
Wellenlänge auf diese Kanal- ler Proteine in Zellen. Dazu beim Arbeiten in der LED-basierten Beleuchtungsbox. Diese ermög-
rhodopsine trifft. Anschlie- wird die lichtabhängige Inter- licht eine gezielte Bestrahlung der optogenetisch veränderten humanen
ßend kommt es durch die of- aktion verschiedener Protein- Zellen mit Licht spezifischer Wellenlängen und verhindert eine Selbst-
fene Pore zu einer freien Mig- paare zum Beispiel PhyB und aktivierung der Zellen durch Umgebungslicht. Während die Arme
ration diverser Ionen und PIF6 oder Cry2 und CIB aus über Armschlitze mit Ärmelhalter in die Box eingeführt werden, wird
damit zu einer Änderung des dem Acker-Schmalwand (Ara- das Handling der Zellen in der sonst dunklen Box über ein Tablet mit
elektrischen Potenzials an der bidopsis thaliana) genutzt, um Kamera beobachtet. Die Zellen sind auf einem höhenverstellbaren
Membran. So können Neuro- via Geninduktion mit nachfol- Zellkulturgefäßhalter und in einer erwärmten und mit CO2 und
nen statt mit Strom zusätzlich gender Proteinbiosynthese in Wasserdampf equilibrierten Halterkammer (ibidi GmbH, Gräfelfind,
mit Licht erregt werden. humanen Zellen den Zeit- Deutschland) positioniert.
punkt und die Stärke der Ziel-
Der zweite Teilbereich der Op- proteinproduktion zu bestim- zu vermitteln (hier VP16, ver-
togenetik nutzt Licht, um an- men. Dabei trägt der eine gleiche Abbildung 1).
dere zellulare Funktionen zu Partner des lichtabhängigen
steuern. Zentrales Element Paares ein Protein, das an eine Die Hauptvorteile von opto-
dieser Systeme sind Proteine, spezielle DNA-Sequenz bindet genetischen Systemen im Ver-
die sich lichtabhängig zusam- (hier Tet-R an TetO13), und der gleich zu herkömmlichen
menlagern. Diese Proteine andere Partner ein Protein, Verfahren zur Steuerung der
stammen häufig aus Pflanzen das in der Lage ist, durch die Proteinproduktion sind eine
und können andere Proteine Bindung einer Polymerase die wesentlich verbesserte räum-
oder Proteinteile „huckepack“ Produktion des Zielproteins

31

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

liche und zeitliche Auflösung Beispiel Lipofektion), anderer- Hülle versehen, die für diese
im Mikromilieu zum Beispiel seits über ein lentivirales Sys- Wirkstoffe zunächst undurch-
von neuronalem Gewebe. tem. Die Herausforderung dringlich ist (Abbildung 3).
So können Aktivierung und beim Gentransfer zum Bei- Die Zellen werden dann so
Deaktivierung, je nach ver- spiel in undifferenzierte hu- programmiert, dass sie nach
wendeten lichtabhängigen mane Stammzellen aus dem Lichtbestrahlung ein Enzym
Proteinen, im Sekunden- bis menschlichen Fettgewebe (so- für den Abbau der Partikel-
Minutenbereich durchgeführt genannte Ad-hMSCs) besteht Hülle produzieren, so werden
werden und der Einsatz von darin, dass neben dem opto- die Wirkstoffe zeitlich gesteu-
fokussiertem Licht ermöglicht genetischen Schalter auch das ert aus den Partikeln frei-
eine starke Eingrenzung des Zielgen in einem bestimmten gesetzt.
räumlichen Bereichs, zum stöchiometrischen Verhältnis
Beispiel im Innenohr eines eingebracht werden muss. Ein direkterer Ansatz zur Ver-
Kindes. Dies kann via Co-Transfektion besserung der Implantat-Ein-

3

Abbildung 3 Für die Untersuchungen der oder mittels diverser Genpro- heilung ist die Produktion des
optimalen Lichtaktivierung motoren auch auf einem Vek- Wachstumsfaktor BDNF
Schematischer Aufbau der porö- wurde in Kooperation mit tor realisiert werden. („Brain-derived neurotrophic
sen Nanopartikel mit eingekap- dem Institut für Mikroelektro- factor“; dt. etwa: „Vom Gehirn
seltem Wirkstoff und Stärkehülle nische Systeme bereits eine Neben der Erforschung der stammender neurotropher
(a). Synthetisierte Partikel mit Kultivierungsumgebung für Technologie an sich werden im Faktor“). Dieser Wachstums-
Fluoreszenzfarbstoff zu späteren die Lichtaktivierung mittels Rahmen des Excellenzclusters faktor schützt bereits beste-
Lokalisierung der Partikel (b). LED-Lampen gebaut (Abbil- „Hearing4all“ auch direkte hende Nervenzellen und sti-
dung 2). Anwendungen untersucht. Zu- muliert das Wachstum neuer
sätzlich zu den einzelnen Bau- Synapsen. Bei einer Produkti-
Eine höhere räumliche Auf- steinen des optogenetischen on von BDNF in der Nähe
lösung der Lichtaktivierung Systems kann auch das Ziel- eines Cochlea-Implantats wird
wurde dagegen mit einer protein ausgetauscht werden, also eine wesentliche verbes-
punktgenauen Bestrahlung oder es können mehrere Ziel- serte Einheilung nach der Im-
mittels wellenlängenspezifi- proteine gleichzeitig einge- plantation und eine gesteiger-
schen Lasern erreicht (Koope- setzt werden. Daher können te Überlebensfähigkeit der
ration mit dem Institut für mit diesen „Lichtschaltern“ geschädigten Nervenzellen
Laseroptik der LUH, Prof. Dr. eine Reihe unterschiedlicher erwartet.
A. Heisterkamp). Hierbei wird Strategien für eine verbesserte
das Zellpräparat mäanderartig Einheilung von Cochlea-Im- Neben der Forschung an An-
punktbestrahlt, die Führung plantaten verfolgt werden. wendungen, die später direkt
des Lasers geschieht software- Dazu arbeitet das Institut für den Patienten zukommen sol-
gesteuert. Technische Chemie beispiels- len, ist die lichtgesteuerte Pro-
weise mit dem Institut für An- duktion von Proteinen auch
Die Einbringung der ver- organische Chemie der Leib- eine gute Methode für die Un-
schiedenen Vektoren mit den niz Universität Hannover un- tersuchung der Proteinfunkti-
optogenetischen Sequenzen ter Prof. Dr. rer. nat. Peter on innerhalb der Zelle und im
und dem Zielgen geschieht Behrens zusammen. Hier wer- komplexen Organismus. Von
einerseits über zellschonende den biokompatible Nanoparti- dem Membranprotein Claudin
transiente Verfahren (zum kel mit verschiedenen Wirk- 14 ist bekannt, dass verschie-
stoffen beladen und mit einer dene Mutationen durch Mem-

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brandestabilisierung zum Ab- von der Universität Olden- ein Mittel, welches in Zukunft
sterben der Haarsinneszellen burg (AG Prof. Dr. rer. nat. auch in klinischen Therapien
innerhalb weniger Wochen Nothwang) dient als Quelle eingesetzt werden könnte.
nach der Geburt führen. Auch für KO-Zellen aus dem Innen- Cochlea-Implantate könnten
wenn Claudin 14 gar nicht ohr der Mäuse (Entnahme beispielsweise mit optogene-
mehr gebildet wird, sterben und Kultivierung durch die tisch veränderten menschli-
die Haarzellen im Innenohr AG von PD Dr. med. Athana- chen Stammzellen vor der Im-
nach kurzer Zeit ab. Werden sia Warnecke, Klinik f. HNO- plantation ummantelt werden.
die Haarzellen dagegen vor Heilkunde der MHH). Die Nach der Implantation kann
dem Absterben entnommen Gensequenz von Claudin 14 dann die gezielte und langfris-
und im Labor weiter kulti- wird von der AG Blume zu- tige Aktivierung den Einhei-
viert, sind diese weiter lebens- sammen mit dem optogeneti- lungsprozess zu verbessern.
fähig. Diese Diskrepanz zwi- schen Schalter in neuronale
schen der Situation im Innen- und neuron-unterstützende Literatur
ohr und im Labor ist noch Zellen via Transfektion einge-
immer nicht geklärt und da- bracht und die kultivierten, [1] Müller et al: A red/far-red light-re-
her Gegenstand aktueller Un- transfizierten Zellen morpho- sponsive bi-stable toggle switch to
tersuchungen. Dazu soll nun logisch beschrieben. control gene expression in mamma-
die gute zeitliche Auflösung lian cells. Nucleic Acids Res. 2013
der optogenetischen Systeme Sollte es gelingen, die Synthe- Apr;41(7):e77. doi: 10.1093/nar/gkt002
genutzt werden, um eine ge- se bestimmter Faktoren in hu-
nauere Vorstellung der Funk- manen Zelltypen über optoge-
tionen von Claudin 14 zu er- netische Systeme zeitlich und
halten. Ein Mausmodell, bei räumlich optimiert zu etablie-
dem die Expression eines be- ren und auch eine effiziente
stimmten Gens für das Memb- Proteinsynthese und lichtge-
ran-Protein Claudin 14 inakti- steuerte Wirkstofffreisetzung
viert wurde (Knock-Out nachzuweisen, wären optoge-
Maus-Modell für Claudin 14) netisch manipulierte Zellen

apl. Prof. Dr. Cornelia Blume Dr. Martin Witt Nina Wichert, M. Sc. Sina Christoffers, M. Sc.
Jahrgang 1968, ist derzeit als Jahrgang 1988, ist derzeit Jahrgang 1991, ist derzeit als Jahrgang 1992, ist derzeit als
Gruppenleiterin am Institut für wissenschaftlicher Mitarbeiter Promotionsstudentin am Insti- Promotionsstudentin am Insti-
Technische Chemie tätig. Ihr am Institut für Technische tut für Technische Chemie (TCI). tut für Technische Chemie (TCI).
Arbeitskreis bearbeitet Themen Chemie (TCI). Sein Forschungs- In ihrer Promotion beschäftigt Sie beschäftigt sich mit dem op-
im Bereich des Tissue Enginee- interesse liegt auf den neuen sie sich mit dem Vergleich ver- togenetischen System auf Basis
ring, der Biomedizintechnik Möglichkeiten der modernen schiedener optogenetischer Sys- des lichtaktivierbaren Protein-
sowie medizinische und bio- Molekularbiologie und der syn- teme sowie mit Methoden des paares Cry2/CIB und möglichen
technologische Grundlagen für thetischen Biologie zur Behand- DNA-Transfers in Stammzellen. therapeutischen Anwendungen.
moderne Diagnostika. Sie ist au- lung degenerativer Erkrankun- Kontakt: [email protected] Kontakt: [email protected]
ßerdem selbst als Nephrologin gen. Kontakt: [email protected] hannover.de hannover.de
im KfH (Kuratorium für Dialyse hannover.de
und Nierentransplantation e. V.)
klinisch tätig. Kontakt: blume@
iftc.uni-hannover.de

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Heilende Implantate

Kontrollierte Wirkstoff-Freisetzung von Hör-Prothesen

Medikamente können dazu Das Cochlea-Implantat kann Hörvermögen wiederherge- von der Elektrode freisetzen
beitragen, dass ein Cochlea- Gehörlosen und Ertaubten, de- stellt, die Cochlea ist damit könnte (Abb. 1c). Eine lokale
Implantat im Ohr des Patienten ren Sinneszellen im Innenohr aber noch nicht geheilt und Steigerung der Durchblutung
nicht (mehr) funktionieren, durch die Operation zusätzlich kann ebenfalls hilfreich sein.
besser funktioniert. dazu verhelfen, (wieder) zu gereizt. Man kann während
hören und somit an vielfälti- der Implantation Medikamente Implantat-assoziierte Freiset-
Daher arbeiten Wissenschaft- gen sozialen Interaktionen teil- in die Cochlea spritzen, diese zungssysteme haben unter an-
lerinnen und Wissenschaftler zunehmen. Dies gelingt durch werden aber relativ schnell ab- derem den Vorteil, dass die
vom Institut für Anorganische die elektrische Stimulation der transportiert und wirken daher Wirkstoffe direkt vor Ort, also
Chemie sowie der Klinik für noch intakten Nervenzellen nur für kurze Zeit. Alternativ genau da, wo sie benötigt wer-
Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde des Hörnervs, den Spiralgang- kann eine längerfristige Medi- den, freigesetzt werden. Solche
an der Medizinischen Hoch- lienneuronen. Hierfür wird kamentengabe über Schläuche Freisetzungssysteme können
ein Elektrodenträger in die und Mikropumpen realisiert zum Beispiel in Implantate in-
schule Hannover (MHH) Cochlea (Hörschnecke) einge- werden, was allerdings ein er- tegriert oder als Beschichtung
gemeinsam an einer lokalen führt (Abb. 1a). Die Stimulati- höhtes Infektionsrisiko birgt. auf diese aufgebracht werden.
und kontrollierten Wirkstoff- onselektroden werden von Ein besonders eleganter Weg Dies ist allerdings bei der
Freisetzung, die direkt vom einem ebenfalls implantierten ist die Wirkstoff-Freisetzung Cochlea-Elektrode schwierig,
Stimulator angesteuert, der direkt vom Implantat. Dies be- denn diese wurde wohlweis-
Implantat ausgeht. wiederum Signale von einem zeichnet man als implantat-as- lich aus zwei sehr inerten
außerhalb des Kopfes befindli- soziierte Wirkstofffreisetzung Materialien gefertigt (also sol-
chen Mikrofon und Signalpro- (siehe Infokasten). chen, die kaum bereit sind,
zessor erhält. Trotz der enor- chemische Reaktionen einzu-
men technologischen Fort- Die freigesetzten Medikamen- gehen): Einerseits das Edelme-
schritte der vergangenen Jahre te sollen im Innenohr auf ver- tall Platin für die elektrisch
ist eine sehr große Varianz der schiedenen Ebenen wirken. leitenden Kontakte, die die ver-
Hörergebnisse mit dem Coch- Unmittelbar nach der Operati- bliebenen Nervenzellen sti-
lea-Implantat zu beobachten. on kann es zu einer verstärk- mulieren, andererseits Silicon,
So gibt es Patienten, die mit ten Bildung von Narbengewe- das die Kontakte voneinander
dem Implantat trotz optimaler be um den Fremdkörper Im- elektrisch isoliert und eine ge-
Voraussetzungen kein zufrie- plantat kommen, was die meinsame biokompatible Hül-
denstellendes Sprachverstehen gezielte elektrische Stimulati- le bietet (Abb. 1a).
erreichen. Daher muss diese on behindert. Hier lassen sich
Technologie noch in vielen Be- Medikamente einsetzen, die Vielfach nano
reichen verbessert werden. eine überschießende Immun-
reaktion dämpfen oder schäd- Auf der Basis der Siliconhülle
Lokalisierte und kontrollierte liche reaktive Sauerstoff-Spe- lässt sich leicht ein implantat-
Wirkstoff-Freisetzung zies abfangen. Auch ist es assoziiertes Freisetzungssys-
wichtig, das Überleben der tem generieren, indem das
Ein Cochlea-Implantat wird Spiralganglienneurone zu si- Medikament im Silicon gelöst
unter anderem benötigt, wenn chern, die zum Teil degene- wird. In Polymeren gelöste
die Sinneszellen des Ohres, die riert sind. Hier können neuro- Wirkstoffmoleküle können
Haarzellen, nicht mehr intakt protektive Substanzen helfen, aber als Weichmacher agieren
sind, was im Allgemeinen auf wie das molekulare Medika- und so die mechanischen Ei-
eine Erkrankung der Cochlea ment Rolipram oder das Prote- genschaften des Kunststoffes
zurückzuführen ist. Durch das in BDNF (Brain-Derived Neu- negativ beeinflussen. Deshalb
Implantat wird dann zwar ein rotrophic Factor, ein Wachs- sind die mit Polymeren trans-
tumsfaktor), wenn man sie

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portierbaren Wirkstoffmen- allerdings schwieriger sein, zeigt sind, können gut in
gen begrenzt. Poröse anorga- solche nanoporösen anorgani- Silicone inkorporiert werden,
nische Materialien hingegen schen Materialien chemisch so die sowieso häufig Silica-Na-
bieten einen permanenten Po- zu modifizieren, dass sie auch nopartikel (allerdings unporö-
renraum an und können bis anspruchsvolle Freisetzungs- se) enthalten. Außerdem lässt
zu 50 Prozent ihres Volumens aufgaben erfüllen können. sich das Material Silica (amor-
an Wirkstoff aufnehmen. Da- phes Siliciumdioxid) chemisch
mit die Wirkstoffmoleküle im Um auf der Basis der Polymer- sehr effizient modifizieren. So
Porenraum gebunden werden komponente Silicon ein nano- lassen sich sowohl für Neuro-
können, müssen die Poren al- poröses Freisetzungssystem zu protektiva wie Rolipram, die
lerdings sehr klein sein, also realisieren, kann man nanopo- aus kleinen Molekülen beste-
Abmessungen im Nanometer- röse Silica-Nanopartikel (NPS- hen, als auch für große Protei-
maßstab aufweisen. Im Unter- NPs) verwenden. Solche Nano- ne wie BDNF Bedingungen
schied zu Polymeren kann es partikel, wie sie in Abb. 2a ge- einstellen, die eine Freisetzung

1 Abbildung 1

Wer hat nicht schon einmal vergessen, die verschriebene Tablette zu nehmen? a) Cochlea-Elektrode mit offen
in der Siliconhülle liegenden
Die Strategie, die Versorgung mit einem Medikament mit Hilfe eines Implantats zu gewährleisten, Platinkontakten und in das
bietet einige grundsätzliche Vorteile. Zuvorderst zu nennen sind hier die Bequemlichkeit für den Silicon eingeschlossenen Platin-
Patienten und die zuverlässige kontinuierliche Versorgung mit dem Medikament über einen langen drähten. (Abbildung mit freundlicher
Zeitraum. Außerdem kann das Therapeutikum direkt an den Wirkort gebracht werden, was ge- Genehmigung der Firma MED-EL)
ringere Dosen erlaubt und Nebenwirkungen reduziert.
b) Räumliche Situation in der im-
Generell unterscheidet man dabei zwischen implantat-basierten und -assoziierten Systemen. plantierten Cochlea. Der Abstand
Implantat-basierte Systeme werden eigens für die reguläre Anlieferung eines Medikaments in den zu den teilweise degenerierten
Körper gebracht. Dies sind zum Beispiel kleine Pumpen für die Insulingabe oder medikamentbelade- Spiralganglienneuronen ist ver-
ne Polymerstäbchen, die in den Glaskörper des Auges eingebracht werden. Die Insertion solcher hältnismäßig groß. c) Durch die
Implantat-basierten Systeme ist im Allgemeinen mit einer anderweitig nicht notwendigen Operati- Freisetzung neuroprotektiver
on verbunden. Implantat-assoziierte Wirkstoff-Freisetzungssysteme hingegen nutzen ein Implantat Wirkstoffe von der Oberfläche
als Grundlage, das sowieso aus medizinischen Gründen in den Körper eingebracht werden muss. der Cochlea-Elektrode lassen sich
Die vom Implantat getragenen Wirkstoffe werden dann direkt an den besonders beanspruchten Ort die Spiralganglienneuronen zur
der Implantation gebracht. Dort freigesetzte Medikamente können beispielsweise der verbesserten Ausbildung neuer Neuriten an-
Einheilung des Implantats dienen oder Infektionen verhindern, aber auch allgemein das umgebende regen, die allerdings ungerichtet
Gewebe beeinflussen. Beispiele sind wirkstoff-beladene Stents oder mit antibiotika-freisetzenden wachsen und die Distanz zur
Beschichtungen ausgerüstete orthopädische Implantate. Cochlea-Elektrode nicht über-
winden können. d) Durch Unter-
stützung mit einem „neuronal
guidance support“ sollen sich
die Neuriten zur Elektroden-
oberfläche führen lassen. Hierzu
werden Fasern (e) mit verschiede-
nen Biomolekülen, die unter an-
derem der Adhäsion der Neuriten
dienen, funktionalisiert.

Eine weitere Möglichkeit wird derzeit am Institut für Anorganische Chemie in einem gemeinsamen
Projekt mit der Orthopädie der Medizinischen Hochschule und der Tierärztlichen Hochschule eru-
iert: Beim implantat-dirigierten Drug Delivery lässt sich das Implantat durch ein von außen ange-
legtes Magnetfeld magnetisieren und kann in die Blutbahn gespritzte magnetische Nanopartikel
direkt um sich versammeln, wo diese dann den von ihnen transportierten Wirkstoff abgeben.

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Abbildung 2 2 stücken genutzt wird. Man speichern und daraus wieder
a) Transmissonselektronenmikro- kann zunächst auf der zu be- freisetzen. Eine chemische Mo-
skopische Aufnahme von nanopo- über lange Zeiten erlauben schichtenden Platinoberfläche difikation, über die sich die
rösen Silica-Nanopartikeln, die (Abb. 2b). Die positive Wirkung Polystyrolkügelchen ablagern. Freisetzung effizient kontrol-
sich in Silicon einarbeiten lassen. lässt sich mit Zellkulturunter- Die Abscheidung des Platins lieren ließe, ist bei dem inerten
b) Langzeitfreisetzung des Neuro- suchungen nachweisen, in de- erfolgt dann nur in den Zwi- Wirkstoff Platin aber viel
protektivums BDNF. c) Ergebnis- nen die Überlebensrate der schenräumen der Kügelchen, schwieriger als bei dem reakti-
se von Zellkulturexperimenten sehr empfindlichen Spiralgan- die man in einem anschließen- ven Silica der nanoporösen
mit Spiralganglienneuronen. Die glienneuronen drastisch an- den Schritt auflösen oder ver- Partikel.
Überlebensrate der Zellen steigt steigt, wenn die genannten brennen kann: So ergeben sich
von nur ca. 5 % auf bis zu 25 %, Moleküle freigesetzt werden Poren an den Stellen, an denen Dies brachte uns auf die Idee,
wenn die Nanopartikel mit (Abb. 2c). sich vorher die Polystyrolnano- beide Ansätze miteinander zu
BDNF beladen sind. Unbeladene partikel befanden; deren Ar- kombinieren: Wir umhüllen
Nanopartikel zeigen einen sol- Nicht ganz so einfach funktio- rangement dient also als Tem- zunächst die nanoporösen Sili-
chen Effekt nicht. niert dies mit der metallischen plat (Abb. 3a). Eine solche nano- ca-Nanopartikel mit Polystyrol
Komponente der Cochlea-Elek- poröse Platinbeschichtung und erhalten so Kern-Schale-
Abbildung 3 trode. Nanoporöses Platin lässt besitzt wegen der großen Nanopartikel. Diese werden
a) Nanopartikel aus Polystyrol sich zwar recht einfach herstel- Oberfläche vorzügliche elek- dann in analoger Weise wie
(PS) ordnen sich auf einer Plati- len: Wie andere Metalle auch trochemische Eigenschaften die reinen Polystyrolkügelchen
noberfläche an. Scheidet man lässt sich Platin aus einer Lö- und prinzipiell lassen sich in als Templat für die Platinab-
dann elektrochemisch Platin ab, sung elektrochemisch abschei- den Poren auch Wirkstoffe scheidung genutzt. Im ab-
so geschieht dies nur in den Zwi- den, was zum Beispiel auch bei schließenden Schritt (Extrakti-
schenräumen zwischen den Parti- der Platinierung von Schmuck- on, Verbrennung) wird das Po-
keln. Das Polystyrol lässt sich lystyrol wieder entfernt, es
verbrennen oder auflösen. Es ver- 3 verbleiben dann in den größe-
bleibt nanoporöses Platin als Re- ren Nanoporen des Platin Na-
plik. b) Anstelle der PS-Nanopar- nopartikel des nanoporösen Si-
tikel lassen sich auch Kern-Scha- lica (Abb. 3b). Ein doppelt nano-
le-Nanopartikel verwenden, die poröses Material also, dass die
aus einem nanoporösen Silica- guten elektrochemischen Ei-
Nanopartikel (NPSNP) bestehen, genschaften des Platins mit der
der mit Polystyrol umhüllt ist. guten chemischen Modifizier-
Nach der Entfernung des Poly- barkeit des Silica vereint. Ein
styrols hinterbleiben die Silica- Patent, dass dieses Material –
Nanopartikel in den größeren, nanoporöse Silica-Nanoparti-
durch das Polystyrol geschaffe- kel@nanoporöses Platin – und
nen, Nanoporen des Platins. das Konzept für die Wirkstoff-
Freisetzung von neuronalen
Elektroden schützt, wurde
kürzlich veröffentlicht.

Neuriten lenken

Die elektrische Stimulation der
Spiralganglienneuronen bietet
bereits eine beeindruckende
Verbesserung des Hörerlebnis-

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ses. Allerdings ist der Abstand tem für BDNF nutzen. Dies Prof. Dr. rer. nat. Peter Behrens Prof. Dr. med. Athanasia
zwischen dem Implantat und zeigen die Ergebnisse von Zell- Jahrgang 1957, ist seit 1998 Warnecke
den Spiralganglienneuronen kulturexperimenten: Die Über- Professor für Anorganische
recht groß (Abb. 1b); so erfassen lebensrate von Spiralgangli- Chemie und derzeit Geschäfts- ist Fachärztin für Hals-,
die sich ausbreitenden stimu- enneuronen steigt beträchtlich führender Leiter des Instituts Nasen-Ohrenheilkunde an der
lierenden elektrischen Felder an, wenn diese in Überständen für Anorganische Chemie. Seine Medizinischen Hochschule
immer eine Vielzahl von Spi- kultiviert werden, die in Ge- wesentlichen Forschungsinter- Hannover (Direktor: Prof. Prof.
ralganglienneuronen, was un- genwart von BDNF-beladenen essen liegen auf dem Gebiet der h.c. Dr. med. Th. Lenarz) und
ter anderem die Differenzie- Fasern erzeugt wurden. nanoporösen Materialien mit leitet die Arbeitsgruppe Pro-
rung unterschiedlicher Schall- Anwendungen im Bereich der tektion und Regeneration des
frequenzen einschränkt. Das Innenohr ist ein komple- Biomaterialien und Implantate Innenohrs. Sie ist Principal In-
Günstiger wäre es, wenn man xes Organ, dessen Biologie und sowie der Optik, Elektronik und vestigator im Exzellenzcluster
einen direkten Kontakt zwi- Biochemie noch nicht vollstän- Energietechnik. Er ist Principal „Hearing4all“. Klinisch um-
schen den Nervenzellen und dig verstanden sind. In schwe- Investigator in den Exzellenz- setzbare Ansätze zur Protekti-
der stimulierenden Elektrode ren Fällen von Hörverlust ist clustern Hearing4all und on und Regeneration des In-
herstellen könnte. die medizinische Versorgung PhoenixD. Kontakt: peter. nenohrs sind Fokus ihrer For-
mit einem Cochlea-Implantat [email protected] schung. Kontakt: warnecke.
Die oben beschriebene Freiset- das Mittel der Wahl. Dessen [email protected]
zung von neuroprotektiven gleichzeitige Nutzung im Sin- Inga Wille, M. Sc.
Wirkstoffen kann degenerierte ne einer implantat-assoziierten Jahrgang 1991, ist derzeit wis- Dr. Jennifer Schulze
Spiralganglienneuronen dazu Medikamentenfreisetzung bie- senschaftliche Mitarbeiterin am Jahrgang 1988, ist derzeit als
anregen, neue Auswüchse, so- tet viele Vorteile. Die Gestal- Institut für Anorganische Che- Post-Doc in der Klinik für
genannte Neuriten, auszubil- tung solcher Freisetzungssys- mie. Ihre Forschungsschwer- Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde
den (Abb. 1c). Diese wachsen teme bietet angesichts der punkte liegen im Bereich der an der Medizinischen Hoch-
allerdings weitgehend unge- komplexen Verhältnisse und Entwicklung von faserbasierten schule Hannover tätig. Sie ar-
richtet und können die Distanz der Inertheit der im Cochlea- neuronalen Leitstrukturen zur beitet in der Arbeitsgruppe
zu den Implantatelektroden Implantat verwendeten Mate- Regeneration des Innenohres. Protektion und Regeneration
ohne Hilfe nicht überwinden. rialien interessante Herausfor- Kontakt: [email protected] des Innenohrs von Prof. Atha-
Damit ihnen dieses dennoch derungen für die Biomaterial- hannover.de nasia Warnecke. Ihre For-
gelingt, entwickeln wir geeig- chemie. schungsinteressen umfassen
nete Stützstrukturen: Dünne die Identifizierung und in vitro
Polymerfasern, die auf der Tim-Joshua Strauß, M. Sc. Testung von neuroprotektiven
Oberfläche des Implantates an- Jahrgang 1990, ist derzeit wis- Faktoren und Medikamenten
gebracht sind und den Neuri- senschaftlicher Mitarbeiter am für das Innenohr und deren
ten im wahrsten Sinne des Institut für Anorganische Che- Cochlea-Implantat-assoziierte
Wortes als „Leitfaden“ dienen mie (ACI). Im Rahmen seiner Applikation. Kontakt: schulze.
(Abb. 1d). Als Fasern verwen- Doktorarbeit beschäftigt er [email protected]
den wir ein biokompatibles sich mit dem Aufbau nanopo-
medizinisches Nahtmaterial. röser Platinbeschichtungen für
Dieses wird zunächst mit neuronale Elektroden. Kon-
Komponenten der extrazellulä- takt: [email protected]
ren Matrix (zum Beispiel He- hannover.de
paransulfat) umhüllt, um den
wachsenden Neuriten eine
Umgebung vorzutäuschen, wie
sie auch sonst im Körper zu
finden ist. An diese Hülle aus
Heparansulfat werden dann
einerseits Biomoleküle ange-
bracht, die auch im Körper
eine Adhäsion von Nervenzel-
len erlauben (zum Beispiel La-
minin), um so den Neuriten
„Ankerplätze“ zur Anbindung
zu bieten (Abb. 1e). Anderer-
seits dient Heparansulfat auch
im Körper als Speichersubs-
tanz für Wachstumsfaktoren
wie BDNF. Entsprechend lässt
sich auch das auf den Fasern
gebundene Heparansulfat als
Speicher- und Freisetzungssys-

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Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Die minimal-invasive
Cochlea-Implantat-Chirurgie

Der lange Weg von der Forschung in die klinische Routine

Der Einsatz eines Cochlea-
Implantats bei tauben oder
schwerhörigen Patienten ist bis
heute nur durch eine Operation
möglich, bei der eine 2 bis 3 cm
tiefe Öffnung in den Schädel-
knochen gefräst werden muss.
Seit langer Zeit bemühen sich
Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftler Technologien zu
entwickeln, um diesen Vorgang
minimal-invasiv vornehmen

zu können.

Dr.-Ing. Thomas Rau von der 1
Medizinischen Hochschule
Es ist längst nichts Neues bei tauben oder schwerhörigen schon lange auf der Wunsch-
Hannover und Prof. Dr. Tobias mehr: In der heutigen Chirur- Patienten die Implantation liste von CI-Chirurgen und
Ortmaier vom Institut für gie haben patientenschonen- eines CIs notwendig, müssen deren Patienten steht. Aktuell
Mechatronische Systeme de, minimal-invasive Verfah- spezialisierte Operateure – gibt es jedoch noch keine
ren Einzug gehalten und sich wie auch schon vor 40 Jahren – Lösung, die so ausgereift ist,
beschreiben die gemeinsamen, in der klinischen Routine eta- eine 2 bis 3 cm tiefe Höhle in dass sie in der klinischen Rou-
interdisziplinären Forschungs- bliert. Wie durch das sprich- den Schädelknochen hinter tine eingesetzt werden könnte.
wörtliche Schlüsselloch ope- dem Ohr fräsen. Dahinter be-
ansätze an beiden rieren Chirurgen durch findet sich die Hörschnecke, Unter „minimal-invasiv“ ver-
Einrichtungen. kleinste Schnitte und Körper- auch als Cochlea bezeichnet. steht man in der CI-Chirurgie
öffnungen, um die Belastun- In diese ist ein filigranes Ar- eine einzelne, kleine Bohrung
gen für die Patienten so gering ray aus Stimulationselektro- als direkten Zugang von der
wie möglich zu halten. den einzuführen, um darüber Schädeldecke bis zur Cochlea.
einen künstlichen Hörein- Bedingt durch die winzigen
Bei allen Eingriffen? Nein! Ei- druck zu erzeugen, siehe Ab- Abmessungen des menschli-
nige wenige Eingriffe entzie- bildung 1. Keine Frage, diese chen Ohres sind die Anforde-
hen sich noch der Erschlie- mehrstündige OP ist für alle rungen an die Zielgenauigkeit
ßung durch minimal-invasive Beteiligten anstrengend, teuer jedoch extrem hoch: Nur Ab-
OP-Techniken. Ein prominen- und nicht ohne Risiko. Es weichungen von maximal 0,2
tes Beispiel ist die Cochlea-Im- wundert daher nicht, dass ein mm bis 0,3 mm sind zulässig.
plantat (CI) Chirurgie. Wird minimal-invasiver Zugang Zudem verläuft der Zugang

38

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

vorbei an wichtigen Nerven, scherteam um Prof. Omid Idee nachgegangen, die
die nicht verletzt werden dür- Majdani aus Hannover dann Durchführung der eigentli-
fen. Es ist klar, dass der Weg erstmalig den Nachweis er- chen Bohrung an einen hoch-
zu einem derart tief im Kno- bringen, dass die navigations- genauen Roboter zu übertra-
chen verborgenen Zielorgan gestützte, minimal-invasive gen (vgl. Abbildung 2). Damit,
nicht ohne Hilfsmittel ange- Eröffnung des Innenohres im so der Gedanke, sollten sich
legt werden kann. Prinzip möglich ist. menschliche Fehler ausschlie-
ßen und die notwendige Ge-
Mit dem technologischen Das war der Startschuss zu ei- samtgenauigkeit erreichen
Fortschritt etablierten sich um ner intensiven Erforschung lassen. Im Prinzip, so die Er-
die Jahrtausendwende Navi- dieser Thematik in Hannover kenntnis aus dem Projekt, ist
gationssysteme in den Opera- im Rahmen einer interdiszip- dies mit einem Roboter als
tionssälen. Diese vermessen linären Kooperation zwischen Positioniersystem möglich –
fortwährend die relative Lage der HNO-Klinik der Medizi- jedoch nicht in Kombination

Abbildung 1

Das Cochlea-Implantat: Mikro-
phon, Prozessor und Sendespule
(außen), Empfängerspule mit
Stimulatorschaltung (innen) und
Elektrodenträger in der Cochlea.
Der minimal-invasive Stichkanal
ist in Grün dargestellt.

Abbildung 2

Navigierter Roboter beim Setzen

der Bohrung im Präparat. Deut-

lich zu erkennen sind die grauen

2 Kugeln des optischen Navigati-
onssystems.

eines chirurgischen Instru- nischen Hochschule Hanno- mit den damals verfügbaren
ments zu anatomischen Struk- ver (MHH) und dem Institut Navigationssystemen. Diese
turen und visualisieren diese für Mechatronische Systeme erwiesen sich weiterhin als
für den Chirurgen (vergleich- (imes) der Leibniz Universität limitierender Faktor.
bar mit einem Navigationssys- Hannover (LUH). Früh war je-
tem im Fahrzeug). Es war da- doch klar, dass nicht alles was Es galt also eine Lösung zu fin-
her ein naheliegender Ansatz, technisch möglich auch kli- den, die die Genauigkeit eines
diese Technik auf die mini- nisch umsetzbar ist. So kamen Roboters für eine Bohrung am
mal-invasive CI-Chirurgie zu die beteiligten Forscher sehr Schädel nutzbar macht, ohne
übertragen. Ein Pionier auf schnell zu der Überzeugung, dass die Ungenauigkeit des
diesem Gebiet ist Prof. Robert dass eine zwar navigationsge- Navigationssystems dies wie-
F. Labadie von der Vanderbilt stützt, aber per Hand durch- der kompromittierte. Eine
Universität in Nashville, Ten- geführte Bohrung riskant und Möglichkeit Navigationstech-
nessee, der im Jahre 2005 erst- viel zu unsicher ist, als dass nik zu vermeiden, ist, den Ro-
malig eine minimal-invasive man einen Eingriff in dieser boter direkt am Schädel zu be-
Bohrung zum Ohr beschrieb. Form verantworten könnte. festigen. Durch die realisierte
Allerdings stoppten er und Ankopplung am Patienten
sein Team noch im Mittelohr, Dank der Förderung durch die kann die Notwendigkeit der
hinter welchem sich erst das Deutsche Forschungsgemein- zusätzlichen Lageerfassung
Innenohr befindet. Etwa drei schaft (DFG) wurde in einem durch das Navigationssystem
Jahre später konnte ein For- Projekt von 2006 bis 2008 der umgangen werden. Vorausset-

39

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Abbildung 3 auf eine spätere Sterilisierung
Passiver Hexapod mit Linear- fiel die Entscheidung gegen
führung am Präparat. motorisierte Beine des Hexa-
pods – dafür jedoch ein durch
Abbildung 4 umfangreiche Simulationen
Schablone mit individualisierter und modellgestützte Entwick-
Bohrerführung am Phantom. lungsmethoden hinsichtlich
Fotos: Institut für Mechatronische Genauigkeit optimiertes
Systeme Assistenzsystem (siehe Abbil-
dung 3). Allerdings konnte das
4 Gesamtkonzept letztlich im
chirurgischen Kontext nicht
überzeugen. Trotz Miniaturi-
sierung zu groß und hinsicht-
lich Montage als zu umständ-
lich bewertet, erwies sich auch
diese Technologie letztlich als
nicht praktikabel.

3 um die Bohrung mit allen auf- Parallel zur Entwicklung des
tretenden Prozesskräften si- Mini-Hexapods wurde eine
zung ist natürlich, dass sich cher und genau durchführen weitere Idee verfolgt: Wenn
ein Roboter entwickeln lässt, zu können. ein Roboter an sich genau ge-
der so stark miniaturisiert ist, nug ist, aber nicht ohne Ge-
dass er klein und leicht genug Im Jahr 2011 konnten dann die nauigkeitsverluste ausrei-
ist, um am Schädel verschraubt dafür notwendigen Gelder bei chend miniaturisiert werden
zu werden, und gleichzeitig der DFG eingeworben und bis kann, könnte dieser dann ge-
ausreichend steif und robust, 2012 in einer ersten und von nutzt werden, um neben dem
2014 bis 2017 in einer zweiten Patienten im OP-Saal eine
Förderphase die Entwicklung hochgenaue Bohrschablone
eines knochenverankerten Mi- steril zu fertigen, die dann am
ni-Hexapods vorangebracht Patienten angebracht wird?
werden. Neben der konstruk- Vorerfahrungen mit einem
tiven Entwicklung dieser indi- zwischenzeitlich in Nashville
viduell einstellbaren Instru- entwickelten Mini-Stereo-
mentenführung musste die taxiesystem, die dank einer
Knochenverankerung syste- Kontinente überspannenden
matisch untersucht, Software Kooperation mit Prof. Labadie
entwickelt und geeignete gesammelt werden konnten,
Bohrertypen ermittelt werden. sprachen für die (theoretische)
Ergebnis des Projektes war Machbarkeit dieses Lösungs-
dann zwar kein Roboter im ei- ansatzes.
gentlichen Sinne – aus Ge-
wichtsgründen und mit Blick Seit 2014 wird nun an der Rea-
lisierung einer patientenspezi-
fischen Bohrschablone (eng-
lisch: „jig“) gearbeitet. Das
Grundkonzept sieht zunächst
ein knochenverankertes Trä-
gersystem vor, welches hinter
dem Ohr am Schädel ver-
schraubt wird. Mitsamt Trä-
gersystem wird anschließend
der Patient gescannt, um da-
nach in den entstandenen
Bilddaten die Bohrung zu pla-
nen. Nach erfolgter Planung
der Bohrung im virtuellen
Modell des Patienten und Frei-
gabe durch den behandelnden
Chirurgen, wird eine zugehö-
rige Bohrschablone patienten-

40

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

individuell gefertigt. Dazu erbracht, dass die erforderli- Mittlerweile ist seit den ersten Am Ende steht in Hannover
dient ein als JigMaker be- che Genauigkeit robust er- Arbeiten mehr als ein Jahr- die Vision einer ambulanten,
zeichnetes Gerät, welches reichbar ist. zehnt vergangen. Die mini- sicher umzusetzenden und
einen Kunststoffrohling ent- mal-invasive CI-Chirurgie ist minimal-invasiven Operati-
sprechend der Planungsdaten Gleichzeitig war damit das zwar immer noch ein uner- onstechnik. Mit der roboter-
zu einer hochgenauen Bohr- Ende einer Entwicklung er- füllter Wunsch, doch die Aus- assistierten Fertigung hochge-
schablone finalisiert, siehe Ab- reicht, die über öffentliche sichten sind sehr gut. Sowohl nauer patientenindividueller
bildung 4. Dieser JigMaker ent- Fördermittel finanziert wer- in Nashville in den USA, in Schablonen soll möglichst
spricht dem Roboter aus den den kann. Die nun erforderli- Bern in der Schweiz, als auch vielen Patienten, auch über
einstigen Überlegungen und chen Arbeiten, um das System hier in Hannover arbeiten spezialisierte CI-Zentren hin-
wurde ebenfalls von der Kli- bis zur klinischen Einsatzbe- Kliniker und Entwickler an aus, das Hörvermögen wie-
nik für Hals-, Nasen-, Ohren- reitschaft weiterzuentwickeln, mittlerweile recht ausgereif- derhergestellt und eine un-
heilkunde und dem Institut sind extrem kostenintensiv; ten Systemen, die zum Teil eingeschränkte Teilhabe am
für Mechatronische Systeme des Weiteren ist die Umset- schon in ersten Studien am Leben ermöglicht werden.
gemeinsam entwickelt. zung regulatorischer Anfor- Menschen erprobt werden. Diese Vision ist unseres
derungen im Allgemeinen Für alle Gruppen gilt: Ohne Erachtens aller Mühen wert!
In diesem Projekt war bereits nicht förderbar. Dies führte enge Partnerschaft zwischen
bei allen Entwicklungsschrit- schlussendlich zur Gründung Klinikern und Ingenieuren
ten die angestrebte klinische der OtoJig GmbH, für die ein mit „langem Atem“ ist eine
Implementierung klar im Fo- führender CI-Hersteller als Umsetzung in die klinische
kus. So wurden von Beginn strategischer Investor gewon- Praxis nicht möglich. Es ist
an die Grundlagen für ein Ste- nen werden konnte. Ohne den „normal“, dass technologische
rilisationskonzept gelegt und Einstieg eines finanzkräftigen Rückschläge auftreten oder
letztlich das Gesamtsystem in Partners wäre wohl auch die- sich Ideen als Sackgasse er-
einer aufwendigen Experi- ser intensiv bearbeitete Lö- weisen. Dies ist aber kein
mentalreihe an Leichenschä- sungsansatz ohne Nutzen für Misserfolg, sondern oftmals
deln getestet. Mit Abschluss den Patienten geblieben, was wichtige Voraussetzung, um
des BMBF-Projekts im Früh- leider in Deutschland allzu letztlich zur besten Lösung
jahr 2018 war der Nachweis häufig passiert. zu gelangen.

Dr.-Ing. Thomas Rau Prof. Dr.-Ing. Tobias Ortmaier Prof. Prof. h.c. Dr. med.
Jahrgang 1980, ist seit 2006 Jahrgang 1974, lehrt seit 2008 Thomas Lenarz
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mechatronische
an der Klinik für Hals-, Nasen-, Systeme an der Leibniz Universi- Jahrgang 1956, ist Klinischer
Ohrenheilkunde und forscht tät Hannover. Seine Forschungs- Sprecher des Exzellenzclusters
seitdem an Technologien zur Re- schwerpunkte sind Robotik, Hearing4all. Darüber hinaus ist
alisierung eines minimal-invasi- Automatisierung und Bildver- er seit 1993 Direktor der Klinik
ven Zugangs zum Innenohr. arbeitung, mit einem besonde- für Hals-, Nasen-, Ohrenheil-
2014 promovierte er zu dieser ren Fokus auf chirurgische bzw. kunde der MHH. Seine For-
Thematik und leitet seit 2016 medizinische Anwendungen. schungsschwerpunkte sind Ur-
die Arbeitsgruppe für compu- Kontakt: tobias.ortmaier@imes. sache, Diagnostik und Therapie
ter-assistierte Chirurgie. uni-hannover.de von Hörstörungen mit Fokus
Kontakt: rau.thomas@mh- auf die Entwicklung und Tes-
hannover.de tung auditorischer Implantate,
wie das Cochlea-Implantat,
implantierbare Hörgeräte und
zentral-auditorische Implantate.
Kontakt: lenarz.thomas@mh-
hannover.de

41

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Messtechnik erhöht Patientensicherheit

Zur genauen Bestimmung von Implantatpositionen in Echtzeit

Wenn ein Cochlea-Implantat bung ist jedoch mit großem
im Ohr eingesetzt wird, ist apparativem Aufwand ver-
dessen Positionierung bunden und führt zu einer ho-
hen Strahlenbelastung von Pa-
besonders wichtig. Bisher gibt tient und Personal im Operati-
es keine Möglichkeit für den onssaal. Aktuell sind neue
Chirurgen, während des Ein- automatisierte Insertionstools
griffs zu kontrollieren, ob das Gegenstand der Forschung,
Implantat an der richtigen die beispielsweise mit Kraft-
sensoren ausgestattet sind,
Stelle sitzt. um mögliche Gewebeverlet-
zungen und -reizung zu er-
kennen und zu reduzieren [1].

Wissenschaftler vom Durch elektrische Stimulation 1 Auf diese Weise ist jedoch kei-
Fachgebiet Sensorik und Mess- des Hörnervs im Innenohr ne genaue Positionsüberwa-
technik am Institut für Grund- (Cochlea) können Cochlea-Im- während der Insertion des Im- chung möglich. Ein neuarti-
lagen der Elektrotechnik und plantate das Hörvermögen plantates unbedingt vermie- ger, am Fachgebiet Sensorik
von vielen tauben Menschen den werden. Das Fachgebiet und Messtechnik entwickelter
Messtechnik forschen daher wiederherstellen. Selbst taub Sensorik und Messtechnik am Ansatz zur Positionsüberwa-
an einer Methodik zur geborene Kinder lassen sich Institut für Grundlagen der chung, der nur mit minima-
mit Cochlea-Implantaten ver- Elektrotechnik und Messtech- lem apparativen Aufwand
Echtzeitüberwachung der sorgen, wodurch Hören und nik der Fakultät für Elektro- und minimaler Belastung für
Implantatposition während somit auch Spracherwerb technik und Informatik der den Patienten verbunden ist,
möglich wird. Ein Cochlea- Leibniz Universität Hannover basiert auf einer kontinuierli-
der Operation. Implantat ist im Grunde ein forscht daher an einer Metho- chen Messung des elektri-
Elektrodenträger, der in die dik zur Echtzeitüberwachung schen Wechselstromwider-
Abbildung 1 Scala tympani, ein flüssig- der Implantatposition inner- standes beziehungsweise auf
Insertionsvorgang eines keitsgefüllter spiralförmiger halb der Scala tympani wäh- dem Signalübertragungsver-
flexiblen Elektrodenträgers in ein Gang der Cochlea, eingeführt rend der Operation. halten zwischen den vorhan-
vergrößertes Cochlea-Modell wird. Für ein gutes Hörergeb- denen Stimulationselektroden
Quelle: Institut für für Grundlagen nis ist die Positionierung des Aktuell gibt es kaum Möglich- des Implantats. Wird das Im-
der Elektrotechnik und Messtechnik Implantates von großer Be- keiten für den Chirurgen, die plantat während der Insertion
deutung. Zudem muss eine Positionierung des Implanta- gekrümmt, nähern sich die
Verletzung der intracochlea- tes in der Cochlea während Elektroden aneinander an.
ren Strukturen, wie zum Bei- der Insertion in Echtzeit zu Hierdurch erhöht sich deren
spiel die Basilarmembran, kontrollieren. Dies ist bislang kapazitive Kopplung, was zu
nur durch Röntgenaufnahmen einer Änderung des elektri-
möglich. Eine solche Bildge- schen Wechselstromwider-
standes beziehungsweise des
Signalübertragungsverhaltens
führt [2]. Abbildung 1 zeigt bei-
spielhaft die Insertion eines
flexiblen Elektrodenträgers als
vergrößertes Modell eines
Cochlea-Implantates in ein
maßstabgetreu vergrößertes

42

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Cochlea-Modell aus Kunst- auf dem Elektrodenträger sehr Weiterhin bietet die soge- 2
stoff. Während der Instertion stark an und liegen letztlich nannte Impedanzspektro-
wird kontinuierlich die Sig- nahezu übereinander. Dies re- metrie eine Möglichkeit, die Abbildung 2
nalübertragung zwischen den sultiert in einer sehr hohen Umgebung des Cochlea-Im- Simulation der Feldverteilung
Implantatelektroden gemes- und gut messbaren Kopplung plantates noch genauer zu eines gekrümmten Elektroden-
sen. Verringert sich zum Bei- zwischen den entsprechenden analysieren. Unter Impedanz- trägers ohne Materialbelegung
spiel der Abstand der Elektro- Elektroden. Der betreffende spektrometrie wird allgemein (A) sowie mit Blut (B) und Fett
den, verbessert sich die Über- elektrische Wechselstromwi- die Analyse des elektrischen (C) bedeckt.
tragung. Aus diesem von der derstand wird sehr klein. Die Wechselstromwiderstandes Quelle: Institut für für Grundlagen
Geometrie des Implantates ab- rechtzeitige Indikation einer zwischen zwei Elektroden in der Elektrotechnik und Messtechnik
hängigen Übertragungsver- solchen Elektrodenfehllage er- Abhängigkeit der Frequenz
halten zwischen allen Elektro- möglicht eine einfache intero- verstanden. Die Abhängigkeit
den kann nun in Echtzeit auf perative Korrektur durch den des elektrischen Wechsel-
die Krümmung des Implanta- operierenden Chirurgen. stromwiderstandes zwischen
tes geschlossen werden den Elektroden eines Cochlea-
In der Literatur wird beschrie- Implantates von der Frequenz
Weiterhin hat nicht nur die ben, dass bei Operationen von wird unter anderem über das
Krümmung, sondern auch die Cochlea-Implantaten mit einer umgebende Medium und
Umgebung des Cochlea-Im- Fehlerrate von bis zu 4,7 Pro- dessen frequenzabhängige
plantates einen erheblichen zent gerechnet werden kann. elektrische Eigenschaften be-
Einfluss auf den elektrischen Bei fehlender Indikation eines stimmt. Dies bietet eine ein-
Wechselstromwiderstand zwi- Tip Fold-overs während der fache Möglichkeit auch lang-
schen den Elektroden bezie-
hungsweise auf das Signal- Operation ist eine genaue Po- fristig die Zusammensetzung
übertragungsverhalten. Somit sitionierung des Cochlea-Im- der Perilymphe zu überwa-
ist auch eine Annäherung plantates um den zentralen chen und einen möglichen
des Elektrodenträgers an die Hörnerv nicht mehr möglich. späteren Zellbewuchs auf den
Wand der Scala tympani über Um diesen Fehler zu beheben, Elektroden, der die Funktio-
eine Messung des elektrischen ist dann eine Revisionsopera- nalität des Cochlea-Implanta-
Wechselstromwiderstandes tion notwendig, was zu einer tes erheblich einschränken
erkennbar, da sich die elektri- erhöhten Belastung für den kann, zu erkennen.
schen Eigenschaften des flüs- Patienten führt. Über die kon-
sigen Mediums, der Perilym- tinuierliche Messung des elek- Beispielhaft zeigt Abbildung 2
phe, in der Scala tympani trischen Wechselstromwider- Simulationen der elektrischen
stark von den elektrischen standes beziehungsweise des Feldverteilung zwischen den
Eigenschaften des Gewebes Signalübertragungsverhaltens Elektroden für unterschiedli-
der Wand der Scala tympani zwischen den Elektroden des che Materialbelegungen auf
unterscheiden. Ziel unserer Cochlea-Implantates können den Elektroden. Es wird deut-
Forschung ist daher die konti- Informationen über die Positi- lich, dass die Bedeckung der
nuierliche Messung der elekt- on des Implantates und einen Elektroden mit verschiedenen
rischen Parameter während möglichen Tip Fold-over ge- Materialien, wie Blut oder
der Insertion, um hieraus die wonnen und dem operieren- Fett, das elektrische Feld und
aktuelle Position des Implan- den Chirurgen in Echtzeit zur damit den elektrischen Wech-
tates, d.h. den Abstand zur Verfügung gestellt werden, selstromwiderstand unter-
Wand der Scala tympani und um eine solche Revisionsope- schiedlich beeinflusst.
die Krümmung des Implan- ration zu vermeiden.
tats, in Echtzeit zu bestimmen.

Darüber hinaus kann auch
eine Elektrodenfehllage, ver-
ursacht durch ein Umknicken
der Implantatspitze (Tip Fold-
over), sehr einfach über die
oben genannte Methode er-
kannt werden. Hierbei legt
sich der Elektrodenträger
nicht wie gewünscht um den
Hörnerv, sondern die Spitze
knickt während der Insertion
zu früh in der Scala tympani
um. In diesem Fall näheren
sich die vorderen Elektroden

43

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

Ziel der weiteren Forschung elektrischen Wechselstrom- plantates einen neuartigen
ist also auch eine langfristige widerstandes zwischen den Ansatz zur Überwachung der
Zustandsüberwachung des Elektroden von der Frequenz. Implantatposition in Echtzeit
Cochlea-Implantates. Zum Zusätzlich kann mittels der bietet. Dies geschieht ganz
Beispiel führt ein Bewuchs Impedanzspektrometrie die ohne zusätzliche Sensoren.,
von Fibrozyten (Zellen des natriumreiche Perilymphe aus da nur die vorhandenen Sti-
Bindegewebes) auf dem Elekt- der Scala tympani von der ka- mulationselektroden genutzt
rodenträger zu Gewebeschich- liumreichen Endolymphe aus werden. Während die Über-
ten, die die elektrische Stimu- der Scala Media unterschie- wachung der Implantatpositi-
lation des Hörnervs deutlich den werden, so dass sich eine on hauptsächlich für eine
stören und so einen erneuten Insertion des Implantates in atraumatische Insertion rele-
schweren Hörverlust verursa- den falschen Hörgang unmit- vant ist, ermöglicht die Erken-
chen können. Die Detektion telbar erkennen und durch nung von Zellwachstum auf
eines solchen Zellbewuchs den Chirurgen korrigieren den Implantatelektroden und
kann insbesondere über das lässt. die Analyse der Perilymphe
charakteristische so genannte eine langfristige Zustands-
Dispersionsverhalten von Zusammenfassend kann überwachung. Weitere schwe-
Zellen geschehen. Gemeint festgestellt werden, dass die re Hörverluste trotz Cochlea-
ist hier die Messung der Fre- Messung des elektrischen Implantat können so viel
quenzabhängigkeit der elekt- Wechselstromwiderstades früher behandelt und idealer-
rischen Material- beziehungs- beziehungsweise des Signal- weise vermieden werden, was
weise Zelleigenschaften und übertragungsverhaltens auch die Notwendigkeit von
die damit einhergehende Ab- zwischen den Stimulations- Ex- und Reimplantationen
hängigkeit des gemessenen elektroden des Cochlea-Im- reduziert.

Referenzen

Christian Thoben, M. Sc. Prof. Dr.-Ing. Stefan [1] Kobler, J.­P., Beckmann, D., Rau, T. S.,
Jahrgang 1988, ist seit 2016 Zimmermann Majdani, O., Ortmaier, T.: An automa­
wissenschaftlicher Mitarbeiter ted insertion tool for cochlear im­
am Institut für Grundlagen der Jahrgang 1970, ist seit 2009 plants with integrated force sensing
Elektrotechnik und Messtechnik Professor für Sensorik und capability. International Journal of
im Fachgebiet Sensorik und Messtechnik an der Leibniz Uni­ Computer Assisted Radiology and Sur­
Messtechnik. Seine Forschungs­ versität Hannover und Leiter des gery 9(3), 481–494, 2014.
schwerpunkte liegen in der me­ Institutes für Grundlagen der
dizintechnischen Sensorik und Elektrotechnik und Messtechnik. [2] Thoben C, Reinecke T, Martin J, Zim­
dem schnellen Nachweis klein­ Seine Forschung konzentriert mermann S, Realtime monitoring of
ster Stoffkonzentrationen in sich auf neuartige chemische the position of a cochlea implant du­
Flüssigkeiten mittels Ionenmobi­ und physikalische Sensorprinzi­ ring insertion in an internal ear phan­
litätsspektrometrie. Kontakt: pien sowie innovative Messver­ tom, Technisches Messen, vol. 84, no.
[email protected]­hannover.de fahren und ganze Messsysteme S1, pp. 98­101, Clausthal­Zellerfeld,
inklusive der erforderlichen Germany, September, DOI: 10.1515/
Elektronik vornehmlich für me­ teme­2017­0043
dizin­, umwelt­ und sicherheits­
technische Anwendungen. Im
Vordergrund stehen elektro­
magnetische Messverfahren
und die Ionenmobilitätsspektro­
metrie. Kontakt: zimmermann@
geml.uni­hannover.de

44

im Sockelgeschoss des Welfenschlosses,

LeibnizSHOPWelfengarten 1, 30167 Hannover
Der Shop der
Leibniz Universität Hannover
Welfenschloss
Welfengarten 1
30167 Hannover
Öffnungszeiten
Montag bis Freitag
10.00 - 14.00 Uhr

www.leibnizshop-uni.de

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Flexibel und druckempfindlich

Sensoren für die Insertionsüberwachung in der Cochlea

Das Einsetzen eines Cochlea- Beschäftigt man sich näher zellen Impulse auslösen, die Drucksensoren in das Implan-
Implantats in die Hörschnecke damit, welche Mechanismen wiederum über den Hörnerv tat zu integrieren.
ist eine komplizierte Operation, greifen müssen, damit Mensch zum Gehirn gelangen. So ist es
und Tier Schallwellen in der nicht verwunderlich, dass eine Speziell für die Messung von
die nicht immer ohne Luft als Töne wahrnehmen Fehlfunktion in der Kette ein Drücken, die während der In-
Schädigung des empfindlichen können, stellt man fest, dass fehlendes Hörempfinden aus- sertion von Cochlea-Implanta-
das Hören eine komplizierte lösen kann. Liegt der Fehler in ten bei dem Kontakt zwischen
Gewebes einhergeht. Sache ist. Der Hörapparat be- der Cochlea und sind die Implantat und Gewebe entste-
steht aus mehreren Teilen: die Nervenzellen intakt, können hen (Kontaktdrücke), unter-
Forschungsarbeiten am Institut Hörmuschel, der Gehörgang, Cochlea-Implantate künstliche sucht das IMPT ein Sensor-
für Mikroproduktionstechnik das Trommelfell, das Mittelohr Reize auslösen, um wenigs- konzept, das auf Magnetis-
mit den Gehörknöchelchen, tens einen Bruchteil des Hö- mus basiert. Kernelement des
(IMPT) konzentrieren sich das Innenohr mit der Cochlea, rens zu ermöglichen. Vor al- Sensors stellt eine sehr dünne
deswegen auf die Entwicklung auch Hörschnecke genannt, lem bei Kleinkindern ist das metallische Schicht aus einer
einer Sensorik im Implantat, und der Hörnerv. Jeder Teil Einsetzen dieser Implantate Legierung von Nickel und Ei-
übernimmt eine andere Rolle erfolgversprechend, weswe- sen dar. Diese Schicht ist für
die dem Chirurgen während bei der Umwandlung von gen es extrem wichtig ist, jegli- gewöhnlich 100 nm dick; ein
des Eingriffs helfen soll, Schallwellen in Nervensignale, che weitere Schädigung wäh- menschliches Haar ist dage-
die das Gehirn verarbeiten rend des Einsetzens zu ver- gen im Durchschnitt etwa 70
Verletzungen zu vermeiden. kann, zum Beispiel die Schall- meiden. Um dabei zu helfen, µm dick, fast eintausend Mal
weiterleitung von der Hörmu- ist es ein Ziel, die Implantate dicker. Wenn die Legierung so
Abbildung 1 schel zum Trommelfell, die mit Sensorik auszustatten, um dünn vorliegt, weist sie einen
Schema des Sensorkonzepts Umwandlung der Schallwel- dem Operateur Hilfestellung sogenannten AMR Effekt auf
Grafik: Maren Prediger, M.Sc. len in mechanische Schwin- während des Eingriffs zu ge- (anisotroper magneto-resisti-
gungen an den Gehörknöchel- ben. Zusätzlich zu den Mög- ver Effekt). Im Wesentlichen
chen und die Einkopplung lichkeiten, die Position und bedeutet dies, dass sich der
der Schwingungen in die Krümmung des Implantats elektrische Widerstand inner-
Cochlea. Dort werden die mit Hilfe von Impedanz und halb der Schicht in Abhängig-
Schwingungen von Härchen Transmission zu bestimmen, keit von dem Umgebungsma-
aufgenommen, die an Nerven- wird daran geforscht, flexible gnetfeld ändert. Gibt man

1

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Hörforschung Leibniz Universität Hannover

dieser Schicht zusätzlich eine 2 Abbildung 2
gewisse Form (zum Beispiel Schema des flexiblen Sensors mit
ein Mäander, eine Form mit 3 Durchkontaktierung
mehreren Windungen, zu ver- Grafik: Christian Wittek, B.Sc.
gleichen mit den Windungen zu gestalten. Am IMPT wur-
eines schlängelnden Flusses), den bisher erfolgreich AMR Abbildung 3
kann man den AMR Effekt Sensorschichten auf den star- Flexible Sensoren mit
verstärken und betonen. Im ren Substraten Silizium und Durchkontaktierung im Array
vorgestellten Sensorkonzept Glas hergestellt. Nun wurde Foto: Christian Wittek, B.Sc.
macht man sich den magneto- ein Prozess entwickelt, um die
resistiven Effekt zu Nutze, in- von nebeneinanderliegenden Sensorschicht auf einem flexi-
dem man die Sensorschicht in Sensoren auf einem Array ge- blen Substrat, wie zum Bei-
Kombination mit einem elasti- messen, wenn eine definierte spiel Polyimid zu ermögli-
schen Material verwendet, das Kraft auf den Elastomer aus- chen. Dieses Material ist im
mit magnetischen Partikeln geübt wurde. Dabei zeigten Vergleich zu den Silizium-
gefüllt ist. So wird dem elasti- Sensoren, die weiter von der und Glassubstraten wesent-
schen Material (auch Elasto- Position des Krafteintrages lich dünner (etwa sechs Mik-
mer genannt) eine magneti- entfernt waren, eine schwä- rometer im Vergleich zu etwas
sche Eigenschaft verliehen, chere Widerstandsänderung. mehr als einem halben Milli-
im konkreten Fall ein Magnet- So kann mit der Stärke der meter bei Glas und Silizium)
feld, das vom Elastomer aus- Widerstandsänderung auf die und zudem auch biokompati-
geht. Wird das Elastomer ver- räumliche Lage der Druckstel- bel. Der Prozess hat darüber
formt, nimmt es den Druck le geschlossen werden. Diese hinaus den Vorteil, dass die
auf, wodurch sich die Lage Versuche verdeutlichen, dass Kontaktierung zum Auslesen
der Partikel ändert und somit das Sensorkonzept ein viel- des Sensorsignals nicht mehr
das Magnetfeld. Die Verände- versprechender Ansatz ist. in derselben Ebene mit der
rung kann von der Sensor- Jedoch wurde das Konzept in Sensorschicht liegt. Mittels
schicht registriert werden, so- diesen Versuchen mit starren
dass man indirekt auf die aus- Basismaterialien erprobt (Sub-
geübte Kraft schließen kann strat aus Glas). Das übergeord-
(und über die Fläche auf den nete Ziel ist es, das System für
Druck). So entsteht ein zwei- die biomedizinische Anwen-
teiliges Sensorkonzept, dessen dung so flexibel wie möglich
Komponenten getrennt vonei-
nander entwickelt und unter-
sucht werden können, um das
Gesamtsystem schlussendlich
an die Anwendungsanforde-
rungen anzupassen.

Zunächst wurde das Konzept
in ersten Versuchen mit einer
Sensorschicht auf starrem
Glas und einer elastischen
Schicht aus dem Elastomer
Polydimethylsiloxan (PDMS)
getestet und die Ergebnisse
sind vielversprechend. Auf
das Elastomer wurde eine
definierte Kraft ausgeübt und
der Widerstand des Sensors
gemessen. Dabei zeigte sich,
dass mit einem Anstieg der
Kraft eine proportionale Ver-
änderung des Widerstandes
registriert werden konnte, die
sich nahezu linear verhält. Ein
lineares Verhalten ist für Sen-
soren ideal, da man einfach
auf die einwirkende Kraft zu-
rückschließen kann. Zusätz-
lich wurden die Widerstände

47

Hörforschung Leibniz Universität Hannover

4 spezieller Techniken wurden Zusätzlich zu den empiri-
Durchkontaktierungen durch schen Entwicklungen und Er-
Abbildung 4 das flexible Material herge- kenntnissen ist es auch wich-
Schema des glasbasierten stellt. So kann der notwendige tig, das Verhalten des Elasto-
Sensors mit Durchkontaktierung Platz für die elektrischen Ver- mers und der Partikel genau
und partikelgefülltem Elastomer bindungen im Implantat redu- zu kennen und vorhersagen
Grafik: Maximilian Aue, B.Sc. ziert werden. In Anlehnung zu können. Speziell die me-
an diesen Prozess wurde in chanischen und magnetischen
Maren Prediger, M. Sc. Zusammenarbeit mit der Fir- Eigenschaften müssen hierbei
Jahrgang 1991, ist wissen- ma LPKF außerdem ein ver- beachtet und in einem Modell
schaftliche Mitarbeiterin am gleichbarer Prozess für das beschrieben werden, da sich
Institut für Mikroproduktions- Substratmaterial Glas entwi- das Elastomer idealerweise
technik. Ihre Arbeitsschwer- ckelt, um auch dort eine komplett reversibel verhalten
punkte sind dünnfilmtechnische Durchkontaktierung zu ver- muss, um ein replizierbares
Prozessentwicklung für AMR wirklichen. Je dünner das Sensorsystem zu gewähren.
Sensoren. Kontakt: prediger@ Glassubstrat, desto flexibler ist Mithilfe des Modells kann
impt.uni-hannover.de es, so dass sich die momenta- man die Wechselwirkung
nen Arbeiten damit beschäfti- zwischen dem Elastomer und
gen, die Sensorleistungen in der Sensorschicht abschätzen
Abhängigkeit des Substratma- und mit den Ergebnissen aus
terials zu evaluieren. Letzt- realen Versuchen vergleichen.
endlich kann zwischen star- Dies soll es ermöglichen, bei
ren und flexiblen Substraten der Herstellung auf Trial and
gewählt werden, was dem Ge- Error zu verzichten und mit
samtkonzept eine enorme Fle- wenig technischem und mate-
xibilität hinsichtlich der An- riellem Aufwand zu einer für
wendungsbreite und Anpas- die Anwendung ausgelegten
sungsfähigkeit verleiht. Komponente zu gelangen.
Diese Arbeiten sind einerseits
Dr.-Ing. Marc Christopher Wurz Teil eines Projektes, das in
Jahrgang 1974, ist Oberinge- einem großen Sonderfor-
nieur am Institut für Mikropro- schungsbereich der Leibniz
duktionstechnik. Seine Arbeits- Universität Hannover und der
schwerpunkte liegen in den Be- Medizinischen Hochschule
reichen magnetischer Sensoren Hannover beantragt wird,
und Aktoren, neue Technologien und andererseits Inhalt eines
für die Systemintegration in Projekts, das vom Institut
Kombination mit neuen Ferti- selbst angestrebt wird. Im
gungstechnologien für die Großen und Ganzen soll es
Mikrosystemtechnik. Kontakt: mithilfe des im Cochlea-Im-
[email protected] plantat integrierten magneti-
schen Sensorkonzeptes nicht
nur möglich sein, die
Druckausbildung während
des Einsetzens zu überwa-
chen. Idealerweise kann es
auch dazu genutzt werden,
postoperativ Schwankungen
des Flüssigkeitsdrucks inner-
halb der Cochlea wahrzuneh-
men. So würde der Sensor
auch zu einer diagnostischen
Einheit, die vor weiteren Schä-
den am Gehör durch zu hohen
Flüssigkeitsdruck warnen
kann.

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